In den drei ersten Evangelien sind uns sehr eindrückliche Worte Jesu über den rechten Gebrauch von Besitz und Reichtum überliefert. Wir können daraus schließen, dass der Umgang mit dem Besitz aus der Sicht des Glaubens schon in den frühchristlichen Gemeinden zum Problem geworden ist. Wie die Jünger und Jüngerinnen Jesu, wie die ersten Christen in ihren Gemeinden mit dem, was sie besitzen, umgehen sollen, wird äußerst pointiert im 16. Kapitel des Lukasevangeliums zur Sprache gebracht. Wir können sagen, dass es sich hier um einen Schlüsseltext aus der Jesustradition handelt, der uns herausfordert, unsere Einschätzung der irdischen Güter und deren Gebrauch zu überdenken.
Der ungerechte Verwalter
Der Evangeliumstext beginnt mit einem Gleichnis (Lk 16,1-17). Da ist die Rede von einem gerissenen Verwalter, der äußerst clever seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen weiß, als er wegen Veruntreuung zur Rechenschaft gezogen wird. Er hatte das Vermögen seines Herrn, eines reichen Mannes, verschleudert und war deswegen entlassen worden. Was macht er daraufhin? Weil er, wie er feststellt, zu schwerer Arbeit nicht taugt und sich schämt zu betteln, inszeniert er ein Gaunerstück. "Ich weiß was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin. Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich kommen und fragte den ersten: 'Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?' Er antwortete: 'Hundert Fass Öl'. Da sagte er zu ihm: 'Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und schreibe »fünfzig«.' Dann fragte er einen andern: 'Wie viel bist du schuldig?' Der antwortete: 'Hundert Sack Weizen.' Da sagte er zu ihm: 'Nimm deinen Schuldschein und schreib »achtzig«.' Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters."
Kann die Großzügigkeit eines Mannes, der auf Mehrung seines Besitzes aus ist, wirklich so weit gehen. dass er die Klugheit dieses ihn selber schädigenden Urkundenfälschers auch noch mit einem Lob bedenkt? Mit Sicherheit nicht. Der Herr, der den unehrlichen Verwalter lobt, kann nur Jesus selber sein. Denn mit diesem Lob beginnen die Schlussfolgerungen, die Jesus aus dem Gleichnis zieht.
Die Moral einer unmoralischen Geschichte
Dass er einen solchen Gauner lobt, wird erst verständlich, wenn wir uns fragen, warum er ihn lobt. Er lobt ihn nicht wegen seines verwerflichen Verhaltens, sondern wegen seiner Klugheit. Jesus bedient sich gewissermaßen eines Verfremdungseffektes, wenn er die Klugheit des unehrlichen Verwalters als beispielhaft kennzeichnet. Hier liegt der »springende Punkt« dieses Gleichnisses. Das ist die »Moral« dieser unmoralischen Geschichte. Jesus will sagen: Handelt ebenso klug und entschlossen wie dieser Verwalter, weil es euch um mehr gehen muss als um die Sicherung irdischen Besitzes. Es geht ja um das, was den Tod überdauern und für immer Bestand haben wird. Und da handeln oft diejenigen nicht konsequent genug, die in ihrem Leben auf mehr Wert legen möchten als auf Besitz und Reichtum. Darum sagt Jesus im Anschluss an das Gleichnis vom ungerechten Verwalter: „Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes“ (Lk 16,8b).
Das ist ein Wort der Ermahnung. Jesus fragt auch uns, warum wir Christen, die wir doch an eine Erfüllung unseres Lebens über dieses irdische Leben hinaus glauben, uns nicht ebenso klug verhalten wie »die Kinder dieser Welt«. Denn diese agieren sehr geschickt, wenn es darum geht, Besitz zu erwerben oder ihn zu vermehren.
Wie die Klugheit, die Jesus anmahnt, zu praktizieren ist, wird in dem darauf folgenden Satz deutlich:„Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, auf dass ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht“ (Lk 16,9). Wiederum ein sperriges Wort, das zudem noch widersprüchlich klingt. Da werden wir aufgefordert, uns des ungerechten Mammons zu bedienen. Was kann in diesem Zusammenhang das Wort »Mammon« besagen? »Mammon« ist ein aus dem Hebräischen stammendes Lehnwort der griechischen Sprache und bedeutet so viel wie „das, worauf man seine Hoffnung setzt“: eben auf Reichtum und Besitz, der sich als trügerisch erweisen kann. Mit „ungerechtem Mammon“ ist unredlich erworbener Reichtum gemeint. »Mammon« läßt sich auch interpretieren als ein „Gut, das im Stich lässt“ oder als „Besitz, der eines Tages dahin ist“. Jesus nennt den Mammon „fremdes Gut“, mit dem wir uns nicht identifizieren dürfen.
Die neue Qualität irdischen Besitzes
Und nun werden wir aufgefordert, uns dieses ungerechten Mammons zu bedienen, um Freunde zu gewinnen, die Armen. Wir sollen uns damit Freunde gewinnen. Jesus sagt, wozu wir das tun sollen: Damit wir in die ewigen Wohnungen aufgenommen werden, wenn es mit uns zu Ende geht. Auf diese Weise erhält der irdische Besitz eine neue Qualität, einen positiven Stellenwert. Indem wir andere daran teilhaben lassen, machen wir sie uns zu Freunden, legen wir sozusagen ein Konto für die Ewigkeit an.
Um diese Freiheit geht es Jesus. Er möchte seine Jünger und Jüngerinnen von der Abhängigkeit von Besitz und Wohlstand frei machen. Ein Weg zu dieser Freiheit ist das Abgeben von Besitz. Die Freunde, die wir gewinnen im Abgeben von unserem Besitz, sind in der Jesusüberlieferung des Lukasevangeliums vor allem die Armen. Wenn man ihnen Gutes tut, dann kann man es nur selbstlos tun. Sie können ja nichts zurückgeben.
Jesus, so berichtet Lukas, gab einmal einem Gastgeber folgendes zu verstehen: „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten bei der Auferstehung der Gerechten“ (Lk 14, 12-14).
Wer von uns fühlt sich nicht überfordert, wenn er so selbstlos handeln soll? Es geht Jesus um einen Gesinnungswandel, nämlich in meinem Denken und Verhalten von dem »do ut des« (lat. "gib, damit dir gegeben wird") loszukommen, d.h. nur deswegen dem andern etwas zu geben, damit er mir Entsprechendes zurückgibt.
Im Kleinen zuverlässig sein
Im Anschluss an das Gleichnis vom ungetreuen Verwalter werden noch weitere Schlussfolgerungen gezogen: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen. Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit fremden Gut nicht zuverlässig seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben?“ (Lk 16,10-12).
In diesen Aussagen und Fragen liegt die Aufforderung, die uns anvertrauten irdischen Güter getreu zu verwalten und mit ihnen verantwortlich umzugehen; mögen sie auch gering einzuschätzen sein im Vergleich zu dem wahren Gut, dem wahren Eigentum, das wir in Gott finden. Unser irdischer Besitz bleibt daher »fremdes Gut«. Dennoch sollen wir mit ihm in guter Weise wirtschaften, indem wir es einsetzen für das, was uns nottut und unserer Welt. Es gilt Verantwortung zu übernehmen, um mit den jeweils dem Einzelnen zur Verfügung stehenden Mitteln Menschen zu helfen, dass sie menschenwürdig leben können, dass sozialem Unrecht abgeholfen wird, dass der technische Fortschritt nicht zerstörerisch wirkt.
Im kleinen zuverlässig sein, kann weiter bedeuten, uns mit den Möglichkeiten, die wir haben, auch politisch zu engagieren, dem Frieden, der Gerechtigkeit, der Bewahrung der Schöpfung zu dienen; „Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen?“ – dieses Wort deutet darauf hin, dass wir das Große nur erlangen, wenn wir das Kleine ernst nehmen. Ohne den Bezug zu den Realitäten dieser Welt würde unser religiöses Tun in der Luft hängen. Wie wir mit dem, was wir in dieser Welt besitzen, umgehen, das kann nicht losgelöst gesehen werden von dem Suchen nach dem, was bleibenden Wert hat, über dieses Leben hinaus. Dort, wo die wahren Güter sind.
Warnung vor dem Mammon
Der Text aus dem Lukasevangelium zum rechten Gebrauch von Besitz und Reichtum schließt mit einer Warnung vor dem Mammon als Gegenpart Gottes. Mammon und Gott erscheinen hier als zwei Herren, denen wir nicht zugleich dienen können, denen wir nicht gleichermaßen anhangen können. „Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Lk 16, 13). Mit diesem Wort hat Lukas zweifellos einen Kernpunkt der Verkündigung Jesu weitergegeben. Ein provozierendes, herausforderndes Logion Jesu, dem wir nicht ausweichen können!
Während in den vorausgehenden Worten die irdischen Güter als wertvoll erachtet werden, sofern wir verantwortlich mit ihnen umgehen und die notwendige Distanz zu ihnen bewahren, erscheint der Mammon in diesem Bildwort als personifizierte widergöttliche Macht, als eine Größe, die den Menschen total für sich beansprucht, ihn völlig vereinnahmt. Ihn lieben heißt: sich ihm ausliefern, in ihm den Sinn des Lebens finden. Wer allein auf den Mammon setzt, der wird Gott für überflüssig halten. Wer dagegen Gott dient, ihn liebt, ihn achtet, der muss den Mammon geringschätzen. Hier kann es kein „Sowohl als auch“ geben, sondern nur ein „Entweder oder“.
Es kann durchaus sein, dass Menschen gar nicht einmal bewusst Gott ablehnen. Und dennoch leben sie so, als gäbe es ihn nicht. Gott oder der Mammon – diese Entscheidung wird, ohne dass wir uns immer bewusst sind, konkret in unserem Leben gefällt, in der Art und Weise, wie wir uns zu den Dingen dieser Welt verhalten, woran unser Herz hängt.
Von Martin Luther stammt das Wort: „Woran einer sein ganzes Herz hängt, das ist sein Gott.“ Woran einer sein g a n z e s Herz hängt! Denn wir dürfen uns von Herzen freuen an den Kostbarkeiten dieser Welt, dürfen sie genießen, dürfen uns auch an dem freuen, was wir besitzen. Es gibt nichts in der von Gott geschaffenen Welt, was in sich schlecht wäre. Die Frage ist nur, welchen Sinn wir den Gütern dieser Erde geben. Wenn wir unser ganzes Herz daran hängen und sie losgelöst von Gott sehen, zu dem alles hin geschaffen ist, dann machen wir sie zu unserem Gott. Das meint Jesus, wenn er sagt. „Ihr könnt nicht beiden dienen: Gott und dem Mammon.“
Judith Putz (1998)