Lesung aus der Apostelgeschichte.
In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm,
begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf,
weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden.
Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen
und erklärten:
Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen
und uns dem Dienst an den Tischen widmen.
Brüder, wählt aus eurer Mitte
sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit;
ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen.
Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.
Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde
und sie wählten Stephanus,
einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist,
ferner Philippus und Prochorus,
Nikanor und Timon,
Parmenas
und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia.
Sie ließen sie vor die Apostel hintreten
und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf.
Und das Wort Gottes breitete sich aus
und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer;
auch eine große Anzahl von den Priestern
nahm gehorsam den Glauben an.
Das lukanische Werk der Apostelgeschichte dreht sich um die Frage: Wie geht es nun für die Jüngerschar weiter mit dem, was der Mann aus Nazareth angefangen und vollbracht hat. Ein wesentliches Merkmal, das ihre Gemeinschaft ausmachen sollte, war soziale Gerechtigkeit. Da die Judenchristen, die nicht aus Israel stammten, im Sozialfall (etwa als Witwen) auf keine Versorgung aus der Tempelgemeinde zu hoffen brauchten, musste eine Lösung her. Sieben Männer wurden auserwählt, um als Diakone dafür zu sorgen, dass es diesen Menschen in den Gemeinden geistlich und materiell gut ging.
Je größer die Zahl der Glaubenden wurde, desto wichtiger war es für sie, die Gemeinschaft zu bilden und zu stärken. Zugleich bemerkten sie die ersten Trennungen unter sich. Hier werden die Hellenisten und die Hebräer genannt. Die einen kamen aus der jüdischen Tradition zum Glauben an Christus, die anderen aus der außerjüdischen Tradition.
Um die Gemeinde zu stärken und den Nöten der Menschen gerecht zu werden, kommt es zur Ausformung der Ämter: Der Aposteldienst als Verkündigung des Wortes, der Diakonendienst in der greifbaren Zuwendung zum Nächsten. Sowohl bei den Aposteln als auch bei den Diakonen wird die Zahl als heilige Zahl bestimmt: Zwölf Apostel und 7 Diakone. Für beide Dienste galt: Sie sind in der Kraft des Gottesgeistes erkannt und gelebt.
Die Zukunft der Gemeinde gab dieser Entscheidung die Bestätigung. Diese Form von Problemerkenntnis, Lösungsidee, Lösungsumsetzung und Erfolgsmeldung findet sich auch bei verschiedenen Berufungsgeschichten des Alten Testaments. Die hervorgehobene Erwähnung des Stephanus eröffnet schon die spätere Schilderung seiner Verkündigung.
Mit diesem Text beginnt in der Apostelgeschichte zeitlich gesehen ein neuer Abschnitt. Einige Exegeten gehen davon aus, daß zwischen den vorangegangenen Ereignissen und diesem Abschnitt der Apostelgeschichte wahrscheinlich die Zeitspanne von rund einem Jahr liegt, da es sich nun um eine große und nicht mehr geschlossene Gemeinde handelt. Erste Gruppierungen innerhalb der Gemeinde - Hellenisten und Hebräer - werden sichtbar und der Streit um die Witwenversorgung war wohl nur ein Anlaß, der tiefere Meinungsverschiedenheiten freilegte.
Das Wort "Jünger" bezeichnet nun die Schar aller Glaubenden und nicht mehr nur den Kreis der Apostel. Offenbar hatten die Apostel schon bisher Gehilfen für den sogenannten "Dienst". Es scheint klar zu sein, daß die Anhänger der jüdischen Lebensweise zur Betreuung "gesetzesfreier" Hellenisten nicht so gut geeignet waren und Streitereien aus diesen Unterschieden folgten. Der "Dienst" wird gewöhnlich auf die Caritas beschränkt. Die Hervorhebung der Geistesgaben und die feierliche Einsetzung lassen jedoch auf mehr schließen. Im Zusammenhang mit Apg 2,42 und 2,46 ("im Dienst an den Tischen"), kann auch die Feier des Brotbrechens miteingeschlossen sein. Bedenkt man, daß Philippus später Gemeinden gründete, so kann man bei den "sieben Männern" wohl an apostolische Helfer in der Vollmacht von Ältesten denken.
Martin Stewen (2014)
Norbert Riebartsch (2005)
Bernhard Zahrl (1999)