Himmlischer Glanz fällt auf die Erde
Heute ist es nicht schwer, den roten Faden zu finden – oder die Perlenkette in die Hand zu nehmen! Achten wir einmal auf die Schlusssätze:
Die erste Lesung, aus der Berufungsgeschichte des Propheten Jesaja, gipfelt in der Zusage: Hier bin ich – sende mich! Eine überwältigende Geschichte, die im Himmel beginnt und dann auf der Erde ihre Fortsetzung findet! Unter Menschen, die vom Himmel nur träumen können, die „unreine Lippen“ haben, die mit ihren Worten nicht einmal ihr Leben zu fassen vermögen. Aber uns wird ein Blick in den himmlischen Thronsaal gewährt, wir sehen Gott, wir sehen die Engel - und feiern eine himmlische Liturgie mit: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt!“ Nicht der Himmel wird erfüllt – die Erde wird erfüllt! Von seiner Herrlichkeit.
In diesem Wort ist alles beschlossen, was von Schönheit und Liebe gesagt werden kann. Von Gottes Schönheit und Liebe! Es fällt himmlischer Glanz auf die Erde! Was Jesaja alles zu erwarten und zu bestehen hat, weiß er noch nicht, aber er hat tatsächlich einen neuen Geschmack auf den Lippen – seine Lippen werden berührt, sein Leben wird berührt – ihm werden jetzt die Worte zuwachsen, die er dem Volk mit den „unreinen Lippen“ sagen kann. Sein „Ja“ ist gesagt. „Hier bin ich, sende mich!“ Das ist der Schlusssatz der himmlischen Vision! Und: das letzte Wort. Aus dem Mund eines Menschen!
Das älteste Glaubensbekenntnis
Die zweite Lesung stammt aus dem 1. Brief, den Paulus den Korinthern geschrieben hat. Das letzte Wort: „Das ist die Botschaft!“ - „Ich erinnere euch“ – schreibt Paulus. Er innert an das Evangelium, er erinnert an die Taufe, er erinnert an den gemeinsamen Weg. Aber es sind Konflikte, die zwischen den Worten mühsam verborgen sind. Paulus muss sich verteidigen! Er muss die richtigen Worte finden! Korinth ist weit weg. Wird er sich verständlich machen können? Wird es einen neuen Anfang geben? Wird er seine Autorität wieder zurück erobern? Ich kann jetzt gar nicht viel davon erzählen. Doch Paulus kann die Streithähne in der quirligen Hafen- und Handelsstadt Korinth nur an seine Berufung erinnern. Jesus hat ihn berufen! Nach Ostern. Auch wenn er der letzte unter den Jüngern ist. In der Rangfolge ganz unten. Quasi zu spät. Und kein Weggenosse von Anfang an. Paulus nennt sich gar „eine Mißgeburt“, auch auf die Gefahr hin, dass Kritiker, Neider und Hetzer gerade dieses Wort ausschlachten können.
Wir sehen Paulus in Höchstform auflaufen, weil die Botschaft, die er ausrichtet (und immer schon ausgerichtet hat) nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen ist. Die Botschaft ist von Christus, dem Auferweckten. Aus seinem Mund! Mit seiner Kraft! Der letzte Satz lautet: „Das ist unsere Botschaft – und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt“. Das muss jetzt auch gesagt werden: ihr habt den Glauben angenommen! Wir sitzen in einem Boot. Wir sind miteinander verbunden. Wir bekennen:
„Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift,
und ist begraben worden.
Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift,
und erschien dem Kephas / Petrus, dann den Zwölf …“
Das ist das älteste Glaubensbekenntnis!
Jesus folgen
Und dann – als Höhepunkt – an dritter Stelle das Evangelium. Eigentlich geben wir dem Evangelium den Rang, an erster Stelle zu stehen. Aber heute dürfen wir Jesaja und Paulus den Vortritt lassen. Sie nehmen dann Platz in unserer Mitte und hören wie wir – das Evangelium.
Der Schlusssatz des Evangeliums lautet: „Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach“. Sie folgen Jesus. Jesus hat seine Jünger gefunden und berufen. Einfache Menschen, Fischer! Keiner von ihnen hat studiert, keiner das Heimatdorf bisher verlassen, keiner besondere Offenbarungen gehabt. Sie sind Anfänger – und Abenteurer. Was das heißt: alles zu verlassen – und neu anzufangen. Ohne eine Ahnung zu haben, was mit diesem Jesus los ist. Es muss wohl eine so große und überwältigende Predigt gewesen sein, dass sie nicht einmal eine Bedenkzeit oder gar Probezeit ausbedungen haben. „und folgten ihm nach“. Soll ist jetzt lieber irritiert oder entsetzt sein?
Dabei ist Jesus gerade seinen Häschern entkommen. Das dann auch noch in seinem Heimatort. Der Grund für seine Vertreibung: Jesus hat den Mund sehr voll genommen – in den Augen vieler: zu voll. Jesus schenkt Armen eine Perspektive, Blinden eine Welt voller Licht und Gefangenen die Freiheit. Eine neue Zeit beginnt, die Zeit Gottes. Die alten Verheißungen, die Jesaja predigte – seht her: sie erfüllen sich! Jesus ruft ein Gnadenjahr Gottes aus. Als er dann verdrängt wird, geht er seinen Weg einfach weiter. Unbeeindruckt und unbeirrt. Nicht nur das: er hält am See Genesareth, von einem Boot aus, eine neue Predigt. Das Volk, heißt es, drängt sich um ihn und will – jetzt - das Wort Gottes hören. Will! Eine neue Welt tut sich auf. Auf die neuen – und ersten – Jünger wartet eine besondere Überraschung. Ein volles Boot, ein reicher Fischfang und der Auftrag, ab jetzt Menschen zu finden. Für das Reich Gottes. Was das wohl geben wird …
Gottes seltsame Personalpolitik
Heute ist es nicht schwer, den roten Faden zu finden – oder die Perlenkette in die Hand zu nehmen! Achten wir noch einmal auf die Schlusssätze:
"Hier bin ich, sende mich!"
"Das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube,
den ihr angenommen habt!"
"Sie ließen alles zurück und folgten Jesus nach!"
Es sind drei Szenen. Eine aus dem Alten Testament – der hebräischen Bibel. Eine aus den Briefen des Neuen Testaments. Und eine aus dem Evangelium. Zeitlich lassen sie sich zwar auch in eine gewisse Folge bringen, aber wichtig ist es eigentlich nicht. Es geht in allen drei Szenen, denen wir heute begegnen, um Berufungsgeschichten. Jesaja wird berufen, Paulus wird berufen, die Jünger Jesu werden berufen. Es gibt keine Stellenanzeigen, keine Jobbörsen, keine Auswahlverfahren. Jesaja legt keine Zeugnisse vor, Paulus führt kein Bewerbungsgespräch, die Jünger Jesu unterziehen sich keiner Prüfung. Sie werden alle – berufen. Sie werden von Gott erwählt, sie werden von Jesus erwählt. Der Weg Jesajas lässt sich in den Himmel zurückverfolgen, Paulus wird von dem auferstandenen Jesus ausgesucht und die Jünger Jesu werden durch eine Predigt Jesu dienstverpflichtet. Gott braucht Menschen, die sein Wort ausrichten. Aber weiß Gott, auf wen er sich einlässt? Werden die Menschen, auf die er setzt, „es“ bringen? Überhaupt können? Wird Gott mit dieser Personalpolitik scheitern? Nicht scheitern müssen?
Doch Gott hat seine eigene Weise: Er liebt Menschen von Anfang an, er vertraut ihnen sein Wort und seine Verheißung an – und er gibt ihnen seinen Geist. Dafür gibt es schöne Bilder: von dem Engel, der die Lippen berührt, von Jesus, der eine „Missgeburt“ zum Apostel macht – und einen Haudegen wie Simon in seinen Jüngerkreis ruft. Eine tolle Gesellschaft! Wenn es sie nicht gäbe, müsste sie noch heute gefunden werden!
Himmlische Liturgie
Die Jünger Jesu haben es auf die Säulen der Kirchen geschafft. Da thronen sie nun, der Erdenschwere enthoben, aber tonnenschwer. Die Steinmetzen und Bildhauer hatten ihre liebe Not, ihnen Gesichter und Attribute zu geben. Aber sie sind uns lieb und vertraut. Generationen vor uns haben sie schon angeschaut. Das tröstet und stärkt. - Im Gottesdienst bekennen wir unseren Glauben: gekreuzigt unter Pontius Pilatus, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, des Vaters… Paulus schaut um die Ecke. - Dann, am Anfang der Eucharistie, der großen Danksagung, beteiligen wir uns an der himmlischen Liturgie. Wir singen mit den Engeln das Sanctus: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“. Jesaja ist schon einmal vorausgegangen.
Übrigens: ich heiße nicht Jesaja, nicht Paulus, nicht Simon (oder wie die Jünger Jesu so heißen), aber Gott hat seine eigene Geschichte mit mir. Ich darf schon einmal in den Himmel schauen, die Botschaft von Ostern bekennen und mit den Jüngern Jesus folgen.
Heute ist es nicht schwer, den roten Faden zu finden – oder die Perlenkette in die Hand zu nehmen! Auf die Schlusssätze kommt es an:
"Hier bin ich, sende mich!"
"Das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube,
den ihr angenommen habt!"
"Sie ließen alles zurück und folgten Jesus nach!"
Ein Wunder ist das schon: Ich habe auch eine Berufungsgeschichte.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.