"Meine Augen haben das Heil gesehen"
Das Evangelium von Simeon und Hanna hat es mir angetan. Da haben einmal zwei Senioren das Wort. Was haben sie als Senioren zu sagen?
Der Text von Simeon wirkt für mich wie eine Ouverture zum Weihnachtsevangelium "Nun entlässt du Herr deinen Knecht in Frieden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und zur Herrlichkeit deines Volkes dient" (Lk 2,28-33). Dieser Hymnus, im Lateinischen nach den Anfangsworten "Nunc dimittis" genannt, gehört mit dem Benedictus und Magnificat zur Weltliteratur. Diese Sätze möchte ich, um mit dem Dichter Andreas Zeiss zu sprechen in eine "Worttruhe" geben.
Sie sind unendlich kostbar. Besonders angetan bin ich von dem Satz Simeons "meine Augen haben das Heil gesehen". Auch wir sehen das Heil, zwar verhüllt, aber doch unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein. Damit öffnet uns Gott in Jesus Christus schon jetzt die irdischen Grenzen. Wir können aus unseren Alltäglichkeiten ausziehen, um an der Bibel das Hoffen zu lernen. Nun kann ich wie Simeon in Frieden von dieser Welt scheiden. Aller Sinn des Lebens ist erfüllt. "Meine Augen haben das Heil gesehen", heißt: mit der Menschwerdung Jesu kann ich Gott ins Angesicht schauen. Das bedeutet die Umkehrung aller Verhältnisse. Das Grab ist nicht mehr die Endstation. Ich darf dieses Licht und die Hoffnung auf die Gräber tragen. Freilich unsere Welt ist noch nicht ganz erfüllt von diesem Licht. Erst wenn Jesus in Macht und Herrlichkeit kommt, werden alle Menschen auf Gott ausgerichtet sein. Dann wird dem Krieg und allen Feindseligkeiten ein Ende gesetzt werden. Und Gott wird jede Träne von uns abwischen. Kein Schwert mehr wird durch unsere Seele dringen.
Von Hoffnung und Sehnsucht getrieben
Was will Simeon uns heute sagen? Simeon hat Gott vertraut. Er war wie wir von Hoffnung und Sehnsucht getrieben. Er war unendlich dankbar, dass er noch in seinem Alter das Heil schauen durfte. Er staunte darüber, wie sich Schritt für Schritt sein Weg ergab. Auch wir können wie Simeon darauf vertrauen, dass Gott an uns wirkt.
Bei diesem Evangelium fällt mir auf, dass im Tempel von Jerusalem nicht nur Simeon, sondern auch Hanna anwesend war. Sie lobte und pries Gott und redete von ihm mit allen, die auf die Erlösung durch Christus warteten. Sie war schon als Kind lebensfroh. Aber jetzt ist sie überglücklich. Hanna sagt uns: Gottes Licht leuchtet schon jetzt in dieser Welt. Und viele Menschen sollen sich von dieser Botschaft anstecken lassen. Dann wird es ganz hell in unserer Welt. Das wäre ein echter Neuanfang. Denn auch unsere Augen sehen Gottes Heil, zwar verhüllt in der Gestalt von Brot und Wein. Aber eines Tages werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Das macht uns schon jetzt lebensfroh. Das wird dann ein Fest ohne Ende sein.