Die auf den ersten Blick düsteren Texte des 1. Adventsonntags scheinen nicht in unsere vorweihnachtliche Stimmung zu passen. Sie schildern die Welt, wie sie ist. Sie versprechen aber auch einen neuen Anfang. Erhobenen Hauptes können wir unserer Zukunft entgegen gehen.
Apokalyptische Bilder
Ach, dass der 1. Advent in der Kirche nicht so schön riecht und schmeckt wie ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt! Es ist von bestürzten und ratlosen Völkern die Rede, von Menschen, die vergehen vor Angst, gar von einem erschütterten Himmel. Die Welt ist in Aufruhr. Nichts kann sie mehr halten, nichts tragen. Der Boden unter den Füßen gibt nach und die Sonne ist schwarz. Was im Horrorfilm, gemütlich im Kino, im Wohnzimmer bei einem Glas Wein, die Nerven kitzelt, hat sich in die Realität gewagt. In die Schlagzeilen der Zeitungen. Im Fernsehen an die erste Stelle. Hör auf! Sage ich mir. Schweig! Das ist doch kein Evangelium, keine frohe Botschaft! Und dann werde ich ganz still, entsetzt darüber, dass die apokalyptischen Bilder und Vorstellungen keine literarische Fiktion sind, nicht aus kranken Köpfen kommen und ganz einfach die Welt spiegeln, wie ich sie kenne. Bestürzte und ratlose Völker. Angst, die Menschen vergehen lässt. Ein Himmel, der leer ist und nichts mehr verspricht. Sieht so das Ende aus? Ich friere.
Erhobene Köpfe
Lukas, der seinem Freund Theophilos alles aufschreibt, was er von Jesus weiß, gehört hat, erfahren hat, verschweigt dieses dunkle Kapitel nicht. Ob er sich überwinden musste, das alles so aufzuschreiben? Vielleicht müsste er jetzt lächeln. Warum sollte ich es verschweigen? Ist es nicht so? Muss es nicht so auch gesagt werden? Aber schau: Wenn wir das sehen – was machen wir dann? Kopf in den Sand? Gekonnt weggucken? Lamentieren? Oh, bitte nicht! Richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe!
Das mit dem erhobenen Kopf gefällt mir! Wir gehen viel zu geduckt. Manchmal auch gedeckelt. Mutlos und verzagt sind wir dann. Wir stecken einander damit sogar an. Und wenn es dann nicht anders geht, hüllen wir uns in Schweigen. Oft halten wir die Bilder nicht aus, die uns zu sehen aufgenötigt werden. Die über die Monitore huschen. Die sich in Träume schleichen. Im Bild: wir gehen gedrückt, wir lassen den Kopf hängen.
Doch wenn wir mit aufrechtem Gang und erhobenen Kopf in die Welt schauen, ist das ein Zeichen der Hoffnung für viele Menschen.
Mut heißt: Hinsehen und Ernstnehmen.
Mut heißt: Hören und Verstehen.
Mut heißt: stehen bleiben und reden.
Der aufrechte Gang hat nichts mit Kriechen zu tun und unsichtbar ist er ganz und gar nicht. Der erhobene Kopf drückt nicht nur Haltung aus, er lässt sich nicht unterkriegen, nicht zusammenschreien, nicht ausrichten. Im Evangelium sehen wir den Menschen, wie er von Gott geschaffen wurde. Von ihm geliebt. Von ihm groß gemacht. Sein Ebenbild. Es geht eigentlich gar nicht anders: Ich muss aufrecht gehen und mein Haupt erheben.
Ein neuer Anfang
Was Lukas seinem Freund aufgeschrieben hat, lesen wir heute. Das Wort Evangelium steht darüber. Frohe Botschaft Jesu, frohe Botschaft von Jesus. Frohe Botschaft für uns. In Kurzform: Jesus kommt. Jesus ist nahe.
In den apokalyptischen Bildern, die auch Lukas ausmalt, taucht am Ende ein neuer Anfang auf. Wenn alles verloren zu gehen scheint, die Welt keine Heimat mehr ist, nicht einmal mehr Verlass auf Sonne und Mond ist – dann ist das letzte Wort nicht gesprochen! Gott bleibt in seiner Treue mit den Menschen, mit der Welt verbunden. Seine Schöpfung, das Werk seiner Liebe, lässt er nicht fallen. Sein erstes Wort war: Es werde Licht. Sein letztes Wort bleibt: Es wird Licht. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!“ Jesus hat das so ausgedrückt: Das Reich Gottes ist nahe. Es, er ist immer nahe, auch dann, wenn Menschen einander zum Wolf werden, wenn sie die Welt ausplündern und ruinieren, wenn sie Lebensgrundlagen und Lebensräume vernichten. Schließlich, wir haben es geahnt, wir haben es gewusst, schaffen auch Menschen die apokalyptischen Bilder und Schreckensszenarien. Von ratlosen Völkern. Von verängstigten Menschen. Von wildgewordener Natur.
Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. - So beschreibt das Lukas. Aber so groß und herrlich sich das anhört: Gerade Lukas weiß, dass Gott sich klein macht, ein Kind wird. Gerade Lukas weiß, dass Gott sich Hirten offenbart. In seinem Weihnachtsevangelium – es dauert nicht mehr lange – hören wir den Gesang der Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen seines Wohlgefallens.
Klarheit
„Siehe, Tage kommen - Spruch des HERRN - ,
da erfülle ich das Heilswort,
das ich über das Haus Israel
und über das Haus Juda gesprochen habe.
In jenen Tagen und zu jener Zeit
werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen lassen.“
So hat das der Prophet Jeremia kommen sehen. In der Lesung hörten wir es. Eine neue Zeit wird angekündigt. Und eine neue Welt.
Und Paulus zeigt uns die Konsequenz – auch das ist uns heute nicht neu:
"Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden
in der Liebe zueinander und zu allen,
wie auch wir euch lieben,
damit eure Herzen gestärkt werden
und ihr ohne Tadel seid,
geheiligt vor Gott, unserem Vater,
bei der Ankunft Jesu, unseres Herrn,
mit allen seinen Heiligen. "
Stimmt das eigentlich, dass der 1. Advent in der Kirche nicht so schön riecht und schmeckt wie ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt! Es ist von bestürzten und ratlosen Völkern die Rede, von Menschen, die vergehen vor Angst, gar von einem erschütterten Himmel. Aber auch von uns: wie wir aufgerichtet werden und mit erhobenem Haupt Zeugen und Boten der neuen Welt sind, die von Gott kommt, gekommen ist, kommen wird. In der Liebe zueinander und zu allen. Mit gestärkten und mutigen Herzen. Geheiligt vor Gott, unserem Vater. Das ist köstlicher als ein Glühwein.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Martin Stewen (2012)
Johann Pock (2000)
Hans Hütter (1997)