Wenn Bilder purzeln
Verstehe ich richtig? Der Herr hat sich auf eine Hochzeit begeben - und ich soll auf ihn warten? Ohne dass er mir sagt, wann er kommt? Halt! Mag sein, dass Herren Allüren haben, aber am Abend ziehe ich mir den Rock aus und lösche das Licht. Ich schau auf die Uhr: Morgen ist auch noch ein Tag!
Fast schmeichelnd erzählt Lukas, aus dessen Feder heute die Frohe Botschaft ist, dass der Herr, wenn ich denn auf ihn warte, die Verhältnisse umkehrt: Er zieht sich die Schürze an, bittet mich zu Tisch - und bewirtet mich. Nicht Fingerfood, schnelle Küche oder so - ein richtig tolles Mahl. Wenn ich schon nicht auf der Hochzeit dabei sein konnte - jetzt bin ich sogar die Hauptfigur. Haken ist nur: wachen. Ihn erwarten. Ihm entgegengehen. Sprich: Gestiefelt und gespornt. Mach das Licht nicht aus, sage ich mir. Es ist doch nur die eine Nacht.
Aber die Bilder purzeln dann doch durcheinander. Ich lege mich nicht zur Ruhe - aber der Herr kommt auch nicht. Wie lange ich jetzt schon warte!
Langer Atem
Auffällig ist das schon: In dem, was Jesus sagt, gibt es nichts Wichtigeres - als auf ihn zu warten, mit ihm zu rechnen, ganz und gar präsent zu sein. Was sonst noch zu tun ist - kein Wort davon. Was im Kalender steht - unter Vorbehalt. Was mich bewegt und in Atem hält - zurechtgestutzt. Also wirklich: Jesus setzt auf einen langen Atem. Und traut mir zu, ihn zu haben. Ich bin überrascht. Wo ich doch so kurzatmig bin, ständig hinter mir her laufe, oft sogar ohne Plan.
Darum geht es denn auch: etwas ganz Wichtiges im Kopf und im Herzen zu haben, alles dafür zu geben - und nicht auf der Strecke zu bleiben. Schön, einen langen Atem zu bekommen. Lukas erzählt das an vielen anderen Stellen in seinem Evangelium, wie der Geist Gottes Menschen in Schwung bringt, ungeahnte Kräfte verleiht, Welten aus den Angeln hebt. Und wenn wir schon einmal dabei sind: es ist auch der Geist Gottes, der Jesus bewegt und seinen Weg bestimmt. Immer wieder taucht er auf, verschwindet auch wieder, aber seine Spuren sind unübersehbar. Er will eben immer wieder kommen. Und den langen Atem schenken, der aus der Welt Gottes in unser Leben weht. Beglückend ist das allemal. Trübsal wird in seiner Gegenwart nicht geblasen!
Lohnendes Warten
Was das wohl heißt, auf Jesus zu warten? Viele Beispiele könnten wir in der Geschichte der Kirche finden - und in ihrer Nähe. Träume, Illusionen - und Enttäuschungen. Ja, Enttäuschungen! Menschen hatten schon ihre Häuser verkauft, weil sie mit der Ankunft Jesu rechneten - er kam nicht. Oft wurden sie Opfer großartiger Prediger und Rechenkünstler, oft auch Opfer ihrer eigenen Sehnsucht nach einer heilen Welt.
Nur: ER bricht nicht in die Welt ein, ER rottet auch die Bösen nicht aus, ER kommt nicht mit Feuer und Schwefel. Und trotzdem bleibt die Welt nicht so, wie sie ist. ER kommt tatsächlich als Diener, bindet sich - um im Bild zu bleiben - die Schürze um, wäscht seinen Jüngern die Füße und deckt uns einen reichen Tisch. Ein Hochzeitsmahl!
Auf einmal wird immer deutlicher, was Jesus mit dem Warten meint: Auf ihn warten heißt, uns an ihm ein Beispiel zu nehmen, die Welt nicht abzuschließen, Menschen nicht aufzugeben. Sein Bild vor Augen, überbrücken wir lange Durststrecken und durchmessen Abgründe. Manchmal stellvertretend für andere, manchmal miteinander.
Manchmal gibt es nicht einmal eine Alternative als - Warten!
Ich denke jetzt an eine Frau, die ich vor ein paar Tagen besuchte. Sie musste einfach einmal loswerden, was sie seit langer Zeit bedrückt. Langsam kommt dann auch die Enge heraus, in der sie lebt - und die sie so einfach nicht verlassen kann. Erst erzählt sie von einer ausweglosen beruflichen Situation, dann von ihrem heroinabhängigen Sohn. Schon ihr Mann, in jungen Jahren verstorben, sei Alkoholiker gewesen. Sie kann nicht mehr. Die fremden Süchte fressen sie auf. Sie kann aber auch nicht aufgeben. Im Gespräch leuchtet immer wieder auf, dass sie ihren Sohn nicht aufgibt. Kleine, winzige Schritte sollen ihn in ein "normales" Leben führen. Sie begleitet jeden Schritt. Ich ahne, wie mühsam das ist - einen anderen Menschen nicht fallen zu lassen. Klar, von Hochzeit ist nicht die Rede, wohl aber von treuer und zuverlässiger Nähe. Der kleine Wunsch einer vom Leben nicht verwöhnten Frau: Die kleine Wohnung für sich allein zu haben - und das große Kind auf eigenen Füßen.
Diese Begegnung kommt mir in den Sinn, Tage danach. Ich lese das Evangelium, heute stehe ich sogar hier. Passen die beiden zusammen - die Rede Jesu und die Erzählung der Frau? Ich zögere. Es ist so einfach, es sich zu einfach zu machen. Aber eine Spur ist nicht zu übersehen: Wenn ein Mensch angenommen wird, wenn ein anderer auf ihn wartet - dann leuchtet das Evangelium, dann wird eine Verheißung wahr, dann hat das Leben noch eine Chance. Ganz versteckt im Leben von Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben. Es gibt auch unter uns so viele Menschen, die ihre Geschichten dazu tun können. Geschichten vom Warten. Aber auch Geschichten von einem wunderbaren, wundertätigen Geist.
Ich weiß: Nicht jedes Warten erweist sich als lohnend. Es gibt diese Verlorenheit, mit der Menschen so schwer fertig werden. Aber das Evangelium gebraucht, liebevoll, ein Bild, um unsere kleinen Hoffnungen groß zu machen: das Bild einer Hochzeitsfeier. Der Herr übernimmt es, den Tisch zu decken: Du darfst an ihm Platz nehmen!
Bereit sein
Eine Krone trägt das Evangelium auch. Die letzten Worte: Haltet auch ihr euch bereit!
"Bereit" ist ein tolles Wort. Es drückt Dynamik aus, Bewegung - und Beweglichkeit. Ich habe eine Aufgabe fest im Visier. Ich kann nicht überrascht werden. Ich bin ganz da.
Die Fachleute haben mir zwar längst geraten, Grenzen zu ziehen - und eben auch "nein" zu sagen, aber vorher will ich abwägen, was Leben schafft und Leben schön macht. "Nein"-Sager, Verneiner und Klugscheißer laufen schon in Scharen herum - ich glaube, es tut gut, dem Evangelium zu trauen.
Fast schmeichelnd erzählt Lukas, aus dessen Feder heute die Frohe Botschaft ist, dass der Herr, wenn ich denn auf ihn warte, die Verhältnisse umkehrt: Er zieht sich die Schürze an, bittet mich zu Tisch - und bewirtet mich. Nicht Fingerfood, schnelle Küche oder so - ein richtig tolles Mahl. Er macht mich zur Hauptfigur. Nein, ohne Haken und Ösen: Ich will wachen. Ihn erwarten. Ihm entgegengehen.
Ich mache das Licht nicht aus!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.