Zwei Weihnachtsfeste
Das heutige Fest ist das ältere Weihnachtsfest, das für die Ostkirchen heute noch das einzige Weihnachtsfest darstellt. Die Lateinische Kirche feiert Weihnachten eigentlich zweimal: Am 25. Dezember und am 6. Januar. Die Liturgie widmet sich am heutigen Festtag nicht so sehr einer Schilderung der Vorgänge um Jesu Geburt im Stall von Bethlehem, von Hirten, denen Engel die Frohe Botschaft verkünden (Lk 2,8-14) ist nicht die Rede. Im Evangelium wird von drei Männern berichtet, die auf der Suche sind, die behaupten, sie hätten einen besonderen Stern gesehen. Nicht irgendeinen beliebigen Stern, sondern einen Stern, der sie in eine bestimmte Richtung gewiesen hat, nämlich nach Jerusalem zu einem neu geborenen König der Juden. Dieser Stern, so sagen sie, ist sein Stern, er sei ihnen erschienen, vor ihnen hergezogen und in Jerusalem stehen geblieben.
Die drei werden in der außerbiblischen Überlieferung als Könige bezeichnet, manchmal werden sie auch "Drei Weise aus dem Morgenland" genannt; und man gibt ihnen sogar Namen (Kaspar, Melchior, Balthasar). Daher führt das Fest auch den Namen "Heilige drei Könige". Im Dom zu Köln befinden sich die Schreine mit den Reliquien dieser Könige. - Die hl. Schrift spricht aber nicht von Königen, sie nennt auch keine Namen. sondern es ist die Rede von Sterndeutern, die aus dem Osten gekommen sind und ein neugeborenes Kind suchen.
Sterne und ihre Deutung
Wir wissen nichts über die Religion der Sterndeuter. Aber wie immer das mit dem Stern im Einzelnen gewesen sein mag, sicher ist anzunehmen, dass die Drei eines gemeinsam hatten: Die zunächst noch unbestimmbare Sehnsucht, das nicht restlos deutbare Ausschauhalten nach Begegnung mit einer noch verschleierten und verschlüsselten, aber doch realen Wirklichkeit. Vielleicht empfanden die Sterndeuter, was Rilke in einem Gedicht zum Ausdruck gebracht hat:
"Ich kreise um Gott
Um den uralten Turm
Und ich kreise jahrtausendelang.
Und ich weiß nicht
Bin ich ein Falke, ein Sturm,
Oder ein großer Gesang".
Königliche Träume(r)?
Es ist anzunehmen, dass das waghalsige Unternehmen der drei in ihrer Umgebung nicht ungeteilte Zustimmung gefunden hat. Viele, auch wohlmeinende Menschen - Realisten - werden gesagt haben, das Ganze sei ein Hirngespinst, ein Traum, waghalsig, (lebens)gefährlich und verrückt. Es kann auch angenommen werden, dass die drei Sterndeuter Familien hatten (Frau und Kinder); wie weit für deren Unterhalt vorgesorgt wurde, wissen wir nicht. - Was die Realisten gesagt hatten, war natürlich bedenkenswert, aber die Realisten wissen zumeist mit Träumen und Träumern, mit unbestimmbaren Sternen am Horizont eines Lebens nichts anzufangen.
"Ich hatte einen Traum"
Dieses berühmt gewordene Wort von Pastor Martin Luther King ("I had a dream"), in eine Zeit scheinbarer Aussichtslosigkeit bezüglich der Rassentrennung (Apartheid) gesprochen, zeigt, dass Träume sogar im politischen Bereich Wirklichkeit werden können. Von David Ben Gurion (Gründer des Staates Israel) stammt das Wort "Nur der ist Realist, der an Wunder glaubt".
Die drei Sterndeuter müssen zunächst eine herbe Enttäuschung erleben: In Jerusalem weiß man nichts von einem soeben geborenen König der Juden und will auch gar nichts davon wissen. Im Gegenteil, die Nachricht von der Geburt dieses Königs verbreitet Furcht und Schrecken beim "amtierenden" König Herodes und seinem Hofstaat.
Schenkende und Beschenkte
Die drei Sterndeuter finden das Kind, fallen nieder und beten es an. In den Geschenken, die sie dem Kind darbringen, haben sie erkannt, dass sie eigentlich selber Beschenkte sind. Sie sind nicht mehr Suchende, sie haben gefunden: Nicht nur das Kind, sie haben auch sich selbst, zu sich selbst gefunden. Es ist ja doch eine Erfahrung vieler Menschen, dass sie in der Trübheit so mancher Tage das Gefühl haben, sie seien sich selbst entglitten. Sie haben Züge abfahren sehen, konnten aber nicht mitfahren; sie haben sich in so manche graue Gasse verirrt, und Auswege scheint es nicht zu geben.
Da knien sie nun, die Sterndeuter, vor dem unscheinbaren Kind, vor dem behutsamen, beinahe möchten wir sagen, scheuen Licht, das sich nicht aufdrängt, das aber dem, der sein Herz öffnet, Ungeahntes schauen und erfahren lässt.
Sie kehren, in einem Traum vor dem blutrünstigen Herodes gewarnt, auf "einem anderen Weg" in ihre Heimat zurück. Sie sind dieselben geblieben, sind aber nicht mehr die Gleichen wie zuvor. Sie sind nicht mehr Suchende, sondern Gewandelte, Beschenkte, Staunende - Erlöste.