Sehnsucht nach einer neuen Welt
Wir stehen im Advent. Diese heilige Zeit lässt uns schwanger gehen mit einer neuen Welt, die von Gott kommt. Das heutige Fest der "Unbefleckten Empfängnis" besagt, dass die heilige Mutter Anna Maria in ihrem Schoß empfangen hat. Damit beginnt der Aufbau eines neuen Menschengeschlechts, das aus Gott geboren ist. Fürwahr, ein Wendepunkt der Geschichte, der Beginn einer Neuschöpfung. Der Kreislauf des Bösen wird durchbrochen. Der Psalmist betet vor Freude: "Wie köstlich ist deine Gnade Gott! Menschenkinder bergen sich unter den Schatten deiner Flügel" (Ps 36,8).
Zur Geschichte dieses Festes
In der Heiligen Schrift finden wir keinen ausdrücklichen Hinweis auf das heutige Fest. Nur aus dem Gruß des Engels, dass Maria voll der Gnade ist, lässt den Schluss zu, dass Maria ohne Sünde ist, die ganz Reine, die Ersterlöste einer neuen Schöpfung.
Aus dem "Protoevangelium des Jakobus", eine Schrift aus dem 2. Jahrhundert, erfahren wir, dass die Eltern von Maria Joachim und Anna hießen. In dieser Schrift wird uns auch überliefert, dass die Eltern von Maria bis ins Alter kinderlos blieben. Anna flehte zum Herrn wie Hanna, die Mutter Samuels, um ein Kind. Ihr Wunsch wurde erhört und Gott schenkte diesen Eltern ein besonderes Kind, Maria, die spätere Gottesmutter.
Das Fest der "Unbefleckten Empfängnis" wurde durch Jahrhunderte gefeiert, aber den Höhepunkt erlebte dieses Fest in der Westkirche erst im 19. Jahrhundert. Papst Pius IX. verkündete 1854 feierlich: Maria ist "vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an durch ein einzigartiges Gnadenprivileg im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi von jeglichem Makel der Ursünde bewahrt". Das Antlitz Mariens ist nie durch eine Sünde entweiht worden.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Erscheinungen Mariens in Lourdes 1858 diese Glaubensverkündigung bestätigten. Denn Maria bezeichnete dort sich selbst als die "Unbefleckte Empfängnis". Die heilige Katharina von Laboure, deren Leib unverwest in der Kirche der Barmherzigen Schwestern in Paris ruht, erhielt den Auftrag, Medaillen mit dem Bild der "Unbefleckten Empfängnis" zu prägen.
Das heutige Fest ist für die ganze Menschheit ein Hochfest. Mit der unbefleckten Empfängnis Mariens begann die Heimholung des Menschen durch Gott.
Marias schwerer Weg
Man könnte meinen, dass es die Gottesmutter im Leben leicht gehabt habe. Sie lebte ja ständig mit ihrem Kind in der Gegenwart Gottes. Doch Maria blieb auch vom Leid nicht verschont. Sie kannte fast alle Sorgen, die eine Frau erleben kann. Sie wurde schwanger ohne Ehemann, sie war mit ihrer Familie auf der Flucht. Dann musste sie erleben, dass ihr Sohn sich anders entwickelte, als sie es gerne gehabt hätte. Zuletzt wurde ihr Sohn hingerichtet. Bei der Kreuzigung Jesu durchdrang gleichsam ein Schwert das Herz Mariens. Für eine Mutter ist es das größte Opfer, wenn sie von ihrem Liebsten Abschied nehmen muss. So wurde aus der hochbegnadeten Frau eine Pieta. Ich vermute, dass sich Maria ihr Leben anders vorgestellt hatte. Aber sie willigte in die Pläne Gottes ein. Auch wenn sie nicht wusste, warum alles so kommen musste. Sie hatte ein großes Vertrauen zu Gott. Maria hat in ihrem Ja zu Gottes Plan ihr Ego geopfert. Immer mehr übte sie sich in den Satz ein: "Mir geschehe nach deinem Wort".
Maria als Mutter eines neuen Menschengeschlechts
Willigis Jäger schreibt in seinem Buch "Suche nach dem Sinn des Lebens" (Verlag Via nova, 1999, S.191) "Maria stellt sich uns dar als reine Empfänglichkeit. Sie kann Gott empfangen und gebären. In ihr kann sich die Gottesgeburt vollziehen. Darin liegt auch ihre und unsere Miterlöserschaft, nicht im Tun, sondern im Empfangen und Gebären, im Gebären der Werke Gottes, wie Eckehart sagt."
Das heutige Fest ist hochaktuell. Es geht in unserer Zeit um die Selbstverwirklichung, nicht um die Erfüllung des Willens Gottes. Nicht das Wort Gottes, sondern die eigenen Pläne stehen im Vordergrund. Dem Menschen von heute geht es nicht um die Hingabe an Gott, sondern um die Selbstherrlichkeit. Das führt zur Selbsterlösung, zu einer Katastrophe, zu einem Burn-out (Vgl. Raphael Bonelli, "Perfektionismus", Pattloch Verlag 2014).
Es kann aber auch anders werden. Maria strebte nicht nach Selbstverwirklichung, sondern nach Selbsthingabe. Daher konnte Gott Maria als Werkzeug, als Miterlöserin gebrauchen. Weil Gott auf die Niedrigkeit seiner Magd schaute, hat er sie erhöht. So wurde Maria die neue Eva, die Mutter eines neuen Menschengeschlechts, die Frau aller Völker. Sie ist der neue Mensch, voll der Gnade, durchsichtig auf Gott. Als Immaculata ist sie ohne Runzel, die schönste Frau der Welt, Urbild der Kirche.
Gott hat Maria, dich und mich zum Heil anderer geschaffen. Mit ihr setzt Gott einen neuen Anfang. Ein neues Menschengeschlecht soll nach dem Willen Gottes die Erde bevölkern. Dann wird wieder Friede sein.
Norbert Riebartsch (2007)
Gabi Ceric (1998)