Die Texte der heutigen Lesungen und des Evangeliums haben eines gemeinsam: Sie verkünden eine Frohbotschaft in die Gegenwart hinein und verweisen gleichzeitig auf Zukünftiges.
Bei Jesaja wird den Gefangenen die Entlassung angekündigt und den Gefesselten die Befreiung. Ebenso wird ein künftiges Gnadenjahr des Herrn ausgerufen. Die Bedrückten und zerbrochenen Herzen werden aufgerichtet und geheilt. Künftige soziale Gerechtigkeit und Frieden werden verheißen. Der Prophet Gottes vergleicht diesen Zustand mit den tröstlichen und freudigen Bildern vom Einhüllen "in den Mantel der Gerechtigkeit" oder mit dem Schmuck von Braut und Bräutigam.
Im Evangelium verweist Johannes über sich selbst hinaus auf einen anderen, der nach ihm kommen wird. Er selbst ist nur der Rufer, der Künftiges ankündigt. Und doch gilt gleichzeitig "mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt."
Auch im Thessalonicherbrief, der von der Handlung her nach dem Jesaja-Text und nach der Erzählung über Johannes "spielt", finden wir dieses Muster des "schon und noch nicht" wieder. Mit der Formulierung, dass der Geist nicht ausgelöscht werden soll, wird klar, dass der Herr seinen Geist bereits gesandt hat. Zugleich wird aber auch auf Künftiges verwiesen, wenn es heißt, "Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt."
Naherwartung - Fernerwartung
Was soll uns das sagen, dieses "schon und noch nicht"? Befinden wir uns nicht im Advent, der Vorbereitungszeit auf die Geburt Gottes, der nicht irgendwann, sondern in eineinhalb Wochen gedacht wird?
Ja, bald dürfen wir die Menschwerdung Gottes feiern. Aber die Zeit der Vorbereitung, der Advent, besitzt zwei unterschiedliche Dimensionen: die Dimension der Naherwartung und die Dimension einer "Fernerwartung". Nahe, greifbar und zeitlich einorden- und vorstellbar ist die erste Ankunft Gottes, die Ankunft in einem Stall in Bethlehem. Fern, obwohl wir weder den Tag noch die Stunde kennen, aber jederzeit dafür bereit sein sollen, ist die Wiederkunft Jesu Christi als auferstandener und erhöhter Herr.
Unser Leben ist also ausgespannt zwischen den beiden Polen des "schon" - der Rettung, der Anwesenheit Gottes in seinem uns gesendeten Geist - und dem "noch nicht" - der Wiederkunft des Herrn, der täglich neu einzulösenden Rettung. Theologen bezeichnen diese Spannung mit dem Begriff der präsentischen (schon jetzt anwesenden) Eschatologie (Lehre von der Endzeit, den letzten Dingen).
Pessimismus überwinden
Angesichts vieler heutiger Probleme fällt es oft nicht leicht, zu glauben, dass diese Rettung bereits eingetroffen sein soll. Viele von uns sehen angesichts der Probleme in unserem Land, in Europa, ja auf dem ganzen Globus nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft von einer pessimistischen Grundstimmung gekennzeichnet. Als Menschen können wir uns dem nicht völlig entziehen. Und auch als Christen fällt es uns nicht immer leicht, den Pessimismus zugunsten des Optimismus zu überwinden.
Aber spätestens hier helfen uns die heutigen Texte der Lesungen und des Evangeliums wieder weiter.
Rufen wir uns ein paar Passagen in Erinnerung:
- Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.
- Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.
- Der nach mir kommt, ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.
Zeit der Hoffnung
Ganz deutlich sprechen sie davon, dass für uns Hoffnung besteht, auch wider alle Hoffnung, weil Jesus Christus uns erlöst hat. Er ist Mensch geworden, er hält uns schützend in seiner Hand - er ist uns treu, gleich, was auch immer geschehen mag.
So dürfen wir zuversichtlich die Geburt Gottes feiern und uns gleichzeitig auf seine Wiederkunft freuen. Feiern wir die restliche Adventzeit als Zeit der Hoffnung.