„Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn“
„Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.“ Diesen Satz des englischen Schriftsteller Julian Barnes hat mich berührt und aufhorchen lassen. Da glaubt jemand nicht an Gott, nennt sich selber einen Atheisten. Damit könnte es gut sein. Was muss er sich weiter mit Gott beschäftigen? Aber er tut es augenscheinlich, denn wie anders kann ich die Aussage, „aber ich vermisse ihn“ verstehen? Da muss jemand ein positives Gefühl, eine Ahnung davon haben, dass Gott jemand sein könnte, der ihm gut tun würde. Wäre es anders, würde er ihn kaum vermissen.
Die ZEIT-Kommentatorin Evelyn Finger trifft dazu in einem Kommentar für mich einen nachdenkenswerten Schluss. Das Glaubensproblem unserer Zeit und die Ambivalenz vieler Nichtgläubiger ist, dass die wenigsten echte Religionsfeinde sind, sondern durchaus selbstbewusst ohne Gott und ohne Kirche leben, und so ihren Alltag gestalten aber dennoch zur christlichen Tradition, zum Christentum ein fast sentimentales Verhältnis pflegen. An bestimmten Stellen ihres Lebens suchen sie durchaus den Kontakt, oder nehmen Bräuche und Traditionen auf, weil sie helfen bestimmte Situation zu deuten oder zu feiern, die kirchliche Trauung, die Taufe, oder auch das kirchliche Begräbnis sind solche Situationen. Sie tun irgendwie gut oder wecken angenehme Erinnerungen, wie z.B. das Weihnachtsfest.
Warum, so stellt Evelyn Finger berechtigt die Frage, gelingt es der Kirche, uns Hauptamtlichen in der Kirche aber auch uns als Christen so wenig, dieses Gefühl vieler Menschen aufzugreifen und Ihnen zu antworten, ihnen zu zeigen, Gott ist da und der Glaube macht das Leben reicher, er ist für uns und für unser Leben relevant, das Leben erfährt durch den Glauben an Gott und die Beziehung zu Gott Sinn und kann sinnstiftend gelebt werden?
Die Zeiten haben sich sicherlich geändert! Zu meiner Kinderzeit musste in unserer Nachbarschaft noch jemand erklären, warum er nicht zu Kirche ging. Heute muss jemand in der gleichen Nachbarschaft erklären warum er noch zur Kirche geht.
Schafe unter Wölfen
Jesus bereitet seine Jüngerinnen und Jünger darauf vor, dass es nicht immer einfach ist das Evangelium weiterzusagen, zu wenn er von ihnen als Schafen spricht, die unter Wölfe geschickt werden. Aber er macht auch Mut und gibt ihnen etwas mit, das es ihnen möglich macht eine Verkündigung mit Hand und Fuß zu gestalten.
Friede diesem Haus ist der erste Gruß, den sie aussprechen sollen. Und dort wo dieser Friede auf guten Boden fällt, dort wird er sich auswirken. Ein Kern christlicher Botschaft. Aber der Friede kann auch nicht angenommen werden, denn dort wo er auf unfruchtbaren Boden fällt kehrt er zurück. Es heißt, es gibt keinen billigen oberflächlichen Frieden, sondern dieser Friede muss von allen getragen werden. Auch christliche Verkündigung darf nicht um des lieben Friedens willen dem berechtigten Konflikt und der notwendigen Auseinandersetzung aus dem Wege gehen. So gesehen finde ich es richtig, dass die AfD nicht zum Katholikentag eingeladen wurde, ist doch immer wieder zu spüren dass der Friede und Achtung vor dem Menschen für sie kein Wert ist. In diesem Sinne darf und muss eine Bundesregierung die Türkei und ihren Präsidenten kritisieren, der immer wieder die Menschenrechte missachtet.
Menschen statt Weihrauch
Weiterhin geht es in der christlichen Verkündigung darum, Kranke zu heilen, für Menschen da zu sein. Die Diakonie, die Caritas ist der Kern christlicher Verkündigung und mündet darin, dass das Reich Gottes für die Menschen nahe ist. Es tut gut, wenn Rupert Neudeck fordert weniger Weihrauch in den Kirchen, dafür mehr den Menschen in die Mitte stellen.
Hier dürfen wir als Christinnen und Christen selbstbewusst auftreten und unseres Glaubens freuen, weil er dazu beiträgt die Welt göttlicher und menschlicher zu gestalten. Die Freiheits- und Aufklärungsgeschichte Europas kann ohne das Christentum nicht gedacht werden. Modernität, Pluralität und Demokratie sind christliche Werte, auch wenn die Kirchen dafür hart auch an sich selber arbeiten mussten.
Ohne Gott und ohne Glauben wäre unsere Welt ärmer, weil wir weniger Verantwortung füreinander übernehmen würden. Ich glaube an Gott und damit kann ich gut leben.