Glück und Erfolg zu haben ist nicht verwerflich. Manchen Menschen werden aber durch ihren Erfolg und ihren Reichtum verblendet. Sie sehen nicht mehr die anderen. Jesus fordert auf, das Leben vom Lebensspender Gott her zu sehen und anzugehen.
Vom Reichtum verführt
In diesem Evangelium konfrontiert uns Jesus mit sehr harten Worten: „Du Narr!“ - Man kann sich kaum vorstellen, dass Jesus so grob zu seinen Zuhörern geredet hat. Genau genommen ist es noch schärfer, denn er legt Gott selbst dieses harte Wort in den Mund. Gott spricht zum Reichen, der seine Scheunen für die Rekordernte erweitern lassen will. Er erinnert ihn: noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wer kann so zu einem Menschen, noch dazu einem gesellschaftlich hoch angesehenen sprechen: „Du Narr?“ Hier spricht einer, der über Leben und Tod verfügen kann, scheint es.
Der Reichtum verführt diesen „narrischen“ Menschen dazu, nicht an das Ende des Lebens zu denken. Der Reiche träumt in dieser Erzählung davon, dass er ausgesorgt hat, jahrelang nicht zu arbeiten braucht und von seinen Rücklagen leben kann: eine fette Pension, mit Abschlagszahlung, Bonus und dickem Vermögen in sicheren Wertpapieren, auf Schweizer Banken. Er scheint ein gutes Gefühl zu haben, obwohl man ihm gerade das vielleicht nicht ganz glaubt.
Wie so oft auch in anderen Evangelienstellen kritisiert Jesus den Reichen. Denken wir nur an den reichen Prasser und Lazarus, an jene die nichts abgeben wollen. Aber in unserem heutigen Evangelium darf man fragen: was - bitte - ist eigentlich so schlecht an diesem reichen Mann? Was hat er denn falsch gemacht? Das Glück hat ihm reiche Ernte geschenkt, die will er nun veranlagen. Das ist doch nicht verboten!
Endlich ausruhen
Eine Frage muss ich noch anbringen: Könnte der Reiche überhaupt tun, was er selbst sagt: „Iss und trink, und freu dich des Lebens“? Ich finde wirklich nicht, dass das etwas so Böses ist, einmal daran zu denken: ich will ausruhen. Habe doch schon genug gearbeitet und mir verdient, vom Erfolg zu zehren. Aber würde der Reiche das auch schaffen?
Ich persönlich habe Zweifel, ob der wirtschaftlich Erfolgreiche wirklich Ruhe geben und den Reichtum genießen will. Ob er es kann. Die Reichen sind oft workoholics oder jedenfalls umtriebige Spekulanten, die aus viel immer noch mehr machen müssen, zwanghaft, und nie so recht Ruhe geben können. Nur ganz selten setzen sie sich freiwillig zur Ruhe. Es sind meistens Wohlhabende, die sagen: ich will arbeiten bis 70, ja 80! Je mehr einer hat - so scheint es mir - umso mehr sucht er die Sicherheit, dass es ja nicht weniger wird, dass also auch künftig immer viel dazukommt. Psychologisch gesehen, führt das Reichsein oft nicht dazu, satt und zufrieden, sondern ängstlich, gierig und sehr besorgt um die Zukunft zu sein.
Man könnte sogar sagen: wieso will Jesus diesem Reichen das „Ruhe Haben“ nicht vergönnen? Ist es nicht schön, wenn mal einer zufrieden ist und nicht dauernd jammert, dass er noch mehr braucht? Warum soll er, wenn man Erfolg und großes Einkommen hat, nicht daran denken, dieses zu genießen?
Einfach nur Glück?
Der Reiche aus dem Lukasevangelium ist ein Großbauer oder Großgrundbesitzer. Sein Erfolg ist das Glück einer unverhofft guten Ernte! Ich bin mir nicht sicher, dass wir heuer in Österreich so etwas erleben, aber vorgekommen ist es schon. Die Natur, das Wetter schenkt uns den doppelten Ertrag. Mag sein, dass unser Großgrundbesitzer wie ein Großunternehmer nicht selbst an der Ernte mit schuftet, sondern andere für sich arbeiten lässt, jedenfalls macht er den Gewinn. Würde er nicht ganz von selbst im kommenden Jahr wieder etwas ernten? Wenn er jetzt nur seine Scheunen erweitert, braucht er gar nicht viel zu tun, außer, im Frühjahr wieder etwas anbauen zu lassen, dann kommt ja automatisch eine neue Ernte dazu.
Mit dieser Frage kommt ein neuer Aspekt ins Spiel: Arbeitet dieser Reiche selbst, oder lässt er nur für sich arbeiten? Interessant, dass auch in der heutigen Welt die Faulheit oft den Arbeitenden und Arbeitslosen der unteren Schichten zugeschrieben wird. Wer das AMS in Anspruch nehmen muss, wer 100 Bewerbungsbriefe geschrieben hat und 3x das Seminar „Wie schreibe ich einen Bewerbungsbrief?“ gemacht hat, der wird leichter verdächtigt, faul zu sein als ein anderer, der nur von der Börse und seiner Spekulation lebt und tatsächlich gar nicht daran denkt, selbst arbeiten zu wollen. Eine totale Verdrehung der Tatsachen!
Gehen wir mal davon aus, dass der Reiche aus dem heutigen Evangelium einfach Glück hat. Ob er seinen Arbeitern einen guten Lohn zahlt, oder gerade deshalb so reich geworden ist, weil er sie in Armut hält, mit Hungerlohn und schwerer Arbeit, das wissen wir nicht. Oft haftet dem Reichtum ein wenig von diesen Begleitumständen an. Denn der Reichtum macht blind für die anderen.
Wenn der Blick verstellt wird
In einer jüdischen Parabel heißt es dazu: Der Mensch ist wie eine Fensterscheibe aus Glas. Durch das Leben sieht er täglich die anderen; er sieht alte und junge, Kinder, die spielen, Menschen am Weg in die Arbeit, Frauen, die Einkaufstaschen tragen, langsame und eilige, frohe und traurige. Sein Leben als Glasscheibe zeigt ihm alles. Aber wenn man ein bisschen „Silber“ dahinter legt, wird das Glas zum Spiegel und er sieht nur mehr sich selbst.
In unserem heutigen Evangelium wird dem Reichen nicht vorgeworfen, dass er reich ist, sondern dass er das Wesentliche übersieht. Nicht der Erfolg macht ihn unsympathisch. Seine bloße Hoffnung auf eigenen Reichtum, seine Gedankenlosigkeit gegenüber den Mitmenschen zeigt, dass er in der Tat ein Narr ist. Sein Glas ist ein Spiegel geworden; er sieht sich nur mehr selbst. „Du Narr! Mehr hättest Du von Deinem Gewinn, wenn Du ihn an 100 beliebige Leute verschenken würdest. Dann könntest Du sterben mit dem Gefühl, dass das Gute weiter lebt. Aber so wird Dir gar nichts bleiben.“ - so spricht Gott zu ihm, sinngemäß.
Gemeinsames Wohl
„Du Narr!! Freu Dich Deines Erfolges, aber freu Dich für die Menschheit! Deine Ernte ist ein Segen für alle! Dein wirtschaftlicher Erfolg ist ein Beitrag, dass es den Menschen besser geht, nur dadurch hat er Sinn. Was hat es denn für einen Sinn, wenn die Ziffern hinter deinen Bankcodes immer länger werden?“ Narren sind wir, wenn wir das vergessen, wenn unsere Alltagssorgen uns den Sinn unseres Tuns verschleiern: Wofür arbeiten wir denn eigentlich? Was ist denn der Sinn? Wofür wollen wir denn Erfolg, Ertrag, Lohn, Einkommen, Gewinn? Doch nur, damit die Menschen gut davon leben können - und zwar niemals nur ich alleine! Meine Arbeit im Betrieb, mein Lernen in der Schule, meine Erziehungsarbeit und Haushaltsarbeit, meine Dienstleistung und Beratung, meine Leistung und mein Produkt dient doch niemals nur mir selbst. Arbeit ist sinnvoll, wenn sie auch die Mitmenschen einbezieht. Mein Produkt, meine Dienstleistung ist immer für andere da. Auch der Gewinn, der Lohn, die davon abgeführten Steuern sind erst dann sinnvoll, wenn sie dem gemeinsamen Wohlstand dienen.
„Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern!“ - Ist das nicht eine eigentümliche Formulierung? Wer fordert von mir, wenn ich sterbe, mein Leben „zurück“?! Zurück - kann doch nur heißen: der es mir zuerst gegeben hat. Sonst wäre es doch keine Zurück-Forderung. Aber wer hat mir mein Leben gegeben: meine Mutter? Beide Eltern? Wer kann so zum Menschen reden, mit solcher Autorität, dass er ihm sagt: Dein Leben wird von dir zurückgefordert?
Jesus möchte hier seinen ZuhörerInnen etwas vermitteln. Sie sind Narren, wenn sie vergessen, wer ihnen das Leben geschenkt hat, denn er hat ihnen auch den Erfolg, ihre Begabungen und Fähigkeiten geschenkt. Dankbar sollten sie sein, dann wären sie keine Narren. Wer das Wesentliche nicht vergisst, wird seinen Erfolg oder Gewinn an andere verschenken, denn das ist im Sinn des Lebensspenders. Der uns das Leben gegeben hat - er will auch unseren Erfolg, unser Glück. Aber das Glück gibt es nicht allein. Wenn wir unser Glück, unseren Erfolg teilen, wird es fruchtbar, es macht eigentlich erst dann - auch uns selbst - glücklich.
(c) DDr. Severin Renoldner Leiter Sozialreferat der Diözese Linz
Manfred Wussow (2007)
Martin Leitgöb (1998)