Alt und Jung
Während die übrigen Evangelien den Täufer unvermittelt in ihren Texten erwähnen und gleichsam abrupt in die Handlung einführen, also keine Vor- und Berufungsgeschichte von ihm kennen, weiß das Lukasevangelium sogar von den wunderbaren Umständen seiner Geburt.
Johannes der Täufer war der Sohn des jüdischen Priesters Zacharias und seiner Frau Elisabeth, einer Verwandten von Maria. Rund ein halbes Jahr vor der Geburt Jesu kam Johannes zur Welt. Zuvor war der Erzengel Gabriel Zacharias im Tempel erschienen und hat ihm die baldige Schwangerschaft seiner hoch betagten Frau angekündigt. Zacharias konnte das nicht glauben, und verlangte von Gabriel ein Zeichen als Beweis für seine Verheißung. Daraufhin verlor Zacharias seine Stimme und Gabriel kündigte ihm an, dass er erst wieder sprechen könne, wenn das Kind geboren sei. Und so geschah es auch.
In der Forschung hat man vermutet, diese Geschichte gehe auf eine Tradition des Täuferkreises zurück, wo man sie ohne jeden Blick auf die Geschichte Jesu gestaltete und erzählte. Erst durch die Eingliederung von Teilen der so genannten Täuferbewegung in das Christentum könnte diese Überlieferung mit der Geschichte von der wunderhaften Empfängnis und Geburt Jesu verknüpft und auf diese hin geordnet worden sein. So konnte man auch eine Begegnung zwischen den beiden noch schwangeren Frauen Elisabeth und Maria erzählen, bei der das Kind Johannes angesichts der Nähe Jesu im Mutterleib "gehüpft" sein soll - ein Zeichen der Verbundenheit zwischen Johannes und Jesus.
Johannes und Jesus
Als Johannes knapp 30 Jahre alt war, zog er in die Wüste, nach Jerusalem und an den Jordan und verkündete als Vorbote Jesu dessen Kommen als Erlöser, als Messias. Die Menschen zogen von Jerusalem hinab an den Jordan und strömten in Scharen zu Johannes. Dies muss man sich erst einmal vergegenwärtigen, liegt doch Jerusalem auf etwa 1.000 Meter Seehöhe und die Jordansenke rund 300 Meter unter dem Meeresspiegel. Mit guter Konstitution braucht man in dieser fast schattenlosen Gegend mindestens drei Stunden von Jerusalem in das Jordantal hinab und muss dann wieder zu Fuß zurück gehen. Diese Strapazen, die die Menschen damals auf sich genommen haben, um die Worte Johannes zu hören, sind wohl ein sprechender Beweis seiner Faszination. Jesus sagte einmal über ihn: "Unter den von der Frau Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer."
Dass Jesus von Johannes getauft wurde, kann historisch als sicher gelten. Vielleicht wurde er sogar von ihm beeinflusst. Denn auch Jesus lebte in einer eschatologischen Naherwartung.
Doch zurück zum Anfang der Geschichte. Auch Maria hat einige Tage zuvor von einem Engel erfahren, dass sie einem Buben das Leben schenken wird, den sie dann Jesus nennen soll. Und sie konnte davon ausgehen, dass Gott noch so einiges vorhat mit diesem Gottes- und Menschenkind. Als sie aber vom Engel erfährt, dass auch Elisabeth schwanger ist, da geht sie zu ihrer um viele Jahre älteren Verwandten und besucht diese. Die Geschichte von der Begegnung der beiden Frauen wird so bei Lukas zu einer Geschichte gegen alle Hoffnungslosigkeit - denn hätte es aus menschlicher Sicht für Elisabeth noch Sinn gehabt, auf einen Sohn zu hoffen, wohl eher nicht.
Freude und Hoffnung
Als die beiden Frauen einander begegnen, da ist dann ihr Glück so übergroß, dass es sich sogar auf ihre noch ungeborenen Kinder überträgt. Man spürt diese Freude direkt aus diesen Texten heraus. In einem Text des indischen Religionsphilosophen Rabindranath Tagore heißt es denn auch, "Jedes Kind bringt die Botschaft mit auf die Welt, dass Gott sich von den Menschen noch nicht hat entmutigen lassen." Ganz besonders gilt dies für die beiden Kinder des heutigen Evangeliums.
Maria ist ein, ja aus heutiger Sicht würde man vielleicht sagen, unscheinbares Mädchen aus einer genauso unscheinbaren kleinen Stadt, und Elisabeth ist zwar die Frau eines Priesters, aber hoch betagt. Wahrscheinlich hätte es niemand geahnt oder für möglich gehalten, dass sich durch diese beiden Frauen die Geschichte verändern und erfüllen kann. Und genau diese beiden unscheinbaren Frauen sind es, auf die Gott schaut und auf die er in seinem Heilsplan mit uns Menschen nicht verzichten möchte, wenn es darum geht, die Welt zum Besseren zu verändern.
Es ist kein Zufall, dass Gott gerade mit denen, die sich als niedrig erachten (Lukas 1, 48) Großes vorhat. Die am Boden liegen dürfen neue Hoffnungen schöpfen und werden aufgerichtet. Sie dürfen sicher sein, "Bei Gott ist kein Ding unmöglich" (Lukas 1, 37).
Mit Weihnachten wird also ein neues Kapitel der Geschichte aufgeschlagen, in dem Gott seine Geschichte gemeinsam mit uns schreiben und uns erlösen möchte. Doch im Moment haben wir noch Advent und wir dürfen uns mit zwei sympathischen Frauen - den Hoffnungsträgerinnen Maria und Elisabeth - auf das künftige Weihnachtsgeschehen freuen. Der Besuch Marias bei Elisabeth verströmt förmlich die Hoffnung, die in den Versen des heutigen Evangeliums greifbar und spürbar wird. Lassen uns doch auch wir von dieser Vorfreude auf Weihnachten, auf die Geburt des Herrn anstecken.