Allerheiligen - Allerseelen
Unmittelbar nach dem Fest Allerheiligen lädt uns die Kirche ein, aller Verstorbenen zu gedenken, wobei man die früher übliche Eingrenzung auf verstorbene Christgläubige, um deren Seelenruhe gebetet wird, wohl außer Acht lassen darf. Immer noch wird freilich die Gebetsformel verwendet "Herr, gib allen verstorbenen Christgläubigen die ewige Ruhe". Christus ist aber nicht nur für diese gestorben, sondern alle Menschen sind in das Geschehen der Erlösung durch Jesu Tod und Auferstehung eingebunden. Ihrer aller will die Kirche heute fürbittend gedenken.
Seele - was ist das?
Die deutsche Sprache verwendet das Wort Seele in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen. So wurden früher die Einwohner eines Dorfes oder einer Stadt anhand des Begriffes Seele gezählt, so dass man von einem Ort mit einer bestimmten Anzahl von Seelen sprach. Wenn wir jemanden als besonders freundlich und den Menschen zugewandt beschreiben möchten, dann sagen wir, dass er (sie) eine Seele von einem Menschen sei, und wenn wir von einem Menschen sprechen, der ganz und gar in seinem Beruf aufgeht (z. B. Arzt), dann hört man bisweilen die Wendung, er (sie) sei Arzt mit Leib und Seele
Wenn man eine Umfrage veranstalten wollte, was die Befragten mit dem Wort Seele anfangen können, dann würden wir sehr unterschiedliche Antworten bekommen: Von ausgesprochener Ratlosigkeit bis hin zu mehr oder minder religiös pointierten Antworten würden wir wohl alles Mögliche, darunter auch durchaus Zutreffendes zu hören bekommen. Etwa wenn Schnitzler von der Seele als einem "weiten Land" spricht, oder Goethe seinen "Faust" sagen lässt, dass "zwei Seelen" in seiner Brust wohnen.
Vielleicht bekäme man aber auch zu hören, dass Seele das innerste Angesprochensein eines Menschen von Gott bedeutet. Das wird man zwar kaum aus dem Mund von Menschen zu hören bekommen, die sich als Atheisten oder Agnostiker verstehen. Aber wer sagt, es gebe keinen Gott, aus dem spricht oftmals ja nur die unbewusste Sehnsucht dessen, der leidenschaftlich nach Gott gesucht, aber diesen "Unbekannten Gott" (vgl. Apg 17, 23) bisher nicht gefunden hat. Denn wer Gott finden will, braucht vor allem ein "hörendes Herz", um das König Salomo gebetet hat (1 Kön 3, 9). Sonst vernimmt er die bisweilen sehr leise Stimme Gottes nicht.
Dankbares Gedenken
Die Kirche lässt uns heute einen Festtag begehen, ein Gedenken an alle, die bereits die Geschichte ihrer Seele mit Gott (vgl. Gertrud von Le Fort) zu Ende geschrieben haben. Die im Innersten ihrer Seele von Gott angesprochen waren und denen nun eine Schau dessen von Angesicht zu Angesicht geschenkt wird, den sie bisher immer nur bruchstückhaft, in Rätseln und Umrissen erahnen konnten. Die Kirche lädt uns ein, besonders jener zu gedenken, mit denen wir ein Stück Weges gemeinsam gegangen sind.
Beim Erinnern an Verstorbene, besonders bei nahen Verwandten, mag neben der bloßen Erinnerung vielleicht auch Wehmut, Bedauern mitschwingen, weil wir den Verstorbenen so manches schuldig geblieben sind, da wir es an der nötigen Aufmerksamkeit, an Zuwendung, Dankbarkeit fehlen ließen. Vielleicht haben sich auch manche der Verstorbenen in unserer Gegenwart sehr einsam gefühlt.
Andererseits kann es aber auch sein, dass Erinnern an Verstorbene nicht immer von verklärender Erinnerung begleitet dein muss, sondern dass sich bisweilen auch die Frage aufdrängt, was der Verstorbene in einem oder anderen Sinn schuldig geblieben ist.
Der Friedhofgang am Nachmittag von Allerheiligen ist ein Fest versöhnender Fürbitte Lebender für diejenigen, die uns vorausgegangen sind und bereits in Gott Vollendung gefunden haben.
Endgültige Heimat
Für die Heimgegangenen, denen bei Gott bleibende Beheimatung, Behausung zuteil wurde, gilt die Zusage aus der Geheimen Offenbarung, dass es für sie keine Trauer, keine Klage und keine Mühsal mehr geben wird. Denn das, was früher war, ist vergangen; der Gott, zu dem sie endgültig gelangt sind, spricht zu ihnen: "Seht, ich mache alles neu" (Offb 21, 4 f.).