Das Wort Gottes im Gottesdienst
Vor einigen Wochen schwappte durch das Internet die Nachricht, Papst emeritus Benedikt, habe der Liturgiereform vorgeworfen, die Liturgie sei zu einem Ort geworden, an dem die Gegenwart Gottes durch zu viel menschliches Tun verdunkelt werde.
Sicherlich mag es richtig sein, dass manchmal in einem Gottesdienst so viel „gestaltet“ wird, dass tatsächlich für die leise und liebevolle Zuwendung Gottes zu seinem Volk zu wenig Platz bleibt. Dabei will die Liturgiereform des Konzils eigentlich der Zuwendung Gottes zu uns Menschen mehr Raum geben, als dies vorher manchmal der Fall gewesen ist. So hat das Konzil u.a. darauf geachtet, dass der Verkündigung des Wortes Gottes mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Seit der Reform wird der Wortgottesdienst nicht mehr als „Vormesse“ bezeichnet, nach der das eigentlich „Wesentliche“ kommt, sondern ist integraler Bestandteil jeder Eucharistiefeier. Die Feier der Heiligen Messe ist einer Ellipse mit den beiden Brennpunkten „Wortgottesdienst“ und „Eucharistiefeier“ vergleichbar. Im Laufe von drei Jahren soll jeder Mitfeiernde der sonntäglichen Messe die vier Evangelien sowie die wichtigsten Texte des Alten und Neuen Testamentes hören.
Dabei ist es allerdings notwendig, abschnittsweise vorzulesen. Es erleichtert uns das Zuhören und hilft dabei, die Botschaft der Texte besser aufnehmen zu können. Manchmal ist es aber wichtig, den jeweiligen Text im Zusammenhang des ganzen Evangeliums zu betrachten.
Wie habe ich als Christ zu leben?
Wir erinnern uns an das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl, das wir am letzten Sonntag gehört haben. Ein König, der zum Hochzeitsmahl seines Sohnes einlädt. Da die Eingeladenen nicht kommen, entschließt er sich, Leute von der Straße einzuladen, um am königlichen Mahl teilzunehmen. Einer von ihnen trägt keine angemessene Kleidung und wird deshalb des Saales verwiesen. In diesem Gleichnis beschreibt der Evangelist das Drama der Heilsgeschichte: Die eigentlichen Gäste des Mahles haben die Botschaft des in Jesus Christus nahe kommenden Gottesreiches abgelehnt und den Gesandten Gottes, den Messias gekreuzigt. Deshalb öffnet der König die Teilnahme am Festmahl für die Leute von der Straße: Sie sind nun die auserwählten Teilnehmer der Feier. Eigentlich eine Frohe Botschaft: Die Heilszusage Gottes gilt allen Menschen. Matthäus baut allerdings auch eine Warnung ein. Daraus ergibt sich kein Automatismus. Wer nicht richtig gekleidet ist, kann genauso wenig am Mahl teilnehmen wie die, die die ursprüngliche Einladung abgelehnt haben.
Dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht...
Wie aber kann ich mich vorbereiten? Was erwartet der König von mir, damit ich am Mahl teilnehmen kann? Im heutigen Evangelium bekommen wir eine erste Antwort: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser und Gott, was Gott gehört. Ausgelöst durch die Streitfrage, ob es erlaubt sei, in Gottes eigenem Land dem Kaiser die Kopfsteuer zu zahlen oder nicht.
Es ist beachtenswert, dass der Herr seine Jünger und Jüngerinnen nicht zur einer Weltflucht auffordert. Wir leben nicht auf einer einsamen Insel, sondern mitten unter allen Menschen. Es gibt eine soziale Ordnung, Regeln und Gesetze, die zu beachten und einzuhalten sind. Christen und Christinnen sind verpflichtet dem „Kaiser zu geben, was dem Kaiser“ gehört. Dazu gehört nicht nur eine ehrliche Steuerklärung, sondern auch die Bereitschaft, Gesellschaft mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen.
... und Gott, was Gott zusteht
Zum Leben eines Jüngers und einer Jüngerin des Herrn gehört allerdings wesentlich auch eine andere Dimension. Unsere Verantwortung darf sich nicht allein im gesellschaftlichen Engagement erschöpfen. Zu unserer Erwählung nun doch am Hochzeitsmahl teilnehmen zu dürfen, gehört die Durchlässigkeit unseres Lebens auf die Dimension Gottes hin. Es geht nicht nur darum, dem Kaiser zu geben, was ihm gehört. Teil unserer Berufung ist auch die Bereitschaft, Gott zu geben, was Gott gehört.
Sonntag der Weltmission
Eine Entscheidung zwischen dem Einen und dem Anderen ist nicht immer leicht. Wie kann ich als Christ in unserer Welt meine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft aber auch gegenüber Gott in angemessener Weise wahrnehmen? Die Kirche in Deutschland begeht heute den Sonntag der Weltmission. In der Kollekte nachher werden wir gebeten, die Arbeit der Ortskirchen in anderen Teilen der Welt durch eine großherzige Gabe zu unterstützen. Längst wissen wir aber auch, dass dies keine Einbahnstraße ist. Wir können viel von den Gemeinden in Afrika, Lateinamerika sowie den Ländern Asiens und Ozeaniens lernen.
Viele christliche Gemeinden in diesen Ländern sehen nämlich in dieser Frage keine sich gegenseitig ausschließende Alternative - nach dem Motto: Entweder der Kaiser - oder Gott! Von ihnen haben wir gelernt, uns beim Lesen von biblischen Texten zu fragen: Was will Gott mir mit diesem Text sagen? Was erwartet er von mir? Und nicht selten spüren Menschen dabei, dass sie Gott dann das Rechte geben, wenn sie den Menschen dienen. Sie finden in den Texten der Bibel den Maßstab für ihr Engagement: Gerechtigkeit gegenüber jedermann zu üben. Den Armen und Unterdrückten Schutz zu geben. Nachhaltig für die Umwelt und die nachfolgende Generation zu handeln. Nicht wenige sehen es auch als ihre Aufgabe an, stellvertretend für die Menschen, das zu tun, was viele nicht mehr können: Ihre Nöte und Ängste im Gebet vor Gott bringen. Zu danken, zu loben, zu bitten und zu klagen. So befruchtet sich das Geben an den Kaiser und an Gott gegenseitig. Und der scheinbare Widerspruch löst sich auf.
Gott an uns wirken lassen
Sicherlich gilt das auch für die Feier der Heiligen Messe. Bewusst sind wir heute aus der Hektik und den Anforderungen des Alltags herausgegangen, um uns in dieser Feier der Botschaft Gottes zu öffnen und uns seiner verwandelnden Kraft, die Brot und Wein zur Gegenwart Christi unter uns macht, auszusetzen. Denn diese mächtige Kraft Gottes, wandelt ja nicht nur Brot und Wein, sondern auch unser Herz, damit es immer tiefer in das Leben Gottes eindringen kann.
Und da hat Papst em. Benedikt sicher recht: Dies können wir nicht selber machen. Dies können wir nur bittendend und dankend an uns geschehen lassen. Lassen Sie uns in dieser Haltung gleich am Altar das eucharistische Opfer feiern. Damit wir verwandelt und gestärkt in unserem Alltag unseren Schwestern und Brüdern dienen können.