Jesus gibt reichlich
Beim ersten Hinhören des Berichts von der wunderbaren Brotvermehrung wird uns zunächst einmal Staunen erfassen über Größe und Ausmaß des Wunders. Fünftausend werden satt und Körbe voll mit Brot bleiben noch übrig. Dabei wird das Wunder gar nicht weiter beschrieben. Es geschieht in Stille und mehr unter der Hand. Dies soll uns offenbar dazu anregen, nicht in erster Linie bei der Betrachtung des Wunders stehen zu bleiben. Der Evangelist möchte, dass wir unser Augenmerk auf Jesus richten.
Dieser will an einem abgelegenen Ort eine Auszeit für sich nehmen, um in Stille mit Gott und sich allein zu sein. Sein Plan wird durchkreuzt. Eine große Schar von Menschen erwartet ihn bereits bei seiner Ankunft. Sie haben viele Kranke mitgebracht. Jesus bringt es nicht übers Herz, an ihnen vorüber zu gehen. Er sieht ihre Leiden, ihre Not. Da drängt es ihn, sie zu heilen.
Gegen Abend ergibt sich eine neue Notsituation. Die Leute haben offensichtlich vergessen, sich bei ihrem Aufbruch mit genügend Lebensmittel für den Tag zu versorgen. Die Mägen fangen an zu knurren. Sicher wäre keiner Hungers gestorben, wenn das Brotwunder nicht stattgefunden hätte. Obwohl also diese Not im Vergleich zur Not der Kranken eine viel geringere ist, lässt sich Jesus bewegen, einzugreifen. An diesem Punkt gilt es innezuhalten und mehreres zu bedenken.
"Gebt ihr ihnen zu essen!"
Als Erstes können wir schon einmal festhalten, dass uns Matthäus in Erinnerung rufen will: Nicht nur in großer Not und bitterem Leid macht es Sinn, sich an Gott zu wenden. Wir dürfen auch mit kleineren Sorgen zu ihm kommen und auf seine Hilfe hoffen.
Aufmerksamkeit verdient sodann das Verhalten Jesu gegenüber den Jüngern. Bevor sich das Wunder anbahnt, treten diese zunächst als Bittsteller für die Hungrigen auf. Bitten war für sie etwas, das sie gewohnt waren: als Kinder eingeübt, später als Erwachsene mindestens in ihren Gebeten zu Gott weiter ausgeübt. Sie erbitten nicht das Wunder, aber Jesus soll es in die Hand nehmen, die Notsituation zu bereinigen. Und dann kommt, womit die Jünger im Traum nicht gerechnet hätten. Jesus legt die Beseitigung der Not in ihre, der Jünger Hände: "Gebt ihr ihnen zu essen!" Kranke heilen, das konnten die Jünger nicht; aber Brot mit anderen teilen, lag in ihrer Macht.
Nun weiß auch Jesus, dass fünf geteilte Brote und zwei Fische für die erwähnte Menschenschar nicht ausreichen. Mit seinem Wunder stillt er nicht nur den Hunger der Menschen, sondern lässt uns auch erkennen: Wo rein menschliche Hilfe nicht ausreicht, hat Gott noch viele Möglichkeiten, das Seine hinzu zu fügen. Aber selbst dann möchte Jesus, dass wir mitwirken. Das Wunder der Brotvermehrung wird zwar durch Jesus gewirkt, aber das Austeilen des Brotes legt er in die Hände der Jünger. Mit Gott oder Jesus zusammen Not beseitigen, so sollen wir erkennen, ist Aufgabe der Christen. Dies könnte für die Jünger eine ganz neue Erfahrung gewesen sein. Bittende zu sein, das war ihnen geläufig. Aber von Jesus ins Mitwirken und in Dienst genommen zu werden, mussten sie wohl erst verinnerlichen, um eine selbstverständliche Praxis daraus zu entwickeln
"sprach den Lobpreis, brach die Brote..."
Zu beachten wäre sicher auch: Das Gebet Jesu über die fünf Brote und die zwei Fische ist fast gleich lautend mit den Segensworten Jesu über Brot und Wein beim Abendmahl: Er blickte auf zum Himmel, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie ihnen. Man darf vermuten, dass Matthäus bei der Abfassung des Wunderberichts bewusst diese Worte gewählt hat. Die Gläubigen konnten sich auf diese Weise beim Hören dieser Worte daran erinnern, dass es neben dem täglichen Brot eine Speise gibt, die stärkt und Kraft verleiht.
Sich immer wieder zu Jesus aufmachen, bei ihm verweilen, seine Gnade und seinen Segen als Speise empfangen, um so gestärkt in den Alltag zurück zu kehren, heißt: uns im übertragenen Sinn das damalige Wunder der Brotvermehrung in unserer Gegenwart neu schenken lassen.
"zwölf Körbe voll"
Am Ende des Wunderberichts wird erwähnt, dass noch zwölf, mit Brot gefüllte Körbe übrig blieben. Bei der Zahl Zwölf werden sich viele daran erinnert haben, dass das Gottesvolk aus zwölf Stämmen bestand. Es ist wohl nicht aus der Luft gegriffen, wenn wir die Erwähnung als Hinweis deuten: Jesus will nicht nur die Menschen um sich herum sättigen, sondern das ganze Volk, ja alle Menschen, deren Heiland und Erlöser er ist.
Wir wissen nicht, welche Gedanken sich die Jünger nach dem Erleben der wunderbaren Brotvermehrung gemacht haben, wie tief sie die Zeichen und Symbole Jesu verstanden und für sich ausgewertet haben. Für unser Leben im Alltag sollten wir jedoch festhalten.
An Gott darf man sich wenden mit bitterem Leid und ebenso mit kleinen Nöten. Er wird in beiden Situationen nicht ungerührt an uns vorübergehen.
Andererseits wird Jesus an uns, die Bittenden, herantreten mit der Aufforderung wie damals an die Jünger: Gebt ihr ihnen! Nicht alle Nöte der Menschen bedürfen zu ihrer Beseitigung gleich eines Wunders. In vielen Situationen könnten wir Abhilfe schaffen, wenn wir uns als Mitarbeiter und Mitbeteiligte am Werk Jesu und Gottes verstehen. Vielleicht haben wir nur wenig Mittel, die wir an andere austeilen können. In diese Richtung bleibt uns dann nur ein kleiner Spielraum.
Unerschöpfliche Geistesgaben
Aber wie sieht es z.B. aus mit unserer Liebe, mit Wohlwollen, unserem Mitgefühl, der Hilfsbereitschaft - Gaben, die in einen jeden von uns hineingelegt sind. Wie über das Brot und die Fische damals so spricht Jesus über unsere inneren Gaben, die wir mitbringen, seinen Segen. Halten wir ihm unsere Gaben hin und lassen wir uns senden, von ihnen auszuteilen an alle, die wir erreichen können und denen wir begegnen. Sie ahnen sicher schon, was geschehen wird. Der Umfang, die Menge an Liebe, Güte, Wohlwollen, Mitgefühl in uns wird um keinen Deut geringer, wie viel wir auch immer austeilen. Eher wachsen diese Gaben durch großzügiges Schenken noch in uns. Vielleicht nehmen wir dies als Wunder zu wenig wahr, weil es sich in Stille, ohne Aufsehen vollzieht wie das Brotwunder damals.
Werden wir uns der zum Teil vielfältigen Gaben, die in uns liegen, bewusst. Klinken wir uns ein ins Austeilen. Erleben wir das Wunder, dass unsere Herzensgaben beim Austeilen nicht weniger werden. Lassen wir uns dingen und genießen wir, dass wir Mitwirkende am Heil und Glück vieler Menschen sein dürfen.