Eine glänzende Geschichte
Schade, dass meine Predigt nicht so glänzen kann wie diese schöne Geschichte. Ich kann nur nacherzählen – und deuten -, was uns heute begegnet. Die Geschichte der Verklärung Jesu, unseres Herrn. Ein Traum wird vor unseren Augen entfaltet. Bin ich dabei? Stehe ich am Rande? Kann ich überhaupt noch sehen? Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll.
Jesus ist mit drei seiner Jünger allein auf einem hohen Berg. Er wird vor ihren Augen verwandelt. Das Wort ist tückisch. Bleibt Jesus Jesus oder wird er ein anderer? Aber wer könnte er dann sein, dann werden? Was möchte ich dann aus ihm machen? Wie möchte ich mich in seinem Glanz sonnen?
Einer glänzenden Geschichte ist es eigen, Wichtiges von Unwichtigem, Gewichtigem von Belanglosen zu trennen. Jesus wird besonders herausgestellt, in Licht getaucht, verklärt. Was doch so viel heißt wie: in göttlicher Klarheit sichtbar. Ob sich die Jünger darüber freuen, Zeugen dieses einmaligen Ereignisses zu sein?
Wäre ich gerne dabei? Ich liebe glänzende Geschichten. Obwohl mir alle Verklärungen suspekt sind: Ist „verklärt“ nicht nur ein anderes Wort für verschönt, beschönigt, eben auch verfälscht, inszeniert und vorgegaukelt? Solche Geschichten kenne ich auch. Ich lese sei beim Friseur – oder in einem Wartezimmer. Auf Hochglanzpapier werden Menschen und Ereignisse hochgepäppelt und in Illusionen verwandelt. Aber gerade das passiert im Evangelium nicht. Ich soll doch auf die himmlische Stimme hören. Die sagt, was hier zu sehen ist: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.“
Es ist in dieser Geschichte wie ein Lichtkegel, wie ein Spot, der die Augen lenkt – und bei den Ohren hängenbleibt. Dass wir Jesus hier schon als Auferstandenen zu sehen – und zu hören – bekommen, wird ganz am Schluss angedeutet. Als die Jünger mit Jesus wieder den Berg hinuntersteigen. Allein, ohne Glanz und Gloria. Der Weg, den Jesus geht, führt ihn in nach Jerusalem. Dort wird er leiden, dort wird er verurteilt, dort wird er gekreuzigt – und dort wird er auferstehen. Langsam ahne ich, dass diese Geschichte ganz anders glänzt als ich es mir denken kann. Meisterhaft führt mich Matthäus auf den hohen Berg, um ihn mit mir wieder hinunterzusteigen. Ich sehe die erstarrten und verängstigen Jünger – und ich sehe Jesus, wie er sie anrührt, aufrichtet und tröstet. Kommt, wir gehen. Jetzt bin ich wie verwandelt. Licht fällt auf mein Leben. Eine glänzende Geschichte. Für einen einfachen Menschen wie mich. Steh auf, hab keine Angst.
Auf einem hohen Berg
Wenn es aus der Wolke hieß: „den sollt ihr hören“ – dann hören wir ihn jetzt. Habt keine Angst! Die Jünger werden seinen Weg mitgehen. Sie werden sich dabei kennenlernen. Als Versager – und als Aufgerichtete, als Ängstliche - und als Geliebte. Als Jünger ihres Meisters. Ich fiebere mit, wenn ich ihre Geschichten höre. Ich kenne das doch auch ... müde, resigniert, furchtsam.
Die Wolke könnte ich ja noch sehen, malen, beschreiben, besingen – die Stimme aber trifft mein Herz, meine Gedanken, meine Sehnsucht. Ich höre viel, an jedem Tag. Die Geräuschkulisse begleitet mich vom Morgen bis zum Abend. Selbst in der Einsamkeit taucht sie aus Erinnerungen auf. Was tut mir gut zu hören? Was nicht? Hin und hergerissen bin ich nicht nur zwischen Stimmen und Stimmungen, hin und hergerissen bin ich von den vielen Ansprüchen und Erwartungen, die laut auf mich einstürmen. Selbst wenn sie nur flüstern.
Wenn wir Jesu Stimme hören, werden wir glücklich. Wir hören den, der schon bei seinem ersten Wort, seinem ersten Satz, sagte: Es werde Licht. Und wir stimmen in den Refrain ein: Siehe, es ist sehr gut. In der Genesis, ganz am Anfang, wird die Schöpfung wie eine Litanei erzählt. Jeden Tag tritt etwas neu in das Leben. Bekrönt und herrlich gemacht durch die Ruhe Gottes. Am siebten Tag.
Ich denke jetzt an eine Vision, die der Prophet Jesaja in Worte fassen konnte (Jes. 2,1-15). Es ist die Vision der Völkerwallfahrt auf den Berg Zion, auf den Berg Gottes.
„Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen:
Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“
Was für ein gewagter Blick: Die Völker strömen herbei – und der Berg Gottes hat Platz für sie alle. Sie kommen. Wenn wir dann neugierig fragen, was sie antreibt, können wir unseren Ohren kaum trauen: sie wollen Gott hören, unseren Gott. Was ist an ihm anders? So anders, dass sämtliche Hoffnungen mit ihm verknüpft werden? Er ordnet die Welt neu. Schwerter werden zu Pflugscharen, Lanzen zu Sicheln. Alles, was gegen andere Menschen gerichtet wird, wird in Werkzeuge verwandelt, die dem Leben dienen. Ein Wunder! Dabei haben auch damals schon die Militärs in Israel ein gewichtiges Wörtlein zu reden gehabt. Die Propagandamaschine läuft wie geschmiert, die Rüstungsindustrie floriert. Es lohnt sich, Aktien zu kaufen. Aktien, die mit dem Tod die Dividenden erwirtschaften. Doch jetzt verschwinden hinter Zahlen keine Menschen mehr! Jetzt wird Tacheles geredet! Und: es wird nichts mehr verklärt, nichts mehr schöngeredet, nichts mehr verbrämt. Die Gewaltlogik ist auf einmal nicht mehr logisch. Menschen fassen sich an den Kopf. Wie konnten wir nur so lange schweigen? Kommt nun, ihr vom Haus Gottes, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Von Abstiegen und Aufstiegen
Heute feiern wir das Fest der Verklärung unseres Herrn. In diesem Jahr ist es „normaler“ Sonntag. Warum am 6. August? Das Datum steht für einen Sieg über die Türken. Im Mittelalter. Zum ewigen Andenken wird die Verklärung Jesu gefeiert – und der im Übrigen bescheidene Sieg religiös verbrämt und überhöht. Wie so oft in der Geschichte wird der Krieg schön gemacht – und zur Projektionsfläche erhoben. Nur selten reden wir darüber. Es ist lange her. Doch die Schatten sehen wir immer noch. Sie holen uns oft ein. Ach, könnten doch auch Unschuldslämmer verklärt werden!
Doch was wir heute feiern, beschert uns ein Gegen-Bild, eine Gegen-Offensive. Jesus wird für uns in Licht verwandelt, damit wir seinem Wort trauen. Er hat das erste, er hat das letzte Wort. So lebendig, so liebevoll, dass Menschen weltweit ihre Hoffnungen auf ihn setzen. Damit das nicht fromm und erbaulich wird, erzählen wir heute auch die Hoffnung – und die Aufgabe, dass Gewaltspiralen an ihr Ende kommen, militärische Stärke entzaubert wird und Menschen aufeinander zugehen.
Schade, dass meine Predigt nicht so glänzen kann wie diese schönen Geschichten. Ich kann nur nacherzählen – und deuten -, was uns heute begegnet. Die Geschichte der Verklärung Jesu, unseres Herrn. Die Geschichte von der Völkerwallfahrt. Träume werden vor unseren Augen entfaltet. Ich bin dabei. Ich will nicht länger am Rand stehen. Was ich sehe, ist mehr als ein Traum. Ich weiß, womit ich anfangen kann!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.