Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 24. Dez. 2023 - Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Okt. 2024
29. Sonntag im Jahreskreis (B)
13. Okt. 2024
28. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Okt. 2024
27. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Sep. 2024
26. Sonntag im Jahreskreis (B)
22. Sep. 2024
25. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Sep. 2024
24. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Sep. 2024
14. September: Kreuzerhöhung (Fest)
08. Sep. 2024
8. September: Mariä Geburt (Fest)
08. Sep. 2024
23. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
22. Sonntag im Jahreskreis (B)
01. Sep. 2024
Erntedank - Schöpfungszeit (Sonst.)
25. Aug. 2024
21. Sonntag im Jahreskreis (B)
18. Aug. 2024
20. Sonntag im Jahreskreis (B)
15. Aug. 2024
15. August: Mariä Himmelfahrt (Fest)
11. Aug. 2024
19. Sonntag im Jahreskreis (B)
06. Aug. 2024
6. August: Verklärung des Herrn (Fest)
04. Aug. 2024
18. Sonntag im Jahreskreis (B)
28. Jul. 2024
17. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jul. 2024
3. Sonntag im Juli: Heiligster Erlöser (Fest)
21. Jul. 2024
16. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jul. 2024
15. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jul. 2024
14. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Jun. 2024
13. Sonntag im Jahreskreis (B)
29. Jun. 2024
29. Juni: hl. Petrus und Paulus (Fest)
27. Jun. 2024
27. Juni: Fest der Mutter von der Immerw. Hilfe (Fest)
24. Jun. 2024
24. Juni: hl. Johannes des Täufers (Fest)
23. Jun. 2024
12. Sonntag im Jahreskreis (B)
20. Jun. 2024
20. Juni: Weltflüchtlingstag (Sonst.)
16. Jun. 2024
11. Sonntag im Jahreskreis (B)
09. Jun. 2024
10. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jun. 2024
Heiligstes Herz Jesu (B)
02. Jun. 2024
9. Sonntag im Jahreskreis (B)
30. Mai. 2024
Fronleichnam (B)
26. Mai. 2024
Dreifaltigkeitssonntag (B)
20. Mai. 2024
Pfingstmontag - Maria, Mutter der Kirche (B)
19. Mai. 2024
Pfingstsonntag (A/B/C)
18. Mai. 2024
Pfingsten, am Vorabend (A/B/C)
12. Mai. 2024
7. Sonntag der Osterzeit (B)
09. Mai. 2024
Christi Himmelfahrt (B)
06. Mai. 2024
Bitttage (A/B/C)
05. Mai. 2024
6. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Mai. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
30. Apr. 2024
1. Mai: Tag der Arbeit, hl. Josef (Fest)
28. Apr. 2024
5. Sonntag der Osterzeit (B)
21. Apr. 2024
4. Sonntag der Osterzeit (B)
14. Apr. 2024
3. Sonntag der Osterzeit (B)
08. Apr. 2024
25. März: Verkündigung des Herrn (Fest)
07. Apr. 2024
2. Sonntag der Osterzeit (B)
01. Apr. 2024
Ostermontag (A/B/C)
31. Mär. 2024
Ostersonntag (A/B/C)
30. Mär. 2024
Osternacht (B)
29. Mär. 2024
Karfreitag (A/B/C)
28. Mär. 2024
Gründonnerstag (A/B/C)
24. Mär. 2024
Palmsonntag (B)
19. Mär. 2024
19. März: hl. Josef (Fest)
17. Mär. 2024
5. Fastensonntag (B)
10. Mär. 2024
4. Fastensonntag (B)
03. Mär. 2024
3. Fastensonntag (B)
25. Feb. 2024
2. Fastensonntag (B)
18. Feb. 2024
1. Fastensonntag (B)
14. Feb. 2024
Aschermittwoch (A/B/C)
11. Feb. 2024
6. Sonntag im Jahreskreis (B)
04. Feb. 2024
5. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Feb. 2024
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
28. Jan. 2024
4. Sonntag im Jahreskreis (B)
21. Jan. 2024
3. Sonntag im Jahreskreis (B)
14. Jan. 2024
2. Sonntag im Jahreskreis (B)
07. Jan. 2024
Taufe des Herrn (B)
06. Jan. 2024
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
01. Jan. 2024
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2023
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
31. Dez. 2023
Fest der hl. Familie (B)
26. Dez. 2023
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2023
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2023
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Jes 62,1-5
Lesung aus dem Buch Jesaja.
Um Zions willen werde ich nicht schweigen,
um Jerusalems willen nicht still sein,
bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit
und sein Heil wie eine brennende Fackel.
Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit
und alle Könige deine Herrlichkeit.
Man ruft dich mit einem neuen Namen,
den der Mund des HERRN für dich bestimmt.
Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des HERRN,
zu einem königlichen Kopfschmuck in der Hand deines Gottes.
Nicht länger nennt man dich "Verlassene"
und dein Land nicht mehr "Verwüstung",
sondern du wirst heißen: "Ich habe Gefallen an dir"
und dein Land wird Vermählte genannt.
Denn der HERR hat an dir Gefallen
und dein Land wird vermählt.
Wie der junge Mann die Jungfrau in Besitz nimmt,
so nehmen deine Söhne dich in Besitz.
Wie der Bräutigam sich freut über die Braut,
so freut sich dein Gott über dich.
Der Text entstammt dem 3. Teil des Jesaja-Buches. Das babylonische Exil ist vorbei, aber Jerusalem ist besetzt und Teil des persischen Reiches. Dennoch besteht eine große Freiheit für das jüdische Volk - wie übrigens auch schon zur Zeit des Exils selbst. Die Autoren des dritten Jesaja-Buchteils blicken voll Hoffnung und Zuversicht in eine gute Zukunft: Fremde Herrscher sind zwar da, lassen aber viel Gnade walten.
Recht und Gerechtigkeit prägen diesen Abschnitt aus "Tritojesaja", dem dritten Teil des Jesajabuches. Der Prophet spricht mit jener Leidenschaft, die den Propheten des Herrn zueigen ist. Angelpunkt, um den es sich in der Lesungsperikope dreht, ist die Gottesstadt, Jerusalem mit dem Berg des Herrn, dem Zion. An ihr wird die Gerechtigkeit Gottes der Welt offenbar.
Der Begriff der Gerechtigkeit ist im Ersten Testament vielschichtig. Gerecht ist einerseits der, der so handelt, dass das Wohl einer Gemeinschaft gesichert ist. Die göttliche Gerechtigkeit ist im Alten Orient oft mit dem Tun des Menschen verbunden. Der Mensch, der gerecht lebt, darf sich der Gerechtigkeit und der Nähe Gottes sicher sein.
Letztlich aber geht die Gerechtigkeit von Gott aus. Von ihm kommt die Fähigkeit, sich der Gemeinschaft gegenüber treu und loyal zu verhalten. Gottes Gerechtigkeit ist Quelle von Recht und Ordnung und damit von erfülltem Leben in Israel. Diese Sicht von Gerechtigkeit wird auch in unserem Abschnitt deutlich gemacht.
Als Grund dafür, dass in Jerusalem das Licht der Gerechtigkeit erstrahlt, wird genannt: Gott ist mit dieser Stadt. Jerusalem wird Ort der Gegenwart Gottes. Das Verhältnis zwischen dem Herrn und seiner Stadt wird in wunderbaren Worten mit der Beziehung zwischen Bräutigam und Braut verglichen.
Die aus dem babylonischen Exil heimgekehrten Judäer befanden sich in einer schwierigen Situation. Die Menschen hatten den Glauben an Gott und das Vertrauen auf das versprochene Heil verloren. Die Sammlung des Tritojesaja ("Dritter Jesaja") versucht, anhand verschiedenartiger Texte dem Volk Hoffnung zu geben. In den Kapiteln 60 - 62 wird das leuchtende Bild der Gottesstadt Jerusalem aufgezeigt. In der Form der Volksklage, die den Hörern bekannt war, versucht der Prophet aufzuzeigen, daß Gott sein Volk liebt und nur daraus sich Glück und Heil erwarten lassen.
Antwortpsalm - Ps 89,20a. 4-5. 16-17. 27. 29.
Kv - Von der Huld des HERRN
will ich ewig sinden. - KV
(Oder GL 657,3)
Einst hast du in einer Vision zu deinen Frommen gesprochen: /
Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten
und David, meinem Knecht, geschworen:
Auf ewig gebe ich deinem Haus festen Bestand
und von Geschlecht zu Geschlecht gründe ich deinen Thron. - Kv
Selig das Volk, das den Jubelruf kennt,
HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts.
Sie freuen sich allezeit über deinen Namen
und sie jubeln über deine Gerechtigkeit. - Kv
Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du,
mein Gott, der Fels meiner Rettung.
Auf ewig werde ich ihm meine Huld bewahren,
mein Bund mit ihm ist verlässlich. - Kv
2. Lesung - Apg 13,16-17. 22-25
Lesung aus der Apostelgeschichte.
In der Synagoge von Antiochia in Pisidien stand Paulus auf,
gab mit der Hand ein Zeichen
und sagte:
Ihr Israeliten und ihr Gottesfürchtigen, hört!
Der Gott dieses Volkes Israel hat unsere Väter erwählt
und das Volk in der Fremde erhöht, im Land Ägypten;
er hat sie mit hoch erhobenem Arm von dort herausgeführt.
Dann erhob er David zu ihrem König,
von dem er bezeugte:
Ich habe David, den Sohn des Isai,
als einen Mann nach meinem Herzen gefunden,
der alles, was ich will, vollbringen wird.
Aus seinem Geschlecht
hat Gott dem Volk Israel, der Verheißung gemäß,
Jesus als Retter geschickt.
Vor dessen Auftreten hat Johannes
dem ganzen Volk Israel eine Taufe der Umkehr verkündet.
Als Johannes aber seinen Lauf vollendet hatte,
sagte er: Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet;
aber siehe, nach mir kommt einer,
dem die Sandalen von den Füßen zu lösen ich nicht wert bin.
Martin Stewen (2011)
Martin Leitgöb (2003)
Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, beschreibt in der Lesung eine Missionssituation des Apostels Paulus. Mit seiner Predigt zur Gemeinde von Antiochia setzt Paulus das Wirken des Gottessohnes in den gesamten Heilsplan Gottes ein. Bindeglied zwischen Altem und Neuem Bund ist Johannes der Täufer.
Die Predigt wendet sich an die Judenchristen und die Christen, welche anderen Religionen entstammten.
Die Lesungsperikope entstammt dem Bericht der Apostelgeschichte über die erste Missionsreise des Apostels Paulus (Apg 13,4-14,28). Darin wird von großen Missionserfolgen sowohl bei Juden wie auch bei Heiden erzählt. Innerhalb dieses Berichts nimmt die Verkündigung des Apostels in der Synagoge von Pisidien einen herausragenden Platz ein. Sie macht deutlich, dass die Verheißungen, die an das alttestamentliche Gottesvolk ergangen sind, sich in Jesus erfüllten, dass das von Gott zugesagte Heil aber über das Gottesvolk hinaus jedem, also auch den Heiden, gilt. So ist der ganzen Zuhörerschaft in der Synagoge von Pisidien genüge getan, die sich sowohl aus Juden wie aus gottesfürchtigen Heiden zusammensetzt.
Die Predigt beginnt mit dem Gedanken, dass Gott die Väter Israels erwählt hat und dieses Volk durch die Geschichte geführt hat. Dann kommt Paulus aber schnell auf Jesus zu sprechen, den er als von Gott gesandten Retter Israels verkündet, für welchen Johannes der Täufer den Weg bereitet hat. Der Apostel will damit die Hinwendung der Juden zu Jesus und seine Anerkennung als verheißenen Messias bewirken. Indem er auf die Umkehrpredigt Johannes des Täufers verweist, hält er fest, dass niemand den Messias erkennen wird, der nicht bereit ist, ein anderer Mensch zu werden.
2. Lesung (ungekürzte Fassung) - Apg 13,16-25
Lesung aus der Apostelgeschichte.
In der Synagoge von Antiochia in Pisidien stand Paulus auf,
gab mit der Hand ein Zeichen
und sagte:
Ihr Israeliten und ihr Gottesfürchtigen, hört!
Der Gott dieses Volkes Israel hat unsere Väter erwählt
und das Volk in der Fremde erhöht, im Land Ägypten;
er hat sie mit hoch erhobenem Arm von dort herausgeführt
und etwa vierzig Jahre durch die Wüste getragen.
Sieben Völker hat er im Land Kanaan vernichtet
und ihr Land ihnen zum Besitz gegeben,
für etwa vierhundertfünfzig Jahre.
Danach hat er ihnen Richter gegeben
bis zum Propheten Samuel.
Dann verlangten sie einen König
und Gott gab ihnen Saul, den Sohn des Kisch,
einen Mann aus dem Stamm Benjamin,
für vierzig Jahre.
Nachdem er ihn verworfen hatte,
erhob er David zu ihrem König,
von dem er bezeugte:
Ich habe David, den Sohn des Isai,
als einen Mann nach meinem Herzen gefunden,
der alles, was ich will, vollbringen wird.
Aus seinem Geschlecht
hat Gott dem Volk Israel, der Verheißung gemäß,
Jesus als Retter geschickt.
Vor dessen Auftreten hat Johannes
dem ganzen Volk Israel eine Taufe der Umkehr verkündet.
Als Johannes aber seinen Lauf vollendet hatte,
sagte er: Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet;
aber siehe, nach mir kommt einer,
dem die Sandalen von den Füßen zu lösen ich nicht wert bin.
Martin Stewen (2011)
Martin Leitgöb (2003)
Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, beschreibt in der Lesung eine Missionssituation des Apostels Paulus. Mit seiner Predigt zur Gemeinde von Antiochia setzt Paulus das Wirken des Gottessohnes in den gesamten Heilsplan Gottes ein. Bindeglied zwischen Altem und Neuem Bund ist Johannes der Täufer.
Die Predigt wendet sich an die Judenchristen und die Christen, welche anderen Religionen entstammten.
Die Lesungsperikope entstammt dem Bericht der Apostelgeschichte über die erste Missionsreise des Apostels Paulus (Apg 13,4-14,28). Darin wird von großen Missionserfolgen sowohl bei Juden wie auch bei Heiden erzählt. Innerhalb dieses Berichts nimmt die Verkündigung des Apostels in der Synagoge von Pisidien einen herausragenden Platz ein. Sie macht deutlich, dass die Verheißungen, die an das alttestamentliche Gottesvolk ergangen sind, sich in Jesus erfüllten, dass das von Gott zugesagte Heil aber über das Gottesvolk hinaus jedem, also auch den Heiden, gilt. So ist der ganzen Zuhörerschaft in der Synagoge von Pisidien genüge getan, die sich sowohl aus Juden wie aus gottesfürchtigen Heiden zusammensetzt.
Die Predigt beginnt mit dem Gedanken, dass Gott die Väter Israels erwählt hat und dieses Volk durch die Geschichte geführt hat. Dann kommt Paulus aber schnell auf Jesus zu sprechen, den er als von Gott gesandten Retter Israels verkündet, für welchen Johannes der Täufer den Weg bereitet hat. Der Apostel will damit die Hinwendung der Juden zu Jesus und seine Anerkennung als verheißenen Messias bewirken. Indem er auf die Umkehrpredigt Johannes des Täufers verweist, hält er fest, dass niemand den Messias erkennen wird, der nicht bereit ist, ein anderer Mensch zu werden.
Ruf vor dem Evangelium - Ltg 0
Halleluja. Halleluja.
Morgen wird die Sünde der Erde getilgt,
und über uns herrscht der Retter der Welt.
Halleluja.
Evangelium - Mt 1,1-25
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
Buch des Ursprungs Jesu Christi,
des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams:
Abraham zeugte den Isaak,
Isaak zeugte den Jakob,
Jakob zeugte den Juda und seine Brüder.
Juda zeugte den Perez und den Serach
mit der Tamar.
Perez zeugte den Hezron,
Hezron zeugte den Aram,
Aram zeugte den Amminadab,
Amminadab zeugte den Nachschon,
Nachschon zeugte den Salmon.
Salmon zeugte den Boas
mit der Rahab.
Boas zeugte den Obed
mit der Rut.
Obed zeugte den Isai,
Isai zeugte David, den König.
David zeugte den Salomo
mit der Frau des Urija.
Salomo zeugte den Rehabeam,
Rehabeam zeugte den Abija,
Abija zeugte den Asa,
Asa zeugte den Joschafat,
Joschafat zeugte den Joram,
Joram zeugte den Usija.
Usija zeugte den Jotam,
Jotam zeugte den Ahas,
Ahas zeugte den Hiskija,
Hiskija zeugte den Manasse,
Manasse zeugte den Amos,
Amos zeugte den Joschija.
Joschija zeugte den Jojachin und seine Brüder;
das war zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft.
Nach der Babylonischen Gefangenschaft
zeugte Jojachin den Schealtiël,
Schealtiël zeugte den Serubbabel,
Serubbabel zeugte den Abihud,
Abihud zeugte den Eljakim,
Eljakim zeugte den Azor.
Azor zeugte den Zadok,
Zadok zeugte den Achim,
Achim zeugte den Eliud,
Eliud zeugte den Eleasar,
Eleasar zeugte den Mattan,
Mattan zeugte den Jakob.
Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias;
von ihr wurde Jesus geboren,
der der Christus genannt wird.
Im Ganzen sind es also von Abraham bis David
vierzehn Generationen,
von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft
vierzehn Generationen
und von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus
vierzehn Generationen.
Mit der Geburt Jesu Christi war es so:
Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt;
noch bevor sie zusammengekommen waren,
zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete -
durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Josef, ihr Mann,
der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte,
beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.
Während er noch darüber nachdachte,
siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum
und sagte: Josef, Sohn Davids,
fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen;
denn das Kind, das sie erwartet,
ist vom Heiligen Geist.
Sie wird einen Sohn gebären;
ihm sollst du den Namen Jesus geben;
denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen,
damit sich erfüllte,
was der Herr durch den Propheten gesagt hat:
Siehe: Die Jungfrau wird empfangen
und einen Sohn gebären
und sie werden ihm den Namen Immanuel geben,
das heißt übersetzt: Gott mit uns.
Als Josef erwachte,
tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte,
und nahm seine Frau zu sich.
Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar.
Und er gab ihm den Namen Jesus.
Martin Stewen (2011)
Martin Leitgöb (2003)
Anna und Alois Mantler-Schermann (1998)
Der Evangelist Matthäus führt die lukanische Formulierung "Denn er [Josef] stammte aus dem Haus und Geschlecht Davids” (Lk 2,4b) aus, indem er einen Stammbaum Jesu als Ausgangslage des Heilsgeschehens gestaltet. Lukas liefert diesen Stammbaum nach, als das Wirken Jesu schon eröffnet war (Lk 3). Dieser 'Stammbaum' des Matthäus ist ein literarisches Werk (Gnilka, Matthäus), dessen Vorlage sich in der jüdischen Tradition wiederfindet. Man muss ein wenig Abstand nehmen von der Chronologie, da etliche genannte Personen nicht die Zeiträume abdecken, für die sie stehen. Dann aber lässt sich durchaus die literarische Absicht des Evangelisten erkennen: Im Sohn vollendet sich das Heilswerk Gottes, das seinen Anfang in den Väter- (und Mütter-)gestalten des Alten Israels und seinen Weg nahm über König David. Abraham und David nehmen dabei verheißungsgeschichtliche Positionen von erhöhter Relevanz ein - daher sind sie in diesem Stammbaum auch herausragende Kompositionselemente (Vers 17).
Die Erzählung ist eine Erklärung des Geheimnisses der Herkunft Jesu. Dahinter steht die Glaubensüberzeugung, welche bereits das Urchristentum hatte, dass nämlich Jesus ein Kind des Heiligen Geistes und nicht ein Kind des Josef ist sowie dass die Geburt Jesu ein prophetisch vorausgesagtes Erlösungsgeschehen bedeutet, welches die Empfängnis durch eine Jungfrau einschließt. Dieser Inhalt wird in der Evangelienperikope im Rahmen einer Geschichte erzählt, in welcher ein Traum Josefs und das deutende Wort eines Engels beschrieben werden. Ein mit dem bloßen Verstand unfassbares Offenbarungsereignis soll so auf menschlich nachempfindbare Weise nahegebracht werden. Traumoffenbarungen sind der antiken Vorstellungswelt nicht außergewöhnlich. Ebenso nicht außergewöhnlich ist dem mit der biblischen Tradition vertrauten Menschen die Figur des Engels als Offenbarungsmittler (vgl. etwa Gen 28,11-16; 31,11-13).
Als Hintergrund setzt die Erzählung die Verhältnisse hinsichtlich der jüdischen Eheschließung voraus. Josef war schon mit der Verlobung der rechtliche Ehegatte von Maria. Doch erst mit der Überführung in sein Haus hätte die eigentliche eheliche Gemeinschaft begonnen. Wenn sich eine Frau in der Zeit zwischen der Verlobung und der Überführung in das Haus des Ehegatten mit einem anderen Mann einließ, galt dies im Normallfall als Ehebruch. Josef, der um die Schwangerschaft Mariens weiß, entschließt sich, ihr in diskreter Weise einen Scheidungsbrief auszustellen. Er möchte sie nicht der Bestrafung wegen Ehebruchs ausliefern (vgl. Dtn 22,23f). In diese Situation fügt sich nun der Offenbarungstraum.
Neben einer Erklärung über die Herkunft des Kindes, mit dem Maria schwanger geht, enthält dieser Traum den Hinweis auf die Bedeutung dieses Kindes. Es soll ihm der Name "Jesus" gegeben werden. Dahinter steht das hebräische "Jehoschua", was soviel heißt wie "Jahwe ist Hilfe". Weiters wird auf Jes 7,14 verwiesen, wo eine Rettergestalt mit dem Namen "Immanuel" - "Gott mit uns" verheißen wird. In Jesus, so die Aussageabsicht, ist Gott rettend, schützend, helfend, tröstend seinem Volk nahe und gegenwärtig. Dies gilt nicht bloß für das alttestamentliche Gottesvolk, sondern auch für jenes des Neuen Testaments, für die Kirche. Und es gilt bis an das Ende der Zeiten.
Die als "erweiterte Fußnote" zu Mt 1,16 angefügte Darstellung, wie die Erzeugung Jesu durch den Heiligen Geist Josef offenbart wurde, ist eine in Erzählform gebotene christliche Erklärung des Geheimnisses der Herkunft Jesu. Die Matthäus aus der Glaubensüberzeugung urchristlicher Kreise gewisse Tatsache, daß nicht Josef, sondern der Heilige Geist der wahre Erzeuger Jesu ist, wird schon in Vers 18 ausgesprochen. Die Bedenken des "gerechten" Josef werden vom Offenbarungsengel durch die Enthüllung zerstreut, daß das Kind im Schoße Marias vom Heiligen Geist gezeugt ist. Ein weiteres Wort offenbart ihm, daß es ein Knabe ist, dem er den Namen Jesus geben soll. Daran schließt Matthäus ein Erfüllungszitat (Verse 22-23): Es ist ein prophetisch vorhergesagtes Geschehen, das die jungfäuliche Empfängis einschließt und im Zusammenhang der Erlösung steht.
Offenbarungen durch Träume sind in der antiken Welt verbreitet. Engel sind für das Judentum häufig Offenbarungsvermittler und auch dem Urchristentum als Boten Gottes vertraut. Es sind Darstellungsweisen für ein sonst unfaßbares Offenbarungsgeschehen.
Die Überlegungen Josefs setzen die Verhältnisse jüdischer Eheschließung und jüdische Anschauungen voraus. Schon mit der Verlobung (Heiratsvertrag) ist Josef rechtlich der Ehegatte Marias, doch mit der Überführung in sein Haus beginnt die eheliche Gemeinschaft. Wenn sich eine Braut mit einem anderen Mann einließ, galt das als Ehebruch. Josef, der die Schwangerschaft Marias erkennt, will sie nicht "bloßstellen", nicht in Verruf bringen, sondern ihr im Stillen den Scheidebrief ausstellen, damit sie nicht beschämt oder gar als Ehebrecherin bestraft wird.
Hauptpunkt der Offenbarung ist die Herkunft des Kindes vom Heiligen Geist. Trotz des Ausdrucks "erzeugt" bleibt (wie bei Lk 1,35) jede geschlechtliche Vorstellung fern, anders als in heidnischen Mythen, wo Götter mit Jungfrauen geschlechtlich verkehrten. Der Gedanke der geisterzeugten jungfräulichen Empfängnis hat eher an jüdisch-hellenistischen Vorstellungen einen Anhalt.
Matthäus will mit der Erzählung zugleich die Bedeutung des göttlichen Kindes den Lesern vor Augen führen. In der Namensgebung, die hier Josef zufällt, wird Jesus, abgeleitet von hebräisch Jehoschua (= Jahwe ist Hilfe), als Retter seines Volkes vorgestellt. Für Matthäus gewinnt der in Jes 7,14 dem Kind beigelegte Name "Immanuel" (= "Gott mit uns") eine hervorragende Bedeutung. Denn in Jesus ist Gott helfend, rettend, schützend mit seinem Volk und im Ausblick auf das neue Gottesvolk diesem nahe und gegenwärtig bis ans Ende der Welt.
Evangelium (Kurzfassung) - Mt 1,18-25
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
Mit der Geburt Jesu Christi war es so:
Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt;
noch bevor sie zusammengekommen waren,
zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete -
durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Josef, ihr Mann,
der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte,
beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.
Während er noch darüber nachdachte,
siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum
und sagte: Josef, Sohn Davids,
fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen;
denn das Kind, das sie erwartet,
ist vom Heiligen Geist.
Sie wird einen Sohn gebären;
ihm sollst du den Namen Jesus geben;
denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen,
damit sich erfüllte,
was der Herr durch den Propheten gesagt hat:
Siehe: Die Jungfrau wird empfangen
und einen Sohn gebären
und sie werden ihm den Namen Immanuel geben,
das heißt übersetzt: Gott mit uns.
Als Josef erwachte,
tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte,
und nahm seine Frau zu sich.
Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar.
Und er gab ihm den Namen Jesus.
Martin Stewen (2011)
Martin Leitgöb (2003)
Anna und Alois Mantler-Schermann (1998)
Der Evangelist Matthäus führt die lukanische Formulierung "Denn er [Josef] stammte aus dem Haus und Geschlecht Davids” (Lk 2,4b) aus, indem er einen Stammbaum Jesu als Ausgangslage des Heilsgeschehens gestaltet. Lukas liefert diesen Stammbaum nach, als das Wirken Jesu schon eröffnet war (Lk 3). Dieser 'Stammbaum' des Matthäus ist ein literarisches Werk (Gnilka, Matthäus), dessen Vorlage sich in der jüdischen Tradition wiederfindet. Man muss ein wenig Abstand nehmen von der Chronologie, da etliche genannte Personen nicht die Zeiträume abdecken, für die sie stehen. Dann aber lässt sich durchaus die literarische Absicht des Evangelisten erkennen: Im Sohn vollendet sich das Heilswerk Gottes, das seinen Anfang in den Väter- (und Mütter-)gestalten des Alten Israels und seinen Weg nahm über König David. Abraham und David nehmen dabei verheißungsgeschichtliche Positionen von erhöhter Relevanz ein - daher sind sie in diesem Stammbaum auch herausragende Kompositionselemente (Vers 17).
Die Erzählung ist eine Erklärung des Geheimnisses der Herkunft Jesu. Dahinter steht die Glaubensüberzeugung, welche bereits das Urchristentum hatte, dass nämlich Jesus ein Kind des Heiligen Geistes und nicht ein Kind des Josef ist sowie dass die Geburt Jesu ein prophetisch vorausgesagtes Erlösungsgeschehen bedeutet, welches die Empfängnis durch eine Jungfrau einschließt. Dieser Inhalt wird in der Evangelienperikope im Rahmen einer Geschichte erzählt, in welcher ein Traum Josefs und das deutende Wort eines Engels beschrieben werden. Ein mit dem bloßen Verstand unfassbares Offenbarungsereignis soll so auf menschlich nachempfindbare Weise nahegebracht werden. Traumoffenbarungen sind der antiken Vorstellungswelt nicht außergewöhnlich. Ebenso nicht außergewöhnlich ist dem mit der biblischen Tradition vertrauten Menschen die Figur des Engels als Offenbarungsmittler (vgl. etwa Gen 28,11-16; 31,11-13).
Als Hintergrund setzt die Erzählung die Verhältnisse hinsichtlich der jüdischen Eheschließung voraus. Josef war schon mit der Verlobung der rechtliche Ehegatte von Maria. Doch erst mit der Überführung in sein Haus hätte die eigentliche eheliche Gemeinschaft begonnen. Wenn sich eine Frau in der Zeit zwischen der Verlobung und der Überführung in das Haus des Ehegatten mit einem anderen Mann einließ, galt dies im Normallfall als Ehebruch. Josef, der um die Schwangerschaft Mariens weiß, entschließt sich, ihr in diskreter Weise einen Scheidungsbrief auszustellen. Er möchte sie nicht der Bestrafung wegen Ehebruchs ausliefern (vgl. Dtn 22,23f). In diese Situation fügt sich nun der Offenbarungstraum.
Neben einer Erklärung über die Herkunft des Kindes, mit dem Maria schwanger geht, enthält dieser Traum den Hinweis auf die Bedeutung dieses Kindes. Es soll ihm der Name "Jesus" gegeben werden. Dahinter steht das hebräische "Jehoschua", was soviel heißt wie "Jahwe ist Hilfe". Weiters wird auf Jes 7,14 verwiesen, wo eine Rettergestalt mit dem Namen "Immanuel" - "Gott mit uns" verheißen wird. In Jesus, so die Aussageabsicht, ist Gott rettend, schützend, helfend, tröstend seinem Volk nahe und gegenwärtig. Dies gilt nicht bloß für das alttestamentliche Gottesvolk, sondern auch für jenes des Neuen Testaments, für die Kirche. Und es gilt bis an das Ende der Zeiten.
Die als "erweiterte Fußnote" zu Mt 1,16 angefügte Darstellung, wie die Erzeugung Jesu durch den Heiligen Geist Josef offenbart wurde, ist eine in Erzählform gebotene christliche Erklärung des Geheimnisses der Herkunft Jesu. Die Matthäus aus der Glaubensüberzeugung urchristlicher Kreise gewisse Tatsache, daß nicht Josef, sondern der Heilige Geist der wahre Erzeuger Jesu ist, wird schon in Vers 18 ausgesprochen. Die Bedenken des "gerechten" Josef werden vom Offenbarungsengel durch die Enthüllung zerstreut, daß das Kind im Schoße Marias vom Heiligen Geist gezeugt ist. Ein weiteres Wort offenbart ihm, daß es ein Knabe ist, dem er den Namen Jesus geben soll. Daran schließt Matthäus ein Erfüllungszitat (Verse 22-23): Es ist ein prophetisch vorhergesagtes Geschehen, das die jungfäuliche Empfängis einschließt und im Zusammenhang der Erlösung steht.
Offenbarungen durch Träume sind in der antiken Welt verbreitet. Engel sind für das Judentum häufig Offenbarungsvermittler und auch dem Urchristentum als Boten Gottes vertraut. Es sind Darstellungsweisen für ein sonst unfaßbares Offenbarungsgeschehen.
Die Überlegungen Josefs setzen die Verhältnisse jüdischer Eheschließung und jüdische Anschauungen voraus. Schon mit der Verlobung (Heiratsvertrag) ist Josef rechtlich der Ehegatte Marias, doch mit der Überführung in sein Haus beginnt die eheliche Gemeinschaft. Wenn sich eine Braut mit einem anderen Mann einließ, galt das als Ehebruch. Josef, der die Schwangerschaft Marias erkennt, will sie nicht "bloßstellen", nicht in Verruf bringen, sondern ihr im Stillen den Scheidebrief ausstellen, damit sie nicht beschämt oder gar als Ehebrecherin bestraft wird.
Hauptpunkt der Offenbarung ist die Herkunft des Kindes vom Heiligen Geist. Trotz des Ausdrucks "erzeugt" bleibt (wie bei Lk 1,35) jede geschlechtliche Vorstellung fern, anders als in heidnischen Mythen, wo Götter mit Jungfrauen geschlechtlich verkehrten. Der Gedanke der geisterzeugten jungfräulichen Empfängnis hat eher an jüdisch-hellenistischen Vorstellungen einen Anhalt.
Matthäus will mit der Erzählung zugleich die Bedeutung des göttlichen Kindes den Lesern vor Augen führen. In der Namensgebung, die hier Josef zufällt, wird Jesus, abgeleitet von hebräisch Jehoschua (= Jahwe ist Hilfe), als Retter seines Volkes vorgestellt. Für Matthäus gewinnt der in Jes 7,14 dem Kind beigelegte Name "Immanuel" (= "Gott mit uns") eine hervorragende Bedeutung. Denn in Jesus ist Gott helfend, rettend, schützend mit seinem Volk und im Ausblick auf das neue Gottesvolk diesem nahe und gegenwärtig bis ans Ende der Welt.
Weihnachtliches Festmenu
Es wird aufgetischt
„Was essen wir zu den Weihnachtstagen“? - Früher sagte man bei großen Feierlichkeiten: „Was kredenzen wir?“ und man meinte eine feierliche Form des Auftischens, das Anrichten von Speisen bei Festen. In Küchen oder Esszimmern ist heute noch manchmal eine Kredenz zu finden, die als Möbelstück ihren Ursprung im Mittelalter hat. Die Bezeichnung »Kredenz« für einen Küchen- oder Geschirrschrank und die Bezeichnung »kredenzen« für feierliches Auftischen von Speisen bei Festen, hat mit Glauben, Vertrauen zu tun.
Konkret ging es beim Kredenzen um das Vertrauen, den Glauben, dass man die Speisen und Getränke, die angeboten wurden, ohne Bedenken genießen konnte. Was kredenzt wurde, war nicht vergiftet, was auf der Kredenz stand, war genießbar. Ein Mundschenk (Vorkoster) und verschiedene Gefäße aus Materialien mit magischen Kräften, wie die Natternzungen-Kredenzen, haben für diesen mittelalterlichen Wunderglauben gesorgt. Das Wort „kredenzen“ ist aus dem Italienischen „credenza“ entnommen und dieses wieder wird aus dem lateinischen Verb „credere“- glauben, vertrauen auf abgeleitet.
Was Rang und Namen hat
Matthäus kredenzt uns Hörern und Hörerinnen zum heutigen Fest seinen Glauben an Jesus, den Christus. Gleich im ersten Kapitel, Vers 16 seines Evangeliums gibt er uns Einblick in diesen, seinen Glauben:
Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias;
von ihr wurde Jesus geboren,
der der Christus genannt wird.
Das ist sein Credo, seine Verkündigung: Neues beginnt durch den, der der Christus genannt wird! Er, Jesus, der aus dem Haus Israel hervorgeht, schließt so an die Verheißung Gottes an sein Volk an: 3 mal 14 Generationen sind es, die in Jesus, dem Christus die Erfüllung der Verheißung erfahren. Dazu muss man bedenken, dass ein Gesalbter, griechisch „Christos“ und hebräisch »Maschiach/Messias«, ein Erwählter, eine vom Volk Israel ersehnte Heilsgestalt war.
»Gesalbter« war ein Titel, welcher zu Zeit Jesu mit vielen, auch unterschiedlichen Heilserwartungen verbunden war. Auf jeden Fall wurde ein Herausführen aus der Unterdrückung, Versklavung politisch und religiös durch diese Person, die Christus genannt wurde, erwartet. Und Matthäus verkündet diese Person, diesen Christus: es ist Jesus, der die Liste der Vorfahren im Glauben abschließt und zugleich etwas Neues eröffnet
Um das zu verdeutlichen, kredenzt Matthäus uns Männer wie Abraham, Isaak, Jakob, Juda, Isai, David, Salomo und Josef, um mal die für unsere Ohren bekanntesten unter ihnen zu nennen, zu Weihnachten auf. Dann gibt es noch viele, wie Amminadab und Azor und Zadok usw., von denen wir kaum je gehört haben. Und doch sind diese Namen ganz eng verbunden mit dem Werden, der Geschichte des Volkes Gottes. All diese Namen, Boas, Jotam, Eloid usw. führen uns durch das ganze Alte oder Erste Testament. Eine Rundreise steht jenen bevor, die mit der heutigen Namensliste sich auf die Suche machen, um die Personen ausfindig zu machen, von denen wir hörten.
Neues beginnt
Was seine Liste jedoch so interessant macht, sind die Frauen, die er mit hineinnimmt!
Das ist eher selten in einer Auflistung vor 2000 Jahren. Aber genau diese 5 Frauen, unter ganz, ganz vielen Männern, sind die Krönung seines tiefverwurzelten Glaubens an die Verheißung Gottes, dass mit Jesus, den sie Christus nennen, eine neue Zeit beginnt. Tamar, Rahab, Rut und Batseba sind Frauen, die alle eine außergewöhnliche Geschichte, Position als Frau in der damaligen Gesellschaft hatten:
Tamar, eine Frau, die ihr Recht auf Nachkommen einfordert, damals ungewöhnlich, unvorstellbar.
Rahab, im Buch Josua als Dirne bezeichnet, verhilft als Kanaaniterin den Israeliten zur Einnahme Jerichos. Ihr Mut bewirkt, dass sie und ihre ganze Familie am Leben bleiben.
Rut, die durch Treue gegenüber ihrer Schwiegermutter Noomi Neues durch die Geburt eines Sohnes in Betlehem erlebt.
Batseba, die Frau des Hetiter Urija, die König David unrechtmäßig zu seiner Frau macht, gebar einen Sohn, Salomo, den Gott, der Ewige liebte.
Durch alle vier Frauen aus für Israel fremden Völkern, die uns Matthäus in seiner Namensliste kredenzt, erfahren wir, wie Gottes Wege auch „auf krummen Zeilen gerade schreiben“, wie das Leben von Frauen eine Richtung vorgibt, die Zukunft bedeutet.
Und Maria, die Mutter Jesu, sie, die es nicht leicht hatte mit ihrer Stellung in der orientalischen Welt, und doch zeigen die Evangelien in wenigen Stellen auf, welche einmalige Bedeutung sie in der Heilsgeschichte des Volkes Gottes hat.
Genesis Jesu Christi
Es geht Matthäus um die Genesis Jesu Christi, die er an den Beginn seiner Frohbotschaft stellt. Genesis bedeutet: Ursprung, Entstehung, Zeugung, Geburt, Eröffnung, Beginn von etwas Neuem. Genesis ist eine Quelle, aus der Erfüllung, neues Leben und die Freude darüber herausfließt.
Das alles trifft auch auf das heutige Evangelium zu, dem Buch der Genesis Jesu Christi!
Es beginnt wie es endet: mit Jesus, der der Christus genannt wird! Was dazwischen angeboten wird hat tiefe theologische Bedeutung und nichts mit Ahnenforschung zu tun! Aber was ist es, das Matthäus damals durch diese lange Liste der Vorfahren Jesu seiner christlichen Gemeinde zumutete?
Er will seiner Gemeinde, seinen Hörern und Hörerinnen, für die er schreibt, Mut machen, in ihrer Gemeinschaft Offenheit für andere zu zulassen: alle sind eingeladen, die Frohbotschaft von Jesus Christus, von dem, der der Gesalbte Gottes genannt wird, zu hören. Ob es nun Judenchristen waren oder Heidenchristen, allen gilt die Verheißung des Glaubens.
Festgäste
Und wie ist es bei uns? - Gibt es diese Offenheit, diese Weite für andere, die auch hören und empfangen wollen? Weihnachten mit Abraham, Jakob, David, Salomo und den anderen Männern aus der Geschichte Israels klingt fremd in unseren Ohren, haben wir sie eingeladen? Auch Frauen wie Tamar, Rahab und die Frau des Urija sind nicht gerade jene Gäste, die wir teilhaben lassen an unserem Weihnachtsfest.
Erst im Vers 16 sind uns die Namen in unseren weihnachtlichen Ohren vertraut, sie haben schon jahrhundertelang Platz an unserer weihnachtlichen Festtafel: Josef, Maria und Jesus, der der Christus genannt wird.
Und mit ihm, hervorgekommen aus dem Glauben und dem Vertrauen an Gottes heilbringender Zuwendung, sind wir eingeladen das Reich Gottes zu verkünden, das bedeutet, seinen Weg zu gehen, mitzugehen. Diese Botschaft wird uns zu Weihnachten zugemutet, kredenzt!
Frohe Weihnachten! (und guten Appetit bei all dem, was zu Weihnachten aufgetischt, kredenzt wird.)
Gott ist mit uns
Durchkreuzte Lebenspläne
Im zu Ende gehenden Jahr musste ich mehrmals meine persönlichen Pläne ändern. Corona und auch andere unvorhergesehene Ereignisse machten dies notwendig. Solange dies nur nebensächliche Dinge betrifft, haben die meisten Menschen schon Übung darin, alternative Lösungen zu finden. Eine große Herausforderung kann es aber sein, wenn es tief in die Lebensplanung einschneidende Veränderungen gibt, etwa wenn Schicksalsschläge, persönliches Scheitern, oder unüberwindbare Hindernisse die ursprünglichen Pläne durchkreuzen und unmöglich machen. Wenn sich z.B. Berufswünsche nicht verwirklichen lassen, Beziehungen zerbrechen, Krankheit oder Tod einen Strich durch alle Rechnungen machen.
Menschen gehen ganz unterschiedlich mit solchen Situationen um. Die einen resignieren, andere rebellieren, wieder andere versuchen, einfach das Beste daraus zu machen. Für alle aber, die einen derartigen Tiefpunkt durchleben müssen, ist es eine dunkle Zeit, die alle ihre psychischen und physischen Kräfte herausfordert.
Für die Eltern Jesu, Maria und Josef, muss die Zeit rund um die Geburt ihres Kindes eine schlimme Zeit gewesen sein. Zunächst die unerwartete Schwangerschaft, dann die Umstände der Geburt des Kindes und schließlich die ungewisse Zukunft für die ganze Familie.
Kraft und Halt in dunklen Stunden
Wenn wir Weihnachten feiern, kehren wir normalerweise die die freudigen Seiten hervor und schauen vor allem auf die heil überstandene Geburt, das gesunde Kind, die Unterstützung durch die Hirten… Die prekäre Situation der Heiligen Familie wurde nachträglich noch übermalt durch einen verklärenden Blick der Christen, die das einstige Jesuskind als Messias und Sohn Gottes gefeiert und verehrt haben. Die Evangelisten Matthäus und Lukas beschreiben die Not seiner Eltern und die damit verbundenen seelischen Konflikte in knappen Worten und liefern mit ihren Berichten gleich auch theologische Erklärungen mit. Immerhin verschweigen und übergehen sie diese Seite der Geburt Jesu nicht.
Wir tun gut daran, wenn wir beim Weihnachtenfeiern die beklemmende Vorgeschichte der Geburt Jesu nicht ausklammern. Denn wenn wir nur auf den Glanz und das Wunderbare, oder nur auf das Romantische schauen, übersehen wir einen wichtigen Teil der Frohen Botschaft, der uns gerade in unseren dunklen Stunden des Lebens Halt und Kraft geben kann.
Was hat den Eltern Jesu Halt und Kraft gegeben? Beide standen ganz in der religiösen Überlieferung ihres Volkes. Sie warteten wie viele Generationen vor ihnen auf den Messias, der die Menschen aufrichten, alle ihre Wunden heilen und ihnen ihre verletzte Würde zurückgeben wird. Sie waren überzeugt, "Gott ist mit uns". »Emmanuel«, übersetzt »Gott ist mit uns«, ist für sie zu einem Namen Gottes geworden. In dieser Gewissheit, dass Gott mit ihnen durch alle Not geht, sind sie Wege gegangen, von denen sie noch nicht wissen konnten, wohin sie führen werden. Dieser Gewissheit hat auch Maria und Josef getragen. Für die Christen ist in Jesus dieser »Gott ist mit uns« ein konkreter Mensch geworden.
Gott ist mit uns
Alle Jahre wieder feiern wir Weihnachten, um uns gegenseitig in diesem Glauben zu bestärken: "Gott ist mit uns". Er geht mit uns durch alles Dunkle, das unser Leben einhüllen kann. Wir stärken unsere Gewissheit, dass auch heute Gott mit uns gehen und uns aus dem Dunkel heraus in eine gute Zukunft führen wird, wie er damals in der Geburt Jesu Neues hat aufbrechen lassen. Im historischen Blick zurück können wir heute die Geburt Jesu als den Beginn eines neuen Zeitalters erkennen, in dem eine tiefgreifende geistige Erneuerung eingesetzt hat, die bis heute andauert und sich noch in die Zukunft hinein fortsetzen wird.
Im vergangenen Jahr haben unvorhergesehene Ereignisse unser aller Leben überschattet. Wir kämpfen nun schon bald zwei Jahre mit einer Pandemie. Sie hat viele Menschen das Leben gekostet, vielen lang andauernde gesundheitliche Schäden zugefügt, unser Wirtschaftsleben zurückgeworfen, unsere persönlichen Freiheiten eingeschränkt und unserer Gesellschaft schwere Wunden zugefügt. Daneben kämpfen wir noch mit anderen Krisen, die mindestens ebenso gefährlich sind: die klimatischen Veränderungen, Flüchtlingsströme, die unser gewohntes Leben durcheinander bringen, gesellschaftliche Umbrüche u.a.m.
Als Seelsorger begegneten mir auch im vergangenen Jahr viele Menschen, die durch einen persönlichen Schicksalsschlag in eine Situation geraten sind, die bis dahin nicht absehbar war.
Was kann uns in solch dunklen Stunden Hoffnung geben? Es heißt zwar "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Gibt es eine Hoffnung, die über das allgemeine Werden und Vergehen hinausreicht? "Gott ist mit uns" haben sich gläubige Menschen durch die Jahrhunderte hindurch gesagt und daraus Kraft und Hoffnung geschöpft. In Jesus Christus ist diese Hoffnung ein konkreter Mensch geworden.
Ein Menschheitstraum geht in Erfüllung
Josef, lieber Josef mein
Heute, am 24. Dezember, muss es einmal sein: Josef darf eine Hauptrolle spielen. Maria ist – eigentlich – immer dabei. Dann kommen noch die Engel, die Hirten, die Weisen – und, nicht zu vergessen, der Stern. Den kann man nur schwer spielen. Wo doch der Himmel so hoch ist.
Josef soll ein Zimmermann gewesen sein, Handwerker also. Keine große Bildung, keine hohe Stellung, keine Pensionsansprüche. Hier riecht alles nach Holz und Arbeit. Dass Josef Maria kennt und liebt, gibt der Geschichte einen schönen Ton. Solche Geschichten lieben wir. Da sind zwei Menschen, die ihr Leben zusammenlegen wollen. Lukas erzählt, dass die beiden verlobt sind. Das „Ja“ zueinander haben sie schon gesagt. In Nazareth wissen das auch alle.
Aber ihre Liebesgeschichte verändert sich quasi über Nacht. Maria ist schwanger. Nicht von Josef. Diskret will er sich zurückziehen, einem neuen Glück wohl nicht im Wege stehen. Aber ganz ohne Frage? Ohne Gespräch? Ohne Streit? Was alles durch seinen Kopf geht? Sein ganzes Leben durcheinander bringt? Wir wollten doch heiraten, wir lieben uns doch! Matthäus erzählt, dass Josef gerecht ist – ein Gerechter. Ein Mann nach dem Herzen Gottes. Nur dafür kann sich auch der frömmste Mensch nichts kaufen.
Ein Traum…
In einem Traum bekommt Josef Besuch. Es ist ein Engel.
„Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht,
Maria als deine Frau zu dir zu nehmen;
denn das Kind, das sie erwartet,
ist vom Heiligen Geist.
Sie wird einen Sohn gebären;
ihm sollst du den Namen Jesus geben;
denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“
Es ist eine aufregende Szene, die immer schon Kopfschütteln, aber auch Verwunderung ausgelöst hat. Ein Kind vom Heiligen Geist? Den Schlüssel liefert Matthäus, der Evangelist, aber eben auch: Eine Verheißung geht in Erfüllung:
„Siehe: Die Jungfrau wird empfangen
und einen Sohn gebären
und sie werden ihm den Namen Immanuel geben,
das heißt übersetzt: Gott mit uns.“
Tatsächlich: der Engel zitiert. Er zitiert eine Stelle aus dem Propheten Jesaja (7,14). Ob Josef diese Stelle kannte? Ob er sie je vergessen wird?
„Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben:
Siehe, die Jungfrau hat empfangen,
sie gebiert einen Sohn
und wird ihm den Namen Immanuel geben."
…dass Gott mit uns ist
Damals, als die Menschen zum ersten Mal von diesem „Zeichen“ hörten, begann eine Hoffnungsgeschichte in harten und schwierigen Zeiten. Dafür spricht schon der Name „Immanuel“ – er entfaltet die zärtliche und liebevolle Seite Gottes, die er uns Menschen zuwendet. Von Anfang an, von ihm selbst offenbart: ich gehe mit euch. Ich halte euch die Treue. Auffällig nur, dass von einem Kind die Rede ist – ist ein Kind nicht immer wehr- und hilflos? Aber auch Anfang, Beginn einer neuen Geschichte? Ist ein Kind nicht immer Aufbruch aus dem Vergangenen? Ein Traum und mehr. Ein Traum für Maria, nein, ein Traum für die beiden, für Josef und Maria. Ein Traum von einem Kind …
Dass Gott mit uns ist, ist oft verraten worden. Für Kriegsglück wurde er in Anspruch genommen, für Kriegsunglück verflucht. Sogar für Verbrechen und Terroranschläge muss er herhalten. Bis heute. Es gibt auch Träume von Gewalt und Tod. Sie sind längst zu Albträumen geworden.
Aber die Sehnsucht nach Liebe ist größer, die Sehnsucht, nicht alleine zu sein, nicht alleine gelassen zu werden. Wenn Gott doch mit uns gehen würde…, wenn er doch mit uns Angst aushalten würde…, wenn er uns doch in seiner Liebe halten würde…
Paul Gerhardt – 1653 – hat ein Lied gedichtet:
Wir singen dir, Immanuel,
du Lebensfürst und Gnadenquell,
du Himmelsblum und Morgenstern,
der Jungfraunsohn, Herr aller Herrn.
Von Anfang, da die Welt gemacht,
hat so manch Herz nach dir gewacht,
dich hat gehofft so lange Jahr
der Väter und Propheten Schar:
„Ach, dass der Herr aus Zion käm
Und unsre Bande von uns nähm!
Ach, dass die Hilfe bräch herein,
so würde Jakob fröhlich sein!“
Lebensfürst und Gnadenquell, Himmelsblum und Morgenstern, Jungfrausohn, Herr aller Herrn… Eine Liebeserklärung!
… enthüllt ein Geheimnis
Es beginnt mit einem Traum, der ein Geheimnis enthüllt. Ein Traum, der Bilder schenkt, die sich Worten entziehen dürfen. Ein Traum, der selbst zu einem Zeichen wird. Träume sind doch offen, jedem Kalkül entzogen - sie verschwimmen und entschwinden – in ihnen wird Unmögliches wahr und Mögliches fremd. Ein Kind wird geboren. Dieses Kind wird geboren. Ihm wird der Name Immanuel gegeben. Gott mit uns. Es könnte der Traum Josefs sein? Ein Traum eines Verliebten. Doch dann: Gott kommt zur Welt. Mutig bringt der Engel den Heiligen Geist mit. Er, der die ganze Welt erfüllt, ist auf einmal in einem Herzen, in einem Kopf, in einem Bauch. Josef hätte das nie zu träumen gewagt. Handfest, wie er war. Jetzt begegnet es ihm. Im Traum. Schon im Traum. Vor allem anderen – im Traum. Was Josef zu sehen bekommt, hat vor ihm noch keiner gesehen.
Ich träume mit. Ich lasse mich fallen. Ich bin glücklich. Gott selbst - Vater. Josef wacht auf. Was alles in diesem Aufwachen steckt! War es ein Traum in der Nacht? Ein Traum am Tag? Josef nimmt Maria in den Arm. Er nimmt sie zu sich. Sein Traum geht in Erfüllung. Der Traum der beiden. Von Maria übrigens hört man jetzt eigentlich - nichts. Nur, dass sie geliebt und angenommen ist. Und als das Kind geboren wird, nennt Josef es: Jesus. Wie ein Vater, der seinem Kind den Namen gibt. Ich sehe das Kind. Ich staune. Gott ist mit uns? Immanuel? Ein Kind!
Merkwürdig. Die meisten Menschen haben Angst davor, von der Jungfrauengeburt zu reden. So viele Missverständnisse haben sich im Lauf der Jahrhunderte angehäuft. Werden erst einmal Diskussionen geführt, ist es auch mit der Unbefangenheit schnell vorbei.
Verstehe ich Matthäus richtig? Wer nicht träumt, kann nicht glauben!
Sehnsucht
In diesem Jahr erleben und beobachten wir Einschränkungen, Befürchtungen und Sorgen. Sie liegen wie Schatten über unserer kleinen und großen Welt. Ein Traum wird zu einem Geschenk. Der Traum von einer Welt, die erlöst wird. Die nicht aufgegeben wird. Die nicht in Schuldverstrickungen erstickt. Wo mir die Worte ausgehen, meine Zweifel überwiegen, meine Vernunft stockt, kommt ein Engel. Auf ihn habe ich schon lange gewartet.
Der Traum ist mit einer Sehnsucht verbunden, die wir seit Kindertagen mit uns herumtragen. Wir suchen einen Glanz in der Welt, den wir sonst schon längst verloren haben. Wir suchen ein Geheimnis, das uns aus Kinderaugen anlächelt. Ansonsten funktionieren wir in einem Takt, der über uns gekommen ist – und nennen das sogar noch Freiheit. Was kann es Schöneres geben als einen Traum? Nein, wir fliehen in keine andere Welt, wir sehen aber einen neuen Glanz. Eine neue Hoffnung. Es sind die Träume, die die Welt verwandeln. Darf ich jetzt einfach auf Josef verweisen?
Heute, am 24. Dezember, muss es einmal sein: Ich darf eine Hauptrolle spielen. Es ist schön, dass Maria dabei ist. Josef, die Engel, die Hirten, die Weisen – und, nicht zu vergessen, der Stern. Den kann man nur schwer spielen. Wo doch der Himmel so hoch ist.
Paul Gerhardt hat das so in Worte gefasst – wie ein Schmuckstück:
Nun du bist hier, da liegest du,
hältst in dem Kripplein deine Ruh,
bist klein und machst doch alles groß,
bekleidst die Welt und kommst doch bloß.
Fröhliche Weihnachten!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Weihnachten ist dort, wo Gott in unser Leben tritt
Ungewöhnliche Weihnachten
Viele Menschen feiern in diesem Jahr Weihnachten an ungewöhnlichen Orten unter ungewöhnlichen Umständen. In diesem Erleben sind sie den Akteuren der Weihnachtserzählungen, Maria, Josef, den Engeln und Hirten näher als in anderen Jahren. Wenn Gott in das Leben eines Menschen eintritt, geschieht das meist auf ungewöhnliche Weise.
"Wann ist Weihnachten?" fragen Kinder in einem Werbespot des Fernsehens. 2020 müssen wir diese Frage abwandeln. Viele fragen sich: Wo ist Weihnachten? Wo können wir in diesem Jahr Weihnachten feiern? Die Reisebeschränkungen hindern nicht wenige daran, Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern. Besucherbeschränkungen hindern viele daran, ihre Lieben in Krankenhäusern oder Pflegeheimen zu besuchen und mit ihnen zu feiern. Manche sind positiv getestet worden oder mussten sich als Kontaktpersonen in Quarantäne begeben und können bestenfalls im Fernsehen etwas vom Weihnachtsfest mitbekommen. Manchen bleibt nichts anderes übrig, als den Weihnachtsgottesdienst über das Fernsehen mitzufeiern.
Wo feiern Sie Weihnachten? Wie feiern Sie Weihnachten? Ist das noch Weihnachten? Was kann ich von einem solchen Weihnachtsfest erwarten?
In dieser ungewöhnlichen Situation sind wir gar nicht so fern vom Ur-Weihnachten, von dem uns die Evangelisten Lukas oder auch Matthäus erzählen. Maria und Josef werden sich ihren Aufenthalt in Betlehem auch anders vorgestellt haben. Dass sie zur Geburt ihres Kindes mit einem Stall vorliebnehmen müssen, werden sie sich nicht einmal in Albträumen vorgestellt haben.
Rund um Weihnachten werden in den Gottesdiensten viele alte biblische Erzählungen in Erinnerung gerufen, die berichten, dass Gott für Menschen unerwartet und ganz anders, als sie sich das gewünscht haben, in ihre Leben getreten ist. Wenn Gott zu Menschen kommt, ist das für Menschen auf jeden Fall ungewöhnlich. All diesen Erzählungen ist gemeinsam: Die Begegnung mit Gott kann man nicht machen. Sie geschieht oder geschieht nicht. Sie ist diesen Menschen passiert, widerfahren, geschenkt worden.
Weihnachten widerfährt, geschieht, wird geschenkt
Mehr als in anderen Jahren haben wir 2020 zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir nicht alles machen oder erzwingen können, was wir gerne hätten und wie wir es gerne hätten. Uns ist die Pandemie widerfahren und wir haben uns in die Gegebenheiten fügen müssen. Auch Weihnachten können wir nicht machen und erzwingen. Das erleben wir dieses Jahr besonders eindringlich. Leicht verfestigt sich der Eindruck, wenn wir alles richtig machen, alles gut vorbereiten, dann bekommen wir gute Weihnachten. So viel wir für das Weihnachtsfest auch vorbereitet haben, das Eigentliche des Weihnachtsfestes kann niemand erzwingen. Es widerfährt einem, es geschieht, es wird uns geschenkt: Die Begegnung mit lieben Menschen, dass wir sie glücklich erleben oder selbst glücklich sind, die Freude in ihren Augen und in den Augen der Kinder werden uns geschenkt. Auch die Begegnung mit dem Göttlichen, dass Gott uns nahe kommt, in unser Leben tritt, dass wir erfahren, dass Gott da ist, können wir nicht herbeizwingen, es wird uns geschenkt.
Maria, Josef, Engel und Hirten
In der Weihnachtserzählung wurden uns Josef und Maria vorgestellt: sie mussten in all den Ereignissen rund um die Geburt ihres Kindes annehmen lernen, dass Gott sehr ungewöhnliche Wege geht, um seine Pläne mit den Menschen zu verwirklichen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Wut, Enttäuschung, Verzweiflung erlebt haben, sich am Rand ihrer Kräfte gefühlt haben. Dennoch ist in der Geburt ihres Kindes nicht nur der Retter der Welt, der Erlöser der Menschheit zur Welt gekommen, sondern vor allem Gott in ihr Leben getreten. Im neugeborenen Kind sind sie mit Gott und dem Geheimnis des Lebens in Berührung gekommen.
Erzählt wird uns auch von Engeln. Sie verkünden die Frohe Botschaft von der Menschwerdung Gottes. Sie geben den einfachen menschlichen Ereignissen eine religiöse Deutung. Nur wenige hören ihre Stimmen und nur bei wenigen kommt ihre Frohe Botschaft an. Was die Engel den Hirten über das Kind ausrichten, gilt in gleicher Weise auch uns.
Schließlich wird uns auch noch von Hirten erzählt. Wir wundern uns, wie schnell sie all diese geheimnisvollen Zusammenhänge begreifen. Uns haben sie voraus, dass sie in so einfachen Verhältnissen leben, dass sie den Wahrheiten der grundlegenden Lebenswirklichkeiten näher sind als wir in unseren komplexen Wahrnehmungen. Sie sind einfach offen für die religiöse Dimension dessen, was sie sehen und wahrnehmen, und erleben so eine Gottesbegegnung, die ihnen widerfährt, passiert, geschenkt wird.
Gott ist da, wo auch immer er dich antrifft
Weihnachten 2020 kann für uns trotz aller Widrigkeiten auch eine Chance sein. Die meisten von uns erleben es in ungewöhnlichen Umständen, viele auch an ungewöhnlichen Orten. Wo immer wir sind, Gott kann hier und heute in unser Leben eintreten. Wir können ihm begegnen in der Gestalt des Kindes in der Krippe oder auch in der Begegnung mit Menschen, durch die uns Gott berührt und sagt: Fürchte dich nicht! Ich bin da, mitten in deinem Leben, wo auch immer ich dich antreffe.
Neue Krippenfiguren
Bekannte Krippenfiguren
Die Krippenfiguren kennt ihr: Maria, Josef und natürlich das Jesus-Kind. Sie hausen in einem Stall. In den Herbergen, Hotels und Pensionen gab es für sie keinen Platz. Aber in der Nacht eilen Hirten herbei. So zerzaust wie sie sind. Mit müden Gesichtern. Aufgeschreckt. Sie erzählen von einem himmlischen Lobgesang. Sie haben die Engel gesehen! Die Nacht leuchtet. Es ist, als ob der Himmel die ganze Erde umfasst und in den Arm nimmt.
Heute singen wir viele Lieder. Sie besingen ein Wunder. Sie besingen das Wunder, dass Gott Mensch wird, ja, sogar ein Kind. So nah kommt uns Gott. Er strahlt uns an mit dem Lächeln eines Kindes. Er weint auch wie ein Kind. Maria hat alle Hände voll zu tun. Sie ist noch so jung. Ein Mädchen. Weiß sie, wie das ist mit einem Kind? Unerfahren und neugierig ist sie. Jesus ist ihre ganze Freude. Josef steht so ein bisschen am Rande. Aber von ihm wird in den höchsten Tönen erzählt, dass er Maria sehr lieb hat. Und durch dick und dünn mit ihr geht. Heute wird die Welt ganz neu entdeckt.
Heute besuchen wir in unserer Kirche die Krippe. Wir bewundern die Engel, wir bewundern den Stern, wir bewundern Hirten und Schafe, den Ochsen und den Esel – und mitten drin: die hl. Familie. Jesus liegt in einer Futterkrippe. Umgeben von Stroh und Heu. Es riecht nach Nacht. Aber die Menschen, die hier sind, sind glücklich. Und wir sind glücklich. Vielleicht nicht immer: wir bringen die Hetze, die Unruhe mit, manchmal auch Sorgen, gar nicht mal so selten auch Ärger und Streit. Jesus wird in eine Welt hineingeboren, die nicht friedlich ist, in der viele Menschen leiden, in der Angst und Hass geschürt werden. Aber die Engel geben den Ton vor. Ehre sei Gott in der Höhe – und auf Erden Frieden! Gott hat alle Menschen lieb.
Viele Generationen von Menschen führen zu Jesus
Wir haben das Evangelium gehört. Es ist der Stammbaum Jesu. Eine lange Latte von Namen. Ist euch einer davon je begegnet? Aram? Amminadab? Schealtiël? Manche Namen sind wie Zungenbrecher. Aber Abraham ist vielen Menschen bekannt und David auch. Wenigstens das. Zu diesen vielen Namen könnte ich lange Geschichten erzählen. Dafür ist aber die Heilige Nacht viel zu kurz. Was machen? Matthäus – so heißt er Evangelist – hat die Idee, die vielen Namen und Geschichten in drei Teilen zu erzählen:
Abraham...
Im ersten Teil beginnt Gott die Geschichte mit seinem Volk Israel. Abraham verlässt seine Heimat und wird, so heißt es in alten Überlieferungen, der Stammvater vieler Völker. Irgendwie können sich alle Menschen auf ihn beziehen: unser Ur-ur-ur-ur Opa. So viele „ur-ur“ kann ich aber nicht aufzählen. Jahrtausende sind es. So viele Finger habe ich nicht an meiner Hand. Aber es ist schön, einen solchen Menschen in der Verwandtschaft zu haben. Abraham trägt auch den Ehrentitel „Vater des Glaubens“. Von ihm möchte ich mir mehr als eine Scheibe abschneiden! Sein Mut, sein Vertrauen ist so groß, dass seine Kinder wie Sterne leuchten.
Könige...
Im zweiten Teil begegnen wir den Königen des alten Israel. Es waren nicht immer fromme Leute. Aber da kommt Isai vor. Er ist der Vater von David. Isai trägt auch den Namen Jesse. Und Jesse ist bekanntgeworden als „Wurzel Jesse“: Wir sehen einen Baum mit vielen Ästen und Zweigen vor uns. Und in den Zweigen und Ästen hocken die Könige Israels. Sie haben eine Wurzel. Aber die Wurzel erzählt von der großen Hoffnung, dass einmal ein König kommt, der alle Menschen mit Gerechtigkeit und Liebe regiert. Was auch heißt: die Könige, die hier mit Namen aufgezählt werden, sind unvollkommen und gelegentlich sogar böse. Diese Geschichten enden in einer Katastrophe: im babylonischen Exil. Der Tempel ist zerstört, Jerusalem aufgebrochen und ein ganzes Volk wird in die Verbannung geführt. Alleine diese Geschichte umfasst hunderte von Seiten.
Priester...
Im dritten Teil treffen wir auf Menschen, die in fremder Umgebung Priester sind. Zadok und Eleasar gehören zu ihnen. Priester sind, kurz gesagt, Menschen, die dazu berufen sind, zwischen Gott und Menschen zu vermitteln. Wenn es gilt, etwas Böses wieder gutzumachen. Oder Gott etwas zu schenken. Oder ein Urteil Gottes auszurichten. Priester haben einen besonderen Ort: den Altar. Hier können Menschen ein Opfer darbringen, ein Fest feiern oder Gott besonders nahe kommen. In diesem Teil begegnen wir einem Menschen, der Jakob heißt. Heißt einer von euch vielleicht auch Jakob? Jakob ist der Vater von Josef. Und Josef … ist der Mann von Maria. Krönender Abschluss: von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus (der Messias) genannt wird.
Jetzt ist die Reihe vollendet: wir sind bei Jesus angekommen. So viele Menschen führen zu Jesus. Es ist, als ob von Anfang an alles auf Jesus zuläuft. Generationen, Jahrhunderte, große und kleine Geschichten. Und umgedreht: wenn wir Weihnachten feiern, heute, sehen wir hinter Jesus so viele Menschen, dass es uns nicht bange sein muss, uns dazu zu stellen. Jesus erfüllt die großen Sehnsüchte nach Glauben, nach einer Herrschaft der Liebe und Gerechtigkeit - und nach einer Nähe zu Gott, die auch alle Schuld überwindet.
Jesus, Sohn Davids
Matthäus hat übrigens ein kleines Zahlenspiel versteckt. 3 x 14 Generationen. Sollen wir das einmal auflösen? Im Hebräischen hat David 3 Buchstaben: DVD (ohne Vokale). D = 4, V = 6, D = 4. 4 +6+6 sind: 14. Jesus wird auch als Sohn Davids bezeichnet. Im Evangelium wird er oft so angerufen: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich mein!
„Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat:
Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.“
Eigentlich müsste ich langsam zum Schluss kommen. Aber eine Sache ist noch so interessant und wichtig, dass ich sie erzählen muss. In der Aufzählung der vielen Namen sind auch einige Frauen aufgeführt. Tamar, Rahab, Rut und Batseba. Diese Frauen sind alle Auswärtige, Fremde, Zugezogene – oder auch Frauen, die entweder einen schlechten Ruf haben oder Opfer geworden sind. Selbst der große König David, Ahnherr Jesu, ist ein Lump und Verbrecher. Einer der ersten großen Missbrauchsfälle. David hat den Ehemann der Batseba auf dem Gewissen, um Batseba für sich zu haben. Er hat sie sich einfach genommen. Warum das erzählt wird? Warum das erzählt werden muss? Im Stammbaum werden nur die Namen David und Batseba erwähnt – dahinter taucht eine Staatsaffäre auf. Jesus hat auch Menschen in seinem „Stammbaum“ – oder in seiner Verwandtschaft, die ihm nicht zur Ehre gereichen, die schlecht sind, die versagt haben, die kein Verständnis erwarten können - die aber Liebe brauchen. Vergebung. Und einen neuen Anfang. Das alles verbirgt sich in den vielen Namen – und noch vieles mehr. Die Namen drücken Lebensgeschichten aus, die bis heute immer wieder neue Auflagen erleben. Im Guten wie im Bösen.
Neue Krippenfiguren
Ich habe eine Idee: Wir stellen diese Menschen als Krippenfiguren in die Krippe. Josef ist schon da. Maria auch. Für Abraham ist noch Platz, für David, für Batseba – und wie sie alle heißen. Was sie erhoffen und ersehnen, schaut, das finden sie bei dem Kind. Bei Jesus. Er lädt uns alle ein, zu ihm zu kommen. Heute liegt ein Glanz über der Welt, der alles Dunkle, alles Beängstigende, alles Verdrängte ausleuchtet. Zur Schau gestellt wird niemand, aber die Wahrheit kommt ans Licht. Bloßgestellt wird niemand, aber alle Opfer werden gesehen. Und alle, die schuldig wurden, müssen ins Licht sehen. In ein Gesicht...
Jesaja, ein Prophet (er fehlt leider im Stammbaum), hat früher gesagt: „Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis das Recht in ihm aufstrahlt wie ein helles Licht und sein Heil aufleuchtet wie eine brennende Fackel.“ Selbst, wenn man nicht weiß, was mit Zion gemeint ist – das helle Licht genügt. Und dass das Heil aufleuchtet, ist Glück pur.
Das letzte Wort? „Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.“
Die Krippe braucht noch Figuren. Das fällt mir auf. Wer noch ein wenig Zeit hat, kann gerne auch Figuren basteln. Könige. Priester. Und Abraham. Und David.
Stille Nacht, heilige Nacht
Vor 200 Jahren hat ein Lied seine Melodie bekommen: das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“. Am 24. Dezember 1818 wurde es in der Dorf-Kirche von Oberndorf, nicht weit von Salzburg, zum ersten Mal gesungen. Der Text ist von Joseph Mohr, die Noten stammen von Franz Xaver Gruber. Eigentlich hat das Lied 6 Strophen. Schade, dass 3 kaum mehr gesungen werden. Sollten wir unbedingt wieder entdecken! (Gotteslob für Österreich 803).
Die dritte Strophe lautet ursprünglich (auch das Lied hat seine eigene Geschichte):
Stille Nacht! Heil’ge Nacht!
Die der Welt Heil gebracht;
Aus des Himmels goldenen Höh’n,
Uns der Gnaden Fülle läßt seh’n:
Jesum in Menschengestalt!
Frohe Weihnachten!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Ein Kind vom Heiligen Geist
Ein brisanter Stammbaum
Die Art und Weise, wie uns der Evangelist Matthäus von der Geburt Jesu erzählt, erinnert mich an eine Testamentseröffnung voller Überraschungen. Auch da gibt es manches Mal lange Gesichter. Denn es kommt vor, dass ein Erblasser oder eine Erblasserin andere Personen mit dem Erbe bedacht hat, als sich die möglichen Erben ausgerechnet haben.
Matthäus holt weit aus und zählt die Vorfahren des Josef auf. Er beginnt bei Abraham, dem Stammvater des Volkes Israel, und es folgt eine lange Liste mit prominenten Namen; über Isaak, Jakob, Juda, David bis hin zu Josef, dem Mann Marias. Dieser Stammbaum Jesu liest sich wie das »Who is who« des alten Volkes Gottes. Auch 4 Frauen werden mitaufgezählt. Den kundigen Leser irritieren sie allerdings ein wenig, denn sie verkörpern Ausreißer oder Fehltritte, die in Stammbäumen gerne unterschlagen werden.
Am Ende liegen alle Erwartungen auf Josef, dem Mann Marias. Und nun die große Überraschung: Er ist gar nicht der biologische Vater Jesu. Das Kind, das Maria zur Welt bringen soll, sei vom Heiligen Geist, teilt ein Engel dem Josef mit. Was Josef der Öffentlichkeit verheimlichen wollte, um Maria nicht bloßzustellen, wird nun ihm und uns, den Hörern und Lesern des Evangeliums, offenbart. Von Josef wird erzählt, dass er diese Version der Herkunft Jesu gläubig angenommen hat. Können auch wir das glauben?
Eine Frage des Glaubens
Hier scheiden sich die Geister: Die einen sehen darin eine plumpe fromme Geschichtsfälschung und können jene, die daran glauben nur belächeln. Andere sehen darin das Wirken Gottes. Kenner der alten Überlieferungen erinnern sich daran, dass Gott immer wieder in die Geschichte seines Volkes eingegriffen und in göttlicher Weisheit gelenkt hat; angefangen bei Abraham aber auch bei vielen anderen, die da im Stammbaum aufgezählt worden sind. Für sie ist es theologisch logisch, dass in Jesus und in dem, was mit Jesus angefangen hat, der Geist Gottes am Werk ist. Die entscheidende theologische Frage ist nicht, wer der biologische Vater Jesu ist, vielmehr ist es eine Glaubensfrage: Trau ich Gott zu, dass er die Geschichte der Menschheit lenkt, dass er eingreift und durch seinen Geist etwas ganzes Neues beginnen lässt?
Lichterbäume und Geschenke
Zu Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu, den wir als Sohn Gottes bekennen und verehren. Den historischen Geburtstag wissen wir nicht. Alles was von seiner Geburt erzählt wird, ist von theologisch bedeutsamen Legenden umrankt. Irgendwann haben die Christen einen symbolträchtigen Tag im Jahreskreislauf hergenommen, um an dieses große Ereignis der Heilsgeschichte der Menschen zu erinnern. Für sie ist Jesus das Licht, das die dunklen Momente unseres Lebens überwindet. Wir stellen dies dar mit dem Lichterbaum, mit Lichtinstallationen oder Weihnachtsbeleuchtungen.
Die Christen wissen sich mit Jesus von Gott überaus reich beschenkt. In Erinnerung an ihn beschenken sie sich gegenseitig und bringen damit zum Ausdruck, dass die kostbarsten Dinge unseres Lebens Geschenk Gottes sind – theologisch ausgedrückt: Gnade.
Das Christkind und der Weihnachtsmann
Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, wie es in einem Lied heißt. Alle Jahre wieder kommt auch der Streit darüber, wer die Geschenke bringt: das Christkind, der Weihnachtsmann oder wer sonst? Mich belustigt dieser Streit. Es geht nicht um die Frage, ob wir damit Kindern etwas vortäuschen, was es nicht gibt. Christkind und Weihnachtsmann sind Versuche, das Geheimnis des Weihnachtsfestes anschaulich und spürbar zu machen. Gott beschenkt uns auf geheimnisvolle Weise.
Dass nicht alles Brauchtum jene theologische Dichte erreicht, die wir mit Recht von einem Weihnachtsgottesdienst erwarten, soll uns nicht weiter kümmern. Auch nicht, dass geschäftstüchtige Zeitgenossen daraus Kapital schlagen. Vielleicht beginnt der eine oder die andere darüber nachzudenken, welch tieferer Sinn ursprünglich dahinter gestanden ist und immer noch steht.
Es geht um das Wirken des Geistes Gottes: Er wirkt an Menschen, in Menschen und durch Menschen. Er wirkte an Maria, an Josef, am ganzen Volk Gottes. Er wirkte durch Maria, durch Josef und durch das alte sowie das neue Volk Gottes. Und er will auch an uns, in uns und durch uns wirken – trotz aller menschlicher Unvollkommenheit.
Wie Weihnachten feiern?
Und wie können wir dieses Fest am besten feiern? – Es gibt nicht die vollkommene Weihnachtsfeier. Auch wenn wir uns an einem Tag im Jahr besonders zusammenreißen, bleiben wir die Menschen, die wir sind; mit unseren Macken und Unvollkommenheiten. Wir können uns aber bemühen, etwas von dem Geist, der Jesus geformt und geleitet hat, auch in unserem Leben und durch unser Leben zum Ausdruck bringen. Einfach menschlich und liebevoll miteinander umgehen. In Jesus hat der heilige Geist Gottes klein begonnen. Lassen wir ihn auch in uns klein beginnen. Dieser Geist Gottes kann uns und unsere Welt verändern.
Fürchtet Euch nicht, denn Gott ist mit uns
Anders als man denkt
"Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt", heißt eine beliebte Redensart. Wenn wir auf die vergangenen hundert Jahre zurückblicken, ist es sehr oft anders gekommen, als die meisten Menschen erwartet haben. Der Erste Weltkrieg, der geführt wurde, um die alten Machtverhältnisse aufrecht zu erhalten, endete mit dem Zusammenbruch der alten Monarchien. Die danach anschließenden Träumereien von einem Arbeiterparadies haben sich nicht erfüllt. Mit dem plötzlichen Zusammenbruch des Kummunismus sechzig Jahre später hat auch kaum jemand gerechnet. Das Tausendjährige Reich hat gerade einmal zwölf Jahre gedauert, bis es im Chaos untergegangen ist...
Nach all diesen Niedergängen ist es immer wieder weiter gegangen und insgesamt können wir sogar sagen, das Neue war nicht schlechter als das Alte. Das Festhalten am Alten und die Versuche, gewaltsam Neues zu erzwingen haben viel Blut gekostet und unsägliches Leid über viele viele Menschen gebracht.
Auch gegenwärtig erleben wir auf verschiedenen Ebenen Umbrüche: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, kirchlich. Kommt Neues? Zerfällt Altes?
Der Stammbaum Jesu
Ähnliche Erfahrungen hat auch das Volk Israel im Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gemacht. Unter den Königen David und Salomo war es ein Großreich. Viele kleine Königreiche mussten ihm Tribut zahlen. Die Vorstellung, dass es so bleiben könne, und die Hoffnung, dass es einmal wieder so werden könne, hat sich nie erfüllt. Immer ist es anders gekommen, als sich die Menschen es sich ausgemalt haben.
Matthäus erzählt uns die Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu ganz anders als der Evangelist Lukas. Dessen Erzählung kennen wir in- und auswendig. Sie liest sich wie ein schönes Märchen. Matthäus eröffnet sein Evangelium mit der Aufzählung der Vorfahren Jesu. Sie beginnt beim Stammvater Abraham und verfolgt die Abstammungslinie über David bis Josef, den Zimmermann aus Nazareth. Bei allem Familienstolz ist er aber bestenfalls der juridische Vater Jesu. Denn Gott setzt einen Neubeginn, mit dem niemand rechnen konnte. Durch einen Engel lässt er Josef ausrichten, er solle seine Verlobte zu sich nehmen, denn der Sohn, den sie erwartet, sei vom Heiligen Geist.
Rückblickend erkennen der Evangelist und mit ihm alle Menschen, die in Jesus den neuen Hoffnungsträger sehen: Gott ist mit uns und Gott war bei uns in allen Umbrüchen der Geschichte. Die alten Verheißungen des Glaubens erfüllen sich, aber sie erfüllen sich ganz anders, als die Menschen naiverweise oft annehmen.
Fürchtet Euch nicht, denn Gott ist mit uns
Morgen feiern wir Weihnachten. Was heißt das für uns? Gott ist mit uns in allem Auf und Ab des Lebens, sogar dort noch, wo wir all unsere Hoffnungen, Träume und Pläne zerstört sehen.
Das gilt für die großen Entwicklungen der Weltgeschichte. Deshalb lasse ich mich nicht ängstigen von den Umbrüchen, die ich gegenwärtig beobachte; weder vom Strom der Flüchtlinge, noch vom kulturellen Wandel, der uns bevorsteht, noch vom Zusammenprall der Zivilisationen und den mit ihnen verbundenen Religionen; auch nicht von den unleugbaren klimatischen Veränderungen. Wir, bzw. die von uns gewählten Politiker müssen besonnen handeln. Das ist zweifellos eine große Herausforderung. Der gläubige Blick auf die Geschichte sagt mir aber zugleich: Fürchte dich nicht, denn Gott ist mit uns.
Dies gilt auch für meine persönliche Lebensgeschichte. Mit einen Schlag kann plötzlich alles ganz anders aussehen, als ich es mir zurecht gelegt habe. Und all meine Pläne scheinen auf den Kopf gestellt. So erleben es Menschen, die plötzlich von einer schweren Krankheit eingeholt werden, Menschen, die keine Arbeit finden, Menschen, die ihren Lebenspartner verlieren... Selig, wer auch in solchen Momenten glauben kann: Fürchte dich nicht, denn Gott ist mit dir.
Wochenlang haben wir uns auf Weihnachten vorbereitet. So sehr wir uns anstrengen, das Weihnachtsgeheimnis können wir aber nicht herbeizwingen. Wir können zwar Weihnachtsstimmung erzeugen, die innere Gewissheit, dass Gott mit uns ist, müssen wir uns von ihm selbst schenken lassen.
Weihnachten – eine Zumutung Gottes
Ein total verkehrtes Fest
Weihnachten ist ein total verkehrtes Fest: Plötzlich stehen Kinder im Vordergrund. Es gibt in der öffentlichen Aufmerksamkeit viel Platz für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Die starken Männer machen Pause mit ihren starken und die Welt bewegenden Ansagen. Einige stellen sich sogar für den Telefondienst bei »Licht ins Dunkel« zur Verfügung. Einen Tag lang eine total verkehrte Welt.
Das Evangelium vom Vorabend des Weihnachtsfestes, präsentiert uns eine lange Liste von großen und im Volk Israel einflussreichen Männern als Stammbaum Jesu. Dieser ist geschickt arrangiert. Er enthält nicht nur große Namen, sondern auch ein wenig Zahlensymbolik. Das Ziel, auf das er zusteuert, ist Josef, der Mann Marias. Dann heißt es aber überraschend: "Von IHR wurde Jesus geboren, der der Christus – der Messias – genannt wird." Gott geht seine eigenen Wege und durchkreuzt die Pläne der Menschen. Ohne Zutun der großen Akteure der Geschichte schreibt Gott selbst Geschichte. Er braucht die großen Männer nicht.
In einer berührenden Geschichte wird dann dargelegt, welche Rolle Josef in dieser Geschichte des Volkes Israel gespielt hat: Er legitimiert Jesus, obwohl er nicht sein leiblicher Sohn ist, gibt ihm den Namen, hält schützend die Hand über das Kind und seine Mutter. Er erweist sich in einem ganz anderen Sinn als gerecht, als wir es gewohnt sind, wenn Männer sich als rechtschaffen präsentieren oder Menschen ihre Rechte einfordern. Die Größe des Josef besteht darin, dass er das Wirken Gottes gläubig annimmt.
Das Ja des Josef
Was der Evangelist hier von Josef, dem Mann Marias erzählt, ist in erster Linie nicht ein moralischer Akt, der uns gegebenenfalls zur Nachahmung empfohlen wird. Worauf der Evangelist hinzielt und was diesen Mann auszeichnet, ist vielmehr ein religiöser Akt. Josef sagt Ja zum Tun Gottes. Das Ja des Josef hat für den Evangelisten Matthäus eine ähnliche Bedeutung wie für den Evangelisten Lukas das Ja Marias, das uns geläufiger ist. Beide Evangelisten zeigen uns, dass es darauf ankommt, dass wir Jesus, den Retter der Welt, den Gott uns zur Heilung unserer menschlichen Nöte gibt, gläubig annehmen.
In der Volksfrömmigkeit hat sich vielerorts der Brauch des Herbergsuchens erhalten. Er erinnert daran, dass Maria und Josef in den Herbergen Betlehems keinen Platz gefunden haben. Der Brauch mahnt uns, dass wir heute mit den Heimat- und Herbergsuchenden nicht in gleicher Weise verfahren. Er hat 2000 Jahre nach der biblischen Herbergsuche mehr denn je politische und soziale Brisanz. Vor unseren Türen stehen politisch Verfolgte, wirtschaftlich Aussichtslose aus anderen Ländern und Verarmte aus unserer eigenen Umgebung. Sie klopfen an unser soziales Gewissen und erinnern uns daran, dass in unserem Wohlstandsgefüge einiges verkehrt läuft, das wir nicht an diesem einen Abend lösen können.
Unser Ja zum Geschenk Gottes
Bei aller Aktualität des Herbergesuchens darf dabei nicht untergehen, dass es darüber hinaus noch um eine religiöse Dimension geht. Es geht um nicht weniger als um die Frage, ob wir den von Gott gesandten Retter Jesus Christus in unser Leben hereinlassen. Ob wir zu Jesus und zum mit ihm verbundenen Programm Gottes ja sagen wie Josef. Ob wir uns dieses Geschenk Gottes aneignen, wie Josef Jesus als seinen Sohn angenommen hat, oder ob wir dieses Geschenk heimlich umtauschen oder irgendwann zu einem Flohmarkt bringen, wie wir das mit Geschenken machen, die uns nicht gefallen.
Weihnachten ist für uns eine doppelte Herausforderung. Wir sollen unser Herz in zweifacher Weise öffnen: einerseits indem wir uns die Not der Menschen, die es heute in der gleichen Vielfalt gibt wie damals, zu Herzen gehen lassen; andererseits indem wir uns für den Messias Gottes, den Retter der Menschen, öffnen.
Wenn ein Kind in das Leben seiner Eltern tritt, ist das meist ein freudiger Anlass. Es ist aber erst der Anfang einer langen gemeinsamen Geschichte. Wenn das Kind heranwächst mit allen seinen Bedürfnissen und zu einer eigenständigen Person wird, bleiben die Eltern mit ihm verbunden. Ihr Leben lang werden sie damit beschäftigt sein, die Eigenart ihres Kindes zu verstehen und zu begreifen.
Uns Jesus als unseren Messias uns "anzueignen", unsere Lebensgeschichte mit seiner zu verbinden, ihn in seiner Eigenart immer tiefer zu verstehen und zu erkennen, ist die große Zumutung Gottes, die uns in gleicher Weise trifft wie Josef und Maria.
Die Solidarität einer Frau als Abbild der Treue Gottes
Ins "Haus des Brotes"
Im heutigen Lesungstext zieht die junge Witwe Rut fort aus ihrer Heimat in ein fremdes Land, um ihre Schwiegermutter zu begleiten. Sie gehen nach Bethlehem, was übersetzt "Haus des Brotes" bedeutet. Ins "Haus des Brotes", in Länder, wo es Brot, Arbeit und Sicherheit gibt, ziehen auch heute Scharen von Menschen, die ihr Zuhause verlassen, als Wirtschaftsflüchtlinge und Asylsuchende. Oftmals finden sie nicht, was sie suchen. Denn der reiche Norden und die westliche Kultur schotten sich ab gegen Menschen des Ostens und des Südens. Gerechtigkeit und Solidarität sind auch bei uns heute oft Fremdwörter.
Ein Migrantinnenschicksal
Das Matthäusevangelium beginnt am Heiligen Abend mit dem Stammbaum Jesu. Unter vielen Männernamen sind auch ein paar Frauen verborgen. So schauen wir heute auf Rut, die Urgroßmutter Davids und damit Urahnin des Messias Jesus von Nazareth. Das Buch Rut schildert uns das Schicksal einer Familie in Migration. Ein Mann aus Bethlehem geht wegen einer Hungersnot ins Ausland. Mit seinen beiden Söhnen und seiner Frau Noomi bricht er auf ins benachbarte Moab. Beide Söhne (also die zweite Generation) heiraten dort einheimische Frauen, die Moabiterinnen Orpa und Rut. Aber dann sterben alle drei Männer, der alte und die beiden jungen.
Die drei nun alleinstehenden Frauen haben keine eigene Existenz und müssen neuerlich fort. Man hört, in Bethlehem soll es wieder besser sein. Es kommt also zu einer zweiten Migration. Noomi will als alte Frau in ihre Heimat zurück, aber ihre Schwiegertöchter schickt sie, wie es im Text heißt, "heim zu ihren Müttern" (Rut 1,8). Die Väter fehlen also, wie auch heute in vielen armen Gegenden der Welt. Männer sind in kriegerischen Auseinandersetzungen umgekommen, sie sind im Gefängnis, oft hunderte Kilometer weit weg in der Arbeit, oder schlicht und einfach zwar in der Nähe, aber nicht präsent. Die Last der Kinderbetreuung und der Existenzsicherung, oft auch für die Alten, liegt allein auf den Schultern von Frauen. Insofern ist das Buch Rut als Erzählung über alleinstehende Migrantinnen auch heute durchaus realistisch.
Freundschaft, Treue, Solidarität, Gnade
Alle Last und alle Gefährdung liegt auf den Frauen, und die einzige verlässliche Kraft, das Band, das Rut und Noomi verbindet, nennt die Bibel "chesed", zumeist übersetzt mit Gnade. Das Wort hat aber eine viel breitere Bedeutung und ist auch unter Menschen wirksam, als eine Gegenkraft zu unseren oft "gnadenlosen" Verhältnissen in Wirtschaft und Gesellschaft. Chesed ist Freundschaft und Treue in der Einstellung und im praktischen Handeln, es steht für vorbehaltlose Zuwendung und dauerhafte Solidarität. Das ist - im Hintergrund der Geschichte - die Haltung Gottes zu den Menschen und - im Vordergrund - die Haltung von Rut zu ihrer Schwiegermutter Noomi. Chesed, die Treue und Solidarität, zieht sich wie ein Leitmotiv durch das Buch Rut. So kommt diese Haltung schließlich auch als Solidarität eines Mannes (und damit als Treue Gottes) auf die junge Frau zurück, von der sie ausgegangen ist.
Doch gehen wir wieder an den Anfang der Geschichte. Die alte Israelitin Noomi, die schon einmal ausgewandert ist, bricht auf in ihre frühere Heimat Bethlehem, wörtlich das "Haus des Brotes". Sie selber hofft, irgendwie dort wieder Fuß zu fassen, aber ihren Schwiegertöchtern Rut und Orpa will sie das Migrantinnenschicksal nicht zumuten. Ihr seid jung, ihr könnt euch neue Männer suchen, meint sie zu ihnen. So kommt es unter Tränen zu einem endgültigen Abschied und Auseinanderfallen der Familie. Orpa folgt dem Rat und bleibt zurück, aber Rut geht mit der Schwiegermutter, die als Alte sonst vielleicht nicht überleben würde. Es bedeutet für die junge Rut nicht nur wirtschaftliche Ungewissheit in einem Land mit fremder Sprache, sondern auch die Konfrontation mit einer neuen Kultur und Religion.
"Wohin du gehst, dahin gehe auch ich…"
Ihre unverbrüchliche Freundschaft zur Schwiegermutter wird im folgenden Ausspruch deutlich: "Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich, da will ich begraben sein". (Rut 1,16-17) Ein schönes Wort mit tiefgreifenden Konsequenzen. Rut gibt ihre alte Heimat, Identität und Religion auf, um sich unwiderruflich auf eine neue Kultur (dein Volk) und einen neuen Glauben (dein Gott) einzulassen. Sogar den Abschied von ihrer eigenen Schwester Orpa nimmt sie in Kauf.
Es ist eine einsame und folgenschwere Entscheidung für einen Weg ins Ungewisse, in der Hoffnung, dass beide im Gastland irgendwie überleben werden. Von einem Gott, der für sie eingreift, ist in der Geschichte nirgends die Rede. Seine verlässliche Treue wird nur im Verhalten Ruts sichtbar. Wer wie Noomi so einen Menschen an seiner Seite hat, der ist auch von Gott begleitet.
Noomi ist sich aber dessen nicht bewusst. Der Neuanfang in Betlehem ist schwierig, sie ist voll Resignation und Bitterkeit. Die Vergangenheit erscheint ihr verklärt, der Grund ihrer ersten Migration vergessen, wenn sie sich bei früheren Bekannten beklagt: "Nennt mich nicht mehr Noomi (die Liebliche), sondern Mara (die Bittere)... Reich bin ich ausgezogen, aber mit leeren Händen hat Gott mich heimkehren lassen." Sie fühlt sich auch von Gott gestraft. Rut wird da wohl noch ein Stück einsamer gewesen sein als zuvor, wenn sie Noomi, die zumindest nach Hause gekommen ist, so klagen hört. Aber sie lässt sich davon nicht beirren und ergreift die Initiative.
Es ist Zeit der Gerstenernte. Rut sagt: "Ich möchte aufs Feld gehen und Ähren lesen, wo es mir jemand erlaubt." (Rut 2,2). Migrantinnen heute gehen putzen, Rut sammelt die Reste der Wohlstandsgesellschaft. Denn die Ähren, die bei der Ernte zurückbleiben, dürfen die Armen aufklauben. Sie ist also abhängig von der Sozialgesetzgebung des Gastlandes und der Gunst derer, die sie auslegen.
Aber es ist eine prekäre Arbeit, und als fremde junge Frau ist sie Freiwild. Migrantinnen landen oft in der Prostitution, und auch Rut ist nur sicher, weil sich ein Mann uneigennützig für sie einsetzt, der Bauer Boas, dem der Grund gehört. Er rät ihr, in der Nähe anderer junger Frauen zu arbeiten und verbietet den Knechten, sie anzuschreien und zu belästigen.
Ein Hoffnungsschimmer
Das Entgegenkommen eines Einheimischen ist ein Hoffnungsschimmer. Boas zeigt Großzügigkeit und unterstützt Rut, ohne sie zu beschämen oder zu vereinnahmen, indem er anweist, besonders viele Ähren für sie fallen zu lassen. Er nimmt sie als schöne junge Frau wahr, nähert sich ihr aber nicht mit Macho-Gehabe, sondern respektiert ihre Würde und spricht an, was sie geleistet hat: "Mir wurde alles berichtet, was du ... für deine Schwiegermutter getan hast, wie du deinen Vater, deine Mutter, dein Land und deine Verwandtschaft verlassen hast und zu einem Volk gegangen bist, das dir zuvor unbekannt war." (Rut 2,11).
Überhören wir hier nicht die Anspielung der Erzählung auf Abraham, der auch aus der Heimat in ein fremdes Land zog! Ihm und seinem Gottvertrauen wird hier Rut gleichgestellt, eine arme und alleinstehende Ausländerin, die wie er dann zum Segen für ihr Umfeld wird.
Jedenfalls wird nun auch Noomi wieder aktiv. Sie hat bemerkt, dass der etwas ältere Boas Rut schätzt und sich vielleicht für sie interessiert. Noomi fädelt eine riskante Begegnung ein. Rut soll sich nach dem Erntefest im Schutz der Dunkelheit dem schlafenden Boas nähern. "Wasch dich, salbe dich und lege deine Tücher um, dann gehe zur Tenne hinab. Zeig dich aber dem Mann nicht, bis er fertig gegessen und getrunken hat. Wenn er sich niederlegt, so merke dir den Ort, wo er sich hinlegt. Geh dann hin, deck den Platz zu seinen Füßen auf und leg dich dorthin." (Rut 3,3-4).
Rut lässt sich darauf ein, obwohl sie ihren guten Ruf zu verlieren hat und riskiert, dass sie für ihn nur eine Abwechslung für eine Nacht wird.
Die Bibel schweigt darüber, was auf der Tenne dann passiert. Sie gibt nur das Gespräch der beiden wieder, in dem Rut um Schutz und Unterstützung für sie und Noomi wirbt und Boas indirekt zur Ehe auffordert. Er reagiert positiv und verspricht, sich um alles Nötige zu kümmern.
Der Rat der alten Frau, der Mut der Jungen, die Diskretion des noch illegalen Paares und eine rechtliche Bestimmung des Gastlandes (das Gesetz vom Löser) schaffen nun den beiden Frauen eine neue Existenz, und dem Mann Liebe und Familie. Das Kind, das dann zur Welt kommt, ist ein Vorfahr von David (und damit auch von Jesus) und wird zwei Völker und zwei Religionen verbinden.
Die Kraft der "chesed"
Rut hat eine neue Heimat gefunden und wird von ihrem Mann und ihrer Umgebung geachtet. Boas sagt zu ihr: "Alles, was du sagst, will ich für dich tun, denn alle Welt an Bethlehems Tor weiß, dass du eine starke Frau bist." (Rut 3,11). Und die Frauen Bethlehems gratulieren Noomi: "Deine Schwiegertochter, die dich liebt, ist dir mehr wert als sieben Söhne" (Rut 4,15b). Was das in einer patriarchalen Gesellschaft bedeutet, kann wohl nicht hoch genug bewertet werden.
Unabhängig vom Happy-End der Rut-Geschichte ist uns allen in den reichen Gesellschaften zu wünschen, dass wir Migration als Chance verstehen, dass sich Menschen und Völker verständigen und verbinden und Kulturen und Religionen einander bereichern. Ohne die Kraft der chesed, der Verlässlichkeit, Freundschaft und uneigennütziger solidarischer Hilfe kann das aber nicht gelingen. Wenn wir von der Zuwendung Gottes zu uns überzeugt sind und daraus leben, dann muss das daran sichtbar werden, wie wir in unserem Alltag mit Migrantinnen und Asylsuchenden umgehen: dass wir nämlich mit Courage Vorurteile ausräumen, uns fremde Menschen achten und mit Respekt und tätiger Unterstützung auf sie zugehen.
Dr.in Maria Prieler-Woldan, Linz
Zum Begriff "chesed" vgl. das entsprechende Stichwort im Glossar der Bibel in gerechter Sprache (Auflage 2006, S. 2338) - siehe "Kontexte"
Gott - mitten unter uns
"Oh mein Gott, ein Mensch!”
"Oh mein Gott, ein Mensch!” - Dutzende von Situationen gehen mir durch den Kopf, zu denen dieser Ausruf passen könnte. Ich stelle mir etwa das Glück von Menschen vor, die gerade ihr neugeborenes Kind in den Armen halten und nicht fassen können, was ihnen im Moment der Geburt geschenkt wurde. Mit Blick auf das Jahr 2011 stelle ich mir etwa auch Teilnehmer von Rettungsexpeditionen vor, die in den verschiedenen Katastrophensituationen dieses Jahres nach verzweifelter Suche plötzlich bei einem Überlebenden stehen und erleben dürfen, dass ihr Einsatz Sinn macht: "Oh mein Gott, ein Mensch!”
Ich stelle mir auch vor, wie den Verantwortlichen der verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Situationen dieses Jahr vielleicht zwischendurch einmal bewusst wurde, dass hinter jedem Dossier einer Bankangelegenheit und vor jeder Parlamentsentscheidung immer Gesichter zu sehen sind, - Betroffene, die aufgrund von Vorgängen in Politik und Wirtschaft vielleicht Schicksalsschläge erleiden müssen: "Oh mein Gott, ein Mensch!
Ein bescheidener Anfang
An diesem Abend schauen wir in die Krippe im Stall zu Bethlehem und dieser Satz bekommt eine ganz andere Bedeutung: "Oh mein Gott, ein Mensch!” Gott wird Mensch, er wird einer von uns - und das nicht in Prunk und Braus, sondern in sehr uncharmanten Verhältnissen: Ein Stall muss herhalten für den Moment der Geburt - das ist nicht die klinisch saubere Situation eines Kreißsaales. Die erste Gesellschaft Jesu: nicht Kinderärzte und Hebammen, sondern Ochs und Esel, - ein wenig später Hirten und deren Herden. Nein, ein Kommen Gottes in die Gegenwart der damaligen Zeit hat sich wohl keiner so vorgestellt: Der Gottessohn, der im Stammbaum einen König David hat, kommt nicht mit Pomp, mächtig und stark daher, sondern armselig, schwach, hilflos.
Zum Höhepunkt des Heilsplans Gottes also solch eine Pleite? Kann denn das wahr sein? Ja, das ist wahr! - Und: Das ist Gottes Programm! Wenn Gott Mensch wird, passiert das nicht zuerst mit den Mächtigen und Starken, nicht mit den Reichen und Glücklichen. Wenn Gott Mensch wird, steht da als erstes die Solidarität mit jenen Menschen, die nichts mehr haben als diesen Gott - denn hier kann er viel Platz einnehmen.
Geboren werden, um aufzuerstehen
"Oh mein Gott - dieser Mensch!” - Ungefähr so tönt dann später einmal das Wort von Pontius Pilatus, des Jerusalemer Statthalters, der Jesus am Ende dessen Lebens verurteilen soll und nicht weiß, warum. An Weihnachten beginnt, was am Kreuz vorläufig endet: die Lebensgeschichte eines Mannes, der in dieser Welt Mensch werden ließ, was Gott mit ihr vor hatte. Ein menschliches Angesicht sollte diese Welt bekommen, im wahrsten Sinn des Wortes. Und damit ist noch lange nicht Schluss. Denn: Was in der Krippe im Stall zu Bethlehem begann und am Kreuz auf Golgatha scheinbar so schmählich endete, hat in der Auferstehung des Gottessohnes eine Kraft abbekommen, die bis heute diese Welt verändern kann.
Denn wenn Gott seine Solidarität mit uns Menschen zeigt, wenn er selbst alle Schwachheiten und Nöte der Menschen kennen lernt, dann kann die Folge nicht einfach allein ein Fest der tiefen Gefühle sein. Wenn Gott mit uns solidarisch wird und unsere Natur annimmt, dann ist dann nicht einfach ein nettes Weihnachtsgeschenk, dann ist das auch eine Gabe, eine Aufgabe, die weiter über diese festlichen Tage hinaus Bestand hat.
Immanuel - Ich bin mitten unter euch
Und hier kommen wir Christinnen und Christen ins Spiel. Hier lockt uns die Frohe Botschaft heraus aus der festlichen Atmosphäre, weg vom Weihnachtsbaum. Jetzt dringt der Rufe auch an unser Ohr: "Oh du Mensch - da ist dein Gott!” Gottes Menschwerdung geschieht in Zeit und Geschichte. der Evangelist Matthäus beschreibt dazu sogar einen Stammbaum Jesu. Und will damit sagen: Gott ist nicht so eine unfassbare Idee, sondern ganz konkret. Und dieser Gott will fortgetragen werden durch kommende Zeiten - mit unseren Händen und durch unsere Ideen. Das Ereignis von Bethlehem, die Menschwerdung Gottes in dieser Welt, soll weitergehen: Das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen. Wir sollen dieser Welt ein menschlicheres Antlitz verleihen. Und das ist nicht eine fromme Idee, sondern konkreter Aufruf. Wo jeder und jede von uns zupacken kann, lässt sich mit einem ehrlichen, sensiblen Blick durch das eigene Leben und durch die eigene Umgebung schnell erfassen.
Trotz allem
Dass der Frieden und die Freude, die dieses Weihnachtsfest verkünden, nicht ausschließlich sind, das wissen wir, das ist unsere tägliche Erfahrung. Unfriede und Lieblosigkeit sind in den persönlichen wie in den weltpolitischen Zusammenhängen auch geradezu daheim. Aber Scheitern und Untergang sind ebenfalls im Werdegang des Gottessohnes zu finden. Darum sind eben nicht zuerst die Geburt Jesu, nicht sein Sterben und sein Tod jene Ereignisse, die so heilsstiftend sind, sondern es ist vor allem die Botschaft der Auferstehung, die uns wissen lässt, dass in allem Dunklen dieser Welt immer auch ein Neuanfang steckt.
Die Liebe Gottes hat Hand und Fuß bekommen. Wer Gott liebend ergreift und ihn festhält, findet Halt und Geborgenheit. Auch dann, wenn das Leben in Rutschen kommt, wenn die Festfreude getrübt wird oder gar nicht erst aufkommt, können wir uns auf diesen Gott verlassen, weil er da ist. Und darum dürfen wir auch sehr hemmungslos mitten in allem Leid der Welt diesen Wunsch rufen: Habt frohe und gesegnete Weihnachten!
Das Leben wird neu
Quo vadis?
Am Türgitter des von Richard Kurt Fischer 1991 in Innsbruck-Arzl erbauten Gotteshauses, dessen äußere Erscheinung einem Bergkristall ähnelt, steht die Frage "Quo vadis?" - Wohin gehst du, Mensch?
Ich könnte weiterfragen: Wohin gehe ich heute? Gehe ich dem Herrn entgegen? Der Sinn des Lebens wäre ja eine Vorbereitung auf das Kommen des Herrn. Ich gehe im Advent sicher in dieses und jenes Kaufhaus, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Aber kommt der eigentliche Sinn des Advents bei mir oder in der Gesellschaft noch vor? Ist diese Zeit noch eine Vorbereitung auf das Kommen des Herrn?
Bleib oben!
Bettina Wegner schreibt in ihrem Jesusgedicht:
"Jesus steig nie herab.
Du kriegst keine Wohnung
und vom Kuchen nichts ab.
Du kriegst keine Arbeit
und du kommst in den Knast,
weil du radikal und leise Widerstand geleistet hast.
Mensch Jesus, bleib oben,
sonst schlagen die dich tot!".
Verrückte Weihnacht!?
Trotzdem kommt Jesus auch heute in unsere Zeit. Er will nicht seinen "Einfluss" sichern, sondern sich immer wieder verschenken. Das ist wahrlich ein Dienst Gottes an uns, ein "Gottesdienst". Doch die Welt ist verrückt, das heißt im wörtlichen Sinn genommen, nicht an der richtigen Stelle, weil sich jeder selbst und nicht Gott zum Mittelpunkt macht. Gott wird an den Rand gedrängt, im Leben kommt er nicht vor. Trotzdem bleibt Gott seiner Idee treu, in uns sein Zelt aufzuschlagen.
Christus klettert vom Weihnachtsbaum herab
Im Jahre 1955 hat der Dichter Ferlinghetti geschrieben:
"Christus klettert vom Weihnachtsbaum herab,
läuft von den Warenhäusern und Fernsehschirmen fort
und kommt leise in den Schoß irgendeiner anonymen Maria zurück.
Jesus wird wiederum erwartet,
eine unvorstellbare und unmöglich erscheinende Wiederempfängnis,
die allerverrückteste aller Wiederkünfte wird aufs neue Wirklichkeit".
Das Leben wird neu. Weihnachten ist es wieder geworden. Freuet euch!
Weihnachten führt zu unserem Ursprung zurück, zur Liebe Gottes
Zu meinen Wurzeln finden
Es war vor ein paar Jahren: mit einem guten Freund saß ich vor einem Computer. Der Freund machte zu der Zeit "Ahnenforschung!" Er durchforschte die Stammbäume seiner Familie. Auch beschäftige er sich mit der Zeit, in der die einzelnen lebten. Interessant war es auch, was er über die Umstände erfuhr, warum einzelne überhaupt zusammen kamen. Wir beide kamen darüber überein, welche Zufälle oder - christlich gesprochen - Fügungen es gegeben hat, dass wir überhaupt existieren. Welchen Umständen ich meine Existenz verdanke, das herauszufinden ist sehr interessant. Ahnenforschung kann helfen, sich selbst immer besser und tiefer zu verstehen. Geschichte kann interessant sein.
Durch Ahnenforschung werde ich zu meinen Wurzeln zurückgeführt. Dasselbe geschieht auch an Weihnachten. Weihnachten führt mich zurück an einen Ursprung anderer Art. Doch aus eben diesem Ursprung heraus bin ich als Christ eingeladen, zu leben. Weihnachten führt mich auf eine neue Weise zur Liebe Gottes zurück. Diese Liebe Gottes ist der Ursprung meines Lebens. Weil ich mich von Gott geliebt weiß, darum darf ich glauben: ich bin in Gottes Hand gehalten, gewollt und auch geplant, vor allem gewünscht. In Jesus ist diese Liebe Gottes Mensch geworden. Jesus ist der Zielpunkt von Gottes Handeln.
Jesus ist das Ziel, auf das alles zugeht
Matthäus hat auch Ahnenforschung betrieben. Ich gebe zu: es hört sich langweilig an, wenn zu lesen oder zu hören ist, wer wen zeugte, wer wessen Vater war, wer mit wem vermählt wurde. Doch hinter den vielen Namen stehen Menschen, stehen Lebensgeschichten und es steht Gottes Handeln in diesen Menschen. Es beginnt bei Abraham und es wird weitergeführt bis Jesus. In diesem Stammbaum spielen Frauen, die nicht zum jüdischen Volk gehörten, eine sehr wichtige Rolle. Nichts überlässt Matthäus dem Zufall. Gott führt seine Geschichte auf wunderbare Weise. Jesus ist das Ziel, auf das alles zugeht. Jesus ist geboren aus Maria der Jungfrau und wird der Christus, der Messias genannt. Dieser Jesus wirkt in einer ganz konkreten Geschichte, die von Liebe, aber auch von Sünde und Schuld geprägt ist. Jesus bildet das Ende, aber nicht als Abschluss, nein als Ziel des göttlichen Planes. Mit ihm fängt die Geschichte erst an. Mit ihm beginnt meine Lebensgeschichte mit Gott.
Der Stammbaum des Matthäusevangeliums zeigt: Jesus hat auch seine menschliche Heimat gehabt. Er brauchte sie. Aber vor allem hat er seine Heimat gehabt in Gott. Auch ich habe meine Heimat unter den Menschen. Weihnachten aber zeigt mir, dass meine Heimat vor allem auch bei Gott liegt. Gott wurde Mensch, damit der Mensch Heimat finde in Gott. So soll es einmal Hildegard von Bingen ausgedrückt haben. Neben dem Stammbaum hören wir im Evangelium auch wie sehr Gott dafür sorgt, dass Jesus innerhalb einer Familie aufwachsen kann. Was der Engel über das Kind verkündet ist sehr hoffnungsvoll. Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Jesus heißt: Gott schenkt Heil. Man wird ihm den Namen Immanuel geben: Gott ist mit uns.
Ein Evangelium, das Hoffnung macht
In der Ungeborgenheit des Lebens, mit allen Unsicherheiten, mit all dem Schweren, das ich erlebe, darf ich wissen: Gott lässt uns nicht allein. Er ist der Gott mit Uns, der Immanuel. Wir Menschen haben uns von ihm getrennt, wir wollten sein wie Gott. Wir wollten nicht, dass Gott über uns ist. Sondern Menschen sehen sich als das Maß aller Dinge. Doch in Jesus, der "sein Volk von den Sünden erlösen wird" will Gott diese Trennung aufheben. Denn nur in Gott können wir unsere letzte Heimat finden.
Das zeigen auch die anderen Texte, die von der Geburt Jesu berichten. Wenn Lukas zum Beispiel beschreibt, dass Josef und Maria keinen Platz in einer Herberge finden, sondern ihr göttliches Kind in einem Stall zur Welt bringen, dann zeigt das ganz tiefe Heimatlosigkeit und Ungeborgenheit. Doch gerade diese menschliche Ungeborgenheit verweist uns auf Gott zurück. Gott hält seine schützende und führende Hand über Jesus.
Und Gott hält seine schützende Hand auch über uns. Unser Leben ist Gott eben nicht gleichgültig. Denn seine Liebe ist der Ursprung unseres Lebens. Das zeigt sich in den Namen, denen wir in der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja begegnen. Jerusalem ist nicht mehr die verlassene und von den Feinden belagerte und besiegte Stadt. Sondern nach wie vor, trotz allem Abfall und allem Unglauben ist sie die "prächtige Krone", der "königliche Diadem", es ist "die Wonne", die "Vermählte". Gott hat sein Ja, das er einmal zu Jerusalem gesprochen hat nicht mehr zurückgezogen. Nicht nur das: Gott freut sich über Jerusalem. Er freut sich über uns Menschen. In Jesus ist dieses Ja zu uns Mensch geworden. So wie in der ersten Lesung der Stadt Jerusalem Würde und Wert zugesagt wird, so auch uns.
Zu Gott umkehren
Immer wieder hat Gott sich seines Volkes angenommen. Paulus weist in der Lesung aus der Apostelgeschichte auf die wichtigsten Ereignisse im Glauben der Juden hin: auf den Auszug aus Ägypten. Gott hat die Israeliten befreit aus der Sklaverei. Paulus verweist auf David, den König, der "alles was ich will, vollbringen wird." Diese Geschichte des Gottesvolkes prägen das Leben, den Glauben und auch das, was Jesus den Menschen seiner Zeit später verkündigen wird. Johannes der Täufer hat die Menschen zur Umkehr zu Gott aufgerufen. Zwei Mal ist Johannes uns in der Adventszeit begegnet. Wenn wir zu ihm umkehren, dann braucht das nicht mit Furcht und Zittern zu sein. Wir kehren zu Gott zurück, der uns liebt, der unser Leben begleitet. Wir kommen immer mehr zu dem, wer wir sind, wenn wir uns von seinen Worten leiten lassen.
Immer wieder ist es wichtig, sich auf diese geistlichen Wurzeln zurückzubesinnen. Sie zeigen uns, wer wir sind. Menschen, unendlich geliebt, von Gott geleitet. Unsere Heimat finden wir in aller Ungeborgenheit und Heimatlosigkeit des Lebens in ihm. Es gibt so vieles, was uns diese Ungeborgenheit erfahren lässt. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, weil sie politisch oder religiös anders denken. Sie verlieren ihre Heimat durch Naturkatastrophen. Mich fasziniert es, wenn ich erfahre, dass gerade der Glaube ihnen Halt gibt. Die Ungeborgenheit zeigt sich in den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die es noch gibt. Ungeborgenheit wird erfahrbar, wenn ich höre, dass viele Leiharbeiter behandelt werden wie Menschen zweiter Klasse, dass nur wenige von dem Aufschwung profitieren, die Einsamkeit vieler Menschen.
Zum Ursprung zurückfinden
Diese und auch noch mehr Erfahrungen sind im Grunde ein Ergebnis davon, dass sich die Menschen immer mehr entfernt haben von ihrem letzten Ursprung. Wir sind zeitlebens unterwegs, zu unserem Ursprung zurück zu finden. Bauen wir auf diese Liebe Gottes. Sicher: wir können nicht als einzelne die Welt verändern. Wir können unseren Mitmenschen von dem schenken, was wir selbst empfangen haben. Wir können jemandem Heimat schenken, wenn uns sein Schicksal, ganz gleich welcher Art nicht gleichgültig ist. Wir können jemandem zuhören ohne gleich alle Probleme lösen zu können. Wir können Anteil nehmen. Wir können durch unser Leben zeigen, zu wem wir gehören, dass wir in Gott unseren Ursprung haben, dass er und im Leben das wichtigste ist. Wir können in kleinen Schritten unseren Mitmenschen Heimat geben.
Unser Lebensziel ist Jesus, der Retter, dessen Ankommen in der Welt wir feiern. Seine Worte, sein Handeln müssen unsere Worte, muss unser Handeln werden. Er ist die Liebe. Schenken wir unseren Mitmenschen Heimat. Schenken wir unseren Mitmenschen die Liebe, so wie Gott es tat in dem Kind von Bethlehem.
Gebt die Sehnsucht nicht auf, es gibt Hoffnung!
Jetzt ist Weihnachten!
Vor rund 20 Jahren, ich war damals noch ein Student in Innsbruck, da erfuhr ich durch Zufall, dass im Pfarrheim des Domes ein Weihnachtsgottesdienst mit Obdachlosen aus der ganzen Stadt gefeiert wird. Auf dem Plakat, wo dieser Gottesdienst angekündigt war, stand auch, dass jeder der Zeit hat, eingeladen sei, mit den Obdachlosen mitzufeiern.
Meine Neugierde wurde durch diese Plakat angestachelt und ich fragte mich: "Obdachlose, Menschen ohne Hoffnung, gescheiterte Existenzen ohne Zukunftsperspektive, wie können solche Menschen ein Fest feiern, das für mich so stark verbunden ist mit Familie, Geborgenheit, Freude, Zukunft, Neubeginn und Liebe?" Und so beschloss ich, an diesem Weihnachtsgottesdienst teilzunehmen.
Gespannt, was ich erleben würde, stapfte ich am Weihnachtsabend durch das verschneite winterliche Innsbruck. Als ich das Pfarrheim erreichte und die Türe öffnete, da schlug mir sogleich der Geruch von Glühwein und Punsch entgegen. Der Gang waren festlich mit Tannenzweigen und Glaskugeln geschmückt und im kleinen, warmen Pfarrsaal hatten sich bereits um die 50 Menschen eingefunden.
Die meisten von ihnen waren Obdachlose, Junge und Alte, Frauen und Männer. Auch wenn sie nicht die neueste Kleidung trugen, hatte ich dennoch den Eindruck, dass sich alle, so gut sie konnten, bewusst auf diesen Gottesdienst vorbereitet hatten.
Neben dem Altar stand ein großer geschmückter Christbaum, an dem noch keine Kerzen entzündet waren, und auf den Stühlen lagen Zettel mit Liedtexten. Als nun der Gottesdienst begann, war ich überrascht, mit welcher Freude und Anteilnahme diese Menschen die Weihnachtslieder mitsangen.
Schließlich kam der große Augenblick. Vor dem Evangelium wurde der Saal etwas abgedunkelt und die Kerzen wurden am Christbaum entzündet. Eine feierliche Stille herrschte im Raum. Nun brannten alle Kerzen.
Noch bevor der Pfarrer das Evangelium verkünden konnte, stand jedoch ein alter Mann auf und sagte mit Tränen in den Augen: "Jetzt ist Weihnachten". Und alle anderen erhoben sich ebenfalls und viele riefen: "Ja, jetzt ist Weihnachten!"
Ein Fest für alle Sinne
Ich habe seither selten so tief beeindruckt das Weihnachtsevangelium verspürt, als bei diesem Gottesdienst mit den Obdachlosen. Mir ist damals deutlich geworden, dass Weihnachten ein Fest ist, das alle unsere Sinne anspricht. Erinnerungen an die Kindheit werden wach, das Staunen über den hell beleuchteten Christbaum, die Erfahrung des Schenkens und Beschenktwerdens, der Geruch von Tannenzweigen, Kerzen und Weihnachtsbäckereien, das Zusammensein mit meinen Eltern und Geschwistern, das Aufbleiben dürfen bis zur Mitternachtsmette und der Weg zur Kirche durch die tief verschneite Landschaft.
Jeder von ihnen verbindet mit Weihnachten seine eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und vielleicht auch manche Sehnsüchte. Weihnachten, das Fest wo wir verspüren dürfen, dass Gott nicht in der Ferne bleibt, nein er wird einer von uns, trifft mitten in unser eigenes Leben hinein.
Bei diesen Obdachlosen in Innsbruck habe ich erlebt, was es bedeutet: auch in den Dunkelheiten und Brüchen eines Lebens gibt es von Gott her immer noch ein Licht, das aufstrahlt und wärmt. Auch wenn für die Obdachlosen vielleicht schon am nächsten Tag wieder der Kampf um das Überleben begann, in diesem Augenblick spürten sie in der Tiefe ihres Herzens, dass Gott solidarisch mit ihnen ist. Denn Gottes Sohn Jesus kommt nicht in Prunk und Herrlichkeit in die Welt, sondern als armes kleines Kind, ohne richtiges Zuhause, so wie sie sich selber oft fühlen. In diesem Augenblick kam ihre Sehnsucht und ihre Hoffnung zum Ausdruck.
Und haben nicht auch wir Sehnsucht nach solchen Augenblicken in unserem Leben? Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe, Sehnsucht nach Frieden und gegenseitigem Verstehen, Sehnsucht auf Zukunft in Krankheit oder Leid?
Weihnachten ruft uns zu: Gebt die Sehnsucht nicht auf, denn es gibt Hoffnung! Hoffnung seit Jesus, der Sohn Gottes, im Stall zu Bethlehem einer von uns geworden ist.
Der uns nahe Gott
Wer, wo und wie ist eigentlich Gott? Wie zeigt sich der Unaussprechliche, der Schöpfer der Welt, unserer Menschheitsgeschichte und dem Einzelnen? Seit Menschengedenken wird diesen Fragen nachgegangen, werden Zugänge und Antworten gesucht und auch formuliert.
In der Geschichte von Weihnachten, in der Geburt eines Kindes vor knapp 2000 Jahren, wird uns ein eindringliches und hoch sensibles Bild der Nähe Gottes zu den Menschen erzählt.
Die Menschwerdung Gottes
Gott - in einem Kind, das weint, das hungrig und bedürftig ist. Ein Kind wie alle Kinder dieser Welt.
Ich denke, wir alle kennen genügend Beispiele: Babys und Kleinkinder unterwegs im Kinderwagen oder daheim: die Augen voll auf die Mutter, auf Erwachsene gerichtet; ausgesetzt und angewiesen auf deren Zutun, auf deren Liebe, auf die Grundbedürfnisse eines Lebens.
Gott in einem Kind
Dieser menschliche Gott durchkreuzt im Grunde so viele Vorstellungen eines gewaltigen oder abgehobenen Gottes. Vielleicht ist dieses Bild der Nähe und Verbundenheit Gottes mit uns Menschen ein Bild, das uns auch heute noch "ans Herz" geht und irgendwie existenziell berührt.
Vergleichbar ist hier das Bild des leidenden und sterbenden Menschensohnes. Auch hier wird Gott dem Menschen sehr, sehr nahe - in brutalen Umständen. Gerade deshalb fanden viele Geschundene und Verfolgte immer schon ein Zugang zu Jesus als Trost und Verheißung.
Ein weltgeschichtliches Ereignis
Wenn wir an Weihnachten weltweit das Kommen Gottes in einem kleinen Kind bedenken und feiern, so ist dies auch ein weltgeschichtliches Ereignis. Die Wirkungsgeschichte des Kommen Gottes in Christus hält bis heute an. Auch wenn diese Botschaft immer wieder verfolgt wurde und wird, sie ist weiterhin gegenwärtig und wächst.
Wie viele Ideen und große machtvolle Staaten und Reiche verschwanden in diesen zwei Jahrtausenden immer wieder von der Bildfläche? Denken sie nur an das Römische Imperium, denken sie an das Reich Karls des Großen, denken sie an die Tartaren und Hunnen, oder denken sie an die große Diktaturen mit ihren Ideologien in den letzten beiden Jahrhunderten. Was blieb davon wirklich übrig?
Das Kommen Gottes in einem Kind ist keine rührselige Geschichte; dieses Kommen Gottes ist letztlich ein einmaliges und nicht zu löschendes Licht in der Menschheitsgeschichte!
Natürlich müssen wir uns als Christen und als Kirche auch immer wieder die Frage stellen lassen: wie gehen wir mit diesem uns anvertrauten Licht, mit der Frohen Botschaft, um - inmitten vieler Nichtglaubender, Andersgläubiger, oder auch Suchender.
Wer, wo und wie ist Gott?
Es gibt viele Zugänge, viele Fragen und auch viele Versuche nach Antworten. Lassen Sie mich heute Abend nur einige wenige kurz andeuten, zum Weiterdenken und zum Mitnehmen:
Weil Gott Mensch wurde - ist er uns sehr nahe gekommen; in all unseren "Menschlichkeiten".
Weil Gott Mensch wurde - sind auch wir hineingenommen worden in eine viel größere Verheißung. Unser Leben, unser Dasein haben einen neuen Sinn erhalten.
Weil Gott Mensch wurde in einem schutzbedürftigen Kind - haben wir eine Ahnung erhalten, wie Gott sich uns nähern möchte: als der uns nahe Gott.
Jesus bringt uns Heil
Erfüllte Erwartung
Ein etwa vierjähriger Bub wartet schon seit Tagen auf das Kommen des Christkinds und strapaziert die Erwachsenen nur mehr mit einer Frage: "Wann kommt endlich das Christkind?" Eines Tages bekommt der Kleine die ersehnte Antwort: "Heute kommt es!" Ist die Zeit schon vorher langsam vergangen, so vergeht sie jetzt noch langsamer. Das Spielen macht keinen Spaß mehr, nicht brav zu sein, kommt als lustige Alternative schon gar nicht in Frage; denn dies könnte Auswirkungen auf den Umfang der Geschenke haben. Was tun, um sich die Zeit zu vertreiben? Schließlich kommt dem Kleinen die zündende Idee und er setzt sich ans Küchenfenster, um die Ankunft des Christkinds zu beobachten. Natürlich tut sich, außer dass es allmählich dunkler wird, nichts. Plötzlich ist ein lauter Aufschrei zu hören. "Mama, Mama, ich habe das Christkind gesehen!"
Frust und Enttäuschung
Der kleine Bub hat an diesem Heiligen Abend etwas erlebt, wovon andere nur träumen können. Sein sehnsüchtiges Warten hat sich gelohnt. Wie oft warten wir auf etwas, das überhaupt nicht oder ganz anders eintrifft? So mutiert für viele Weihnachten vom Fest der Freude und des Friedens zum Fest des Frustes und der Enttäuschung. Die an das Weihnachtsfest geknüpften Erwartungen gehen nicht in Erfüllung und die daraus resultierende Enttäuschung kann groß sein. Das scheint beinahe eine Grunderfahrung zu sein.
Vor 2000 Jahren war dies nicht viel anders. So erwarteten damals vor allem die zelotischen Juden einen Messias, der durch seinen kriegerisch, politischen Anspruch und durch sein dementsprechendes Auftreten eine neue Ära herbeiführen sollte. Obwohl der Messias kam, blieb ihre Erwartung ohne Erfüllung. In Jesus von Nazareth vermöchten sie ihren ersehnten Retter nicht zu erkennen. Denn er kam nicht mit einem großen, zur Schlacht bereiten Heer, sondern schutzlos und arm in der Gestalt eines Babies.
Ganz anders erging es den Hirten. Sie sahen das Kind in der Krippe, erkannten in ihm den Messias und priesen gemeinsam mit den Engeln Gott für dieses Wunder.
Dass Gott der ganz andere ist und mit unserem Vorstellungsvermögen nicht zu fassen ist, tritt zu Weihnachten deutlich zu Tage. Die klaren, aber zu genau umrissenen und deshalb einschränkenden Messiasvorstellungen der Zeloten verunmöglichten, dass sie in der Geburt des Kindes von Betlehem die Erfüllung ihrer Sehnsucht erfahren konnten.
Hinderlicher Ballast
Welch unnötiger Ballast hindert uns daran, das Eigentliche des Weihnachtsfestes zu erkennen? Erst wenn der Ballast des perfekt gestalteten Festes, des harmonischen Familientreffens und des überbordenden Gabentisches an Bedeutung verliert, kann das Eigentliche zur Geltung kommen.
Im Verhalten des kleinen Buben wird etwas von einer Grundhaltung deutlich, die auf das Wesentliche und nicht auf Nebensächliches abzielt. Er macht sich keine großen Gedanken, was genau zu Weihnachten zu passieren hat oder wie der Ablauf des Festes zu sein hat. All das ist ihm unwichtig. Er möchte nur, dass das Christkind kommt.
Das Christkind will auch bei uns ankommen, in unseren Herzen. Nur sind diese meist mit allen möglichen Dingen vollgestopft, von denen wir meinen, sie könnten dazu beitragen, unsere Ursehnsucht nach Glück zu stillen.
Jesus bringt Heil
Was vermag mich wirklich glücklich zu machen? Im Judentum und im Christentum gibt es darauf dieselbe Antwort, nämlich der Messias. Die Juden warten noch auf sein Kommen, für die Christen ist er in Jesus Christus bereits gekommen. Jesus ist der ersehnte Heilsbringer. Mit seiner Geburt ist ein neues Zeitalter angebrochen, das in seiner noch ausstehenden zweiten Wiederkunft seine endgültige Erfüllung finden wird.
Gerade zu Weihnachten stellt sich daher die Fragen, was hat Jesu Kommen mit mir ganz persönlich zu tun und wie verhalte ich mich dazu. Erkenne ich im Kind in der Krippe den ersehnten Heiland, der mir Orientierung und Sinn zu geben vermag, dem ich vertrauen kann und auf den ich meine Hoffnung setzte? Das Wesentliche an Weihnachten ist, dass Gott Mensch und so der Mensch heil wird. Heil zu sein ist eine Ursehnsucht des Menschen. Heil zu sein ist mehr als gesund zu sein und umfasst den Menschen in seiner körperlichen, geistigen und seelischen Dimension. Deshalb schließen Beeinträchtigungen verschiedener Art das Heilsein nicht aus.
Plötzlich ist die Botschaft von der Geburt Christi keine abstrakte Größe mehr; sie fordert mich zur Stellungnahme heraus. Glaube ich, dass Jesu auch an mir so heilend wirkt wie an den Gelähmten, Ausgestoßenen, Verunsicherten und Sündern seiner Zeit. Wenn meine Antwort ein Ja ist, weil ich glaube, dass Jesus allein meine Sehnsucht nach heil sein stillen kann, bekommt das Weihnachtsfest seinen eigentlichen Charakter zurück und ich kann gleich den Engeln den Hymnus anstimmen: "Verherrlicht ist Gott in der Höhe!"
Jesus, der Retter ist da!
Maria - der neue brennende Dornbusch
In der sog. Lauretanischen Litanei, jener Marienlitanei, die auf das 12. Jahrhundert zurückgeht und ihre heutige Form im 16. Jahrhundert erhielt, findet sich unter anderem die Anrufung Mariens als "brennender Dornbusch". Leider ist diese Anrufung in der gekürzten Form der Litanei, welche sich im "Gotteslob" befindet, nicht mehr enthalten. Doch über Jahrhunderte riefen die Gläubigen Maria als "Rubus incombustus" an, als "brennender Dornbusch", oder genauer: als "unverbrennbarer Dornbusch".
Warum ich das am Weihnachtsabend erzähle? Weil der brennende Dornbusch im Alten Testament jener Ort war, an welchem dem Volk Israel der Gottesname "Jahwe" geoffenbart wurde (Ex 3:14). Das heißt so viel wie: "Ich bin, der ich bin" oder "Ich bin der ‚Ich bin da’". Gott ist der schlechthin Seiende. Weil er Gott ist, kann es keine anderen Götter neben ihm geben. Und es kann auch keine Zeit geben, da er nicht ist. Gott ist immer, gestern, heute und morgen. Und weil er sich mit einem Namen offenbarte, hat er sich für die Menschen anrufbar gemacht. Das heißt dann auch: Er ist da für uns Menschen. So erfuhr Mose und mit ihm das Volk Israel Gott am brennenden Dornbusch.
Gott offenbart seinen Namen und mehr als das
Das Evangelium des Weihnachtsabends spricht neuerdings von der Offenbarung eines Gottesnamens. Schon der Prophet Jesaja hatte im 8. Jahrhundert vor Christus vorausgesagt: "Seht die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel - Gott mit uns - geben" (Jes 7:14). Nun ist diese Verheißung Wirklichkeit geworden. Josef steht wie damals Mose vor einem brennenden Dornbusch. Es ist Maria, seine ihm verlobte Frau. Und der Name, unter welchem sich Gott offenbar macht, ist nicht bloß ein Name geblieben. Im "Immanuel" ist Gott in unüberbietbarer Weise wirklich mit uns, weil Gott in ihm einer von uns geworden ist: ein Mensch, nicht mehr nur mit einem Namen, sondern auch mit einem Gesicht, mit Hand und mit Herz, mit einer menschlichen Geschichte und vielem mehr - "in allem uns gleich außer der Sünde" (Viertes Eucharistisches Hochgebet).
Lassen wir uns von unseren Zweifeln heilen
Verweilen wir beim Bild des Dornbusches, weil es uns weitere Seiten von Weihnachten erschließen kann. Der Dornbusch ist ein Symbol für das Leiden des Volkes Israel. Wenn wir Maria als den neuen Dornbusch ehren und wenn wir vor allem den Dornbusch als den Ort einer besonderen Gottesoffenbarung sehen, so heißt das im Bezug auf Weihnachten: Gott will durch seine Menschwerdung an den Leiden der Menschheit teilnehmen und diese Leiden gerade durch seine Teilnahme heilen. Wir können das beispielhaft an Josef erkennen.
Wie viele Zweifel haben ihn, den Gerechten, gequält, weil er nicht wusste, wie ihm geschah, als seine ihm verlobte Frau ohne sein Zutun ein Kind empfangen hatte? Durch die ihm im Traum gegebene Botschaft, dass dieses Kind vom Heiligen Geist ist, fallen alle Zweifel von ihm ab. Der Immanuel, von dem er durch den Engel hört, erneuert seinen Glauben an Gott, aber auch die Treue gegenüber seiner Frau. Josef ist von seinen Zweifeln geheilt. Lassen auch wir uns durch den "Gott mit uns" von unseren Zweifeln heilen: den quälenden Selbstzweifeln, den Zweifeln an der Fürsorge Gottes, den Zweifeln an unseren Mitmenschen, schließlich auch der Angst, dass unsere Gutheit ausgenützt werden könne.
Christus befreit uns aus jedweder Knechtschaft
Im Alten Testament war der brennende Dornbusch der Ausgangspunkt für die großartige Befreiungsgeschichte des Volkes aus der Knechtschaft Ägyptens. Die Dornen des Busches, vor dem Mose steht, stellen den Schmerz der Knechtschaft dar. Doch indem Gott zu Mose aus dem brennenden Dornbusch spricht, wendet sich das Blatt. Um wie viel mehr noch hat sich das Blatt durch den menschgewordenen Gottessohn Jesus Christus gewendet. Wir singen im Stille-Nacht-Lied jedes Jahr auf’s Neue: "Jesus, der Retter ist da!" Ja, Gott ist tatsächlich Mensch geworden, um uns aus jedweder Knechtschaft zu befreien, besonders auch aus der Knechtschaft unserer Schuld. Wer an Jesus glaubt, bei dem hat sich das Blatt seiner Lebensgeschichte bereits gewendet und dem ist Hoffnung geschenkt: Hoffnung, dass unsere Lebensgeschichte in den gütigen Händen Gottes endet, wenn wir ihm nur vertrauen.
Wichtiger als das Finden ist das Gefunden-werden
Wie aber finden wir Jesus als den Retter? - In einer alten rabbinischen Legende wird berichtet, dass Mose den brennenden Dornbusch deswegen entdeckt habe, weil er nach einem verlorenen Schaf gesucht habe. Können wir nicht Jesus gerade dadurch finden, dass wir uns um jene Menschen sorgen, die in unserer Gesellschaft wenig bis gar kein Ansehen haben, die zu den Ausgestoßenen gehören, die kein Dach über ihrem Kopf, aber vielleicht auch über ihrer Seele haben. Der Gottessohn selbst ist in armen Verhältnissen auf die Welt gekommen. Er hat sich auch in seinem späteren Erdenleben immer wieder mit den Armen und Ausgegrenzten solidarisiert. Weihnachten ist nicht zu Unrecht ein Fest der Mildtätigkeit und Güte gegenüber den Armen. Das innere Motiv, warum wir an Weihnachten den Armen gut sind, soll aber eben nicht unser schlechtes Gewissen sein, weil wir manches haben, was andere nicht haben. Der innere Grund ist vielmehr derjenige, dass wir in den Armen und Ausgegrenzten Christus finden wollen.
Freilich, nicht das wir Christus finden, ist das Wichtigste an Weihnachten. Noch wichtiger ist, dass wir von Gott gefunden werden. Gott selbst hat sich auf den Weg gemacht, um uns alle als die verlorenen Schafe seiner Herde zu suchen. Geben wir ihm die Gelegenheit, uns am heutigen Abend und in der heutigen Nacht zu finden und uns seinen rettenden und tröstenden Namen zu sagen: "Immanuel - Gott mit uns"! Und lassen wir ihm uns sein Gesicht zeigen, das Gesicht des Kindes in der Krippe! Lassen wir seine Hand nach uns ausstrecken, die Hand des Jesuskindes! Öffnen wir ihm unser Herz, dass er uns sein eigenes Herz schenken kann, seinen Sohn, der Mensch geworden ist aus Maria, der Jungfrau.
Die Größe Gottes - eine befreiende Erfahrung für den Menschen
Größe hat Stellenwert bei uns Menschen.
Es ist uns allen ein Begriff, das Guiness-Buch der Rekorde, in dem bis dato unerreichte, aufsehenerregende Höchstleistungen verzeichnet werden. Immer wieder setzen Menschen ihren Ehrgeiz darein, mit einer spektakulären Aktion in dieses Verzeichnis aufgenommen zu werden. Allein die Tatsache, dass ein solches Buch existiert, zeigt, wie sehr die Menschen von Superlativen angezogen werden. Spitzenpositionen, Hitlisten, Megaevents, Exzellenzen - keine Frage, Größe hat Konjunktur. Größe, das ist für Menschen etwas Faszinierendes, auch Verführerisches. Groß herauskommen möchte manch einer selber gern. Menschen werden aufgebaut, etwa Kandidaten für öffentliche Ämter, und so mancher Zeitgenosse wird von den Medien hochgejubelt. Groß sein, groß machen - das ist ein menschliches Dauerthema.
Gottes Größe - sie zeigt sich im Kleinen ...
Kein Wunder, dass auch die Heilige Schrift ein Lied davon singen kann, und zwar ein ganz besonderes Lied und ein großes Lied dazu: das Magnificat der Maria, der Mutter Gottes. Magnificat anima mea dominum, meine Seele macht den Herrn groß, so hebt es gewaltig an. Aber wie anders ist das "Großmachen" hier gemeint! Es bedeutet nicht "aufbauen" oder "hochjubeln"; es bedeutet: die Größe Gottes, des Allerhöchsten, als die einzige wirkliche und wahre Größe erkennen und anerkennen. Das tut Maria in und mit ihrem Gesang. Offenbar ist die Größe Gottes ihr zur elementaren Erfahrung geworden - sie erlebt sie buchstäblich am eigenen Leib, ja, im eigenen Leib. Die G r ö ß e Gottes o f f e n b a r t sich ihr in dem noch in ihrem Schoß v e r b o r g e n e n , w i n z i g k l e i n e n göttlichen Kind, dessen leise, ganz unspektakuläre Ankunft in unserer Welt wir zu Weihnachten feiern. Mit diesem Kind hat es freilich eine ganz besondere, eine göttliche Bewandtnis, wie es schon beim Propheten Jesaja heißt: "Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst."
Maria erfährt in ihrem Leben in reinster Ausprägung etwas, was Menschen immer wieder mit Gott erlebt haben: Seine Größe ist so ganz anders als menschliche Vorstellungen von Größe. Sie erscheint mit Vorliebe im ganz Kleinen, Machtlosen, Unscheinbaren, Verborgenen. Diese geheime Größe Gottes, der in Gestalt eines hilflosen Neugeborenen auf die Erde herabsteigt, feiern wir im Weihnachtsfest als dessen innerstes Geheimnis.
... auch im machtvollen Eingreifen,
Zwar zeigt sich Gottes Größe nach den Worten des Magnificat auch darin, dass Gott um der Gerechtigkeit willen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung umkehrt, also durchaus auch im innerweltlichen Sinne machtvoll waltet, denn "er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen." und "Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen."
... vor allem aber in seinem Erbarmen.
Doch seine Größe zeigt sich am schönsten in seinem rettenden Erbarmen. Dieser Gedanke ist so wichtig, dass er am Ende des Magnificat nochmals mit Nachdruck hervorgehoben wird: "Er [...] denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig." Das rettende Erbarmen ist sozusagen die definitive, die endgültige Form, in der sich Gottes Größe offenbart. Es ist interessant zu wissen, dass das hebräische Wort für "Erbarmen" gleichbedeutend ist mit "Mutterschoß". Dieser Gott ist so groß, dass er alles Geschaffene, das immer auch bedroht ist, liebevoll, zärtlich, rettend und bergend umfängt in unverbrüchlicher Treue, "auf ewig". Seine Größe enttäuscht und sprengt damit die menschlichen Vorstellungen von Größe. Das muß Maria von innen heraus begriffen haben und davon legt sie Zeugnis ab, indem sie das Los annimmt, das Gott ihr in seinem Heilsplan zugedacht hat: Durch sie tritt das rettende Erbarmen Gottes in der Gestalt Jesu in die Welt.
Die Größe Gottes - eine befreiende Erfahrung für den Menschen ...
Aber, so könnte man fragen, macht sich Maria nicht zwangsläufig klein, wenn sie ihren Lobpreis beginnt mit den Worten: Meine Seele macht den Herrn groß? Immerhin spricht sie doch von sich selbst als von einer Magd und betont ihre Niedrigkeit. Keine sehr attraktive, selbstbewußte Sicht auf die eigene Person! Doch wenn ich mir darüber klar werde, dass alle menschliche Größe relativ und vergänglich und nur Gottes Größe absolut und maßgeblich ist, dann geht mir auf, dass ich in meiner Geschöpflichkeit und Begrenztheit ohne jede Frage weit unter ihm stehe. Das ist eine realistische Sicht auf die eigene Existenz und bedeutet keineswegs eine Selbstherabsetzung. Es ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass Gott den Menschen sieht. Und wer schon einmal von einem anderen Menschen wirklich gesehen, als einmalige Person wahrgenommen worden ist, der weiß, wie man unter einem solchen mitmenschlichen Blick aufblüht. Und nun gar der Blick Gottes - nicht herablassend, sondern emporhebend, nicht niederschmetternd, sondern aufbauend, so dass Maria sagen kann: Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Auch wenn uns heute die Redeweise von der "Niedrigkeit seiner Magd" befremdlich erscheint - Maria formuliert hier keine versklavende, sondern eine ganz und gar befreiende Erfahrung. Sie, der die Größe Gottes zum Erlebnis geworden ist, gewinnt darin das rechte Maß für das eigene Leben.
... und Grund für allen Lobpreis.
Und so kann sie gar nicht anders, als im klaren Bewußtsein ihrer menschlichen Begrenztheit - eben ihres Magd- und Niedrigseins - zu ihrer vollen menschlichen Größe und Würde aufzustehen, aus sich herauszugehen und in den großen Lobgesang einzutreten, den bei Jesu Geburt der Engel und die himmlischen Heerscharen vollenden. Nicht den Großen dieser Welt, nicht den Stars, die selber glänzen wollen, sondern schlichten, geringen Hirten verkündigen sie die Freude der Geburt des Erlösers, dieses weltbewegenden Ereignisses, das sich in aller Stille vollzieht. Wer sollte sich da nicht angesprochen, angerührt fühlen von dem Weihnachtsgesang der Engel und voller Freude und aus ganzem Herzen einstimmen in ihr Loblied: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!
Was sucht Gott nachts auf dem Feld?
Die Weihnachtsgeschichte beginnt mit großen Namen: mit Kaiser Augustus und seinem Statthalter Quirinius. Um dann, fast hätte ich gesagt: in einer Nacht- und Nebelaktion, alle Blicke auf ein trostloses Nest und seine wenig charmante Umgebung zu lenken. Denn Bethlehem ist am AdeWe, der werdenden Mutter vermag man nur einen Stall anzubieten und was sich so ringsum tut, ist mit Schafgeblöke schon fast lyrisch beschrieben. Unter uns: eine Niete unter den Dörfern.
Aber Gott hat wohl einen Narren an diesem Nest gefressen. Davon hat die Welt weder vorher noch nachher gehört: dass sich der Himmel öffnet, der himmlische Hofstaat seinen angestammten Platz verlässt und tatsächlich Hirten die größte Nachricht aller Zeiten zugejubelt wird: Euch ist heute der Heiland geboren. Der Retter. Der Erlöser. Was Gott wohl nachts auf dem Feld sucht? Es muss eine große Liebe sein, die sich hier kundtut. Eine Liebeserklärung an einfache Menschen, die nicht nur nicht viel haben, denen auch ein schlechter Ruf anhaftet. Den sie nicht abwaschen können wie Mief von Schaf und Feld. Dass Gott sich mit denen gemein macht! Von dieser Nacht wird man noch lange reden!
Ein Lied für den Morgen
Nein, von dieser Nacht wird man nicht nur lange reden - man wird singen, Lieder über Lieder. Ob die Hirten mit ihren rauen Kehlen überhaupt ein Wort herausbrachten? Den Mut hatten, den Mund aufzumachen? Dann müssen wir es übernehmen!
Paul Gerhardt, dessen 400. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, fand 1653 die passenden Worte. Und schöne obendrein:
Wir singen dir, Immanuel,
du Lebensfürst und Gnadenquell,
du Himmelsblum und Morgenstern,
du Jungfraunsohn, Herr aller Herrn.
Wir singen dir in deinem Heer
aus aller Kraft Lob, Preis und Ehr,
daß du, o lang gewünschter Gast,
dich nunmehr eingestellet hast.
Von Anfang, da die Welt gemacht,
hat so manch Herz nach dir gewacht,
dich hat gehofft so lange Jahr
der Väter und Propheten Schar:
»Ach, daß der Herr aus Zion käm
und unsre Bande von uns nähm!
Ach, daß die Hilfe bräch herein,
so würde Jakob fröhlich sein!«
Wer sich wohl in dem "wir" versteckt? Den Hirten hat Paul Gerhardt Worte in den Mund gelegt, die wir singen sollen. Das Lied von dem lang und heiß ersehnten Gast. Er bekommt die schönsten Namen, Liebkosungen allesamt: Lebensfürst, Gnadenquell, Himmelsblum und Morgenstern - und dann: Jungfraunsohn, Herr aller Herrn. Wunder, die kaum in Worte passen. So singt nur eine - die Liebe!
Ein weiter Blick, fürwahr! "Von Anfang, da die Welt gemacht, hat so manch Herz nach dir gewacht …" Paul Gerhardt beschreibt die Sehnsucht, das Warten und Zagen, die stille und bescheidene, die laute und bestürmende Erwartung. Trotz der wunderschönen Namen: der, der kommt, ist nur: Gast. Mit allem hätte ich jetzt gerechnet, nur damit nicht. Dass es dann auch noch ins Schwarze trifft, erscheint selbst wie ein himmlisches Zeichen. Denn ein Gast wird eingeladen, ein Gast wird erbeten, ein Gast wird umworben - ein Gast kommt, ein Gast bleibt - Gast. Herren sind keine Gäste, Götter auch nicht, der Tod schon gar nicht. In dieser Nacht wird nicht nur eine Liebeserklärung gesungen: in dieser Nacht outet sich Gott als - Gast. Auf die Spitze getrieben: es gibt keinen Raum in der Herberge! Kommen Gäste in die Futterkrippe?
Der Kleine macht alles groß
Paul Gerhardt weiß die richtigen Worte zu finden. Kein Bedauern, kein Räsonieren, nein, die Geschichte kann gar nicht anders (aus)gehen. Diese Geschichte braucht den Stallgeruch, die Nacht, das Feld - weil doch der Himmel einen neuen Ort findet. Umzieht, sozusagen. Paul Gerhardt dichtet:
Nun du bist hier, da liegest du,
hältst in dem Kripplein deine Ruh,
bist klein und machst doch alles groß,
bekleidst die Welt und kommst doch bloß.
Machen wir uns erst gar nicht die Mühe, etwas verstehen zu wollen, was nur in der Liebe aufgeht. In wenigen Worten - Liebe bedarf nie vieler Worte - findet das ganze Evangelium Platz: Der Kleine macht alles groß - und obwohl selbst "bloß", kleidet er die Welt neu ein. Um das Bild auszukosten: Die Welt wird nicht mehr nackt sein - und kein Mensch mehr klein gemacht werden.
Es sind Bilder einer großen Hoffnung. Denn es ist die Barmherzigkeit, die die Welt neu kleidet und Menschen groß macht. Wer auf Status, Vermögen und Prestige setzt, wird sich an der Krippe - nackt sehen. Dabei sehnen sich alle danach, dass die Welt ein neues Gewand bekommt.
Ohne Zeit und Zahl
Was jetzt noch zu sagen ist, soll gesungen werden. Einstimmung ist erbeten: die Einstimmung in den Lobpreis der himmlischen Heerscharen. Was Paul Gerhardt daraus macht?
Ich will dein Halleluja hier
mit Freuden singen für und für,
und dort in deinem Ehrensaal
solls schallen ohne Zeit und Zahl.
Solls schallen ohne Zeit und Zahl! Für Menschen, die klagen, keine Zeit zu haben, aber doch von der Zeit geradezu aufgefressen werden - für Menschen, die für alles Zahlen, Parameter und Budgets brauchen, aber in jeder Zahl das Gefühl haben, unterzugehen, hat Paul Gerhardt einen Blick offen: Den Blick in den Himmel. Von dem wissen wir heute Nacht so viel, dass uns die Tage hell werden.
Sie erinnern sich noch an die Frage: Was sucht Gott nachts auf dem Feld? Die Antwort wird nicht lange zu suchen sein. Er sucht uns Menschen. Er besucht uns. In lieben Worten lässt sich das sagen, singen, jubeln: Lebensfürst, Gnadenquell, Himmelsblum und Morgenstern - Jungfraunsohn, Herr aller Herrn. Frohe Weihnachten!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 159: Licht, das uns erschien (Kyrie)
GL 227: Komm du Heiland aller Welt
GL 228: Tocher Zion, freue dich
GL 230: Gott, heilger Schöpfer aller Stern
GL 236: Es kommt ein Schiff geladen
GL 238: O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit
GL 243: Es ist ein Ros entsprungen
GL 247: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich
GL 251: Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket
GL 252: Gelobt seist du, Jesu Christ
GL 253: In dulci jubilo
GL 395: Den Herren will ich loben
GL 368: O lieber Jesu, denk ich dein
GL Ö812: Singen wir mit Fröhlichkeit
Kehrverse und Psalmen:
GL 55: Jubelt, ihr Lande dem Herrn - Mit Psalm 98 oder mit Psalm 89 - VIII.
GL 244: Halleluja - Mit Psalm 72 (GL 47,2)
GL 263: Seht, unser König kommt; er bringt seinem Volk den Frieden - Mit Psalm 65 (GL 45,2) - VI.
GL 260: Werde Licht Jerusalem, Halleluja, dein Licht ist uns erschienen, Halleluja - Mit Psalm 95 (GL 53,2) - VI.
GL 633,8: Dankt dem Vater mit Freude, er schenkt uns seinen Sohn - Mit Kol 1,12-20
- Einleitung6
Manfred Wussow (2020)
Endlich! Weihnachten! Aber so vieles ist in diesem Jahr anders, dass wir mit gemischten Gefühlen feiern. Aber wir feiern – Weihnachten. Vielleicht auch ein wenig trotzig. Voller Vertrauen. Ist Gott nicht in einer Nacht erschienen? In einer Krippe? Wir hören die Engel singen. Ehre sei Gott in der Höhe – und Frieden auf Erden. Die Freude darüber kann uns auch Corona nicht nehmen.
Ein besonderer Ehrengast heute ist Josef. Was er erlebte, wird zwar in einer kurzen Geschichte erzählt, füllt aber Träume – und Bände. Es ist schön, mit ihm zu träumen.
Bevor wir das Evangelium hören, bitten wir unseren Herrn um Erbarmen.
Manfred Wussow (2018)
Endlich. Jetzt ist Weihnachten! Der Stress der letzten Tage – vergangen.
Heute sind wir nur Gäste. Bei Maria, Josef und dem Jesus-Kind. Ihm gilt unsere ganze Zuneigung.
Die Hirten machen uns Platz. Kommt, sagen sie. Wir wollen euch von den Engeln erzählen!
Wieviel Platz ist eigentlich an der Krippe? Ist der Stall nicht zu klein? Bin ich wirklich willkommen?
Das Evangelium nimmt uns auf eine spannende Entdeckungsreise mit!
Alles, was uns heute Abend bedrückt und den Tag belastet, legen wir an der Krippe ab.
Hans Hütter (2015)
Wir stehen am Vorabend des Weihnachtsfestes. Nun ist wohl alles vorbereitet, was wir von unserer Seite her vorbereiten können. Wir feiern Gottesdienst, weil wir wissen, dass der wesentliche Teil des Festes von Gott her kommt und dass die eigentliche Weihnachtsfreude uns von Gott geschenkt wird. In Offenheit, uns von Gott beschenken zu lassen, treten wir vor ihn hin und bitten um seine Gnade.
Hans Hütter (2013)
Wir stehen an der Schwelle zur Nacht, in der das Warten des Advent seine Erfüllung findet. Durch mehrere Wochen hindurch haben wir uns auf diesen Moment vorbereitet. Es ist uns neu bewusst geworden, wie erlösungsbedürftig diese unsere Welt trotz allen Fortschritts und Wohlstands ist. Wir wollen den kommenden Messias freudig und mit offenem Herzen aufnehmen und heißen ihn willkommen mit dem uralten Ruf der Kirche "Kyrie eleison!"
Martin Stewen (2011)
Gnade und Friede dieses Gottes,
der unter uns lebendig wird,
sei mit euch!
Wirtschaftskrise, persönliche Krisen, Krieg und Terror in der Welt und mitten drin Festfreude. - Geht das, darf das sein? Ja, darf sein, das muss sogar sein. In seiner Menschwerdung spricht Gott sein mächtiges 'Und trotzdem...' gegen alle Widerstände, die Leben verhindern. Um das zu feiern, sind wir heute versammelt. Um neues Leben zu entdecken, in uns selbst und in dieser Welt.
Jörg Thiemann (2010)
Zu dieser Feier am Heiligen Abend begrüße ich Sie herzlich. Sie sind hierher gekommen, um das Fest der Geburt Jesu zu feiern. Wir feiern, dass Gott auf die Welt und auf uns Menschen zugekommen ist in Jesus seinem Sohn. Seine Worte sind Worte der Liebe. Seine Liebe wurde sichtbar in seinen Taten. Seine Liebe ist sichtbar geworden, indem er auf die Welt kam, ein armes Kind in der Krippe. Sie wird sichtbar in den Gestalten von Brot und Wein, Zeichen seiner Hingabe und Liebe für uns.
Besinnen wir uns und grüßen IHN, dessen Fest der Geburt wir feiern, in unserer Mitte. Bitten wir um sein Erbarmen.
- Kyrie6
Manfred Wussow (2020)
Herr,
heute jagen uns so viele Gedanken durch den Kopf,
dass wir gar nicht zur Ruhe kommen.
Die letzten Tage liegen uns auf der Seele.
Herr, erbarme dich.
Christus,
heute feiern wir, dass du einer von uns geworden bist.
Unsere Hilflosigkeit, aber auch unsere Hoffnung kennst du.
Christus, erbarme dich.
Herr,
heute freuen wir uns, Weihnachten zu feiern.
Viele Wünsche können wir nicht erfüllen,
viele Menschen nicht sehen.
Herr, erbarme dich.
Wir werden nicht schweigen,
wir werden nicht stille sein,
„bis hervorbricht wie ein helles Licht Gottes Gerechtigkeit
und sein Heil wie eine brennende Fackel.“ (Jes. 62,1)
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer,
das Gott lobte
und sprach:
„Ehre sei Gott in der Höhe“
Manfred Wussow (2018)
Herr,
eigentlich glauben wir nicht an Wunder.
Wir möchten auch alles in der Hand behalten.
Aber du kennst unser Unglück, unsere Trauer.
Herr, erbarme dich.
Christus,
du beschenkst uns einfach mit einem Wunder.
Du lächelst uns wie ein Kind an.
Alle Häme, die Enttäuschungen, die Sorgen verlieren ihre Bedeutung und Macht.
Christus, erbarme dich.
Herr,
wir hatten keine Zeit, dir ein Geschenk einzupacken.
Und eine Idee fehlte uns auch.
Du aber öffnest den Himmel und schenkst uns ein Lied von der Ehre Gottes und dem Frieden auf Erden.
Herr, erbarme dich.
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab,
damit alle, die an ihm glauben, ewiges Leben haben, Leben in Fülle.
„Dann sehen die Völker deine Gerechtigkeit
Und alle Könige deine strahlende Pracht.
Man ruft dich mit einem neuen Namen,
der der Mund des Herrn für dich bestimmt.
Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des Herrn,
zu einem königlichen Schmuckstück in der Rechten deines Gottes“
(Jes. 62, 2f.)
Hans Hütter (2015)
Herr Jesus Christus,
die Erwartung des ganzen Gottesvolkes
richtet sich auf dein Kommen.
Herr, erbarme dich.
Die Menschheit sehnt sich danach,
dass du Gerechtigkeit und Frieden bringst.
Christus, erbarme dich.
Durch dich erfahren wir: Gott ist mit uns.
Herr, erbarme dich.
Hans Hütter (2013)
Herr, Jesus Christus,
auf dich wartet das ganze Volk Gottes.
Kyrie eleison.
Du kommst, um dein Volk zu erlösen.
Christe eleison.
Durch dich sind wir gewiss: Gott ist mit uns.
Kyrie eleison.
Martin Stewen (2011)
Jesus Christus,
ein Mensch geworden,
weil Gott das Unmenschliche dieser Welt nicht will.
Herr, erbarme dich.
Jesus,
arm, klein und verletzbar geworden,
weil vor Gott das Starke und Mächtige nicht zählt.
Christus, erbarme dich.
Jesus Christus,
du "Gott mit uns",
weil Gott seine Zeit gekommen sah.
Herr, erbarme dich.
Der Gott des Lebens erbarme sich,
er befreie uns von allem, was Leben verhindert,
er nehme von uns Schuld und Sünde
und führe uns zu einem ewigen Leben.
Jörg Thiemann (2010)
Herr Jesus Christus,
du bist die Liebe Gottes, die Mensch wurde in unserer Welt.
Herr, erbarme dich.
Du bist aus Maria , der Jungfrau geboren,
und du wirst Christus, der Messias, genannt.
Christus, erbarme dich.
Du bist vom Heiligen Geist gezeugt.
Herr, erbarme dich.
- Tagesgebet1
Messbuch - TG Weihnachten am Vorabend
Gütiger Gott,
Jahr für Jahr erwarten wir voll Freude
das Fest unserer Erlösung.
Gib, dass wir deinen Sohn von ganzem Herzen
als unseren Retter und Heiland aufnehmen,
damit wir ihm voll Zuversicht entgegengehen können,
wenn er am Ende der Zeiten als Richter wiederkommt.
Er, der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB Weihnachten am Vorabend
- Eröffnungsgebet4
Manfred Wussow (2020) - EG Wussow: Weihnachten, am Vorabend
Auf diesen Tagen haben wir uns schon lange gefreut,
Gott, der du unsere Hoffnung bist.
Wir haben Geschenke gesucht und gefunden,
wir haben ein Fest vorbereitet.
Wir möchten einander eine Freude machen.
Einfach nur zusammensitzen,
uns an dem Licht freuen,
uns austauschen,
Geschichten erzählen und
Zusammen träumen.
Du kommst zu uns und schenkst uns
deinen Sohn,
du vertraust uns deine Hoffnung an,
in einem Kind beginnt deine Zukunft
mit uns.
Für das Wunder danken wir dir,
dass wir geliebt sind,
dass du die Welt nicht aufgibst,
dass es hell wird auf Erden.
In Jesus Christus,
dein Gesicht, dein Leben für uns.
In der Kraft des Heiligen Geistes
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Manfred Wussow (2018)
Wir sind noch ganz außer Atem,
Gott, und laufen dir in die Arme.
In den letzten Tagen sind wir nicht zur Ruhe gekommen.
Die Straßen, Geschäfte und Herzen waren so voll.
Vieles haben wir nicht geschafft, aber vieles versäumt.
Wir wollen Liebe schenken, fürchten aber Missverständnisse
und Enttäuschungen.
Doch du empfängst uns mit offenen Armen im Stall
und zeigst uns in der Krippe das Heil der Welt: Jesus.
Er ist jetzt unser Bruder geworden,
unser Gefährte durch Leben und Tod,
deine Liebe, die die Ewigkeit menschlich macht.
Mit Maria und Josef,
mit den Engeln und Hirten,
mit den vielen Menschen, die sehnsüchtig auf ihn warten,
danken wir dir in seinem Namen
von Ewigkeit zu Ewigkeit
Martin Stewen (2011)
Guter und liebender Gott,
in der Krippe im Stall zu Bethlehem
wendest du der Welt dein menschliches Antlitz zu.
Du wirst Teil unserer Zeit und Geschichte.
Erwecke unsere Herzen durch den Glanz dieser Zeit
und mach uns bereit,
das Licht der Weihnacht in die Dunkelheiten der Welt hinaus zu tragen,
dass sich diese Welt immer mehr zum Guten verändert
durch uns als Botinnen und Boten deiner Liebe.
So bitten wir durch Jesus Christus.
Jörg Thiemann (2010)
Jesus,
du vom Heiligen Geist gezeugt -
aus der Liebe des Vaters
du aus Maria geboren
als Kind im Stall von Bethlehem
du von Josef aufgenommen
auf Geheiß des Engels
wir feiern dein Kommen in unsere Welt
in unser ganz persönliches Leben.
Öffne unser Herz
für deine Worte,
für deine Liebe.
Amen.
- Fürbitten9
Renate Witzani (2021)
Mit der Geburt Jesu beginnt eine neue Ära. Gott schenkt sich uns in einem kleinen Kind. In diesem kleinen Kind wird für uns Himmlisches erfahrbar. Lassen wir uns von seiner Liebe zu einem Leben bewegen, das durch sein Licht alles Dunkle in unserer Welt erhellt:
Um das Licht deiner Liebe für alle, die in und mit deiner Kirche leben;
für alle, die sich in ihrer jeweiligen Religion der absoluten Wahrheit verpflichtet fühlen;
aber auch für alle, die ihre subjektive Wahrheit zum Maß aller Dinge machen.
Um das Licht deiner Liebe für alle, denen es am Lebensnotwendigem mangelt;
für alle, die nicht in Frieden und Freiheit leben können;
für alle, die in ihrer Gesundheit beeinträchtigt sind, weil es an Pflege, Medizin und Hygiene mangelt;
aber auch für alle, die im Überfluss leben und dies gar nicht zu schätzen wissen.
Um das Licht deiner Liebe für alle, die in Beziehungen leben, die sie tragen und ihnen Geborgenheit vermitteln;
aber auch für alle, die unter Einsamkeit leiden
und für die Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Entwicklung unter den Gegebenheiten der Pandemie leiden.
Um das Licht deiner Liebe für uns, wenn wir jetzt in einem Moment der Stille unsere persönlichen Bitten dem Kind in der Krippe anvertrauen.
Um das Licht deiner Liebe für alle Sterbenden und alle unsere Lieben, von denen wir uns schon verabschieden mussten.
Weil du in der Geburt Jesu in unsere Welt trittst, feiern wir heute ein frohes Fest. Dafür danken wir dir und stimmen ein in den himmlischen Lobgesang aller Engel und Heiligen. - Amen.
Manfred Wussow (2020)
Wir gehen einen Krippenweg. Es ist schön, es tut gut, hier an der Krippe abzulegen, was uns bewegt, bedrückt und erfreut.
Dich, Gott, habe ich mir immer schon so groß vorgestellt und mich so klein. Und du überraschst mich: Du machst dich klein und mich groß.
Dafür danke ich dir, wenn mir wieder die Zweifel einholen und ich angeblich nichts mehr tun kann.
Bei dir lege ich ab, dir schenke ich:
Die Hoffnung, dass mit einer Impfung die schlimmen Folgen von Corona bekämpft werden können, die Wirtschaft sich erholt und wir uns alle wieder frei und unbesorgt bewegen.
Stille…
Die Ahnung, dass wir mit Habsucht und Gier die Welt immer weiter zerstören, Lebensräume anderer Menschen kaputt machen und unseren Kindern und Enkel nur noch unseren Schrott hinterlassen.
Stille…
Die Gewissheit, dass mit Liebe Menschen zu einander finden, Ausländer willkommen sind und auch die Fremden eine Heimat bei uns bekommen.
Stille…
Den Traum, dass die mächtigen Menschen in der Gemeinschaft der Völker ihre Machtkämpfe und Machtspiele einfach lassen, ihren Bevölkerungen Zukunftsperspektiven ohne Angst vor einander geben und die globalen Herausforderungen mit Respekt aufgreifen.
Stille…
Den Glauben, dass deine Kirche nicht verloren ist, die Ökumene größere Fortschritte braucht und die weltweite Gemeinschaft deiner Kinder eine Heimat sein kann für entrechtete, ausgegrenzte und verfolgte Menschen.
Stille…
Du nimmst in deine Hand, was wir dir anvertrauen:
Unsere Sorgen und Ängste, aber auch unseren Mut.
Die Menschen, die wir lieben,
aber auch die, die uns fremd bleiben.
In dem Kind, das die Namen trägt:
Friedefürst, Licht, Heiland, Erlöser.
Manfred Wussow (2018)
Im Evangelium sind uns Menschen begegnet, die vor Jesus gelebt haben, aber zu ihm hin gewachsen sind. Hinter den vielen Namen stecken Geschichten und Schicksale, Hoffnungen und Enttäuschungen. Jesu Stammbaum erzählt, dass seine Vorfahren auf ihn gewartet haben.
Mit einzelnen Figuren aus seinem Stammbaum beten wir heute am Weihnachts-Abend:
Im Stammbaum wird Jesus Sohn Abrahams genannt.
Abraham ist trotz seines hohen Alters noch einmal aufgebrochen.
Nur, weil Gott es ihm zumutete.
Er hat seine alte Heimat verlassen und sich auf den Weg in ein neues Land gemacht.
Er sollte zum Stammvater vieler Völker und Sprachen werden.
Herr, wir bitten dich heute für alle Menschen,
die mutig und voller Vertrauen in eine ungewisse Zukunft aufbrechen,
die es mit Meeren und Gebirgen aufnehmen
und mit ihren Hoffnungen eine Heimat finden.
Herr, lass uns den Himmel leuchten!
Im Stammbaum wird Rut erwähnt, die Großmutter des König David.
Rut ist bei ihrer Schwiegermutter Noomi in der Fremde geblieben.
Sie wollte nicht nach Israel zurück.
Sie sagte: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen;
und wo du bleibst, da bleibe ich auch.
Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott“ (Rut 1,16)
Herr, wir bitten dich heute für alle Menschen,
die treu zu einander stehen,
die nicht nach Herkunft und Vergangenheit fragen,
die sich zutrauen, Brücken zu bauen
und Abgründe zu überwinden.
Herr, lass uns den Himmel leuchten!
Im Stammbaum spielt David eine große Rolle.
Jesus wird Sohn Davids genannt.
Aber David war nicht nur ein großer und bedeutender König.
Er hat auch nicht nur Machtpolitik betrieben.
Er hat das Leben eines seiner Soldaten auf dem Gewissen,
um seine Frau an sich reißen zu können.
Batseba wird dann die Mutter des legendären König Salomon.
Herr, wir bitten dich heute für alle Menschen, die missbraucht werden,
die mit traumatischen Erfahrungen fertig werden müssen,
die ihren Peinigern nicht vergeben können.
Herr, lass uns den Himmel leuchten!
Im Stammbaum begegnet uns Josef, der Mann Marias.
Er nimmt Jesus als sein Kind an, obwohl es nicht seins ist.
Maria ist er in Liebe zugetan.
Dass er dabei in den Hintergrund gerät, ficht ihn nicht an.
Er behütet Jesus, den Sohn Gottes.
Herr, wir bitten dich heute für alle Menschen,
die voller Spannung ein Kind erwarten,
die sich freuen, mit ihren Kindern Weihnachten zu feiern,
die auch an die vielen Kinder denken,
die keine Eltern mehr haben
und an vielen Stellen der Welt aufgegeben sind.
Herr, lass uns den Himmel leuchten!
Am Ende des Stammbaums steht:
von Maria wurde Jesus geboren, der der Christus – der Messias – genannt wird.
Herr, wir bitten dich heute für alle Menschen,
die mit ihren Hoffnungen Schiffbruch erlitten,
die vor den Scherbenhaufen ihres Lebens stehen,
die Verständnis, Nähe und Solidarität brauchen.
Herr, lass uns den Himmel leuchten!
„Nun er liegt in seiner Krippen, ruft zu sich mich und dich,
spricht mit süßen Lippen: „Lasset fahrn, o liebe Brüder,
was euch quält, was euch fehlt; ich bring alles wieder.
Ei so kommt und lasst uns laufen, stellt euch ein, groß und klein,
eilt mit großen Haufen! Liebt den, der vor Liebe brennet;
schaut den Stern, der euch gern, Licht und Labsal gönnet“
(P. Gerhardt)
Manfred Wussow (2018)
Wir bewundern die Krippenfiguren. Das Jesus-Kind auf Stroh und Heu, Maria und Josef, Engel und Hirten und die vielen Menschen, die sich seit Jahrhunderten freuen, hier zu sein. Sie bringen ihre Geschichten und Erinnerungen mit, ihre Schmerzen und Träume.
Herr, schenke allen Menschen, dass sie sich freuen können, wieder Hoffnungen haben und trotz vieler Widrigkeiten ihren Mut nicht sinken lassen.
Herr, schenke uns Frieden!
Herr, beschütze alle Menschen, die Kriege und Terror erleiden müssen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben und in zerbombten und zerstörten Orten noch einmal neu anfangen.
Herr, schenke uns Frieden!
Herr, nimm‘ dich der Kinder an, die in armseligen Verhältnissen groß werden, die auf der Straße leben, die als Kindersoldaten und billige Arbeitskräfte missbraucht werden.
Herr, schenke uns Frieden!
Herr, hab‘ auf die alten Menschen acht, die sich nicht mehr in der Welt wohlfühlen, die der Vergangenheit nachtrauern und Angst vor ihrer Zukunft haben.
Herr, schenke uns Frieden!
Herr, höre die vielen falschen Geschichten und Meldungen an, die die Wahrheit verletzen, Menschen in eine falsche Sicherheit wiegen und Hass legitimieren.
Herr, schenke uns Frieden!
Als Jesus geboren wurde, entdeckte er die Welt wie ein Kind. Neugierig und offen.
Er konnte unbefangen lieben und vertrauen.
Er konnte Mut machen und die Wahrheit sagen.
Er hat den Hass zu spüren bekommen.
Er hat den Tod aber überwunden.
Darum freuen wir uns heute,
singen fröhliche Lieder und lassen uns beschenken.
In Christus, unserem Herrn.
Hans Hütter (2016)
Zu Gott, unseren Vater,
der durch das Wirken des Heiligen Geistes uns seinen Sohn geschenkt hat,
bitten wir:
Wir beten für alle Mütter und Väter, die ein Kind erwarten,
dass sie dieses freudig annehmen und willkommen heißen können.
Wir beten für alle Kinder,
dass sie in ein sinn- und geisterfülltes Leben hineinwachsen können.
Wir beten für alle Eltern, Lehrer und Erzieher,
dass sie das Wohl der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Anstrengungen stellen.
Wir beten für alle Kinder und Eltern, die unter Terror, Krieg und Hass ihr Leben fristen müssen,
dass sie Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit erleben können.
Wir beten für unsere verstorbenen Vorfahren,
dass sie Glück und Frieden in einer ewig währenden Heimat finden.
In der Geburt Jesu hat dein Heiliger Geist, guter Gott,
deine Menschenliebe offenbar gemacht.
Wir danken dir dafür und vertrauen wir uns dir an. – Amen.
Hans Hütter (2015)
Großer Gott, du lenkst die Geschicke der Welt.
Dich bitten wir:
Für alle Opfer der Kriege, die gegenwärtig geführt werden,
für alle Verletzten und Vertriebenen.
Führe sie zum Frieden und in ein neues Leben.
Für alle Menschen, die in den gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen zu Verlierern geworden sind.
Lass sie Gerechtigkeit erfahren.
Für alle, die in Angst vor der Zukunft leben
und von ihren Sorgen niedergedrückt werden.
Schenke ihnen Hoffnung und Freude.
Für die Kirche, die sich bemüht,
Freude und Hoffnung, Trauer und Ängste der Menschen von heute zu teilen.
Stärke sie in ihrem Bemühen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden.
Für unsere Verstorbenen.
Gib ihnen Anteil an deinem messianischen Reich.
Dein Name, guter Gott, ist Immanuel, Gott ist mit uns.
Im Vertrauen auf dich gehen wir unseren Weg. – Amen.
Hans Hütter (2013)
Gott und Vater im Himmel,
bei aller Freude über die Ankunft deines Sohnes in unserer Welt,
wollen wir die Menschen nicht vergessen,
die dich zur Stunde nicht als den Immanuel, als »Gott ist mit uns«, erfahren können.
Wir beten für die Menschen im syrischen Bürgerkrieg,
die Angehörige oder Freunde verloren haben,
die ihre Heimat verlassen mussten und einen sicheren Aufenthaltsort suchen.
Schenke ihnen Frieden und die Möglichkeit heimzukehren.
Wir beten für die Menschen auf den Philippinen,
die ihre Lebensgrundlagen verloren haben und vor einem völligen Neubeginn stehen.
Lass sie die nötige Unterstützung für den Wiederaufbau finden.
Wir beten für alle Menschen, die aus Armut und wirtschaftlicher Not
oder aus ihrer durch Krieg zerstörten Heimat aufgebrochen sind,
um in einem fremden Land eine neue Lebensmöglichkeit zu finden.
Lass sie Menschen begegnen, die fähig und bereit sind, ihnen zu helfen.
Wir beten für jene Familien in unserem eigenen Land,
die am Wohlstand nicht teilhaben können.
Lass auch sie einen Platz an unserem reich gedeckten Tisch finden.
Wir beten für alle Kinder in unserem Land,
die nicht oder nur mit Mühe mit unseren Leistungsstandards mithalten können.
Öffne auch ihnen Wege in eine gute Zukunft.
Wir beten für die vielen Jugendlichen in Europa,
die ohne Arbeit vor einer unsicheren Zukunft stehen.
Lass sie Gehör für ihre Anliegen finden.
Du, Herr, kommst in eine Welt, die ein vielfacher Hinsicht unheil ist.
Zögere nicht und bring uns dein Heil. – Amen.
Martin Stewen (2011)
Du, o Gott, bist 'Immanuel', der 'Gott mit uns'.
Wir vertrauen darauf,
dass wir unsere Geschicke in deine Hände legen dürfen.
In der Freude dieses Festes tragen wir auch Sorgen und Nöte in unseren Herzen
und bitten dich voll Vertrauen:
Wir beten in dieser Nacht (an diesem Tag) für alle Menschen,
denen das Licht deiner Menschwerdung nicht aufstrahlt,
weil Krankheiten und Nöte alles dunkel machen.
Du Gott mit uns, wir rufen zu dir:
Wir beten für die Menschen,
die in dieser Zeit heimatlos durch die Welt irren
und nirgends Herberge finden,
weil niemand sie will und alle in ihnen eine Gefahr sehen.
Du Gott mit uns, wir rufen zu dir:
Wir beten für die Menschen, die in diesen Tagen Eltern werden:
für all jene, die sich lange schon auf Nachwuchs gefreut haben,
und für alle, die mit ihrem Kind vor nicht gewollte Herausforderungen gestellt werden:
Du Gott mit uns, wir rufen zu dir:
Wir beten für all jene Menschen,
die an Weihnachten Ängste ausstehen müssen,
weil sie das Fest in den Kriegs- und Katastrophengebieten der Erde feiern.
Du Gott mit uns, wir rufen zu dir:
Wir beten für alle,
die am Geburtsfest deines Sohnes ihren Lebenskreis vollenden
und eine letzte und ewige Heimat finden in deinem Reich.
Du Gott mit uns, wir rufen zu dir:
Guter Gott, du bist zu uns wie ein sorgender Vater und eine liebende Mutter.
Wir setzen darauf, dass du bei uns bist und bleibst.
Höre unsere Bitten und komm uns entgegen.
So bitten wir durch Christus unsern Herrn.
Jörg Thiemann (2010)
Herr Jesus Christus, du Kind, das wir in der Krippe anbeten.
Du bist der Immanuel, der Gott mit uns.
Wir bitten dich:
Für Menschen, die sich abgelehnt fühlen.
Schenke ihnen deine Liebe, indem sie Zuwendung erfahren dürfen.
Für Menschen, die ihre Heimat verloren haben,
sei es durch politische Umstände, sei es durch Naturkatastrophen.
Lass sie nicht verzweifeln, sondern hilf ihnen zu einem Neuanfang.
Für Menschen, die nach Sinn und Halt im Leben suchen.
Lass sie dir durch das Beispiel glaubensfroher und lebensfroher Christen und Christinnen zu dir finden.
Für Menschen, die an Weihnachten ihre Einsamkeit oder ihre Krankheit besonders spüren. Sende ihnen Menschen, die sich ihrer in diesen Tagen besonders annehmen.
Für die vielen Familien, die an diesem Weihnachtsfest zusammen kommen und zusammen zu feiern.
Schenke ihnen die Erfahrung gegenseitiger Liebe und Annahme.
Für Menschen, die Verantwortung tragen: politisch, wirtschaftlich, in der Kirche.
Lass sie das Wohl der Menschen achten.
Für die Menschen, die von uns gegangen sind.
Nimm sie auf in die ewige Heimat bei dir,
wo sie deine bedingungslose Liebe erfahren dürfen.
Du bist der wunderbare Ratgeber, der Friedensfürst, der Christus.
Dir sei Lob und Preis, jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.
- Gabengebet1
Messbuch - GG Weihnachten am Vorabend
Herr, unser Gott,
mit der Menschwerdung deines Sohnes
hat unsere Rettung begonnen.
Nimm diese Gaben an
und mache uns durch diese Opferfeier bereit
für das Geheimnis der Heiligen Nacht,
in der wir den Ursprung unserer Erlösung festlich begehen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Weihnachten - Am Vorabend
- Gebet zur Gabenbereitung4
Manfred Wussow (2020) - GG Wussow: Weihnachten, am Vorabend
Dir, Herr, bringen wir unsere Gaben.
Die Kraft, sie schön zu machen, hatten wir nicht.
Du kennst unsere Zerrissenheit,
unsere Zweifel und Fragen.
Aber du teilst mit uns Brot und Wein,
die Gaben deines Reiches.
Du schenkst uns dich,
Leib und Blut unseres Herrn.
Mit leeren Händen kommen wir,
du füllst sie uns mit großer Liebe.
In Jesus Christus.
Manfred Wussow (2018)
Herr,
du kennst unsere großen Hoffnungen.
Wir bringen sie dir.
Unsere bitteren Erfahrungen,
unsere Enttäuschungen legen wir dazu.
Du schenkst uns Brot,
du füllst uns den Becher.
An deinem Tisch nehmen wir Platz.
Du schenkst uns dann dich,
deine Liebe.
Und was unsere Augen sehen,
was uns auf der Zunge zergeht,
bist du.
Führe uns zur Krippe.
Lass uns dort unser Leben finden.
In Christus,
Mensch nach deinem Bild,
dem Bild deiner göttlichen Herrlichkeit.
Martin Stewen (2011)
Guter Gott
am Fest der Geburt deines Sohnes
haben wir den Tisch mit den Gaben gedeckt,
die uns hinweisen auf die Vollendung des Erlösungswerkes
in Tod und Auferstehung Jesu.
Dankbar feiern wir sein Gedächtnis,
weil wir glauben, dass dieses Mahl auch heute noch
Befreiung und Erlösung bedeutet für uns Menschen,
die wir immer wieder von Leiden und Nöten
eingeengt und gehindert werden.
Sei du mitten unter uns
in Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn.
Jörg Thiemann (2010)
Jesus,
du der du zu uns kommst
als Kind im Stall von Bethlehem
Jesus,
du kommst zu uns,
jetzt - in Brot und in Wein.
Jesus,
du kommst zu uns,
aus Liebe zu uns.
Dein Geist der Liebe wachse in uns.
Dein Geist der Liebe wandle uns.
Amen.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2019)
(für Wortgottesdienstfeiern)
Kehrvers:
Dankt dem Vater mit Freude, er schenkt uns seinen Sohn. (GL 633,8)
Großer, unbegreifbarer Gott,
wir wollen dir unsere Freude und unseren Dank zum Ausdruck bringen,
denn in Jesus von Nazareth ist dein ewiges Wort Fleisch geworden
und hat mitten unter uns gewohnt.
Kehrvers
Er ist das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen.
in ihm kam das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in die Welt.
Kehrvers
Allen die ihn aufnahmen, gabst du die Macht, Kinder Gottes zu werden.
Er hat die Reinigung von den Sünden bewirkt
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade über Gnade.
Kehrvers
Alle Enden der Erde sehen nun das Heil unseres Gottes.
Darum jubelt heute der ganze Erdkreis
und stimmt mit den Engeln und Heiligen ein in den Lobpreis der Schöpfung:
Danklied: z. B.: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich (GL 247)
- Präfation1
Messbuch - Präfation Weihnachten 3: Der wunderbare Tausch
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, allmächtiger Vater, zu danken
und dein Erbarmen zu rühmen
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn schaffst du den Menschen neu
und schenkst ihm ewige Ehre.
Denn einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen:
dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch,
und wir sterbliche Menschen
empfangen in Christus dein göttliches Leben.
Darum preisen wir dich mit allen Chören der Engel
und singen vereint mit ihnen
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Weihnachten 3
- Mahlspruch1
Bibel
Die Herrlichkeit des Herrn ist offenbar geworden,
und alle Menschen erfahren Gottes Heil.
(vgl. Jes 40,5)
Oder:
Aus dem Geschlecht Davids
hat Gott dem Volk Israel der Verheißung gemäß
Jesus als Retter geschickt.
(vgl. Apg 13,23)
Oder:
In ihm strahlt das Recht auf wie ein helles Licht,
und sein Heil leuchtet auf wie eine brennende Fackel.
(vgl. Jes 62,1)
- Meditation2
Helene Renner (2020)
Möge das Licht der heiligen Nacht
unser Leben erleuchten
Möge der Stern am Himmel
unsere Gedanken lenken
Möge die Demut der Hirten
unseren Glauben stärken
Möge die Botschaft der Engel
unsere Ohren erreichen
Möge der himmlische Frieden
unsere Tage erfüllen
Möge das Kind in der Krippe
unser Herz berühren
Helene Renner (2020)
Kind in der Krippe
Sei du die Botschaft
die uns beglückt
Sei du die Freude
die uns erfüllt
Sei du die Kraft
die uns antreibt
Sei du die Ruhe
die uns erfrischt
Sei du der Mut
der uns beflügelt
Sei du die Hoffnung
die uns belebt
Sei du das Vertrauen
das uns erfüllt
Sei du die Liebe
die uns begeistert
Sei du der Segen
der uns begleitet
- Schlussgebet1
Messbuch - SG Weihnachten am Vorabend
Allmächtiger Gott,
gib uns Anteil am göttlichen Leben
durch die Menschwerdung deines Sohnes,
dessen Fleisch und Blut wir im Sakrament empfangen haben.
Darum bitten wir durch ihn, Christus, unseren Herrn.
MB Weihnachten - Am Vorabend
- Gebet zum Abschluss4
Manfred Wussow (2020) - SG Wussow: Weihnachten
Die Lieder sind so schön, Gott:
Stille Nacht, heilige Nacht.
O du fröhliche, o du selige.
Wir könnten es nicht besser sagen,
nicht besser singen.
Für die alten Weisen danken wir dir,
(auch wenn wir sie heute nicht gemeinsam singen dürfen)
Hilf uns, die Weihnachtsbotschaft
in unseren Herzen zu bewahren,
fröhlich und voller Vertrauen zu leben
und alle Angst, alle Fremdheit zu überwinden.
Um den Frieden bitten wir dich.
Für uns und für alle Menschen.
Dann können Kinder glücklich sein,
ihre Familien eine Zukunft haben
und wir uns alle freuen.
In Jesus Christus,
der für uns das Gesicht des Vaters ist.
Von einem Ende der Welt zum anderen.
Manfred Wussow (2018)
Wir danken dir, Gott, in deinem weihnachtlichen Glanz
und doch so gering und dürftig.
Wir danken dir für deine Liebe,
für deine Menschlichkeit.
Sie füllt den Himmel.
Weihnachten schenkst du uns eine große Hoffnung,
eine große Aufgabe und einen weiten Weg.
Wenn wir uns alleine gelassen fühlen, zupf uns am Ärmel,
wenn wir großspurig und vermessen andere Menschen verlieren, stell dich uns in den Weg,
wenn wir an unsere Grenzen kommen, öffne uns die Schlagbäume.
Verzaubere uns mit dem Lächeln eines Kindes
und lass uns auch das leise Weinen hören,
das von deinem Herzen kommt.
Lass es Weihnachten bei uns werden,
bis wir dich in deinem Glanz erkennen.
In Christus, unserem Bruder und Herrn.
Martin Stewen (2011)
Guter Gott,
das festliche Licht und der Glanz dieser Nacht
stimmen uns froh.
Die Botschaft deiner Menschwerdung,
dein Kommen in unsere Zeit,
ist uns lebendige Hoffnung.
Deine Gegenwart in Brot und Brot und Wein
bedeutet uns Stärkung für die Anforderungen unserer Zeit.
Lass uns nun guten Mutes hinausgehen
und den Menschen um uns herum
die weihnachtliche Freude weitersagen.
Begleite uns dazu mit deinem Segen.
So bitten wir durch Christus unsern Herrn.
Jörg Thiemann (2010)
Jesus,
du Kind im Stall von Bethlehem.
Du bist nicht einfach das kleine Kind
in der Krippe,
du bist der Messias,
der zu uns kam:
Gottes Liebe zu verkünden und zu leben mit Taten.
Jesus, du hast die Menschen ausgesandt,
Gottes Liebe zu künden und zu leben mit Taten.
Jesus, segne uns jetzt. Amen.
Weihnachtssegen
Ein Lied von Heiko Kuschel und Reinhard Burchhardt als PDF herunterladen.
Text: Heiko Kuschel, Musik: Reinhard Burchhardt
Wer nach Bethlehem fliegen will
Ein Lied von Hildegard Wohlgemuth und Reinhard Burchhardt als PDF herunterladen.
Text: Hildegard Wohlgemuth, Musik: Reinhard Burchhardt
Trotzige Weihnachten
Weihnachten ist das große „Trotzdem“ Gottes
angesichts der Ignoranz des Menschen:
„Er kam in sein Eigentum - doch die Seinen
nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11)
Weihnachten trotzt der Macht
und setzt ihr die Ohnmacht des Kindes
entgegen.
Weihnachten trotzt den Konventionen
und ermöglicht Unerwartetes:
Eine unverheiratete Jungfrau wird zur
Gottesgebärerin,
Heu und Stroh sind das Lager des Königs,
einfache Hirtenmusik ersetzt
Posaunenklang.
Trotzig sein ist also manchmal
die göttliche Reaktion
auf menschliches Unverständnis:
Trotz der Fehler des Menschen - Mensch
werden.
Trotz ihrer Ablehnung - die Menschen
lieben.
Trotz des Todes am Kreuz - die
Menschen retten.
Gott ist ganz schön trotzig
- das ist unser Glück.
Johann Pock, Weihnachten 2019.
Krippe ohne Ausländer
Die Karikatur spricht ja für sich selbst.
Dazu passt die folgende Geschichte:
Märchen vom Auszug aller Ausländer (nach Helmut Wöllenstein)
Es war einmal, etwa drei Tage vor Weihnachten, spät abends. Über dem Marktplatz der kleinen Stadt kamen ein paar Männer gezogen. Sie blieben an der Kirche stehen und sprühten auf die Mauer die Worte "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen". Steine flogen in das Fenster des türkischen Ladens gegenüber der Kirche. Dann zog die Horde ab. Gespenstische Ruhe. Die Gardinen an den Fenstern der Bürgerhäuser waren schnell wieder zugefallen. Niemand hatte etwas gesehen.
"Los kommt, wir gehen." "Wo denkst Du hin! Was sollen wir denn da unten im Süden?" "Da unten? Da ist doch immerhin unsere Heimat. Hier wird es schlimmer. Wir tun, was an der Wand steht: 'Ausländer raus'!"
Tatsächlich: Mitten in der Nacht kam Bewegung in die kleine Stadt. Die Türen der Geschäfte sprangen auf. Zuerst kamen die Kakaopäckchen, die Schokoladen und Pralinen in ihrer Weihnachtsverkleidung. Sie wollten nach Ghana und Westafrika, denn da waren sie zu Hause. Dann der Kaffee, palettenweise, der Deutschen Lieblingsgetränk: Uganda, Kenia und Lateinamerika waren seine Heimat. Ananas und Bananen räumten ihre Kisten, auch die Trauben und Erdbeeren aus Südafrika.
Fast alle Weihnachtsleckereien brachen auf. Pfeffernüsse, Spekulatius und Zimtsterne, die Gewürze aus ihrem Inneren zog es nach Indien. Der Dresdner Christstollen zögerte. Man sah Tränen in seinen Rosinenaugen, als er zugab: Mischlingen wie mir geht's besonders an den Kragen. Mit ihm kamen das Lübecker Marzipan und der Nürnberger Lebkuchen. Nicht Qualität, nur Herkunft zählte jetzt. Es war schon in der Morgendämmerung, als die Schnittblumen nach Kolumbien aufbrachen und die Pelzmäntel mit Gold und Edelsteinen in teuren Chartermaschinen in alle Welt starteten. Der Verkehr brach an diesem Tag zusammen ... Lange Schlangen japanischer Autos, vollgestopft mit Optik und Unterhaltungselektronik, krochen gen Osten. Am Himmel sah man die Weihnachtsgänse nach Polen fliegen, auf ihrer Bahn gefolgt von den Seidenhemden und den Teppichen des fernen Asiens. Mit Krachen lösten sich die tropischen Hölzer aus den Fensterrahmen und schwirrten ins Amazonasbecken. Man musste sich vorsehen, um nicht auszurutschen, denn von überall her quoll Öl und Benzin hervor, floss in Rinnsalen und Bächen zusammen in Richtung Naher Osten. Aber man hatte ja Vorsorge getroffen.
Stolz holten die deutschen Autofirmen ihre Krisenpläne aus den Schubladen: Der Holzvergaser war ganz neu aufgelegt worden. Wozu ausländisches Öl?! - Aber die VWs und BMWs, Audis und Mercedes begannen sich aufzulösen in ihre Einzelteile, das Aluminium wanderte nach Jamaika, das Kupfer nach Somalia, ein Drittel der Eisenteile nach Brasilien, der Naturkautschuk nach Zaire. Und die Straßendecke hatte mit dem ausländischen Asphalt auch immer ein besseres Bild abgegeben als heute.
Nach drei Tagen war der Spuk vorbei, der Auszug geschafft, gerade rechtzeitig zum Weihnachtsfest. Nichts Ausländisches war mehr im Land. Aber Tannenbäume gab es noch, auch Äpfel und Nüsse. Und "Fröhliche Weihnacht" durfte gesungen werden - allerdings nur mit Ausnahmegenehmigung, das Lied kam immerhin aus England.
Nur eines wollte nicht ins Bild passen: Maria, Josef und das Kind waren geblieben. Drei Juden. Ausgerechnet.
Hinrich Schorling, Pastor in Witten und Jugendpastor in Rheinland-Westfalen.
Ein Blick auf den Stammbaum
Für den Vorabendgottesdienst ist als Evangelium der Stammbaum Jesu nach Matthäus vorgesehen. Er zeigt die Verwurzelung Jesu in der ihm vorausgehenden Geschichte (Mt 1,1-25).
In Kirchen aus dem Mittelalter sieht man den Stammbaum Jesu oft bildlich dargestellt: den Baum aus der Wurzel Jesse. Unten Jesse oder Isai, der Vater Davids, und dann geht es hinauf in die Äste und Zweige, bis hin zu Maria mit dem Jesuskind.
Es gibt Leute, die viel Zeit und Geld investieren in Ahnenforschung. Auch wenn man selbst nicht so weit geht: Es ist schon interessant zu sehen, woher man kommt; wer die Vorfahren waren, die uns ihr Erbe hinterlassen haben. Wir wissen meist kaum noch etwas über sie, sobald es über die Großeltern oder die Urgroßeltern hinausgeht. Und doch haben sie alle etwas an uns weitergegeben: nicht nur biologisches Leben; ihr Leben als Ganzes hat Wirkungen hinterlassen.
Der Stammbaum Jesu ist ein ziemlich trockener, eintöniger Text: eine Vielzahl von Namen, die fremd klingen. Diese kargen Angaben bekommen Farbe und Leben, wenn man die dazu gehörigen Geschichten aus dem Alten Testament liest. Es hat jedenfalls viel zu bedeuten, dass Jesus in eine menschliche Herkunftslinie hineingestellt wird.
Leben mit positiven und negativen Vorgaben
Jesus, der wie kein anderer Mensch von Gott her zu uns gekommen ist, ist gleichzeitig tief verwurzelt in der Geschichte Israels und der ganzen Menschheit. Im Lukasevangelium wird der Stammbaum Jesu bis auf Adam zurückgeführt (Lk 3,23-38).
Jesus Christus ist nicht wie ein Meteor vom Himmel gefallen, quer zu allen Verbindungslinien und Entwicklungen der Menschheitsgeschichte. Er steht im Zusammenhang einer langen Vorgeschichte. Es war bei Jesus wie bei uns allen. Wir sind Nachkommen und Erben. Und das prägt uns: helfend und gefährdend.
Jesus konnte auf guten Grundlagen aufbauen. Er konnte in die Spur einer großen religiösen Tradition eintreten. Er konnte anknüpfen an lang erprobte, bewährte Formen der Frömmigkeit und der ethischen Lebensführung. Sein Beten war vorbereitet und getragen durch die Gebetserfahrung und -spräche seines jüdischen Volkes. Man denke an die Psalmen! Bedeutende religiöse Persönlichkeiten konnten ihm Anreger und Vorbild sein: Abraham, Mose, die Propheten. Diese positiven Vorgaben wurden Jesus zunächst durch seine Familie vermittelt: durch Maria und Josef. Durch diese beiden ist dem menschlichen Bewusstsein Jesu auch sein himmlischer Vater in den Blick gekommen.
Jesus musste aber auch mit negativen Einflüssen fertigwerden, mit Hypotheken, die sich unter seinen Vorfahren angesammelt hatten und die ihm zur Versuchung werden konnten. In der Geschichte Israels gab es ja auch Abwege und Irrwege, Spuren ins Unheil. Von manchen der Männer, die im Stammbaum genannt werden, berichten die Bücher des Alten Testaments, dass sie gegen die Bundesordnung Gottes handelten und das Volk in eine falsche Richtung mitrissen. Das wird öfter von Königen Israels gesagt. Es gab Ungerechtigkeiten und Verbrechen; falsche Vorstellungen von dem, was zum Heile dient; Verehrung von „Götzen".
Mit solchen negativen Einflüssen musste sich Jesus auseinandersetzen, um seinen Weg zu gehen und dem Auftrag des Vaters zu entsprechen. Davon handeln zum Beispiel die „Versuchungen" in der Wüste, die Jesus vor Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit bestehen musste (Mt 4,1-11; Mk 1,12f; Lk 4,1.13).
Ähnliches gilt von uns. Unsere Vorgeschichte wird positive Impulse enthalten; Hilfen, Ermutigung; zum Guten lockende Gestalten. Aber es gibt wahrscheinlich auch erschwerende oder gefährliche Elemente, zumindest, wenn man an die Geschichte des Volkes denkt, zu dem wir gehören. Es kommt darauf an, der Lichtspur in unserer Geschichte zu folgen.
Aus: Augustin Schmied, Für uns gekommen. Biblische Betrachtungen zur Advents- und Weihnachtszeit. Verlag Neue Stadt, München Zürich Wien 2016.
Und was haben Sie für einen Weihnachtsbaum?
Ehrlich gesagt, wenn Sie diesen Text am 19. Dezember lesen und bis heute noch keinen Weihnachtsbaum haben, dann haben Sie ziemlich schlechte Karten. Nicht, dass die Händler keine Tannen oder Fichten mehr hätten, aber die Prachtexemplare sind garantiert schon lange ausverkauft. Das, was jetzt noch auf den Christbaummärkten zu finden ist, das sind die Bäume, die keiner wollte: Ein bisschen krumm gewachsen, an einer Stelle fehlt eindeutig ein Ast, und die Nadeln könnten ja auch ein bisschen dichter sein. Und ob er wirklich noch so ganz frisch ist?
Vor einigen Jahren verbrachte ich mit einer Gruppe ein Adventswochenende. Und dabei wurde uns der Gedanke wichtig, dass Gott sich in einem Kind klein macht, um zu uns Menschen zu kommen, so wie wir sind, mit all unseren Fehlern, all unseren Unzulänglichkeiten, mit all dem, was an uns schief und krumm ist. Und gerade das ist ja das Befreiende unseres Glaubens - dass wir eben nicht perfekt sein müssen, damit unser Gott zu uns kommt. »Ja«, sagte da plötzlich eine Teilnehmerin nachdenklich, »Gott kommt zu uns in unsere Unvollkommenheit - und was machen wir? Wir suchen den perfekten Weihnachtsbaum!« Wir anderen schwiegen einen Moment völlig verblüfft ob dieser kühnen Gedankenverbindung - aber da sprach sie auch schon weiter: »Und was ist mit den Bäumen, die ein bisschen schief sind oder ein wenig ungleichmäßig? Oder denen ein Ast fehlt? Oder ...? Dürfen die denn nie Weihnachtsbaum sein?«
Kurz und gut — wir erklärten uns kurzerhand solidarisch mit all den Weihnachtsbäumen, die niemand wollte und vereinbarten, in dem Jahr einen Baum »mit Macke« zu kaufen. Entschlossen ging ich einige Tage später zu einem Christbaummarkt in Alzey. Der Händler kam schon auf mich zu und fragte eifrig: »Was für einen Baum hätten Sie denn gerne?« Ich überlegte nicht lange und sagte: »Einen Baum mit Macke!« - »Wie bitte?«, fragte der Händler ungläubig zurück. »Na ja, einen Baum mit irgendeinem Fehler halt!« Er machte vorsichtshalber einen Schritt zurück - man konnte ja nie wissen. Ich sah mich jetzt doch etwas im Erklärungsnotstand, erzählte von unserem Kurs und der Idee - mit dem Ergebnis, dass der Händler noch einen Schritt zurücktrat, mich nachsichtig ansah, mir einen Christbaummarkt nannte, vielleicht fahren Sie da mal hin - die haben eine größere Auswahl!«
Etwas belämmert zog ich ohne Baum ab, aber man ist ja lernfähig. Beim nächsten Händler ging ich vorsichtiger vor. Als er mich nach meinen Wünschen fragte, sagte ich, vollkommen den Regeln gemäß: »Eine Nordmanntanne!« Er zeigte mir mehrere Bäume, und als er beim vierten schließlich sagte: »Aber dem fehlt ein Ast, den können Sie nur in eine Ecke stellen!«, stand meine Entscheidung fest: Das war mein Baum! Und mit dem zog ich auch ganz zufrieden nach Hause.
Seit der Zeit habe ich sehr bewusst jedes Jahr einen Weihnachtsbaum »mit Macke«. Mal ist er ein bisschen krumm, mal fehlt ein Ast — oder er hat sogar zwei Spitzen. Ich finde gerade das apart - und es macht mir diesen Baum jeweils sehr sympathisch. Einen perfekten Baum kann schließlich jeder haben, der sich früh genug auf den Weg macht — aber diese perfekten Bäume finde ich inzwischen genauso langweilig wie perfekte Menschen.
Und manchmal, am ersten Weihnachtsfeiertag zum Beispiel, abends nach der Vesper, da mag es sein, dass ich in meinem Wohnzimmer bei einem Glas Rotwein sitze, mir meinen »unperfekten« Weihnachtsbaum anschaue und denke: Ja, gerade Weihnachten ist die Botschaft, dass wir nicht perfekt sein müssen. Gott kommt uns mitten in unsere Unvollkommenheit entgegen, ja kommt sogar in einem Stall zur Welt, wird Kind - und er liebt uns trotzdem. Oder manchmal vielleicht sogar gerade deswegen?
Und wenn mich mein Weihnachtsbaum »mit Macke« ab und an daran erinnert, dann ist mir das wichtiger als Schönheit und Vollkommenheit.
Andrea Schwarz in: Für jeden leuchtet ein Stern. Weihnachtliche Texte. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2006.
Verrückte Weihnachten
Gott muss verrückt sein!
Da ist er der Schöpfer der ganzen Welt,
lebt im Himmel,
umgeben von Engeln und Heiligen.
Und was macht Gott?
Er wird Mensch!
Er steigt aus der Unendlichkeit
in die Endlichkeit,
aus der Ordnung in das Chaos,
aus dem Paradies auf die Erde.
Damit aber
macht Gott auch die Menschen verrückt:
er ver-rückt sie in seine Nähe
er rückt ihre Schuld zurecht
er ent-rückt sie aus der Todessphäre.
Der Sohn Gottes in einer Krippe,
der Allmächtige als hilfsbedürftiges Kind
zeigt, dass man als gläubiger Mensch
wohl ein bisschen verrückt sein muss.
Aber gerade als Verrückte
sind wir Gott ähnlich,
und Weihnachten ist das Fest
eines verrückten Gottes.
(Johann Pock, Weihnachten 2017)
Weihnachtliches
Wie der römische Sonnengott...
„Unter Bethlehems Stern“ ist eine kleine, aber exklusive Ausstellung zur Weihnachtsgeschichte im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Anhand von Stundenbüchern werden die Geburt Christi sowie die Vor- und Nachgeschichte bis zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten gezeigt.
diepresse.com/home/kultur/kunst/5130450
„Noch einmal eine Steigerung“
diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5132525/
Das Christkind gibt es, zumindest in der Fußgängerzone
Ein Pfarrer soll Kindern erklärt haben, dass es kein Christkind gibt. Hat er damit das Weihnachtsfest verteidigt oder gestört?
diepresse.com/home/meinung/marginalien/5127277/
Aus: Ägidius Zsifkovics, Von A bis Z. Gott begegnen in der Welt von heute. Hg. Dominik Orieschnig. Tyrolia Verlag, Innsbruck Wien 2015.
Krippe und Christbaum
Die Geburt Jesu wird seit dem 4. Jahrhundert am Jahresende, in der Zeit der Wintersonnenwende, gefeiert. Seit 400 Jahren prägen zwei ganz unterschiedliche Zeichen dieses Fest: Christbaum und Krippe. Der Christbaum ist zuerst im Elsaß nachgewiesen, in Bürgerhäusern in Schlettstadt und Straßburg, die Krippe in Jesuitenkirchen von Coimbra, Prag und Altötting.
Die ersten Christbäume waren mit Äpfeln, Hostien und Kerzen geschmückt. Sie wurden am 24. Dezember aufgestellt, nach dem alten kirchlichen Kalender der Gedenktag von Adam und Eva. Das Grün erinnerte an das Paradies, die Äpfel an den Sündenfall, die Hostien an die Erlösung, die Kerzen an Christus, „das wahre Licht, das in die Finsternis kam" (Joh 1,4-9). Der ganze Baum war Licht in der Finsternis der längsten Winternacht und Zeichen der Erlösung. Der Brauch, ihn im Wohnraum aufzustellen, wurde später durch die Hugenotten vom Elsaß aus nach Frankreich, in die Pfalz, nach Baden und andere evangelisch gewordene Landschaften verbreitet. In Bayern führte ihn Karoline von Baden, die erste Königin von Bayern, zum Weihnachtsfest 1800 ein.
In der Biedermeierzeit wurde der Christbaum zum Inbegriff der „Deutschen Weihnacht". [Unser Bild zeigt eine Darstellung zum Märchen vom Tannenbaum von Hans Christian Andersen.] Als die Nationalsozialisten ihn zum Zeichen eines heidnisch-germanischen Julfestes machen wollten, wurde er als Antwort darauf auch in katholische Kirchen übernommen. Seither umrahmen symmetrische Fichtenwälder viele Altarräume in der Weihnachtszeit. Aber der ursprüngliche Sinn, der sich im Grün, im Apfel, der Hostie und dem Licht konkretisiert, wird kaum irgendwo gesucht. Außerhalb der Kirchen wurden Christbäume, überreich beladen, zum Symbol des Konsums.
Wenn wir seine christliche Botschaft wieder entdecken wollen, sollten wir in der Kirche nur einen Baum aufstellen, ihn mit Äpfeln, Hostien und Wachs(!)kerzen schmücken und die Texte vom Paradies, vom Licht, vom Abendmahl lesen.
Das Figurentheater der Weihnachtskrippe haben die Jesuiten vielleicht nicht erfunden. Aber als Medium der Verkündigung haben sie es überall auf der Welt verbreitet, in Portugal, Böhmen und Bayern, in ihren Missionsgebieten in Amerika und Asien. Die Figuren aus Holz, Wachs oder Terrakotta wurden so aufgestellt und beleuchtet, daß sie zu sprechen und zu handeln scheinen. Das Geschehen wurde sowohl als Erzählung aus alter Zeit und einem fernen Land historisiert, als auch im Hier und Heute vergegenwärtigt. Das neue Bildmedium wurde zu einem Welterfolg. Bald wurden Weihnachtskrippen auch an Fürstenhöfen, in Bischofs- und Klosterkirchen nachgebaut, im 19. Jahrhundert dann auch in Privathäusern.
Mit den Krippen wurden zunächst das Weihnachtsevangelium des Lukas und die Erzählung von den Weisen aus den Morgenland nach Matthäus illustriert. Bald aber überlagerten andere weihnachtliche Legenden, Privatoffenbarungen und Dichtungen die knappen Berichte der Evangelisten. Um 1900 bemühte man sich darum, in den Figuren und Landschaften Palästina realistisch darzustellen. Seit 1930 setzten sich Heimatkrippen mit blonden Frauen und Kindern in Trachtenkleidung durch.
Heute sollte sich eine Kirchenkrippe neu mit den Texten des Evangeliums auseinandersetzen. Sie sollte fremde Motive aus Privatoffenbarungen, Apokryphen und Weihnachtsmärchen reduzieren und sich entweder um Authentizität bemühen oder um Modernität. Entweder man entscheidet sich, Palästina zur Zeit Jesu nachzustellen, also Jesus und seine Mutter als orientalische Juden zu entdecken, oder man überträgt das Geschehen in unsere Gegenwart: Wo würde heute eine überall abgewiesene junge Schwangere ihr Kind bekommen können? In einer Tankstelle? Einem Gewerbepark? Und wen würden die Engel in der Nähe wach finden? Obdachlose, Polizisten, Müllmänner?
Die Geburt Jesu mit Figuren und Kulissen in eine angeblich „gute, alte Zeit", beispielsweise ein Bergdorf des 18. Jahrhunderts, zu versetzen, ist verlogen. Krippen sollten nicht gemütlich sein, sondern aufregend wie die Geburt und das Leben Jesu.
Aus: Peter B. Steiner, Glaubensästhetik. Wie sieht unser Glaube aus? 99 Beispiele und einige Regeln. Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg 2008.
Die Hirten auf dem Feld
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
Was haben die Hirten und Hirtinnen von Bethlehem, wörtlich dem Brot-Haus, wohl wirklich erlebt, als sie die kalte Winternacht bei ihrer Herde verbrachten? Stellen wir uns das ganz plastisch vor. Wir sind einer von ihnen und sitzen mit einem übergeworfenen Tuch oder einem grob gegerbten Fell am Lagerfeuer. Die Zeit vergeht, es ist eine lange Nacht. Die Sinne sind geschärft, die Augen sehen den leisesten Lichtschein, das Glitzern der Sterne und das Leuchten in den Augen der Tiere und Menschen. Die Ohren hören das leiseste Geräusch, jeden losgetretenen Stein, jedes knackende Ästchen und jeden Hauch des Windes. Nichts entgeht uns, und unsere Sinne sind wachsam gespannt.
Wir sind die Hüter der Herde, und es ist unsere Aufgabe, sie vor Raubtieren und Unfällen zu schützen. Vielleicht schleichen Wölfe oder Wildkatzen um unser Lager und warten nur auf eine günstige Gelegenheit, um ein junges Tier zu reißen. Vielleicht schleicht sich etwas anderes heran, etwas, das wir nicht kennen, etwas, das im Dunkel der Nacht verborgen ist, etwas geheimnisvoll Gefährliches.
Angst vor dem Unsichtbaren, Unerwarteten ist etwas, das die Seele wohl kennt, und das wir manchmal nur mühsam unterdrücken können. Vielleicht sind es Räuber, die durch die Nacht schleichen oder eine römische Patrouille, schließlich ist es ein besetztes Land, regiert von fremden Soldaten. Aber dann gibt es eine noch größere Angst, nicht vor den sichtbaren Kräften, den Menschen und Tieren, sondern vor ganz anderen Mächten und Gewalten, die in der Stille der Nacht und der Einsamkeit allmählich spürbar werden.
Wir rücken ein wenig näher zum Feuer und werfen einen vertraulichen Blick zu unseren Gefährten und Gefährtinnen, das gibt uns ein wenig Sicherheit, und wir entspannen uns wieder.
Aber nach einer Weile kehrt sie wieder, die Angst, das Gefühl der Unruhe und der Gegenwart anderer Kräfte, die unserem Verstand und unserem Willen nicht gehorchen.
Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in Dir. Diese grundsätzliche Unsicherheit wohnt in jedem menschlichen Herzen, solange es nicht den eigenen, tragenden Grund gefunden hat. Angst entsteht, weil wir unsere wahre Natur nicht kennen!
Es ist eine besondere Nacht, das spüren wir alle, irgendetwas Ungewöhnliches ist am Werk. Himmel und Erde sind sich näher als sonst, der Atem des Jahres ist an einem Übergang, und die Natur bereitet sich auf einen Wandel vor. Die Nächte sind immer länger geworden, und das Licht der Sonne hat sich zurückgezogen, immer weiter bis zum tiefsten Punkt. Und jetzt, noch kaum spürbar, noch kaum ahnbar, kommt eine Wende, unsichtbar, mitten in der Nacht und doch voller Licht.
Am Himmel erscheint ein neuer Stern, ein starkes Leuchten, genau über uns, ein Zeichen, dass auch unten auf der Erde etwas Neues kommt, etwas, das weitreichende, kosmische Dimensionen hat.
Und dann verdichtet sich das Geschehen, der Kairos, der einzigartige Moment, entfaltet seine Wirksamkeit, und die Menschen werden ergriffen von etwas, das sie nicht verstehen und nicht begreifen können, etwas, das sie belebt und verwandelt, etwas, das man nur in Bildern und Gleichnissen beschreiben kann. Die Bibel drückt es so aus:
Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll:
Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren...
Fürchtet euch nicht, euch geschieht nichts Böses, im Gegenteil, ganz im Gegenteil, freut euch, freut euch mit uns! Es sind keine menschlichen Stimmen, die so reden, es sind Wesen der Seele und des Geistes, die in dieser Nacht Freude verkünden und den Menschen nahe kommen, denn diese Menschen geht es etwas an, was hier im Gange ist. Nicht irdische Kräfte und nicht das alltägliche Einerlei sind hier am Werk, sondern ein Ereignis, das weit über die Geschichte und den Horizont eines kleinen Bergstammes hinausgeht.
Noch einmal, fürchtet euch nicht, dass eure kleinen Herzen einer himmlischen Macht begegnen, einem himmlischen Heer, das nicht ausgezogen ist, um zu kämpfen oder zu zerstören, sondern um Gott zu loben und den Menschen eine große Freude zu verkünden. Das Evangelium setzt so fort:
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
Auf Erden ist Friede ..., singt der Chor der Engel. Was bedeutet das?
Es bedeutet: Ihr seid frei geworden! Die Zeit des Wartens ist vorüber und die Elendsgeschichte der Menschheit verwandelt sich in Glück. Euch ist heute der Retter geboren, der Messias, der gekommen ist, um Frieden zu bringen, Gerechtigkeit und Glück, etwas, das euch mit all eurer Anstrengung und Mühe, mit all eurem Eifer in Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht gelungen ist, ganz im Gegenteil, die Verwirrung und die Not sind größer als je zuvor. Aber gerade das wird sich jetzt ändern, gerade das wird jetzt geheilt, gerade im tiefsten Dunkel geht das hellste Licht auf.
Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt!
Johannes Toegel. Weihnachten für Erwachsene. Verborgene Schätze. Styria Verlag, Wien Graz Klagenfurt 2015.
Menschenwürde
Gott sagt uns in der Menschwerdung seines Sohnes nicht nur, wer er ist; er sagt er uns auch, wer wir Menschen sind. Auch das ist heute nötig. Denn viele haben die Orientierung verloren. Sie wissen nicht mehr, warum und wozu sie da sind. Sie kommen sich wertlos vor. Im vergangenen Jahrhundert sind Wert und Würde des Menschen oft auf der Strecke geblieben. Mord und Totschlag hat es zwar von Anfang an, seit Kain und Abel, gegeben. Aber hat es jemals zwei so schreckliche Weltkriege, so schlimme Massenvernichtungswaffen, so brutalen, Menschen verachtenden Terrorismus gegeben?
Wie banal wir oft über den Menschen denken zeigt sich daran, dass wir von Ungerechtigkeit, Lieblosigkeit, Treulosigkeit, Eitelkeit, Lüge und vielem anderen oft einfach sagen: »Das ist menschlich.« Müssten wir nicht umgekehrt sagen: Treue, Anstand, Fairness, Gerechtigkeit und Erbarmen sind die wahre Größe des Menschen und Zeichen einer wahrhaft menschlichen Kultur?
Gott hat durch die Menschwerdung eine eindeutige und endgültige Antwort auf die Frage gegeben: Was ist der Mensch? Die Antwort lautet: Der Mensch, jeder Mensch, ist ein erbarmungswürdiges und zugleich ein liebenswürdiges Wesen. Wir sind erbarmenswürdig, weil wir uns nicht aus eigener Kraft aus unserer Not und unserem Elend befreien können. Wir sind in unserem Elend auf Gottes Erbarmen angewiesen. Unsere Größe ist, dass wir - und zwar jeder Einzelne von uns - für Gott liebenswürdige Wesen sind, so liebenswürdig, dass Gott selbst Mensch geworden ist. Er wollte uns ganz nahe sein. So hat jeder Mensch einen unendlichen Wert, ganz unabhängig davon, ob er Einheimischer oder Fremder, gesund oder krank, alt, behindert ist, unabhängig davon, ob er reich oder arm ist. Jeder ist für Gott liebenswert; jeder ist unendlich wertvoll. Gott wollte Mensch werden, damit wir an seinem göttlichen Leben Anteil haben.
Sind wir uns dieser Würde immer bewusst? Sind wir nach dem Vorbild Gottes barmherzige Menschen, die Erbarmen haben mit den anderen, oder sind wir gleichgültig gegenüber dem Leid anderer? Ist es bei uns im zwischenmenschlichen Bereich nicht recht kalt geworden? Droht die Humantemperatur unserer Welt nicht oft unter den Gefrierpunkt zu fallen? Weihnachten eröffnet uns eine neue Kultur wahrer Menschlichkeit und menschlicher Solidarität.
Gott teilt unser schwaches Menschsein, um uns sein göttliches Leben mitteilen zu können. Wer schon einmal in Betlehem war und dort die Geburtskirche besucht hat, der weiß, dass man sie nur durch ein sehr niedriges Tor betreten kann; man muss sich also bücken, um hineinzukommen. Das scheint mir symbolisch zu sein. Gott selbst hat sich klein gemacht, als er in diese Welt kam. Da dürfen auch wir uns nicht groß machen. Wir müssen uns klein machen, wenn wir zum Kind in der Krippe kommen wollen, und wir müssen uns herunterbücken zu unseren Mitmenschen. Wenn wir niederknien und beten, dann sind wir am größten.
Aus: Walter Kardinal Kasper, Bedenke dein Geheimnis. Meditationen zu Advent und Weihnachten. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2015.
Ich glaube an den Menschen
In den Tagen des Advents geraten nicht wenige Menschen in Verlegenheit: Die einen ertragen das Warten nicht und feiern recht ausgelassen „vorweihnachtlich“. Andere fürchten sich vor dem Feiern und versuchen der zwischenmenschlichen Kälte durch eine Reise in den Süden zu entkommen. Wieder anderen wird schmerzlich bewusst, dass sie allein sind und nicht wissen, mit wem sie feiern könnten. In allen Menschen aber schlummert die Sehnsucht, zu anderen Menschen dazuzugehören und nicht allein gelassen zu werden. Das auszudrücken und einzugestehen, fällt vielen Menschen schwer.
Aber gerade die liturgischen Texte und die Lieder der Adventzeit haben genau das zu ihrem Inhalt. Es ist der Ruf der Kreatur, nicht allein gelassen zu werden. „Oh, Heiland, reiß die Himmel auf!“, heißt es da in einem der ältesten Adventlieder, „herab, herab vom Himmel lauf!“ In Peter Handkes „Langsame Heimkehr“ findet sich eine Textstelle, deren Inhalt mich an die liturgischen Liedtexte der Adventzeit erinnert: „Ich will kein im Jammer Verschwindender, sondern ein mächtiger Klagekörper sein. Mein Ausruf ist: Ich brauche dich! Aber wen rede ich an? Ich muss zu Meinesgleichen! Aber wer ist Meinesgleichen? In welchem Land? In welcher Stadt?“
Ist es nicht so, dass der Mensch ein Leben lang auf der Suche ist nach einem Gefährten, der zu ihm passt und zu ihm hält, mit ihm geht und ihn versteht? Weihnachten ist so gesehen ein Fest gegen die Finsternis des Herzens und damit ein Fest gegen die Sprachlosigkeit. Ein Fest der Zuversicht, ein kleiner Lichtblick, und sei es auch nur ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont, ein kleines Licht gegen die Dunkelheit der Welt durch ein Wort, ein Lied, ein Zeichen des Wohlwollens, der Akzeptanz, der Wertschätzung, der Achtsamkeit.
Kurt Tucholsky vermutet, dass die meisten Menschen Weihnachten feiern, weil die meisten Menschen Weihnachten feiern. Vielleicht aber gibt es auch Menschen, die Weihnachten und all die anderen Feste im Lauf ihrer Jahre deshalb feiern, weil sie die Menschen lieben und an den Menschen glauben. An den Schluss seines Buches mit dem geradezu weihnachtlichen Titel „Hoffnung Mensch. Eine bessere Welt ist möglich“ stellt Michael Schmidt-Salomon sein „alternatives Glaubensbekenntnis“, das er angelehnt an das Credo eines Humanisten von Erich Fromm formuliert.
Mit Erich Fromm ist der Autor davon überzeugt, dass der Mensch in jeder Kultur alle Möglichkeiten vorfindet. Er ist der archaische Mensch, das Raubtier, der Kannibale, der Götzendiener und er ist zugleich das Wesen mit der Fähigkeit zu Vernunft, Liebe, Gerechtigkeit und produktivem Tun. Er kann, wenn er will! Auf diese Weise werden die Bedürfnisse der Gesellschaft in persönliche Bedürfnisse verwandelt und werden so zum Charakter der Gesellschaft. Mehr denn je braucht diese Welt solche Perspektiven der Ermutigung. Im Blick auf eine Welt mit Wirtschaftskrisen, Klimakatastrophen, Ressourcenknappheit und einer nicht mehr überschaubaren Völkerwanderung von Millionen Menschen auf der Suche nach Möglichkeiten für das nackte Überleben klingt Schmidt-Salomons „Credo“ wie ein jedem Menschen gewidmetes sozialpolitisch engagiertes Weihnachtslied:
Ich glaube an den Menschen
Den Schöpfer der Kunst
Und Entdecker unbekannter Welten
Ich glaube an die Evolution
Des Wissens und des Mitgefühls
Der Weisheit und des Humors
Ich glaube an den Sieg
Der Wahrheit über die Lüge
Der Erkenntnis über die Unwissenheit
Der Phantasie über die Engstirnigkeit
Und des Mitleids über die Gewalt
Aus: Arnold Mettnitzer, Was ich glaube. Überlegungen & Überzeugungen. Styria Verlag, Wien Graz Klagenfurt 2015.
Befreier
In dem Evangeliumsfragment über seine Geburt, das eine vorweggenommene Zusammenfassung seiner ganzen Lebensgeschichte darstellt, wird der Sinn seines Lebens und Sterbens in dieser einen Zeile zusammengefasst: »Heute, in der Stadt Davids, ist euer Befreier geboren, der Herr, der Messias« (Lukas 2,11). Damit wird gesagt, dass er geboren wurde und gelebt hat zur Befreiung von Menschen. Was war denn so befreiend an ihm? Die Antwort auf diese Frage ist im Laufe der Jahrhunderte immer unverständlicher ausgedrückt worden: »Er hat uns erlöst von unserer Sünde, durch sein Blut, am Kreuz, und uns versöhnt mit Gott, er ist der Heiland der Welt«. Was haben wir zu schaffen mit dieser Formelsprache? Nichts, wenn sie uns herabsetzt und uns von unserer eigenen selbstverständlichen, unwiderruflichen Verantwortung entfremdet, von uns selbst und von dieser Welt, die in unseren Händen liegt.
Er war befreiend, weil er mitten durch diese mit Waffen vollgestopfte und von Tyrannen beherrschte Welt hindurchsah und diese Tyrannen schon vom Thron gestoßen sah. Er dachte, dass dies geschehen müsse, dass das möglich sei und auch geschehen werde - das war so befreiend an ihm.
Er wäre nicht so befreiend gewesen, wenn er so getan hätte, als sei er der Einzige, der dieser neuen Erde ebenbürtig wäre. Er war andersherum befreiend, weil er einer von allen war, einer von vielen, Fleisch von unserem Fleisch, das soll heißen: alles, was uns auch ausmacht, nämlich Charakter, Talent, Erbkrankheiten und vergänglicher Körper. Geboren wie jeder von uns, unter dem Fluch dieser Welt, hat er als einer von uns diesen Fluch gebrochen, indem er nicht hinnahm, was menschenunwürdig war, und indem er sich ohne Bedenken zur Verfügung stellte für die Befreiung von anderen. So hat er dem Sinn verliehen, was auch sinnlos hätte sein können, dass er geboren wurde und nicht mehr war als ein zufälliger Mensch. Das Evangelium erzählt von ihm, dass er - indem er so war - Mensch wurde, ein Gerechter, ein Sohn Gottes. Was er vollbracht hat, kann jeder vollbringen. Das ist die Zielrichtung seiner Lebensgeschichte, so wie es zugleich die Zielrichtung der gesamten heiligen Schrift ist.
Geboren zu sein reicht nicht. Man muss auch geboren werden wollen, das heißt, das zufällige Leben annehmen als Möglichkeit, für die Befreiung anderer zu leben. In der Erzählung von Jesus und seinem Gott wird uns berichtet, dass uns die Kraft, um so leben zu können, gegeben werden kann, dass wir so geboren wurden, dass wir für diese Kraft empfänglich sind, dass wir diese Kraft voneinander empfangen und weitergeben können. Gott-in-uns heißt diese Kraft, heiliger Lebensatem, heiliger Geist.
Aus: Huub Oosterhuis, Ich steh vor dir. Meditationen und Lieder. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien. 2005 (2004).
Mit voller Kraft - aber wohin?
Sie kennen sicher auch die Sorte Autofahrer, die erkennen, dass sie den Weg verloren haben, aber statt anzuhalten und sich zu orientieren, ob die Richtung stimmt, geben sie Gas, jagen den Motor, um noch mehr herauszuholen. So sieht es heute für viele aus, vielleicht für unsere ganze Welt. Der Glaube sagt: Halt an. Nimm dir Zeit, dein Leben zu bedenken. Du bist rechenschaftspflichtig gegenüber Gott. Nein, Gott verlässt dich nicht. Gott ist bei dir und wird dich tragen, gerade in den dunklen Stunden deines Lebens.
Margot Kässmann in: Weisheit für die Seele, Gute Gedanken für alle Tage. Herausgegeben von Sylvia Müller und Ulrich Sander. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2007.
Weihnachten - Himmel auf Erden
Ich mag Weihnachten und ich mag blinkende Lichterketten. Ich mag Stechpalmenzweige mit roten Beeren, Sternenreigen an Fensterscheiben, ich mag glitzernd-leuchtende Fußgängerzonen, auch wenn ich weiß, dass das ökologisch bedenklich ist. Von Zimtgeruch und Orangen kann ich nicht genug kriegen und jedes Jahr wieder stelle ich mich unter einen Mistelzweig. Einen Tannenbaum will ich und der soll nicht nur mit drögem Stroh geschmückt sein. Ich will englische Weihnachtslieder, weil die so heiter klingen, ich will Gold, ich will Silber, und wenn es nur angemaltes Blech ist. Ich will einen Blick in den Festsaal werfen. Ich will glauben: Heute ist alles gut, auch wenn nicht alles gut ist. Ich will einen Vorgeschmack aufs große Ganze. Sehen, wie es wäre, wenn Frieden wäre und Glück und Schönheit und Strahlen im Überfluss. Der Himmel auf der Erde und ein Kind im Herz. Da macht es gar nichts, wenn ich Tante Hilde das restliche Jahr nicht mag, heute versuchen wir's. Und wenn wir Theater spielen, dann spielen wir — nicht, um der Wirklichkeit zu entfliehen, sondern um ihr entgegenzugehen.
Aus: Susanne Niemeyer / Matthias Lemme, Brot und Liebe. Wie man Gott nach Hause holt. Kreuz Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013.
Gottes letzter Schritt in die Erdennacht
An meinem Arbeitsplatz sehe ich den Reflex des Weihnachtsbäumchens in der rückwärtigen Glastür. (Der Reflex ist schöner als der Baum.) Der Heilige Abend ging gnädig, ganz ohne Schwermut vorüber, gegenüber dem Adler. Hans Fronius kam am Nachmittag in seiner strahlenden Kraft, die so vieles verdeckt, was sein Werk aussagt. Er brachte mir ein Blatt, das ich erst am Abend enthüllte: die Pieta, Klage ohne Trost um den in Todesfinsternis erlegenen Sohn. Ich glaube, Fronius erfährt dieses Jahr wie ich, als düsterste Prophetie, letzte Szene auf dem Hradschin; er hat das Antlitz dieser Zeit in seiner Grafik gefasst: trauervolle Besessenheit, und er hat visionär die kranke Genialität erblickt, von der diese Ära stammt, deren Erbe in ihrem Blute kreist; in dieser Sicht schwindet das Bild Gottes immer tiefer in die Todesnacht, vereinsamt die Klage der Mutter zwischen unerbittlichen Felswänden. (Wo wäre sonst Hoffnung?) - Es regnete Eis; ein jeder Pflasterstein war davon überzogen und ebenso das Geländer der Treppe, die hinter der Postsparkasse, dem Daseinsreservoir der Stadt, zur Dominikaner-Bastei führt. Dunkel und leer die Straßen, ausgeliefert dem Wind, dem bei der Berührung mit der kalten Erde in Eis sich verwandelnden Regen. Zum Stephansdom reichte es nicht.
Im 15. Jahrhundert sangen die Mönche in St. Gallen:
Cognovit bos et asinus,
Quod puer erat dominus,
und draußen sang das Volk:
Der stier ond der esel kantent das,
das Jesus Krist ein herre waz.
Die Kreatur beglaubigte ihn - und er hat ihr dieses Wort kaum gedankt, noch weniger haben es die Christen getan; ihn beglaubigten die wenigen ihm Entgegengesandten an der Krippe, das Volk, zu dem er kam, beglaubigte ihn wider Willen durch seinen Widerspruch und durch maßloses Leid. Und noch immer das alte Wort:
Er ist gewaltic unde starc,
der ze wihen naht geborn wart,
der herre Krist.
Wir haben dieses Wort nicht und nicht seinen streitbar herausfordernden Jubel: Uns bleiben die zwei Gestalten, die nicht überwunden werden können, an Weihnachten also die Pieta, die Vollendung der Menschwerdung, Gottes letzter Schritt in sein Geschöpf, in die Erdennacht.
Aus: Reinhold Schneider, Winter in Wien.
Nach Maria Anna Leenen (Hg.), Reinhold Schneider, Ein Lesebuch. Tyrolia Verlag, Innsbruck Wien 2003.
Christkind im Stall
Tausende syrische Kinder beneiden das Christkind um seinen Stall. Das sagt der maronitische Erzbischof Samir Nassar zu den Bedingungen, unter denen Kinder in Syrien in der Vorweihnachtszeit leben. In seiner Weihnachtsbotschaft beschreibt der maronitische Erzbischof von Damaskus, was die Menschen in Syrien mit Blick auf ein weiteres Weihnachtsfest im Krieg fühlen. „Jesus ist mit seiner Armut nicht alleine“, so der Erzbischof wörtlich. Für viele Familien in Syrien sei die Botschaft des Friedens und der Freude kaum im eigenen Leben vorstellbar: „Der höllische Lärm des Krieges“, so Erzbischof Nassar, „überdeckt den Lobgesang der Engel“. (fides)
Offener Himmel ...
In dieser Nacht öffnet sich der Himmel
um für immer offen zu bleiben.
In dieser Nacht berührt der Himmel die Erde,
um sie für immer zu verwandeln.
In dieser Nacht ist Gott Mensch geworden,
um sich auf ewig mit uns zu verbinden.
In dieser Nacht ist alles anders.
Für einen Augenblick
hält die Welt den Atem an.
Einsame und Verzweifelte,
Enttäuschte und Unzufriedene,
Starke und Selbstsichere,
Erfolgreiche und Glückliche
staunen über das Kind in der Krippe.
Gott wird Mensch.
Udo Hahn
Chesed (hebr.)
Die in diesem Artikel versammelten Worte und Wortfelder bezeichnen die einander erwiesene freundliche, gütige, herzliche Zuwendung. chesed ist zunächst die familiäre und nachbarschaftliche Hilfe, das Maß an gegenseitiger Unterstützung, zu dem man sich verpflichtet fühlen kann, ohne dazu formal-rechtlich verpflichtet zu sein. Diese Zuwendung, die Familie, Nachbarschaft und (vor allem in Gesellschaften ohne zentrale staatliche Herrschaft) das soziale Leben aufrechterhält, gehört zum Recht und überschreitet es zugleich als freiwillig gewährte freundliche Gabe. chesed ist eine Haltung und ein Tun. Das Lieben, d. h. das freudige Tun von chesed gehört zum Kern biblischer Ethik (Mi 6,8). Rut und ihre Schwägerin Orpa haben ihren verstorbenen Männern und ihrer Schwiegermutter Noomi chesed erwiesen, und so wünscht ihnen Noomi, Gott möge ihnen ebenso chesed erweisen (Rut 1,8). Ein zweites von vielen möglichen biblischen Beispielen: Der greise Jakob bittet seinen Sohn Josef, ihn nicht in Ägypten zu begraben. Den Vater zu begraben gehört zur Sohnespflicht. Die Gewährung der weiter gehenden Bitte, ihn nicht in Ägypten zu begraben, geht über die Pflicht hinaus und ist chesed (Gen 47,29). Jakobs Bitte gründet darin, dass er in Josefs Augen chen gefunden habe. chen ist der Liebreiz, die Anmut, die eine Person ausstrahlt und die in den Augen einer anderen, oft höhergestellten, Person Anerkennung, Wohlgefallen, Wohlwollen und dann auch Wohltaten hervorruft. So findet Rut chen in den Augen des Boas (Rut 2,10). Lot hat in den Augen des Gottesboten Zuneigung (chen) gefunden, die sich als Freundlichkeit (chesed), in diesem Fall als Lebensrettung verwirklicht (Gen 19,19). Josef findet chen, Anerkennung, in den Augen Potifars und des Gefängnischefs (Gen 39,4.21). Ästhetik und Ethik kommen in diesen Wortfeldern zusammen. Für chesed konstitutiv und auch für chen zu berücksichtigen ist die Wechselseitigkeit der Beziehung. Darin liegt ein Problem der in vielen Bibelübersetzungen üblichen Wiedergabe beider Worte mit »Gnade«. Richtig daran ist die Betonung des Nicht-Herstellbaren, jedes Verdienst Überschreitenden; die ebenso grundlegende Gegenseitigkeit kommt im Wort »Gnade« dagegen nicht zum Ausdruck.
Auch da, wo von Gottes chesed-Erweisen die Rede ist oder Gott chanun genannt wird, geht es um eine Beziehung, so etwa in der Gottesrede »Ein mitfühlender, gnädiger (chanun) Gott bin ich, langmütig, treu und wahrhaftig« (Ex 34,7; Ps 78,38, vgl. auch Ex 20,5f). Gottes chesed und chen stehen für die liebevolle, umsichtige und nachsichtige Treue zu Menschen und zum Volk Israel. Diese Freundlichkeit Gottes ist von Dauer (so der immer wiederkehrende Leitsatz in Ps 136).
Das griech. Wort charis (von dem »Charme« abgeleitet ist) nimmt im NT das Wortfeld chesed und vor allem chen und die darin ausgedrückten wechselseitigen Beziehungen auf. Es steht für Anmut (Kol 3,16), für die Zuwendung Gottes (Röm 3,21; 5,2; 6,23), die sich bei denen, denen sie zuteil wird, in der Gabe verwirklichen kann, im Namen Jesu zu wirken (Röm 1,5). Es bezeichnet aber auch den Dank (Röm 6,17) als Reaktion auf Gottes Zuwendung. Besonders deutlich wird das Beziehungsgeflecht, das sich im Wort Charts ausdrückt, in 2 Kor. Hier verbindet der eine Begriff alle Beziehungsebenen: die gegenseitigen zwischen Gott und Menschen und die der Menschen untereinander, was das deutsche Wort »Zuwendung« besser ausdrücken kann als das übliche »Gnade«. Der Zuwendung Gottes (1,2) und Jesu (8,9) entspricht die des Paulus zur Gemeinde (1,15). Daraus folgt die materielle Zuwendung als Hilfe für die armen Gemeinden in Jerusalem (8,4.6.7; 9,8). Alles mündet in die Zuwendung zu Gott im Dank aller Beteiligten (8,16; 9,15).
Aus: Glossar. Bibel in gerechter Sprache. Herausgegeben von Ulrike Bail u.v.a. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007 (2006).
Gott begegnen im Mitmenschen
Hundert Jahre nach dem Tod Jesu kamen die Christen zu der Erkenntnis: "So menschlich wie Jesus kann nur Gott sein. Und da begannen sie, ihn Gott zu nennen" (Leonardo Boff). Oder wie Reinhard Körner schreibt: "Weil Jesus selber so war, wie er von Gott sprach, konnten ihm die Zuhörer - die ehrlichen jedenfalls, die armen und kleinen - seinen rundum liebenden Gott glauben. Konnte denn Gott schlechter sein als der beste Mensch, den sie erlebten?"
Ein solches Bekenntnis hat seine Konsequenzen, die von der frühen Christenheit noch gar nicht übersehen werden konnten: Gott wird mit dem Menschen auf eine untrennbare Weise zusammengebracht. Das hat es in der Religionsgeschichte noch nie gegeben. Das ist genau das Besondere des Christentums. Gott ist nicht in fernen Himmeln, er ist in der Welt anzutreffen.
Ganz schlicht, ohne jede große Theologie: Der Gott, der das Wagnis eingegangen ist, als Jesus Christus Mensch zu werden, ist menschlich. Denn in einem Menschen können, sollen wir Gott erkennen. Das ist die Großtat Gottes für uns: Er hat sich erkennbar, spürbar, greifbar gemacht. Jesus wird nicht müde, all die Gelegenheiten aufzuzählen, wo und wie wir Gott begegnen können - vor allem in unseren Mitmenschen.
Ich war hungrig - ihr habt mir ein Brot gereicht.
Ich war obdachlos - ihr habt für ein Dach überm Kopf gesorgt.
Ich wurde geschlagen - ihr habt mich in Schutz genommen.
Ich lebe in schwuler Partnerschaft - ihr habt uns eingeladen.
Ich war anderer Meinung - ihr habt mich angehört.
Seit Jesus Christus können wir nicht von Gott reden, wenn wir nicht zugleich vom Menschen reden wollen. Oder anders herum: Je mehr wir in unserem Leben "wie Jesus" sind, umso deutlicher wird Gott durch uns sichtbar. Das ist die große Herausforderung des Christentums.
Roland Breitenbach, Sechs Minuten Predigten von A bis Z, Freiburg 2008.
Was sollen wir bringen?
Aber noch etwas gehört zum Bild von Weihnachten: das Schenken. Unsere Krippenspiele malen es breit aus, wie die Hirten überlegen, was sie mitbringen können; sie schöpfen dabei aus dem Alltag der Menschen unserer Heimat.
Ein liturgischer Hymnus der Ostkirche widmet sich demselben Thema, aber er gibt ihm eine größere Tiefe. Er sagt: "Was wollen wir dir bringen, Christus, da du für uns als Mensch auf die Erde geboren wirst? Jedes der Geschöpfe, die dein Werk sind, bringt dir in der Tat sein Zeugnis der Dankbarkeit: die Engel ihre Liebe; der Himmel den Stern, die Weisen ihre Gabe, die Hirten ihr Staunen; die Erde ihre Höhle, die Wüste die Krippe. Wir Menschen aber bringen dir eine Jungfrau und Mutter.
Maria ist das Geschenk der Menschen an Christus - das besagt aber zugleich: Vom Menschen will der Herr nicht etwas, sondern ihn selbst. Gott will von uns nicht Prozente, sondern unser Herz, unser Sein. Er will unseren Glauben und aus dem Glauben das Leben, sodann aus dem Leben jene Gaben, von denen im letzten Gericht die Rede sein wird: Nahrung und Kleidung für die Armen, das Mitleiden und Mitlieben, das tröstende Wort und das tröstende Dabei sein für die Verfolgten, die Eingekerkerten, die Verlassenen und die Verlorenen.
Was sollen wir dir bringen, o Christus? Wir bringen ihm sicher zu wenig, wenn wir nur untereinander teure Geschenke austauschen, die gar nicht mehr Ausdruck unseres Selbst und seiner sonst verschwiegenen Dankbarkeit sind. Versuchen wir, ihm den Glauben zu bringen, uns selbst, und wenn es nun wäre in der Form: Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben! Und vergessen wir an diesem Tag nicht die vielen, in denen er auf Erden leidet.
Josef Ratzinger, Benedikt XVI, Der Segen der Weihnacht, Meditationen, Freiburg 2005.
Ein Blick auf den Stammbaum Jesu
Für den Vorabendgottesdienst ist als Evangelium der Stammbaum Jesu nach Matthäus vorgesehen. Er zeigt die Verwurzelung Jesu in der ihm vorausgehenden Geschichte (Mt 1,1-25).
In Kirchen aus dem Mittelalter sieht man den Stammbaum Jesu oft bildlich dargestellt: den Baum aus der Wurzel Jesse. Unten, die Wurzel: Jesse oder Isai, der Vater Davids, und dann geht es hinauf in die Äste und Zweige, bis hin zu Maria mit dem Kinde Jesus.
Es gibt Leute, die viel Zeit und Geld investieren in Ahnenforschung. Auch wenn man selbst nicht so weit geht: es ist schon interessant zu sehen, woher man kommt; wer die Vorfahren waren, die uns ihr Erbe hinterlassen haben. Wir kennen sie kaum noch, wenn es über die Großeltern oder die Urgroßeltern hinausgeht. Und doch haben sie alle etwas an uns weitergegeben: nicht nur biologisches Leben; ihr Leben als Ganzes, ihre Person, haben Wirkungen hinterlassen.
Kommen wir zurück zum Stammbaum Jesu! Es ist ein ziemlich trockener, eintöniger Text: ständig Namen, die fremd klingen. Diese kargen Angaben bekämen Farbe und Leben, wenn man die dazu gehörigen Geschichten aus dem Alten Testament läse. Es hat jedenfalls viel zu bedeuten, dass Jesus in eine menschliche Herkunftslinie hineingestellt wird.
Leben mit positiven und negativen Vorgaben
Jesus, der wie kein anderer Mensch, von Gott her zu uns gekommen ist, ist gleichzeitig tief verwurzelt in der vorausgehenden Geschichte Israels und der ganzen Menschheit. Im Lukasevangelium wird der Stammbaum Jesu bis auf Adam zurückgeführt (Lk 3,23-38).
Christus ist nicht wie ein Meteor vom Himmel gefallen, quer zu allen Verbindungslinien und Entwicklungen der Menschheitsgeschichte. Er steht im Zusammenhang einer langen Vorgeschichte. Es war bei Jesus wie bei uns allen. Wir sind Nachkommen und Erben. Und das prägt uns: helfend und gefährdend.
Jesus konnte auf guten Grundlagen aufbauen. Er konnte in die Spur einer großen religiösen Tradition eintreten. Er konnte anknüpfen an lang erprobte und bewährte Formen der Frömmigkeit und der ethischen Lebensführung. Sein Beten war vorbereitet und getragen durch die Gebetserfahrung und -sprache seines jüdischen Volkes. Man denke an die Psalmen! Bedeutende religiöse Persönlichkeiten konnten ihm Anreger und Vorbild sein: Abraham, Mose, die Propheten.
Diese positiven Vorgaben wurden Jesus näherhin und zunächst durch seine Familie vermittelt: durch Maria und Josef. Durch diese Beiden ist dem menschlichen Bewusstsein Jesu auch sein himmlischer Vater in den Blick gekommen.
Jesus musste aber auch mit negativen Einflüssen fertig werden, mit Hypotheken, die sich unter seinen Vorfahren angesammelt hatten; die ihm zur Versuchung werden konnten.
In der Geschichte Israels gab es auch Abwege und Irrwege, Spuren ins Unheil. Von manchen der Männer, die im Stammbaum genannt werden, berichten die Bücher des Alten Testaments, dass sie gegen die Bundesordnung Gottes handelten und das Volk in eine falsche Richtung mitrissen. Das wird öfter von Königen Israels gesagt. Es gab Ungerechtigkeiten und Verbrechen; falsche Vorstellungen von dem, was zum Heile dient; Verehrung von "Götzen".
Mit solchen negativen Einflüssen musste sich Jesus auseinandersetzen, um seinen Weg zu gehen und dem Auftrag des Vaters zu entsprechen.
Ähnliches gilt auch von uns. Unsere Vorgeschichte wird positive Impulse enthalten; Hilfen, Ermutigung; zum Guten lockende Gestalten. Aber es gibt wahrscheinlich auch erschwerende oder gefährliche Elemente, zumindest, wenn man auch an die Geschichte des Volkes denkt, zu dem wir gehören. Es kommt darauf an, der Lichtspur in unserer Geschichte zu folgen.
Grenzen, die kein Unheil sind
Der Stammbaum Jesu zeigt, dass zum menschlichen Leben Jesu konstitutive Begrenzungen gehörten; Grenzen, die trotzdem seinen Raum und Zeit umspannenden Einfluss nicht gemindert haben.
Jesus wurde in eine ganz bestimmte Menschheitslinie hineingeboren, in ein ganz bestimmtes Volk. Er war Jude; die Christen haben das oft vergessen. Er hat nicht alle Sprachen gesprochen und verstanden. Er ist in vielen Punkten "Kind seiner Zeit" gewesen.
In den Grenzen seines Lebens hat Jesus aber eine universale Ausstrahlung entfaltet. Er hat als Person und mit seiner Botschaft Menschen aller Völker ansprechen können. Die neutestamentliche Bibel, die seine Geschichte und seine Worte weitergibt, ist in alle Sprachen übersetzt; sie ist wohl das am meisten verbreitete Buch überhaupt geworden. Jesus hat die menschlichen Grunderfahrungen miterlebt - den Weg vom Kindsein bis zum Tode; er war mit den elementaren Situationen der Menschen vertraut. Deshalb kann er allen nahe kommen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Interview, das der jüdische Schriftsteller und Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer (1904-1991) gegeben hat. Er sprach davon, dass öfter junge Leute, Studenten, zu ihm kommen und fragen, wie sie es machen sollten, um es zu einem guten Schriftsteller zu bringen. Singer meinte, er sage ihnen, dass sie sich nicht mit Gewalt und nicht zu weit weg von ihrem menschlichen Wurzelboden entfernen sollten. Möglichst Kontakt halten zu den eigenen Ursprüngen ("stay with it" -"bleib dran"!). Singer selbst hat den Nobelpreis in Literatur 1978 für Werke erhalten, die er zunächst in seiner Muttersprache, in Jiddisch, verfasst hatte, in einem (leider) nur noch von Wenigen gesprochenen Dialekt des Ostjudentums. Aber in dieser an sich begrenzten Ausdrucksform war er er selbst, konnte er Originelles und weltweit Bedeutendes schaffen.
Stammbaum Jesu Christi: Jesus eingesenkt in das Wurzelgeflecht der Menschheit! So ist er der Erlöser geworden. Aus dem Inneren der Menschheitsgeschichte her hat er uns einen Weg gebahnt: den Weg zu Gott, dem Vater, und den Weg zu den Mitmenschen. Auf diesen Weg können wir uns mitnehmen lassen.
Aus: Augustin Schmied, Lichter, die uns begleiten. Gedanken zu den christlichen Festen, veröffentlicht im Dezember 2012 hier im Downloadbereich des Predigtforums.
Jesus
Was würde sein, wenn es Jesus wirklich gibt...
https://www.youtube.com/watch?v=cr-2KSOg-v0
(Bettina Wegener Cover)
Das Licht der Wahrheit
"Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht": Das ist und bleibt eine wunderbare Verheißung. Auch für den Glauben. Können wir uns wirklich auf Gott verlassen? Das fragen viele, die Dunkelheit empfinden in ihrem Leben... Glaube bleibt ein Ringen mit dem Zweifel, mit dem Leiden, mit der Frage nach Gott. Auch im 21. Jahrhundert. Wer aber fragt und ringt und zweifelt, steht schon mitten in einer Beziehungsgeschichte zu Gott.
Wir sollten ja nicht so tun, als hätten wir unser Leben, unsere Welt, ja die Schöpfung "im Griff" ... Glaubenshoffnung meint etwas anderes. Sie sagt: Was auch kommen mag, Gott wird mir zur Seite stehen. Gott ist bei denen, die einsam sind, die leiden. Gott steht denen bei, die sterben. Ja, unsere Hoffnung geht über den Tod hinaus. Gottvertrauen ist eine Lebenshaltung ...
Was uns bedrückt und was uns freut, was enttäuscht und wofür wir dankbar sind, wird hell bestrahlt von dem Licht der Wahrheit. Gott ist in die Welt gekommen. Gottes Lebenszusage reicht weit über das hinaus, was wir erkennen und sehen. Sie erhebt Anspruch auf eine Friedensherrschaft, die Recht und Gerechtigkeit bringt. Als Hoffnung über alle Zeiten hinweg. In Menschen, die an Gott glauben, bleibt die Hoffnung wach, dass alles sich ändern kann.
Wir haben die Gewissheit, dass wir gehalten sind, weil im Dunkel Licht scheint.
Margot Käßmann in: Unterwegs zum Licht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Weihnachtssonderband, Herausgegeben von Ulrich Sander, Freiburg.
Ein Stammbaum für die Kirche aus Juden und Heiden
... Dieser Stammbaum, der für das erste Zusehen ein reiner Abrahams- und Davidsstammbaum ist, ist durch die vier Frauen ein Stammbaum für die Kirche aus Juden und Heiden. Er verweist auf das Kommende, die Kirche der Völker. Ja, man könnte sagen: Diese vier Frauen schieben bei ihm die ganze hochgewichtige Geschichte der Männer beiseite; sie sind die eigentlichen Gelenke des Stammbaums, der damit aus einem Stammbaum angeblicher männlicher Taten zu einem Stammbaum des Glaubens und der Gnade wird - auf dem Glauben dieser Frauen ruht das Eigentliche dieser Geschichte, der Fortgang der Verheißung.
Damit wird nun bei allen Gegensätzen der innere Zusammenhang mit der fünften Frau sichtbar, auf die alles zugeht: mit Maria. Hier, an diesem entscheidenden letzten Punkt, wird vollends die Relativierung, die letzte Unwichtigkeit der ganzen Männergeschichte sichtbar. Vorher sind die einzelnen Namen jeweils miteinander verbunden durch das Wort "zeugte". Am Schluss aber ist nicht mehr von "zeugen" die Rede, sondern es heißt: Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias, aus der geboren wurde Jesus, der Christus. Josef zeugte Jesus nicht, er war nur der Mann Marias. Allein über die Brücke dieser rechtlichen Zugehörigkeit, nicht auf dem Weg der biologischen Verknüpfung, gehört Jesus diesem Stammbaum zu, gehört der Stammbaum ihm. Er ist sein rechtlicher Eigentümer - für Israel war immer die rechtliche, nicht die biologische Herkunft das Entscheidende, das Reale. Über die Brücke dieses Rechtes ist das Alte Testament sein.
Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., Der Segen der Weihnacht, Meditationen, Freiburg 2005.
Eine Weihnachtslegende
Es war einmal ein hartherziger Hirte, der sich und anderen nichts Gutes gönnte. Eines Nachts kam ein Mann zu ihm und bat um Feuer. Doch der hartherzige Hirte hetzte seine Schäferhunde auf den Fremden. Diese bissen ihm ins Bein und in seine Hand, und einer hängte sich sogar an seine Kehle. Aber zum großen Erstaunen des Hirten zeigten die Bisse keinerlei Wirkung. Der fremde blieb völlig unverletzt.
Nun war der Fremde ganz nahe gekommen und sagte zu dem Hirten: "Guter Freund, hilf mir, leih mir ein wenig von deinem Feuer. Meine Frau hat soeben ein Kind geboren, und ich muss ein Feuer machen, um den Kleinen zu wärmen."
Da erwachte in dem Hirten wieder der alte Menschenhass. Da er wusste, dass weit und breit kein Eimer und keine Schaufel zu finden waren, um die glühenden Kohlen fortzutragen, sagte er zu dem Fremden: "Nimm von den glühenden Kohlen, so viel du brauchst." Und seine Schadenfreude begann zu wachsen.
Da hob der Fremde die glühenden Kohlen mit bloßen Händen auf und legte sie in seinen Mantel, und weder seine Hände noch sein Mantel wurden verbrannt. Der hartherzige Hirte wunderte sich zutiefst und fragte den Fremden: "Was ist das für eine seltsame Nacht heute?"
Da gab der Fremde zur Antwort:
"Mit Worten kann ich dir das nicht beschreiben. Komm mit und sieh!"
Der Hirte ging mit. Und sie kamen zu einem Viehstall. Im Stall kniete die Mutter neben ihrem Kind, das in einem Futtertrog lag. Etwas weiter hinten standen ein Ochse und ein Esel.
Da wurde die verhärtete Seele des Hirten weich. Das eiskalte Herz begann zu schmelzen, als der das frierende und zitternde Kind sah.
Und er nahm seinen dicken Mantel und deckte das Kind damit zu. Tränen standen in seinen Augen, und er fiel auf die Knie - vor diesem Kind.
Ein Kind kann eisige Herzen auftauen. Die Heilige Nacht ist jedes Jahr eine einmalige Chance, das Kind aus der Krippe in dein Herz zu legen. Und du wirst dich wundern, wie dieses Kind dich verändert und wie das Eis in deinem Herzen zu schmelzen beginnt.
Selma Lagerlöf in: Bardeler Adventsmeditationen, Osnabrück.
Das himmlische Licht
Was für eine Heilige Nacht,
in der die Liebe geboren wird,
die alle Grenzen
und alles Denken weit überschreitet.
Jesus Christus, das göttliche Kind,
wird immer wieder geboren,
heute, in jeder und jedem von uns.
In den Augenblicken,
in denen die Liebe unser Herz durchdringt
und nach außen weiterstrahlt,
leuchtet das himmlische Licht
durch uns hindurch
in die Welt.
Christa Spilling-Nöker in: Unterwegs zum Licht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Weihnachtssonderband, Herausgegeben von Ulrich Sander, Freiburg.
Mensch werden
Mensch werden:
das Herz öffnen
und die Hände empfangen
und geben.
Lichter setzen
im Dunkel.
Selbst zum
Licht werden.
Eins werden
Mit dem Licht.
Corinna Mühlstedt in: Unterwegs zum Licht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Weihnachtssonderband, Herausgegeben von Ulrich Sander, Freiburg.
Die wahre Sonne
Heute ist uns der Erlöser geboren.
Aufgegangen ist heute über die ganze Welt
Die wahre Sonne.
Gott wurde Mensch,
damit der Mensch Gott werde.
Damit der Sklave zum Herrn werde,
nahm der Herr Knechtsgestalt an.
Zu Recht verlängert der Tag, der uns Christus brachte, die Bahn der Sonne.
Denn durch Christus wurden wir befreit aus des Todes Finsternis.
Augustinus
Jesus - der verheißene Immanuel im Matthäusevangelium
Auffallend ist, dass Matthäus in seinem Bericht vom "Ursprung des Jesus Christus" - anders als Lukas - aus der pneumatischen Empfängnis Jesu dessen Gottessohnschaft gerade nicht ableitet. Sohn Gottes wird Jesus erst von Gott selbst in dem Erfüllungszitat 2,15 genannt: "Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen", also - geschichtlich gedacht - auf Gottes rettendes Handeln an Jesu bezogen; umgekehrt erweist sich Jesus als der Gottessohn gerade in der vollkommenen Erfüllung des Willens Gottes.
. . .
Entscheidend für Matthäus ist jedoch, dass sich in dieser pneumatischen Empfängnis der Jungfrau Maria erfüllt, was Gott selbst durch Jesaja in 7,14 angekündigt hat, und dadurch Jesus als der "Immanuel", der "Gott mit uns", erwiesen wird: Die den israelischen Glauben bestimmende Hoffnung auf einen Gott, der in der Geschichte mit seinem Volk ist, findet im Wirken des Messias Jesus ihre endgültige Erfüllung.
Aus: Paul Hoffmann, Jesus von Nazaret und seine Kirche, Spurensicherung im Neuen Testament, Stuttgart 2009.
Gebet für die Priester
Guter Vater,
schau in Güte auf deine Diener,
die durch die Auflegung der Hände
die Gabe des Geistes empfangen haben.
Lass sie auf allen Straßen der Erde
voller Freude und Mut
das Evangelium weiter tragen.
Gib ihnen das Herz eines Hirten
voller Wärme und Mitgefühl
in den Spuren Jesus, des Guten Hirten.
Du hast sie ausgesondert,
aber nicht getrennt von deinem Volk,
damit in ihnen ganz leise,
aber im Takt der Ewigkeit,
das Herz dieser Welt schlagen kann.
Amen.
Aus: Jacques Gaillot, Folgt seiner Liebe, Verlag Herder, Freiburg, 1992.
Christkind
Das Christkind bringt im Süden Deutschlands, Teilen der Schweiz und in Österreich den braven Kindern die Geschenke. Auch werden die Advents- und Weihnachtsmärkte in diesen Regionen Christkindlmarkt, Christmarkt oder auch Kindleinsmarkt genannt.
In meiner eigenen Kindheit fieberten wir immer dem Christkind entgegen, das den Baum schmückte und die Geschenke unter den Baum legte. Wir haben immer geschaut ob wir es nicht doch einmal sehen können, aber selbst das Schlüsselloch zur Stubentüre war verdeckt.
Im Gegensatz zum Weihnachtsmann ist das Christkind schon seit langer Zeit unterwegs. Allerdings gehen die Vorstellungen, wie denn das Christkind aussieht, sehr weit auseinander. Für die einen ist das Christkind Jesus in der Krippe, die anderen sehen es als einen Engel mit großen Flügeln.
Eine gute Nachricht
Weihnachten erinnert uns an einen guten Gott, der die Nähe des Menschen sucht, um ihn wieder zu einem Menschen im vollen Sinn zu machen. Weihnachten führt uns die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes vor Augen und erinnert uns zugleich an die Verwandlung, die im Herzen des Menschen geschehen kann, wenn er sich auf Gott einlässt.
Aus: Antonio Sagardoy, Weihnachten anders, Wien, 2009.
Himmel, noch mal
Herr im Himmel,
vielleicht könntest du noch einmal
Mensch unter Menschen werden.
Vielleicht könntest du noch einmal
vorleben und uns erleben lassen,
was es heißt,
es dir nach zu tun
und Mensch zu werden.
Vielleicht könntest du das eine
oder andere Wort noch einmal sprechen
und ein, zwei Gleichnisse erneut erzählen.
Herr im Himmel,
vielleicht verstehen wir dann,
was es heißt zu lieben und zu ehren,
zu teilen und zu heilen,
zu leben und zu beten.
Herr im Himmel,
vielleicht könntest du noch einmal
Mensch werden. Nur noch einmal...
Greubel, Frank: In dieser Zeit : Gebete. Würzburg : Vinzenz Druckerei; 25.
Nicht mehr allein
Gott
du großer Gott
ein Kind im Stall
du brichst in mein Dunkel herein
teilst meine Ohnmacht
stellst dich mir Schwache
zur Seite
du weckst meine Sehnsucht
du färbst meine Träume
wartest mit mir auf den Anbruch
des Morgens
du lehrst mich suchen
machst Mut zum Aufbruch
lädst ein zum Leben
und gehst mit
Weihnachten
Ein Weg fängt an
Schwarz, Andrea: Wenn ich meinem Dunkel traue, Auf der Suche nach Weihnachten, 3. Aufl. Freiburg in Breisgau : Herder, 1993; 63.
Mit Leib und Seele
Mit Leib und Seele
Bist du Mensch geworden.
Warst Flüchtling und Prediger.
Warst Verfolgter und Arzt.
Warst Angeklagter und Freund.
Wurdest verfolgt und geliebt.
Wurdest verachtet und verehrt.
Wurdest geschlagen und umarmt.
Hast gehungert und gefeiert.
Hast geweint und gelacht.
Hast gelitten und triumphiert.
Aber immer bist du geblieben,
was du geworden bist.
Ein Mensch.
Mit Leib und Seele.
Greubel, Frank: In dieser Zeit : Gebete. Würzburg : Vinzenz Druckerei; 24.
Gott wird Mensch
Gott wird Mensch
das hat Folgen
das bringt alles in Bewegung
das eröffnet Möglichkeiten
das macht betroffen
Gott wird Mensch
damit wird man
sich auseinander setzen müssen
damit wird man leben dürfen
damit sieht alles anders aus
Gott wird Mensch
für die Verlorenen
für die Verfolgten
für die Verachteten
Gott wird Mensch
und alle Welt
könnte sich freuen
und jedermann könnte aufatmen
und niemand müsste abseits stehen
Gott wird Mensch
in unseren Zeiten
in der heutigen Situation
in der Welt die nur eines braucht:
Gott wird Mensch und der Mensch wird Mensch.
Aus: Werner Schaube, Weihnachts-Puzzle. Herder Verlag Freiburg Basel Wien 1983.
Krippengedanken
Eine Krippe
ist der Futtertrog
für die Tiere:
nur wenn er gefüllt ist
macht er andere satt.
Das neugeborene Kind
in der Krippe von Betlehem
ist das lebendige Brot
für die ganze Welt.
Die Krippe selbst
wird zur Wohnung Gottes:
aber nicht Gold, sondern Holz,
nicht Seide, sondern Windeln,
nicht Daunendecken, sondern Stroh
umgeben den neugeborenen König.
Die Krippe beherbergt
das greifbare Evangelium:
Gott zeigt sich im Unscheinbaren,
der Allmächtige in der Vergänglichkeit,
die unendliche Liebe
als liebesbedürftiges Kind.
(J. Pock, Dez 07)
Gott hat sich klein gemacht für uns
Gott hat sich klein gemacht für uns. Gott kommt nicht mit äußerer Macht, sondern er kommt in der Ohnmacht seiner Liebe, die seine Macht ist. Er gibt sich in unsere Hände. Er bittet um unsere Liebe. Er lädt uns ein, selbst klein zu werden, von unseren hohen Thronen herunterzusteigen und das Kindsein vor Gott zu erlernen. Er bietet uns das Du an. Er bittet, daß wir ihm vertrauen und so das Sein in der Wahrheit und in der Liebe erlernen. Das Kind Jesus erinnert uns natürlich auch an alle Kinder dieser Welt, in denen er auf uns zugehen will. An die Kinder, die in der Armut leben; als Soldaten mißbraucht werden; die nie die Liebe der Eltern erfahren durften; an die kranken und leidenden, aber auch an die fröhlichen und gesunden Kinder. Europa ist arm an Kindern geworden: Wir brauchen alles für uns selber, und wir trauen wohl der Zukunft nicht recht. Aber zukunftslos wird die Erde erst sein, wenn die Kräfte des menschlichen Herzens und der vom Herzen erleuchteten Vernunft erlöschen - wenn das Antlitz Gottes nicht mehr über der Erde leuchtet. Wo Gott ist, da ist Zukunft.
Aus: Papst Benedikt XVI., Predigt am 8. September 2007 in Mariazell:
Geheimnis der übergroßen Liebe Gottes
Das Weihnachtsgeheimnis ist zuletzt ein Geheimnis der übergroßen Liebe Gottes, wie es der heilige Paulus im Titusbrief ausdrückt, wenn er sagt: "Erschienen ist die Güte und Menschenliebe Gottes." Dabei steht im Hintergrund das Bewusstsein von der unvergleichlichen Größe Gottes und von der Geringheit, von der Armut, geradezu von der Nichtigkeit des menschlichen Geschöpfes. Aber Gott hat diese unendliche Differenz nicht gescheut. Er wollte und konnte diese Distanz kraft seiner Menschenliebe, die er schon in der Schöpfung und in der Begnadung bewies, überwinden. Dabei wollte Gott das Menschliche gleichsam an seinem tiefsten Punkt ergreifen, nämlich in der Schwäche und Bedürftigkeit eines Kindes. Vor allem der Bericht des Matthäus zeigt eine deutliche Neigung zum Armen, zum Bedrängten, zum Gefährdeten, dem Jesus vor allem verpflichtet sein wollte. Damit aber hat der Herr zugleich dem Armsein und Kindsein eine einzigartige Würde und Bedeutsamkeit zuerkannt, die wir heute, im Zeitalter der Zivilisation des Todes, als ernste Mahnung verstehen sollten.
Aus: Leo Kardinal Scheffczyk, Interview für "Kirche in Not", 2004.
Erkennst du den Weg der Hoffnung?
Gibt es im Evangelium Dinge, die das Leben schön machen? Ja, es gibt sie. Zu ihnen gehört die Hoffnung. Mit ihr kann man Entmutigungen hinter sich lassen, gar den Geschmack am Leben wiederfinden. Wo liegt ihre Quelle? Sie liegt in der Kühnheit eines Lebens der Gemeinschaft in Gott. Aber wie ist solche Gemeinschaft möglich? Gott hat uns als Erster geliebt. Gott sucht uns unablässig, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Vertrauen, Hoffnung und Herzensfrieden entspringen einer geheimnisvollen Gegenwart, der Gegenwart Christi. Durch den Heiligen Geist bleibt er von Herzen demütig in jedem Menschen. Ruhig lässt sich seine Stimme vernehmen: Erkennst du den Weg der Hoffnung, der dir offen steht? Wie sollte es einen da nicht drängen, zu Christus zu sagen: Ich möchte dir ein Leben lang auf diesem Weg nachfolgen, aber kennst du meine Unzulänglichkeit? Durch das Evangelium antwortet er: "Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut ... Du meinst, dass du nichts oder fast nichts hast, um ein Leben lang die Treue zu halten. Und doch bist du erfüllt. Wovon erfüllt? Von der Gegenwart des Heiligen Geistes. Sein Erbarmen leuchtet bis in die Schatten deiner Seele."
Nicht suchen, sondern sich finden lassen
Die Unendlichkeit der Zeit und des Raumes trennen uns von Gott. Wie sollten wir ihn suchen gehen? Wie sollten wir zu ihm gelangen? Selbst wenn wir alle Zeiten hindurch wanderten, wir täten doch nichts anderes, als die Erde umkreisen. Selbst im Flugzeug könnten wir nichts anderes tun. Wir sind außerstande, uns senkrecht aufwärts zu heben. Wir können nicht einen Schritt gegen den Himmel hinauf tun. Gott durchquert das All und kommt bis zu uns. Über die Unendlichkeit von Raum und Zeit hinweg kommt die unendlich viel unendlichere Liebe Gottes, uns zu ergreifen. Sie kommt zu ihrer Stunde. Wir haben die Macht, sie willig in uns zu empfangen oder sie abzuweisen. Verschließen wir ihr unsere Ohren, kommt sie wie ein Bettler wieder und wieder, doch ebenso wie ein Bettler bleibt sie eines Tages aus. Öffnen wir uns ihr in Willigkeit, dann legt Gott ein kleines Samenkorn in uns nieder und geht davon. Von diesem Augenblick an hat Gott nichts weiter zu tun, und auch wir nichts, als zu warten. Nur darf es uns nicht gereuen, daß wir unsere Einwilligung, das bräutliche Jawort, gegeben haben.
Aus: Simone Weil, Die Gottesliebe und das Unglück. Zeugnis für das Gute. Traktate, Briefe und Aufzeichnungen, Düsseldorf / Zürich: Patmos Verlag / Walter Verlag 1979.
Martin Stewen (2011)
Gabi Ceric (2001)
Lopez Weißmann (1998)