Mehr als Jenseitshoffnungen
Ich war schon sehr erstaunt als ich las: die Christen hatten ihren Zulauf weniger wegen ihrer Jenseitshoffnungen. Unsterblichkeit und Heilsgewissheit waren nur Teilaspekte des göttlichen Plans. Der christliche Glaube sagte dem Menschen genau, wozu die Einzelnen bestimmt waren. Der Mensch ist zu einem höheren Wesen bestimmt.
Auf dem ersten Blick hat das ein wenig dem widersprochen, was für mich der eigentliche Grund, der Kern des christlichen Glaubens ist. Unser Ziel ist es doch einmal bei Gott leben zu dürfen. Der Tod hat doch durch diesen Glauben seinen Schrecken verloren. Mit diesem Gedanken habe ich schon viele trösten wollen, die an Jesus Christus, den Auferstandenen glauben.
Das Fest Aufnahme Mariens in den Himmel kann uns aber eine Antwort auf die Frage geben, was denn so wichtig ist am christlichen Glauben. Jenseitshoffnungen - das hatten viele andere Religionen auch. Wäre es nur um Unsterblichkeit und Heilsgewissheit gegangen, dann hätte der christliche Glaube wohl nichts Neues mehr gebracht. Was der christliche Glaube den Menschen schenkt, das kann das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel zeigen.
An Maria sehe wir die Berufung des Menschen
Maria war der Mensch, der nach unserem Glauben den Willen Gottes am vollkommensten erfüllt hat. Maria wird nicht einfach verehrt, weil sie die leibliche Mutter war, sondern einzig und allein aus diesem Grund. An Maria zeigt Gott, was er mit dem Menschen vorhat. Der Mensch ist berufen, in liebender Gemeinschaft mit Gott zu leben. Darum hat Gott auf verschiedene Weise die Menschen an sich ziehen wollen. Er hat es getan, indem er in Jesus Mensch wurde. Dazu hat er Maria auserwählt, die Mutter Jesu zu werden. Maria hat Ja gesagt, nicht nur bei der Menschwerdung. Sie ist Jesus bis unter dem Kreuz treu geblieben.
Es geht nicht um eine Vertröstung auf das Jenseits: wenn es dir auf der Erde schlecht geht, dann geht es dir woanders gut. Wir dürfen voller Hoffnung wissen, dass unser Leben mit Gott bereits im Hier und Heute beginnt. Wer wie Maria Ja sagt zum Willen Gottes, wer in diese Beziehung zu Gott hineinwächst, kann schon erfahren, was es heißt, einmal bei Gott zu leben. Das erspart nicht Leid, nicht Traurigkeiten, es schützt nicht vor Krankheiten. Diese Erfahrungen zeigen auch: noch leben wir in einer unerlösten von Krankheit bestimmten Welt. Noch gibt es viele Mächte, die uns vom Glauben abbringen wollen, Mächte, die Gott zum Feind haben. Noch brauchen wir Menschen Gottes heilendes Handeln an uns.
Kräutersegnung
Darin sehe ich einen Sinn der Kräutersegnung. Wir segnen das, was uns Gott für unsere Heilung, für unser Heil geschenkt hat. Wir segnen das, was Menschen die Gesundheit, das Heil schenken soll. Wir segnen die Schönheit der Blumen, mit denen Gott das Herz der Menschen erfreut. Nicht ohne Grund schenken wir Blumen, wenn wir jemanden eine Freude machen wollen, nicht umsonst schenken wir Blumen als Dankeschön. Alles steigert die Freude am Leben. Gott zeigt doch in seinem Handeln, wer er für uns Menschen ist: ein Gott des Lebens. Was Gott tat, das tat Gott aus Liebe zu uns. Er ist ein Gott für uns, ein Gott, der das Leben will, der uns zu einem ewigen Leben erschaffen hat.
Gott hat Großes mit dem Menschen vor
Gott, der uns Menschen zu einem ewigen Leben erschaffen hat, hat auch Großes mit den Menschen vor. Das zeigt sich sehr stark im Magnifikat, dem Jubelruf. Gott handelt an Maria. Und Gott handelt an uns. Wenn Maria jubelnd ruft: "Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter", dann dürfen auch wir das singen. Wir sind als Menschen zuerst da, um Gott die Ehre zu geben.
Gott erweist sich immer wieder auch für uns als Retter. Er rettete die Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens. Jesus wird von den Engeln zuerst als der Retter angekündigt. Gott rettet auch uns aus dem Tod, der uns gefangen nimmt. Gott rettet uns von dem, was uns vom Glauben entfernen will. Wenn Maria betet: "Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut, siehe von nun an preisen mich selig alle Geschlechter", dann sei auch uns bewusst. Gott schaut in Liebe auf uns Menschen. Aus uns selbst heraus sind wir vor Gott klein und unbedeutend.
Weil aber Gott uns als wertvoll ansieht, darum erst haben wir unseren Wert, nicht aus uns, nicht aus unseren Leistungen. Im Buch Genesis lesen wir: "Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich!" Der Beter von Psalm 8 betet: "Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschenkind, dass du dich seiner annimmst. Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott." Vor diesem Gott, der mit viel Liebe an uns gehandelt hat, da sind wir berufen, unsere Knie zu beugen. "Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig." Maria denkt hier an ihre großen Berufung, Mutter Gottes zu sein. Doch auch an uns hat Gott wunderbar gehandelt, in unserem Leben. Wir dürfen Gottes Spuren in unserem Leben entdecken. Jeder Mensch ist ein Werk der Liebe Gottes.
Jeder Mensch ist vor Gott wertvoll
Nein, ich kann und will nicht ausführlich jeden einzelnen Satz kommentieren. Mir aber zeigen diese Gedanken: wenn Gott schon so viel Liebe in die Welt und in den Menschen geschenkt hat, wenn Gott sich mit großer Liebe an die Menschen verschenkt, dann ist die Welt kein Zufall. Gott kann doch dann die Welt und den Menschen nicht dazu geschaffen haben, dass wir im ewigen Tod versinken. Ich vergleiche das mit einem Schreinermeister, der mit Liebe und Mühe einen Schrank zimmert. Niemals würde dieser Mensch seinen Schrank auch nach Jahren zerstören. Etwas Wertvolles versucht man lang zu erhalten. Jeder Mensch ist vor Gott wertvoll. Jedes Leben ist wertvoll. Das ist Grund genug für uns Christen uns für das Leben einzusetzen. Das meint das ungeborene wie auch das geborene Leben.
Wir Christen setzen uns ein für alles, was das Leben fördert und fordert. Eben weil Gott es ist, der Leben, ein erfülltes Leben und die Lebensmöglichkeiten aller Menschen fördert. Da werden "die Hungernden mit seinen Gaben beschenkt." "Die Reichen lässt er leer ausgehen." "Die Mächtigen werden vom Thron gestürzt, die Niedrigen werden erhöht." Wer "im Herzen voll Hochmut" ist, der wird zerstreut. Diese Welt Gottes ist anders als das, was wir erleben. Das ist keine Welt, die das Leben anderer beschneidet, sondern allen Menschen, unabhängig vom Reichtum, sozialer Stellung soll ein erfülltes Leben ermöglicht werden. Das heißt doch auch: wir haben andere Werte. Das sind zum Beispiel Werte, welche die Rechte der schwächeren schützen. Durch unser Leben geben wir doch Zeugnis, dass wir auf ein neues Ziel leben.
Nach dem Willen Gottes leben
Die Welt Gottes fängt schon hier an, jetzt in unserem Leben. Nämlich dort, wo wir nach dem Willen Gottes fragen. Er hat seine Welt nicht so gewollt, dass die Stärkeren, die Reichen siegen, nicht nur die Mächtigen leben können. Wo ich mich einsetze für die Menschen, da fängt auch schon das Leben an. Was ist der Wille Gottes für unser Leben, für mein Leben, für das Leben der Kirche?
Maria hat verbunden mit Gott gelebt. Wir sind dazu bestimmt, dass auch wir uns mit ihm verbinden, seinen Willen suchen. Wir sind wert und wichtig. Auch auf uns schaut Gott. Auch unser Leben möge sich bei Gott vollenden und auch weitergeführt werden.