Der Geist Gottes führt zusammen
Um den Geist Gottes, den Geist der Nächstenliebe und Solidarität am Leben zu erhalten, bedarf es einer Gemeinschaft, die von ihm wissen will. Damals wie heute. Der Geist Gottes führt zusammen. Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. In einer Zeit, als noch unklar war, wie diese Bewegung Jesu, überhaupt weitergeht, war es lebensnotwendig, zusammenzustehen, Gemeinschaften zu bilden. Diese Gemeinschaft entwickelt seitdem im Geist Gottes eine unbändige Kraft. Individuell wäre das nie zu schaffen. Der Geist verändert die Beziehungen untereinander, schweißt zusammen, bestärkt, ermutigt. Im Zusammensein entsteht eine Kraft und Energie, die den Himmel nicht unberührt lässt. Ein heftiges Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, erfüllt das Haus.
Die Bibel erzählt uns bildhaft Gewaltiges, Unvorstellbares, Unbegreifliches, versucht einzufangen, was in Worten wahrscheinlich nur ansatzweise zu fassen ist. Lassen wir uns von dieser Sprache berühren, im Bewusstsein, dass es eine Sprache alter Texte ist, und genießen wir, dass wir, wie der Theologe Fulbert Steffensky es treffend formuliert, Gäste sein dürfen bei diesen großen Lebensbildern. Wir sind in dieser Sprache nicht oder nicht mehr zu Hause, dürfen uns aber trotzdem hineinnehmen lassen in diese geisterfüllten Ereignisse, von denen unsere GlaubenszeugInnen erfüllt waren.
Der Geist Gottes holt alle in diese Gemeinschaft herein
Der Geist Gottes lässt niemanden aus, holt alle in diese Gemeinschaft herein. Zungen wie von Feuer verteilten sich auf jede und jeden von ihnen. Da musste doch förmlich das Herz zu lodern oder gar zu brennen anfangen. Alle wurden mit dem Geist Gottes erfüllt. Und dieser Geist rührt an und um. Die Rede vom Geist ist eine Rede über eine konkrete Praxis, die sich ergibt, wenn man von diesem Geist voll ist. Vom Geist erfüllt begannen sie, in fremden Sprachen zu sprechen, wie der Geist es ihnen eingab. Diese neue Gemeinschaft begeistert, stärkt und wirkt, setzt in Bewegung und lässt die Angst verlieren. Das Erlebte will anderen mitgeteilt werden. Ja, ich lebe nicht aus mir heraus, sondern aus dem Geist Gottes, und das in einer Gemeinschaft, die trägt und hält. Dazu sollen auch andere eingeladen werden. Der Geist eröffnet fremde Sprachen und damit ein Verstehen über den bisherigen Horizont hinaus. Die eigene Kleingeistigkeit wird durchbrochen. Die begeisterte Gemeinschaft setzt sich in Bewegung. Neues kommt in Gang, Gewohntes wird durchbrochen. Auf andere zugehen, verändert auch selbst.
Der Geist zeigt Wirkung nach außen
Der Geist zeigt Wirkung. Auch nach außen. Alle, die aus den unterworfenen Völkern des römischen Reiches nach Jerusalem gekommen sind, hören und verstehen die Galiläer in ihrer Sprache: Eine klare antiimperiale Pointe des Textschreibers. Wer sich verständlich machen kann, die Sprache des Volkes spricht, ist gefährlich. Jene, die sich nicht darauf einlassen wollen, was die JüngerInnen begeistert erzählen, versuchen, sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Sie spotten, dass sie betrunken seien von süßem Wein, und damit sollen sie nicht ernst genommen werden. Von Gott und dem zu erzählen, wovon das Herz voll ist, war also immer mit Widerstand verbunden. Doch das Erstaunen über die Galiläer überwiegt. Kennen wir nicht auch Erfahrungen, wo wir uns mit wenigen Worten, teils mit Händen und Füßen einander verständlich gemacht haben, wo es nicht auf die richtige Grammatik oder die genaue Aussprache ankam, die Wahl der Worte nicht entscheidend war? Weil, ja weil der Zugang zueinander im Wesentlichen eine Frage der Einstellung ist, abhängig von einem verständnisvollem Herz, getragen von Respekt, Akzeptanz, Wohlwollen und Barmherzigkeit. Wo die Begeisterung durchschlägt, da trifft Geist auf Herz, da kommt eine neue Praxis in Gang, nämlich sich verstehen zu wollen, aufeinander zu- und einzugehen, miteinander in Berührung zu kommen. Mit dem Herzen zu hören wird wesentlich. So ereignet sich wirkliche Begegnung.
Grenzenlos
Die Begeisterung kennt keine Grenzen, das solidarische Leben aus dem Glauben an den lebendigen Gott will allen mitgeteilt werden: Parthern, Bewohnern von Juda, jenen aus der Provinz Asien, auch den Römern. Alle sollen eingeladen werden, an diesem Geist, an diesem Leben teilzuhaben, sich zu beteiligen. Verkündet werden die großen Taten Gottes. Es geht nicht um Redseligkeit, um Selbstinszenierung, um die Vermarktung der eigenen Bewegung, nein, in ihren Reden, in ihrem Erinnern verweisen die JüngerInnen über sich hinaus. Die Buntheit der Sprachen ist auch eine Kritik an der Pax Romana, an der römischen Besatzung, wo letztlich nur mehr die Sprache der Sieger, des Kaisers, der Herrschaft gilt. Dagegen braucht es neue Hoffnungen und Sehnsüchte und eine gemeinschaftliche Kurskorrektur, letztlich eben eine neue Sprache des Lebens.
Wenn es um Jahwe und die Erfüllung seiner Tora, seiner Weisungen zum Leben geht, dann wird Leben möglich, grenzenlos, für alle. Es gibt kein Leben ohne diesen Geist.
Der Geist bringt neue Allianzen ins Spiel, er verweist darauf, dass Juden und Gojim, also Heiden zusammenfinden sollen. Dieses Zusammenfinden soll in den Gemeinden Gestalt bekommen. Die Gemeinde ist die neue Art gemeinschaftlich zu leben, mit der Wirklichkeit umzugehen, ein Versuch des richtigen Lebens im Falschen, in einer Welt des Gegeneinanders und der Vereinzelung. Hier braucht nicht jeder und jede seines und ihres Glückes Schmied zu sein, weil das Teilen des Lebens, das Teilen von Fähigkeiten, von Wissen und Erfahrungen im Geist Gottes einander neu verbindet. Der Geist weht letztlich nur in Gemeinschaften, die ihm Wohnung geben. Dort ist neues Verstehen unter Menschen auch unterschiedlicher Sprachen konkret möglich.
Die Sprache des Geistes Gottes
Welche Sprache finden wir, um unseren Glauben mitzuteilen, von unseren Hoffnungen zu erzählen, begeistert zu unserer Gemeinschaft einzuladen?
Die Bibel stellt nicht die Frage, was der Geist ist, sondern wie er konkret in Menschen wirkt. Die Wirkgeschichte ist wesentlich. An der mitmenschlichen Lebensweise ist ablesbar, wer vom Geist beseelt ist. Der Geist verbindet uns mit Jahwe, mit der Tradition Jesu und erinnert uns immer wieder an die Anwesenheit des Abwesenden. Er vergegenwärtigt uns den Auferstandenen in dieser Welt. Wenn wir Brot brechen und teilen, sehnen wir eine Welt herbei, in der es genug für alle gibt, in der ein gutes Leben für alle möglich ist. Unser Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, für eine andere, menschliche Welt, das ist heiliger Geist. Dass wir nicht nachlassen, immer wieder Worte der Ermutigung zu finden, auch des Protests, dass wir uns nicht stumm machen lassen. Der Geist ist bewegende Kraft, Intuition, eine Gegenkraft gegen alles, was hart, rigide, kalt, unmenschlich und versteinert ist. Je mehr wir uns aufeinander einlassen, desto mehr kann der Geist Gottes in uns und um uns wirken. Der Geist Jesu ruft zur Auferstehung.
Auferstehung aus dem Tod ist das Konkreteste, das man in seinem Leben machen kann, in allen Lebensbereichen, in der Arbeitswelt, in der Familie, in Beziehungen, im Leben mit Kindern. Auferstehung bedeutet, dass wir nicht zulassen, dass auch nur ein Mensch erniedrigt wird, vergessen, getreten. Dazu soll uns der Geist Gottes erinnern, wachrütteln, ermutigen, immer wieder auch trösten und uns begleiten zu einem neuen Leben, wo wir einander Nächste sind.
Der Geist Gottes wirkt Unterschiedliches
Unterschiedlich wirkt der Geist in verschiedenen Menschen. Auch davon können wir in der Bibel immer wieder lesen. Der Geist macht aus Töchtern Prophetinnen und lässt junge Männer Visionen haben, auch Knechte und Mägde werden Propheten sein. Gewohnte Herrschaftsverhältnisse werden im Geist Gottes aufgehoben. Paulus schreibt von verschiedenen Gnadengaben, Charismen aus dem einen Geist, wie Weisheit, Erkenntnis, prophetisches Reden, die Gabe, Krankheiten zu heilen, Geister zu unterscheiden, verschiedene Arten des Zungenredens, beziehungsweise dieses zu deuten. Alles bewirkt ein und derselbe Geist, einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu. (1 Kor 12). Wesentlich werden diese Gaben aber erst, wenn sie miteinander in Beziehung gebracht werden, geteilt werden. Die Geistgaben dienen nicht dem Einzelnen, sondern dem Aufbau der Gemeinde, und alle Charismen sind wichtig und wesentlich, damit ein neues Miteinander gelingt, herrschaftsfrei gemeinschaftlich, radikal aufeinander angeweisen. Denn wir können uns nicht selbst retten. "Dein Reich komme" ist die Bitte um unbedingte Gemeinschaft und Solidarität aller und das Ende aller Herrschaft als Anfang einer neuen Menschlichkeit.
Der Geist bewirkt ein Umdenken, eine Umkehr der Herzen, eine Denkhaltung der Veränderung, eine Bekehrung aufeinander zu. Wenn wir diese Umkehr mitvollziehen, entsteht eine neue Gesellschaft, eine Gesellschaft in der alle Platz haben und in der jede Träne getrocknet wird. Komm, Heiliger Geist! Bewege mich und uns - aufeinander zu.
© Mag. Fritz Käferböck-Stelzer
Martin Stewen (2011)
Martin Leitgöb (2004)
Hans Hütter (1996)