Hinführung:
Die Botschaft der alttestamentlichen Lesung von einem neuen Anfang, den Gott an Jerusalem wirken will, dürfen wir als Christinnen und Christen auch an die Kirche, an unsere Pfarre und an uns selbst gerichtet wissen.
Lesung aus dem Buch Baruch.
Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends
und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit,
die Gott dir für immer verleiht!
Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an;
setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt!
Denn Gott will deinen Glanz
dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen.
Gott gibt dir für immer den Namen:
Friede der Gerechtigkeit und Herrlichkeit der Gottesfurcht.
Steh auf, Jerusalem, und steig auf die Höhe!
Schau nach Osten und sieh deine Kinder:
Vom Untergang der Sonne bis zum Aufgang
hat das Wort des Heiligen sie gesammelt.
Sie freuen sich, dass Gott an sie gedacht hat.
Denn zu Fuß zogen sie fort von dir, weggetrieben von Feinden;
Gott aber bringt sie heim zu dir,
ehrenvoll getragen wie in einer königlichen Sänfte.
Denn Gott hat befohlen:
Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel
und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land,
sodass Israel
unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahinziehen kann.
Wälder und duftende Bäume aller Art
spenden Israel Schatten auf Gottes Geheiß.
Denn Gott führt Israel heim in Freude,
im Licht seiner Herrlichkeit;
Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm.
Baruch - ein Schreiber in Jerusalem
Baruch ben Nerija, seines Zeichens Schreiber in Jerusalem, ist aus dem Buch des Propheten Jeremia bekannt. Dort fungiert er einmal als Notar, wenn er den Kaufvertrag für den Acker verwahrt, den Jeremia von Hanamel, dem Sohn seines Onkels Schallum, erwirbt (Jer 32,6-15). Zum anderen ist er vor allem derjenige, der nach dem Diktat des Propheten dessen bisherige Verkündigung auf eine Rolle schreibt, damit sie öffentlich vorgelesen wird (vgl. Jer 36). Durch diesen Auftrag wird Baruch gleichsam zu einem Mittler der prophetischen Botschaft. Als solcher tritt er uns auch entgegen, wenn er frühere Worte von Propheten aufgreift und in einer eigenen Schrift aktualisiert.
Aktualisierung prophetischer Botschaft
Baruch 5,1-9 ist in dieser Weise ein aktualisierter Text, in welchem der Verfasser auf verschiedene Weissagungen des Jesaja-Buches zurückgreift und die Stadt Jerusalem auffordert, das Kleid der Trauer abzulegen (V. 1), das heißt, die Zeit der Trauer nach der Zerstörung und der Wegführung der Einwohner durch die Babylonier (587 v.Chr.) zu beenden und sich mit Schmuck zu bekleiden (vgl. VV. 1f), denn Gott wird ihren Glanz erneuern und sie mit einem Ehrennamen vor aller Welt auszeichnen (VV. 3f). Mit diesem Aufruf wird zugleich die vorherige Klage Jerusalems beantwortet (vgl. Bar 4,9-20) und ihre Hoffnung auf eine Wende bestätigt (vgl. 4,21-29).
Gott greift heilsam ein
Gleich der Freudenbotin in Jes 40,9 soll Jerusalem auf einen hohen Berg steigen und nach Osten schauen (V. 5). Denn wie sie die Wegführung ihrer Kinder sehen musste (vgl. Bar 4,10.23.26.37), so soll sie jetzt ihre Rückkehr erwarten. Aber neu gegenüber Jesaja ist, dass Gottes Wort diese von überall her, von Westen (Untergang der Sonne) und Osten (Aufgang) sammelt (V. 5). Neu ist auch, dass nicht die Völker sie ehrenvoll zurückbringen (vgl. Jes 66,20), sondern Gott selber es tun wird (V. 6). Wie in Jes 40,3f wird ihr Weg eine ebene Straße sein und Bäume werden ihnen Schatten spenden, wenn Gott sie als Zeichen seines Erbarmens heimführt in ihr Land (VV. 7-9). Baruch ergänzt also die Verheißungen Jesajas, denn auch im Westen, also in anderen Ländern, gibt es solche, die noch heimkehren müssen und ein neues Eingreifen Gottes nötig haben.
Jerusalem - Bild für die Kirche
Nach christlichem Verständnis ist die als Person angeredete Stadt Jerusalem ein Bild für die Kirche. Daher blickt hier die Kirche („Jerusalem“) als Heimat der von Gott Erlösten bereits freudig voraus auf die Gedächtnisfeier der Geburt des Erlösers.
Das Evangelium (Lk 3,1-6) lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass es nicht nur „in jener Zeit“, sondern auch heute nötig ist, den Weg zu diesem Geschehen innerhalb der Kirche und in uns selber zu bereiten.
Franz Hubmann
© Diözese Linz. Team Bibelwerk Linz und Glaubenskommunikation
Der Text der 1. Lesung dieses Adventssonntages stammt aus dem späten atl. Buch Baruch. Der Namensgeber des Buches war vermutlich 'Sekretär' des Propheten Jeremia. Beide arbeiten in einer Kultur, die mit Schriften vertraut ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass etwa Vers 7 deutliche Anspielungen auf den Deuterojesaja-Vers 40,4 enthält: Der Autor dieser Stelle wie der Autor des letzten Teiles des Buches Baruch könenn Zeitgenossen gewesen sein. Grundsätzlich ist der Befund zur Entstehungsgeschichte sehr uneinheitlich.
Die Verse sind Ermutigungsreden an das Volk Israel in der babylonischen Verbannung. Diese Verse sind aber wohl kaum zur Zeit des Exils entstanden, sondern eher im 1. Jahrhundert v. Chr.
Autor und Entstehungszeit des Buches Baruch sind unbekannt. Trotzdem werden Spuren in die Jeremia-Geschichte gelegt, in der Baruch eine gewichtige Rolle spielt. Als deuterokanonisches oder auch apokryphes Buch ist es in der Septuaginta, der bedeutenden griechischen Übersetzung des Alten Testaments, auch dem Jeremia-Buch angehängt worden.
Das eigentliche Buch Baruch beginnt mit einer historischen Einführung (1,1-14), in der zunächst (1-2) festgestellt wird, dass das Buch vier Jahre nach der Zerstörung Jerusalems durch die Chaldäer in Babel von Baruch (dem Sekretär des Propheten Jeremia) geschrieben und dann (3-14) in einer Versammlung Ex-König Jojachin und anderen Juden im babylonischen Exil vorgelesen wird. Die Versammlung reagiert mit Weinen und Gebet und veranstaltet eine Sammlung. Das gesammelte Geld, das Buch und Tempelgeräte, die verschleppt worden waren, die Baruch aber zurückerhalten hatte, werden mit der Bitte um Opfer im Tempel und Gebet nach Jerusalem überbracht.
Die Lesung ist dem letzten Abschnitt entnommen: 4,5 bis 5,9 und besteht aus 4 Oden, die mit der Aufforderung "Hab(t) Vertrauen" einsetzen: Verse 4,5. 21. 27. 30. In diesem Rahmen gibt die Lesung einen Psalm wider, der in 4,36 bis 5,9 überliefert wird. Auffällig ist nicht nur die große Nähe zu dem 11. - apokryphen - Psalm Salomons, sondern auch die sprachliche und gedankliche Nähe zu Deuterojesaja.
Es sind Bewegungsmetaphern, die den Psalm strukturieren: Leg ab - leg an - steh auf. Dem Kleid der Trauer steht der Schmuck der Herrlichkeit gegenüber, die Gott "für immer" verleiht. Nicht von einer Episode ist die Rede, sondern von einem gänzlich Neuen, das sich jeder Grenze entzieht: "Für immer" wird auch der Name gegeben: Friede der Gerechtigkeit und Herrlichkeit der Gottesfurcht.
Jerusalem, auf dem Tiefpunkt seiner Geschichte, geschmäht und deprimiert, wird von Gott mit Glanz überhäuft - und dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel gezeigt. Die Bilder, die in schneller Folge die Bewegung aufnehmen und sich geradezu überbieten, erzählen von der Heimkehr. Die babylonische Gefangenschaft ist zu Ende, Gottes Gericht ist zu Ende, die Resignation ist zu Ende. Der letzte Satz beschließt den Psalm hymnisch: "Denn Gott führt Israel heim in Freude, im Licht seiner Herrlichkeit, Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm."
Das Buch Baruch ist in der uns vorliegenden Form erst sehr spät abgefaßt worden (1. Jhdt. v. Chr), und enthält eine Sammlung verschiedener Schriften. Bar 5 ist Teil eines Heilswortes über die Heimkehr der jüdischen Diaspora. Der Autor schildert sie in leuchtenden Farben.
An unserem Lesungstext sind deutlich zwei Teile zu erkennen (Verse 1-4, 5-9). Beide beginnen mit einer Mahnung, einer Aufforderung an die Stadt Jerusalem: Die Stadt soll sich zuerst auf das Heilsgeschehen vorbereiten, ihre Trauer ablegen, und dann Ausschau halten. Denn Gott ist schon dabei, das Heil zu wirken, er bringt die Zerstreuten heim. Die ganze Schöpfung wird gleichsam eingeladen, mitzuhelfen, daß diese Heimkehr leicht gemacht, ja zu einem Triumphzug wird.
Bibelwerk der Diözese Linz (2018)
Martin Stewen (2009)
Manfred Wussow (2006)
Karl Gravogl (1997)