Feindlicher Angriff
Ich sehe schon die Schlagzeile: "Unkraut unter dem Weizen." Aber ist das etwas Besonderes, Auffälliges? Schließlich gibt es doch in jedem Feld Unkraut, an jedem Feldrain wuchert es - sogar leuchtend und schön. Was heißt hier "Unkraut"? Ist es Mohn, ist es Schafgarbe? Jesus erzählt von einem Feind, der ein Unkraut aussät, das dem jungen Weizen täuschend ähnlich sieht, kaum zu unterscheiden. Das ganze Feld sieht gleich aus und ist doch versaut. Wer könnte jetzt jäten? Wer wäre schon in der Lage, die guten und die schlechten Halme zu trennen, dabei keinen Fehler zu machen, die Geduld auch nicht zu verlieren? Rhetorische Fragen... Ich muss die Schlagzeile wohl neu formulieren: "Feld konterminiert". Der Feind hat ganze Arbeit geleistet. Bei Nacht und Nebel, wie wir sagen. Unentdeckt. Erfolgreich. Bemerkt ist es schon zu spät. Pech gehabt? Schlagzeilen stehen über Nachrichten, das Unheil bannen sie nicht.
Böse Saat
Wir könnten jetzt - natürlich - über unsere Kontrollen reden, über Zertifizierungen, Laboruntersuchungen und Prüfplaketten. Über unsere Skandale auch. Aber wir sind nicht gut beraten, uns auf dieser Ebene in Sicherheit zu bringen - oder zu wiegen. Wir müssen über den Feind reden - und über seine Saat. Über böse Saat!
Eine böse Saat sehen wir im Nahen Osten aufgehen. Hass wird immer wieder neu - und immer wieder neu begründet - ausgesät. Hass ist unerbittlich. Hass vergisst nicht. Er taucht wohlgesetzt in Regierungserklärungen, Zeitungsmeldungen und Nachrichtensendungen auf - in Israel, im Gazastreifen, in Palästina. Die Vorgeschichten sind lang. Sie sind längst zu Leidensgeschichten geworden. Ganze Generationen sind gezeichnet, gar vergiftet. Wie sich Parolen und Rache doch gleichen... Aber die Spiralen lassen keinen Ausweg. Der Hass gebiert immer nur neuen Hass, Unrecht nur Unrecht, Angst nur Angst. Wer ist hier Feind? Von wem? Nicht einmal das lässt sich sagen. Sind alle Feind - nur Feind? Aber der Hass, der heute gesät wird, geht auch morgen noch auf. Er liefert immer neue Gründe, neue Rechtfertigungen, neue Abhängigkeiten.
Eine böse Saat sehen wir auch in der Rüstungsindustrie aufgehen. Sie boomt. Auch in Deutschland. Bruder Tod ist ein großer Geschäftsmann. Fein gekleidet. Ein feiner Herr. Er macht sich die Finger nicht schmutzig, er verbrennt sein Maul nicht an Hassparolen - er stellt nur das Material bereit, technisch auf der Höhe - dann wäscht er seine Hände in Unschuld. Seine neueste Masche droht ein Erfolgsmodell zu werden: Drohnen. Drohnen werden das Unheil noch weiter anonymisieren und entpersonalisieren. Auf dem Feld der Ehre werden Knöpfe gedrückt. Ein gutes Geschäft ist aber noch keine gute Saat. Wir müssen das sagen. Eindeutig. Immer wieder. Sonst sehen wir nur schöne Fassaden. Es ist ein Feind, der böse Saat aussät! Anders als im Gleichnis Jesu können wir ihn sogar im Fernsehen sehen - bei Tageslicht.
Das Gleichnis, das Jesus erzählt, kommt aus der bäuerlichen Welt. Wir sehen ein Feld, einen Feind, eine Saat. Wir sehen eine Nacht. Es mag sein, dass heute alles viel komplizierter und unübersichtlicher ist - aber der Mut, böse Saat zu sehen, Augen für die Nacht zu haben, wächst uns heute im Evangelium zu. "Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg."
Wir wissen das jetzt - will ich wirklich schlafen?
Gute Saat
Jesus eröffnet sein Gleichnis mit einem Satz: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte." Wir ahnen schon, wer gemeint ist: Jesus. Er sät sein Wort aus, seine Liebe, seine Nähe. Diese Saat geht auf! Sie wird auch dann noch aufgehen, wenn ein Feind Unkraut darunter mischt. Unerkannt. Erfolgreich. Aber das Unkraut wird ausgelesen, ausgesondert.
Sozusagen in Handarbeit. Stück für Stück. Abgewogen. Von allen Seiten betrachtet. Das ist Jesu Blick über dieses unübersichtliche, aber im Licht glänzende Feld. Als Jesu Jünger und Jüngerinnen treten wir aus dem Bann der bösen Saat heraus. Gelassen. Mutig. Nicht klein zu bekommen. Am Ende müssen wir nicht einmal über den Feind - oder über einen Feind - klagen. Wir erzählen von einer guten Saat! Wir erzählen von unserer Hoffnung. Wir erzählen von der Liebe, die stärker ist als der Tod. Wir sehen - das Himmelreich.
Manchmal sind wir ganz benommen von dem, was wir in Zeitungen lesen und im Fernsehen sehen. Vieles fassen wir nicht. Vieles bekommen wir nicht einmal mit. Vieles ist auch so komplex und abgehoben, dass wir uns kaum trauen, "nein" zu sagen, Fragen zu stellen, unseren Widerstand zu formulieren. Dann schleicht sich der Feind bei uns ein - auf einmal ist er uns doch viel näher als der Mann, von dem Jesus erzählt, als der Mann, der guten Samen aussät! Was haben wir dem Feind entgegenzusetzen?
Der Geist Gottes wirkt
In seinem Brief an die Gemeinde in Rom schreibt der Apostel Paulus:
"Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können." (Röm 8,26).
Es ist Gottes Geist, der uns vertritt. Bei Gott. Vor uns selber. Vor einander. Es ist Gottes Geist, der uns mutig macht. Es ist Gottes Geist, der das große Wort führt. Es ist Gottes Geist, der dem nächtlichen Treiben ein Licht aufsetzt. Paulus nennt uns dafür sogar "Heilige".
Im Buch der Weisheit lesen wir: "Weil du - Gott - über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst. Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Söhnen [und Töchtern] die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst."(Weish 12,18-19).
Das ist die gute Saat! - Eine neue Schlagzeile muss her! "Gute Ernte".
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.