Gott im Universum
Vor einigen Monaten besuchte ich im Zuge einer Pfarrmission alle Schulklassen einer Pfarrgemeinde, um den Kindern von der Mission, die Jesus seinen Jüngern aufgetragen hat, zu erzählen. Unvergesslich bleibt mir die Begegnung mit einer Volksschulklasse der 3. Und 4. Schulstufe. Die Kinder hörten uns "Missionaren" nicht nur aufmerksam zu, sondern stellten uns Fragen, die ich Kindern dieses Alters nicht zugetraut hätte. Als die Stunde zu Ende war, und die Kinder in die große Pause stürmten, blieb zunächst ein Mädchen zurück. Sie fiel mir zuvor schon durch ihre anspruchsvollen Fragen auf. Die Klassenlehrerin bat zwei andere Kinder, ihre Mitschülerin in den Rollstuhl zu setzen. Jetzt erst merkte ich, dass dieses Mädchen behindert war und nicht gehen konnte.
Während die anderen Kinder ihrem Bewegungsdrang freien Lauf ließen, nützte sie die Gelegenheit, mir Fragen zu stellen, die sie in Gegenwart der anderen offenbar nicht stellen wollte. Dabei entpuppte sie sich als kleine Expertin für Fragen der Entstehung des Universums. Und nun wollte sie von mir wissen, wo sie sich im Kosmos, der sich seit dem Urknall immer weiter ausdehnt, Gott vorstellen könne. Sie fügte gleich hinzu, die Vorstellung, Gott wohne in den Herzen der Menschen, reiche für sie nicht aus.
Ich holte tief Luft und überlegte mir, wie ich diesem Kind sagen kann, dass wir uns Gott in einer ganz anderen Dimensionen, die unsere Begriffe von Raum und Zeit übersteigen, denken müssten. In der Eile der Situation fiel mir die chassidische Erzählung vom Rabbi Jizchak und seiner Sorge um das innerste Pünktchen ein. Nun erklärte ich ihr, in meiner Vorstellung vom Universum sei Gott das innerste Pünktchen, das den gesamten Kosmos zusammenhalte. Zunächst hatte sie etwas Mühe, in meine Denkweise umzuschalten. Doch ich spürte, dass ich sie für ihr weiteres Nachdenken auf eine interessante Spur gebracht habe.
In neuer Weise gegenwärtig
In der Lesung und im Evangelium hörten wir heute Erzählungen von der Himmelfahrt Christi. Darin heißt es, dass er vor ihren Augen in den Himmel emporgehoben wurde und dass eine Wolke ihn ihren Blicken entzog.
Diese Darstellungen knüpfen an die naiven Vorstellungen von einem Himmel "hinter den Sternen", in dem die Götter wohnen, und hat eine Vielzahl von naiven Jenseitsbildern zur Folge, über die wir dann in unserem aufgeklärten naturwissenschaftlichen Denken stolpern.
Die Erzählungen von der Himmelfahrt möchten uns trotz ihrer naiv erscheinenden Bildersprache nahe bringen, dass Jesus von nun an in einer ganz neuen Weise gegenwärtig ist und dass wir uns diese Gegenwart in einer ganz neuen Weise denken und vorstellen müssen, wie dies unsere gewohnten Bilder in Raum und Zeit übersteigt. Er ist weg und doch da. Er ist beim Vater und doch bei uns.
Ein neuer Himmel und eine neue Erde
Mit der Himmelfahrt Jesu ist aber die Episode "Jesus" nicht zu Ende. Nach außen hin könnte man meinen, die Welt sei nun wieder so, wie sie vor dem Auftraten Jesu war. Sie dreht sich weiter und die Geschichte rollt weiterhin über Einzelschicksale unbarmherzig hinweg.
Genau diese Sichtweise möchten die Erzählungen von der Himmelfahrt Jesu widersprechen. Zwei Faktoren haben sich seit Jesus grundlegend geändert:
Die Begegnungen mit Jesus haben die Menschen verändert. Die Frauen und Männer, die sich von Jesus haben in seinen Bann ziehen lassen, gehen mit einer neuen Lebenseinstellung und mit einer neuen Weltsicht in ihr weiteres Leben hinein. Der Geist Jesu wirkt in ihnen und durch sie fort.
Die zweite Veränderung kann ich zunächst nur mit einem Bild beschreiben: Durch Jesus hat sich der Himmel auch für uns geöffnet. Jesus hat den Menschen eine neue Beziehung zu Gott ermöglicht. In mehreren Ereignissen des Lebens Jesu begegnet und das Bild des geöffneten Himmels: Bei seiner Geburt, bei seiner Taufe im Jordan, in der Verklärung und schließlich in seiner Auferstehung und Himmelfahrt.
Unser Reden vom Himmel oben und von der Erde unten, von Diesseits und Jenseits sind ohnmächtige Versuche, das große Geheimnis der Gegenwart und des Wirkens Gottes in dieser Welt zur Sprache zu bringen. "Überall ist er und nirgends...", heißt es in einem Lied. Mit Jesus hat die Dimension des Göttlichen in unserem Denken, Reden und Tun eine neue Qualität bekommen.
Ein Fest der Freude an Gott
Vor diesem Hintergrund können wir weiterhin in einer zweiten Naivität vom Himmel reden und einen Feiertag begehen, an dem wir uns an diesem großartigen Geschenk Gottes freuen. Es beinhaltet gleichsam eine Zusammenfassung des ganzen Christusereignisses von seiner Geburt bis zu seiner Auferstehung. Nun sind wir gewiss, dass unser Universum von jemand zusammengehalten wird, dem das Schicksal und das Wohl jedes einzelnen Geschöpfs in diesem Kosmos am Herzen liegt.