Lesung aus der Offenbarung des Johannes:
Ich, Johannes,
sah vom Aufgang der Sonne her
einen anderen Engel emporsteigen;
er hatte das Siegel des lebendigen Gottes
und rief den vier Engeln,
denen die Macht gegeben war,
dem Land und dem Meer Schaden zuzufügen,
mit lauter Stimme zu und sprach:
Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu,
bis wir den Knechten unseres Gottes
das Siegel auf die Stirn gedrückt haben!
Und ich erfuhr die Zahl derer,
die mit dem Siegel gekennzeichnet waren.
Es waren hundertvierundvierzigtausend
aus allen Stämmen der Söhne Israels, die das Siegel trugen:
Danach sah ich und siehe, eine große Schar
aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen;
niemand konnte sie zählen.
Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm,
gekleidet in weiße Gewänder,
und trugen Palmzweige in den Händen.
Sie riefen mit lauter Stimme und sprachen:
Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt,
und von dem Lamm.
Und alle Engel standen rings um den Thron,
um die Ältesten und die vier Lebewesen.
Sie warfen sich vor dem Thron auf ihr Angesicht nieder,
beteten Gott an
und sprachen:
Amen, Lob und Herrlichkeit,
Weisheit und Dank,
Ehre und Macht und Stärke
unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen
Da nahm einer der Ältesten das Wort und sagte zu mir:
Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen,
und woher sind sie gekommen?
Ich erwiderte ihm: Mein Herr, du weißt das.
Und er sagte zu mir:
Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen;
sie haben ihre Gewänder gewaschen
und im Blut des Lammes weiß gemacht.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Die Apokalypse oder Offenbarung des Johannes (vom griechischen Wort apokalypsis, wörtl. "Enthüllung") ist das letzte Buch des Neuen Testaments, bzw. der Bibel, sowie das einzige durchgehende prophetische Buch des Neuen Testaments. Der Autor greift einerseits die Form der alttestamentlichen Prophetie sowie die Bildsprache der frühjüdischen Apokalyptik auf und orientiert sich andererseits an den Büchern Jesaja, Ezechiel und Daniel.
Die Apokalypse richtet sich an sieben im Römischen Reich stark bedrängte christliche Gemeinden in Kleinasien, die von der Mission des Paulus von Tarsus theologisch geprägt waren, aber auch an allgemein an einen weiteren Adressatenkreis. Als Entstehungszeit können die Jahre 81 - 96 nach Christus - also die Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian -angenommen werden.
In den Visionen der Apokalypse spiegelt sich die Situation der Kirche wider: Christenverfolgungen sind vorausgegangen, neue Auseinandersetzungen stehen der Kirche bevor. In dieser Zeit soll die Prophetie der Apokalypse die christlichen Gemeinden stärken. Das Buch möchte den Heilsplan Gottes enthüllen und so die Gemeindemitglieder ermutigen, den römischen Kaiserkult abzulehnen und auf die Wiederkunft Christi als Endrichter zu hoffen.
Die heutige Lesung ist ein Hoffnungstext, denn er spricht Rettung und Erlösung zu. Die Getauften aller Völker und die Zahl des Volkes Israel werden zusammengeführt. Das ist die Zahl der Vollkommenheit (12 x 12 x 1000). Alle erscheinen im weißen Kleid der Getauften und erringen den Sieg durch das Blut des Lammes, durch den Tod Jesu, der als Sühne verstanden wird. Als Sühne, die uns erlöst, befreit und zu neuem Leben berufen hat. Ihm verdanken alle, wir alle, unsere Rettung.
Nach einer einleitenden Vision wendet sich Christus selbst an sieben Gemeinden. Es folgt der längere Hauptteil, der vom thronenden Gott inmitten seines himmlischen Hofstaates spricht. Als Hauptthema sind die kommende Herrlichkeit und der Triumph Gottes anzusehen. Der endgültige und letztgültige Sieg Gottes hat bereits mit der Auferstehung Jesu begonnen.
Die Lesung beinhaltet zwei apokalyptische Visionen: In der ersten erscheinen die vier Engel und bezeichnen die "Knechte unseres Gottes" mit dem Siegel - so wie in der Antike auch Tiere und Sklaven mit dem Siegel ihres Herrn bezeichnet waren und damit die Zugehörigkeit sichtbar gemacht wurde (vgl. auch Ez 9,2-7). Der Sinn des Siegels ist es, die auserwählten Knechte nicht vor den Stürmen der Endzeit, sondern in diesen Stürmen zu bewahren, damit sie durch sie hindurch zur Rettung gelangen.
Die Zahl der Knechte Gottes ist mit hundertvierundvierzigtausend angegeben. Das ist eine symbolische Zahl (12 mal 12 mal 1000), die besagt, dass es sich um die Fülle der Erwählten handelt. In dem Zwischenstück, das in der Perikopenordnung ausgelassen wird, wird die Zahl auf die zwölf Stämme Israels aufgeteilt. D. h. kein Stamm, kein Volk wird von Gott bevorzugt. Alle sind gleich.
Die zweite Vision: In dieser Endzeit gibt es keinen Unterschied mehr - weder im alten Gottesvolk, noch im neuen. Es hat sein Ziel erreicht: durch Drangsale und Opfer hindurch nun endlich vor Gott und mit Gott zu leben.
In den Visionen der Apokalypse spiegelt sich die Situation der Kirche wider: Laut Irenäus sei die Apokalypse des Johannes gegen Ende der Regierungszeit des Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.) geschrieben worden. Christenverfolgungen sind vorausgegangen, neue Auseinandersetzungen stehen der Kirche bevor. In dieser Zeit soll die geheime Offenbarung die christlichen Gemeinden stärken.
Der Text dieser Lesung stammt aus der literarischen Gattung der Apokalypse. Man bezeichnet damit göttliche Offenbarungen, die der Verfasser in Form von Visionen oder Auditionen empfangen hat. Diese schriftlich niedergelegten Visionen enthalten viele Symbole, die aus der Entstehungszeit her verstanden werden sollen.
Der Verfasser, ein Johannes, der sicher eine bedeutende prophetische Gestalt und Autorität in den kleinasiatischen Gemeinden war (aber nicht unbestritten mit dem Apostel Johannes gleichgestellt werden kann), verfasste die Apokalypse (= Enthüllung) unter der Regierung Kaiser Domitians um 95 n.Chr. Die Schrift sollte Mut machen in einer Zeit, in der heftige Christenverfolgungen ausgebrochen waren.
Der Verfasser ruft die Zusage in Erinnerung, die auch dem alttestamentlichen Volk in Zeiten der Not und Verfolgung von den Propheten gegeben wurde: der "große Tag Jahwes" kommt; Gott ist der absolute Herr der menschlichen Geschichte, er übergibt dem Lamm (= Christus) das Buch, das die volle Verwirklichung des Planes enthält. Trotz zahlreicher Schrecken (Verfolgung, Krieg, Hunger, Pest) werden die Gläubigen bewahrt werden.
Der Abschnitt der Lesung spricht tröstend davon, dass die Gläubigen sich ihres Sieges im Himmel freuen dürfen. Auch uns sagt der Text: "Die Welt ist nicht so finster, wie sie manchmal scheinen mag. Für die Treuen kommt die Rettung von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm." (Offb 7,10)
Bernhard Zahrl (2009)
Gabi Ceric (2001)
Maria Wachtler (2003)