Mahnreden
Zum Jahreswechsel ist es üblich, dass der Österreichische Bundespräsident im Fernsehen eine Ansprache hält. Ich beneide ihn keineswegs um die Chance, auf diese Weise einmal im Jahr zum ganzen Volk zu sprechen, schließlich geht es jedes Jahr um den gleichen Anlass. Worüber soll man da reden, ohne sich zu wiederholen? Andererseits ist eine große Chance, zu gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Stellung zu nehmen und von den Staatsbürgern Engagement für das Gemeinwohl einzumahnen.
Was die Aufgabe noch schwieriger macht: andere versuchen zu dieser Jahreszeit Ähnliches: Der Kardinal hält eine Weihnachtsansprache, die Zeitungskommentatoren ziehen Bilanzen und kommentieren diese und auch der kleine Gemeindepfarrer versucht, sich ein wenig Gehör zu verschaffen. Unterm Strich werden wir mit einer erklecklichen Zahl von Mahnreden konfrontiert. Die einen fordern die Rückbesinnung auf alte Werte, die anderen den Mut, Neues anzugehen, jeder aus seinem persönlichen Blickwinkel. Mahnende Worte sind von Zeit zu Zeit notwendig, sie sind jedoch mehr der Inflation ausgesetzt als unser Währungssystem. Wer hört sie noch?
Manche Berufsmahner lassen sich daher etwas einfallen, um mit ihren Botschaften ans Ohr oder gar ans Herz der Hörer vorzudringen. Ich bewundere Kabarettisten, die es verstehen, Leute nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern da und dort auch zum Nachdenken.
Religiöse Mahner
Johannes der Täufer hat sich die Rolle des religiösen Mahners gewählt, bzw. sie wurde ihm als persönliche Berufung auferlegt. Er predigte Askese und lebte sie in einer zugespitzten Weise vor. Er mahnte zur Rückkehr zu den überlieferten Werten und fand sogar Gehör bei jenen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegten und sich normalerweise gegen Moralpredigten immun zeigten.
Johannes war nicht der einzige in dieser Szene. Es gab damals unterschiedliche Gruppierungen, die eine religiöse und/oder eine politische Erneuerung anstrebten. Irgendwann stieß auch Jesus auf sie. Als er öffentliche Aufmerksamkeit gewann, begann man verständlicherweise zu vergleichen und zu fragen: Wer steht wofür? Worin unterscheiden sich die Protagonisten der Prophetenszene?
Der Evangelist Markus legt Johannes den Satz in den Mund: "Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen". Damit nimmt er auf das prophetische Markenzeichen des Johannes Bezug, der seine Zuhörer einlud, sich als Zeichen der Umkehr im Jordan untertauchen zu lassen und als erneuerte und reingewaschene Menschen wieder aufzutauchen und mit diesem Akt ein neues Leben zu beginnen. Auch Jesus vollzieht dieses Ritual. Auch für ihn ist es der Beginn eines neuen Lebensabschnittes.
Jesus lässt sich von Johannes taufen
Allerdings unterscheidet sich das Taufritual, das an Jesus vollzogen wurde von den übrigen Taufen des Johannes. Als Jesus aus dem Wasser stieg, hatte er ein Geisterlebnis, von dem wir nicht wissen, wer außer Jesus selbst davon etwas mitbekommen hat: "Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam".
Dieser Bezug zum Heiligen Geist ist der wesentliche Unterschied zwischen der Johannestaufe und der Taufe der Christen. Die Wassertaufe des Johannes ist ein persönliches Zeichen der Entschlossenheit zur Umkehr, zum Neubeginn. Die Taufe Jesu mit dem Heiligen Geist hingegen ist ein Zeichen, das nicht der Mensch allein setzt. Es wird "von oben" gesetzt. Die Stimme aus dem Himmel bringt dies zum Ausdruck: "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden".
Das Thema des Heiligen Geistes zieht sich durch die ganze Lebensgeschichte Jesu. Maria empfängt ihn vom Heiligen Geist. Der Evangelist Johannes charakterisiert ihn als den »Logos« - Wort, Geist, Sinn, Weisheit – der Fleisch geworden ist. In der Taufe im Jordan kommt der Heilige Geist auf ihn herab und nimmt ihn gleichsam in Besitz. Er führt ihn zunächst in die Wüste und treibt ihn dann, das Evangelium Gottes zu verkünden. Nach seiner Auferstehung haucht er den Jüngern den Heiligen Geist ein und sendet sie damit in die ganze Welt.
Mit Heiligem Geist getauft
Die Christen übernehmen das Zeichen der Taufe vom Täufer Johannes und vollziehen es in Anlehnung an die Taufe Jesu als ein Zeichen, das Gott an uns Menschen wirkt. Er macht uns dadurch zu neuen Menschen, beseelt vom seinem Heiligen Geist. Wir werden nicht neu aus eigener Kraft sondern durch das Wirken des Heiligen Geistes. Damit nehmen wir teil an der Sendung Jesu in diese Welt. In uns und durch uns erneuert er die Welt.
Vielleicht haben sie rund um den Jahreswechsel auch Bilanz gezogen und sich gefragt: Was will ich in Zukunft an meinem Leben ändern? Vielleicht haben Sie sich inspirieren lassen von dem, was Sie sich von Personen Ihrer Wertschätzung haben sagen lassen. Die Frage ist: Wie lange reicht unser Atem, diese Vorsätze auszuführen? Manche Neujahrsvorsätze sind sehr kurzlebig. Und für vieles, was zu tun wäre, fühlen wir uns zu klein und machtlos.
Als vom Heiligen Geist beseelte Menschen verfügen wir zwar über keine Zaubertaste, durch die uns das möglich wäre, was andere nicht schaffen, wir wissen uns aber als vom Heiligen Geist beseelte Menschen in Gemeinschaft mit Jesus Christus, der in uns und durch uns die Welt verändert. Er hat zeit seines Erdenlebens keine Kraftakte gesetzt und trotzdem Wunder gewirkt. Er hat Menschen, die offen waren für eine Begegnung mit ihm und mit Gott, von innen her verwandelt. Sie haben ein neues Leben begonnen und etwas von dem verwirklicht, was er als Reich Gottes angekündigt hat.
Was können wir als mit Heiligem Geist Getaufte tun? Uns immer neu diesem Geist öffnen, den Unterschied herausfinden zwischen dem, was er uns heute sagt, und dem Zeitgeist oder sonstigen menschlichen Ideen. Dies ist ein kontinuierlicher Wachstumsprozess, der in und mit jedem Menschen neu beginnt, der sich dem Wirken des Geistes Gottes anvertraut und sich taufen lässt.