Himmelfahrt
Hat Himmelfahrt etwas mit Schlangen zu tun? Mit Giftschlangen? Ein toller Schachzug von Markus! Während in meinen Gedanken die Frage geistert, wie ich mir eine Himmelfahrt vorstellen kann, lenkt der Evangelist meinen Blick auf die Erde. Zugegeben: sehr mutig. Muss ich denn gleich an Schlangen denken?
Es ist eine sehr anrührende und eigentlich unspektakuläre Geschichte, die Geschichte von der Himmelfahrt Jesu. Was mich am meisten interessiert, wird in einem Satz abgetan: "Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes." Markus erzählt nichts von einer Wolke, nichts von Engeln, nichts von in den Himmel starrenden Jüngern. Kein Wort, kein Bild zuviel. Aber es sind wunderschöne Formulierungen: in den Himmel aufgenommen, zur Rechten Gottes, da ist Jesus jetzt. Das darf ich wissen. Das kann ich bestaunen. Damit weiß ich aber noch nicht, wo der Himmel ist. Oben? Wo oben? Über Aachen? Wien? Paris?
Markus, immerhin der erste Evangelist, hat das passende Wort schon am Anfang entdeckt. "Nachdem". Nachdem Jesus, der Herr, geredet hat - geht der Himmel auf. Was wir Himmelfahrt nennen, was wir heute feiern, wächst aus dem heraus, was Jesus sagt. Seine Predigt führt unmittelbar, ohne Umwege, direkt in den Himmel. Zur Rechten Gottes.
Und dann sehen wir wieder die Schlangen, die Giftschlangen. Die passen nicht ins Bild, die verhunzen die ganze Geschichte, sagen Sie? Ein bisschen Spannung darf sein. Sie werden sogar noch Freude daran haben! Manche Überraschung entpuppt sich tatsächlich als große Entdeckung, die am Ende keiner missen will
Österliche Züge
Die österlichen Züge an Himmelfahrt fallen auf. Jesus ist von den Toten auferstanden. Jetzt kommt er wieder zu den Jüngern. Viel los ist mit ihnen nicht. Sie haben alle versagt. Judas hat Jesus verraten, Petrus ihn verleugnet, und alle haben ihn einfach verlassen. Abgehauen sind sie, als Jesus gekreuzigt wurde. Judas hat sich sogar aufgehenkt. Nur Johannes hat Maria in den Arm genommen. In ihrer Menschlichkeit, sagen wir einmal, sind uns diese Elf doch sehr nahe.
Jetzt aber sollen sie, gerade sie, in die ganze Welt gehen und das Evangelium allen Geschöpfen verkünden. Allen Geschöpfen! Das Evangelium zu verkünden heißt, Gottes Nähe und Liebe zu verkünden, seine Herrschaft, seine Gegenwart. Ja, die Auferstehung. Das Leben! Eine neue Zeit ist anzusagen - und die ganze Welt wartet darauf, sehnt sich danach, sucht danach. Viele Menschen wünschen sich nichts so sehr, wie noch einmal neu anfangen zu können, aus Schuldgeschichten und -verstrickungen herauszukommen, für sich und ihre Familien eine Zukunft zu haben. Selbst die Natur, die Welt der Geschöpfe, klagt und seufzt. Die Natur wird ausgenutzt und ausgebeutet, Pflanzen und Tieren der Lebensraum genommen, die Meere vermüllt. Die Erde muss das Blut unschuldiger Menschen saufen und Leichen verbergen. Es wird Hass gesät und in Waffen verwandelt.
Markus kennt den Zweifel nicht. Es werden viele Menschen zum Glauben kommen! Schön ist, dass der Glaube nicht in Sätze verpackt ist. Man spürt die große Offenheit, das große Vertrauen, die große Leidenschaft. Die Welt bleibt nicht, wie sie ist. Ihr wird der Himmel geöffnet. Immer, wenn das Evangelium verkündet wird, soll der Himmel aufgehen. In seiner Weite, in seiner Schönheit. Dass Menschen ihn verschließen, haben wir heute laut zu sagen. Mit einer himmlischen Offenheit. Die österlichen Züge an Himmelfahrt fallen auf und machen uns mutig.
Himmelfahrtspredigt Jesu
In seinem letzten Gespräch mit seinen Jüngern spricht Jesus von den Zeichen des Evangeliums:
Dämonen, böse Geister, werden ausgetrieben,
und Menschen verstehen sich, wenn sie miteinander reden.
Alles, was giftig ist, tötet nicht mehr,
selbst die Schlangen lassen sich berühren.
Und wenn die Hände aufgelegt werden,
werden Kranke gesund.
Nicht nur den Jüngern werden solche Zeichen anvertraut. Allen, die glauben, wird dieses Wunder zuteil. Das Wunder, böse Geister zu vertreiben, allem Giftigen ein Gegengift zu verpassen und Krankheit, Unheil zu heilen. Es sind die Zeichen Gottes. Markus erzählt, dass wir nicht länger im Bann von Dämonen verharren, das Gift nicht fürchten. Mit unseren Händen helfen, heilen und gestalten wir. Legen wir doch einmal unsere Hände offen vor uns hin! Sie haben Linien. Man sieht ihnen die alltägliche Arbeit an. Aber sie sind so geschmeidig, zart und zupackend. Wir schreiben mit ihr einen Liebesbrief, wir schälen Kartoffeln, wir streicheln mit ihr einen Kinderschopf und das Gesicht eines lieben Menschen. Wir steuern ein Auto, pflegen einen kranken Menschen und stimmen ab. Zur Faust geballt, kann die Hand nichts mehr in die Hand nehmen. Dann wird sie zum Zeichen eines verschlossenen, verhärteten Herzens. Dann könnte sie nur zuschlagen.
Das ist, sagen wir, die Himmelfahrtspredigt Jesu. Er legt uns den offenen Himmel, den Raum Gottes, in die Hand und kann dann in den Himmel aufgenommen werden. Zur Rechten Gottes. Dort ist er, um uns zu vertreten. Ein schönes Bild. Markus malt es nicht aus. Nur sparsam setzt er die Worte ein. Ich wünsche mir zwar mehr, muss aber zugeben, dass es ein Glücksgefühl ist: ich darf mein Leben lang der Himmelfahrt Jesu meine Worte, meine Bilder, meine Träume leihen. Und Markus begnügt sich mit einem Satz! Was auf gut deutsch auch heißt: nehmt daran Maß! Jesus wurde in den Himmel aufgenommen und hat sich zur Rechten Gottes gesetzt. Ich könnte in den Himmel schauen, aber ich schaue in meine Hand.
Augen des Herzens
Im Brief an die Gemeinde zu Ephesus - wir haben den Abschnitt vorhin gehört - lesen wir: Gott hat seine Kraft und Stärke an Christus erwiesen. Er hat ihn von den Toten auferweckt. Er hat ihn zu seiner Rechten erhoben. Er hat ihn über alle Mächte und Gewalten gesetzt. Die Musik spielt im Himmel! Aber dann heißt es, unerwartet: Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt. Wir sind sein Leib! Untrennbar mit ihm verbunden. Er schaut für uns und geht mit uns, er spürt unsere Schmerzen, unsere Müdigkeit, unsere Unlust. Er ist ja das Haupt. Schon eine besondere Vorstellung: dann sind wir auch seine Füße, seine Hände.
Wir bitten:
Herr, erleuchte die Augen unserer Herzen,
damit wir verstehen,
zu welcher Hoffnung wir durch Jesus berufen sind,
welchen Reichtum wir erben,
welche Herrlichkeit uns zuteil wird.
Ach ja, die Schlangen. Viele von ihnen haben zwei Beine, eine geschliffene Sprache und Giftzähne. Wir fürchten sie nicht mehr. Ihr wisst schon: alles, was Angst macht, hat keine Macht mehr. Unser Kopf ist im Himmel. Unser Kopf, Christus. Mit ihm sind wir - aufgehoben. Himmelfahrt hat ganz viel mit Schlangen zu tun.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne,
in Christus Jesus,
unsere Herrlichkeit.