Wem gehört die Welt?
»Wem gehört die Welt?« beginnen sich immer mehr Menschen zu fragen. Früher schien das selbstverständlich zu sein. Die Herrscher verstanden sich eingesetzt von Gottes Gnade und ließen daran nach ihrem Gutdünken andere teilhaben, indem sie Ländereien als Lehen – sozusagen als Leihgabe – weiter gaben. Die Krönung des Kaisers durch den Papst unterstrich das noch und ließ keine Zweifel aufkommen, dass es auch anders sein könnte.
Auch Demokratien, in denen die Macht vom Volk ausging, verstanden sich häufig in einem religiösen Kontext, der oft auch in der Verfassung verankert war. Immer öfter wird der religiöse Bezug aus Verfassungstexten entfernt, weil es in pluralen Gesellschaften kaum mehr möglich ist, diesbezüglich einen Konsens herzustellen, ganz zu schweigen von Staaten, die sich atheistisch verstehen.
Um sich nicht plötzlich in einem rechtsfreien Raum vorzufinden, haben sich die meisten Organisationen einen rechtlichen Rahmen gegeben, der ihnen ermöglich, ihre Besitzansprüche zu begründen und wahrzunehmen.
Es bleibt aber die Frage: »Wem gehört die Welt?« Gibt es nicht Gemeingüter, die niemand für sich allein beanspruchen kann? Die Ressourcen der Natur, die Atmosphäre, die »Gemeingüter des Geistes«, die kreativen Hervorbringungen vergangener Generationen, wem gehören sie? Gehören sie allen? Wer darf sie wie nutzen? Dürfen Besitzende mit ihrem Besitz tun, was sie wollen? Wer kann ihnen mit welchem Recht Grenzen setzen?
"Er kam in sein Eigentum..."
Im Weihnachtsevangelium des Johannes, dem großen Prolog zum vierten Evangelium, haben wir heute gelesen: "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf." Und: "Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht."
Der Evangelist stellt eine Verbindung her zwischen dem Schöpfer, der am Anfang aller Zeit alles, was da ist, hervor gebracht hat, und dem Auftreten des Messias mitten in der Weltgeschichte. Für ihn ist klar, wem die Welt gehört: Dem, der sie geschaffen hat. Aber damit tritt der Messias in Konkurrenz mit allen, die sich als rechtmäßige Besitzer dieser Welt fühlen. Damit wäre auch das Misstrauen all jener erklärt, die dem Messias mit Argwohn gegenüberstehen wie der biblische König Herodes; stellvertretend für alle, die mit allen Mitteln ihre Macht- und Besitzansprüche verteidigen.
Aber Gott sei Dank geht es der Lichtgestalt des Johannes nicht um den Herrschafts- und Besitzanspruch über diese Welt. Dies würde früher oder später zu einem Gottesstaat führen und ist oft genug in diesem Sinne missverstanden worden. Einen solchen mögen zur Zeit Jesu einige jüdische Gruppierungen vom kommenden Messias erwartet haben. Von der Idee eines Gottesstaates sind wir im Laufe der Geschichte hoffentlich ausreichend geheilt worden. Wohin dies führen kann, zeigt sich immer wieder, wenn eine Religion oder eine Ideologie das letzte Wort für sich beansprucht.
... aber die Seinen nahmen ihn nicht auf"
»Das Wort«, das in Jesus Christus in diese Welt gekommen ist, erhebt einen anderen Anspruch. Es wirkt auf geistige Weise und erweist sich immer neu als wahr. Jesus sucht die Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe und will von diesen aufgenommen werden. Wie er diese Begegnung mit den Bewohnern der Erde gestaltet, davon hören wir in den folgenden Kapiteln des Johannesevangeliums. Jesus wirkt durch seinen Geist. Er ist selbst der Fleisch gewordene Geist Gottes. Er kommt nicht, um die Welt in Besitz zu nehmen, sondern um sie zu verwandeln.
Für uns ist sein Eintritt in diese Welt eine Einladung, ihm zu begegnen und ihn bei uns aufzunehmen. Bei seiner ersten Ankunft wurde er zunächst abgelehnt, hinaus geworfen und vor der Stadt hingerichtet. Wie weit er bei uns Aufnahme findet, muss sich immer neu herausstellen.
"Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden"
Kind Gottes zu sein bedeutet, von der Art Gottes zu sein. Als Kinder Gottes stehen wir in seiner Gnade und haben wir Anteil an seinem Geist. Als Kinder Gottes sind wir dazu berufen, sein Werk fortzusetzen; nicht, indem wir die Welt in Besitz nehmen, sondern indem wir sie aus dem Geist des Messias heraus verwandeln. Kinder Gottes wurden wir zwar durch den sakramentalen Akt der Taufe. Diese Berufung muss aber vom jedem erst persönlich eingeholt werden, indem er oder sie sich der Begegnung mit Jesus Christus öffnet und seinen Geist annimmt. Und das liegt immer neu vor uns.