In die Zukunft schauen
Wenn ich als Kind die Nerven meiner Mutter allzu sehr strapazierte, drohte sie manches Mal: Wenn du so weitermachst, kommst du noch ins Zuchthaus. Auf die Nachfrage, was ein Zuchthaus sei, erklärte sie uns, dass besonders schlimme Menschen dort eingesperrt seien. Dieses Schicksal ist mir Gott sei Dank erspart geblieben. Meine Mutter war deswegen aber trotzdem keine »falsche Prophetin«. Die hat aber getan, was Propheten zu tun haben. Sie warnen vor den Folgen falschen Tuns. Sie haben zur Aufgabe, Menschen in eine gute Zukunft führen. Sie verheißen diese, auch wenn es gegenwärtig nicht gut aussieht.
Vor einigen Jahren hörte ich auf einer theologischen Tagung einen Vortrag eines Zukunftsforschers. In der Einleitung legte er die Grundlagen seiner Wissenschaft dar. Natürlich könne er nicht die Zukunft voraussagen. Er könne lediglich die Fakten und Daten, die ihm gegenwärtig zur Verfügung stehen, auf Zukunft hin deuten. Auf eine einfache Formel gebracht: wenn wir so oder so weitermachen, wird das oder jenes eintreten.
Zukunftsforschung in diesem Sinn ist sehr wichtig, weil wir meist das Gegenwärtige nach alten Gewohnheiten und Denkmustern deuten. Unser eigenes Wunschdenken und alte Denkgewohnheiten machen uns blind für gefährliche Entwicklungen. Oft sind wir befangen und finden wir kein klares Urteil. Der Grundsatz "das haben wir immer so gemacht" ist keine verlässliche Basis für den Weg in die Zukunft. Ein Beispiel, an dem die gegenwärtig sehr deutlich wird, ist der Klimawandel. Wir blasen Abgase – nicht nur CO2 – gedankenlos in die Luft und hoffen, dass diese nicht schaden, weil früher die Atmosphäre sie scheinbar ohne Schaden aufgenommen hat.
Worauf können wir uns verlassen?
Gerne vertrauen wir Vordenkern: Fachleute aller Art kommen in den Medien zu Wort und erklären uns die Welt. Nicht alle sind »Propheten«. Oft merken wir nicht, dass die Auswahl dieser Personen von Geldgebern gesteuert wird oder manche von ihnen im Dienste der Werbung stehen. Unsere Welt wimmelt von Meinungsmachern, Gurus, selbsternannten Päpsten, Propheten unseres Zeitgeistes.
Wenn ich als Priester eine Meinung vertrete, wird diese oft mit Misstrauen aufgenommen: der muss ja so reden, das ist ja sein »Geschäft«. Misstrauisch sind wir auch gegenüber Politikern und Menschen, die uns etwas verkaufen wollen. Um sich ein eigenes Urteil bilden zu können, benötigt man ausreichend Informationen. Diese kommen oft nur gefiltert zu uns und selten verfügen wir auch über ausreichende Sachkenntnis, um die Informationen richtig deuten und die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Auf welche Autoritäten können wir uns verlassen?
Die göttliche Autorität Jesu
Als Jesus in der Synagoge von Kafarnaum predigte, so wird uns berichtet, waren die Menschen betroffen von seiner Lehre, sie spürten: da redet einer anders als die Schriftgelehrten, einer, der eine besondere Vollmacht hat. Diese Autorität zeigt sich auch in der Begegnung mit einem Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Es ist heute schwer zu beurteilen, was man damals mit dieser Redeweise gemeint hat. War es Geisteskranker? War es einfach eine Person, die eine andere Meinung hatte und ihm widersprechen wollte? Menschen, die von einer bestimmten Meinung »besessen« sind, zeigen ja auch oft Verhaltensweisen, zu denen wir nur den Kopf schütteln können. Und manche können ganz schön rabiat werden, wenn jemand anderer Meinung ist als sie.
Autoritäre politische und religiöse Systeme reagieren auch ganz heftig, wenn jemand ihre Überzeugungen nicht teilt. Es gibt verschiedene Methoden, Gegner mundtot zu machen oder gar aus der Welt zu schaffen.
Im Idealfall gelingt es, Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren. Und es braucht eine hohe Toleranz, abweichendes Denken auszuhalten und bestehen zu lassen.
Im Beispiel des Evangeliums bleibt Jesus der Stärkere und wir fragen uns, woher nimmt er seine Autorität und woran kann man diese Autorität erkennen. Lediglich sich auf Gott zu berufen ist zu wenig. Das tun auch sogenannte Gotteskämpfer.
Glaubwürdig von Gott reden
Wir verfügen über eine Reihe von Kriterien, die hilfreich sind, religiöse Überzeugungen richtig einzuschätzen:
- wenn jemand auch selbst tut, was er sagt;
- wenn eine Meinung uneigennützig und selbstlos vertreten wird;
- wenn sich die Person, diese Meinung auch selbst etwas kosten lässt;
- wenn man spürt, dass es um ein wichtiges persönliches Herzensanliegen geht;
- wenn es um das Wohl aller geht;
- wenn es nicht im Widerspruch zu Grundwerten und Grundwahrheiten steht;
- und anderes mehr...
Ein endgültiges Urteil wird man sich erst bilden können, wenn das Angekündigte auch eintrifft. Denn bei jedem Kriterium können Menschen sich auch irren. Deshalb lässt sich Glaube nicht beweisen. Er bleibt bis zum Ende ein Risiko. Glauben ist ein sich Verlassen auf Gott, dessen Richtigkeit wir erst erkennen werden, wenn wir ihm selbst begegnen. Um die Frage der göttlichen Autorität Jesu geht im ganzen Evangelium des Markus. Gleich am Beginn seines Auftretens spüren die Menschen: Er redet anders, handelt anders, ist anders. Aber selbst am Kreuz noch wird Jesus aufgefordert zu beweisen, dass er Gottes Sohn ist. Er wird verspottet, da ihn Gott offensichtlich verlassen hat. Wo ist nun seine göttliche Vollmacht? Ein römischer, ein heidnischer Hauptmann erkennt jedoch unter dem Kreuz: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn". Sie zeigt sich erst in seiner Auferstehung und Himmelfahrt.
Die Glaubwürdigkeit Jesu ist begründet durch sein aufrichtiges Reden und Tun. Menschen, die ihm begegnet sind, haben das erlebt. Menschen, die mit ihm gelebt haben, haben seine Glaubwürdigkeit bezeugt, indem sie selbst ihr Leben für ihn und seine Botschaft eingesetzt haben. Wenn unser heutiges Reden von Gott oft nicht als glaubwürdig genug erlebt wird, hängt das vielleicht daran, dass es eher dem Gerede der Schriftgelehrten gleicht als dem Wort und dem Tun Jesu.