Sich warm anziehen
"Da musst du dich aber warm anziehen!", meint eine besorgte Mutter, wenn ihr Kind im Winter das Haus verlässt. "Da musst du dich aber warm anziehen!", sagt man, wenn man vor eine schwierige Situation gestellt ist, in der mit viel "Gegenwind" zu rechnen ist, wo man einiges braucht, bis man andere überzeugt hat. Wer wenig zum Anziehen hat, wer viel Haut zeigt, der ist angreifbar, leicht verletzbar. Der zeigt die nackte Haut, der zeigt, wie er ist. Umso wichtiger ist es, dass Motorradfahrer beispielsweise sich eine "dicke Haut zutun" und ihren Lederdress anziehen, bevor sie sich auf die Straße begeben. Sollten sie stürzen oder einen Unfall haben, bewahrt sie ihre Kleidung vor gefährlichen Schürfwunden und schlimmeren Verletzungen.
Von Kleidung war heute auch in der alttestamentlichen Lesung zu hören. Von "Gewändern des Heiles" sprach der Prophet Jesaja, oder vielmehr: diese Worte legte er - so eine Lesart - der Tochter Zion in den Mund. "Er kleidet mich in Gewänder des Heiles, er umhüllt mich mit den Mantel der Gerechtigkeit". Wer so sprechen kann, ist voll Freude, der hat Heil tatsächlich erfahren, vielleicht sogar auch hautnah, so sehr, dass ihm dieses Heil zur zweiten Haut geworden ist, Heil, das ihm geschenkt worden ist von Gott, dem Grund seiner Freude. So sieht es derjenige zumindest, aus dessen Mund diese Worte kommen. So deutet er für sich die gemachten Erfahrungen.
Vorgängig gibt dieser Mensch einige Hinweise für den Beweggrund, seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Er hat festgestellt, dass sein Leben nicht verpfuscht, umsonst, sondern wert- und sinnvoll ist. Dieser Mensch hat erfahren, dass er etwas Gutes bewirken kann in der Welt und bei den Menschen: den Armen eine frohe Botschaft bringen kann, jene heilen kann, deren Herz zerbrochen ist, und den Gefangenen die Entlassung verkünden kann. Er kann all das tun, weil er von Gott durch den Heiligen Geist dazu befähigt worden ist.
Halt in schwierigen Situationen
Es ist nicht immer alles eitel Wonne im Leben, nicht immer alles himmelhochjauchzend. Es gibt auch das andere im Leben, Tage, in denen mir mein Leben sinnlos erscheint. Schwierige und eingefahrene Situationen und Krisen, die mich erschüttern können, vielleicht auch die mir den Boden unter meinen Füssen wegzuziehen drohen. Ob es nicht auch heilsam sein kann, sich gerade dann zu erinnern, dass es Gott gibt, der seinen Geist mir geschenkt hat und der nicht aufgehört hat, auf mir zu ruhen? Auch dann. Und vielleicht auch trotzdem? Vielleicht ist das auch heute für die Hörer das Befreiende dieser prophetischen Worte.
Wenn man sich ein neues Kleidungsstück zulegt, dann ist das für den Normalbürger etwas Besonderes. Das Verkaufspersonal gratuliert zur getroffenen Auswahl und wünscht viel Freude mit dem Gewand. Den meisten Menschen ist es nicht egal, was sie tragen. Es muss passen. Man sollte sich darin wohl fühlen können. Manche Kleidungsstücke hat man fast schon eine halbe Ewigkeit. Einen Pullover. Einen Mantel. Und wenn dieser dann abgetragen ist, tut man sich schwer damit, ihn wegzugeben. Man hat sich daran gewöhnt, und in ihm ein Stück weit "Wohnung genommen".
Gewänder des Heils
Gott hat uns in Gewänder des Heiles gehüllt und den Mantel der Gerechtigkeit über die Schultern gelegt. Damals in der Taufe, in der wir - wie es in Gal 3,27 geschrieben steht - Christus angezogen haben und uns durch ihn mit Heil und Gerechtigkeit kleiden können. Er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit. Es sind keine Zwangsjacken, die der Herrgott uns verpasst hat. Was ist aus diesen Kleidungsstücken geworden? Vielleicht haben wir sie abgelegt, weil sie uns dennoch irgendwie unbequem waren oder weil wir meinten, sie nicht zu brauchen. Vielleicht haben wir gemerkt, dass sie uns nicht mehr so recht passen. Vielleicht aber merken wir es gar nicht, dass wir beides tragen. Vielleicht aber freuen wir uns über sie wie jener, der dies in der Lesung kundgetan hat?
Im Gegensatz zu den Kleidern, die wir im Laden kaufen, sind diese gratis, Geschenk. Geschenk Gottes. Schau dich an! Und schau mal, was du davon anhast, was du trägst, was du nach außen hin zeigst. Das Heil und die Gerechtigkeit Gottes stehen jedem gut. Dank Gott sind wir zu Heilsträgern geworden. Jeder auf seine Weise.
Bei der Weiheliturgie kommt dies besonders zum Ausdruck. Jeder wird bei seinem Namen gerufen. Ein Teil seiner Biographie wird vorgetragen. Als Mensch mit seiner Herkunft steht er da vor Gott. Und er bringt ihm sich dar - ganz und gar. Er legt sich mit seinem Körper auf dem Boden zur Allerheiligenlitanei: "Hier bin ich, verfügbar. Gott, mach' aus mir und mit mir, was du willst." Nach dem Weihegebet und der Weihe durch Handauflegung durch den Bischof bekommt dieser Mensch ein neues Gewand. Er nimmt es sich nicht selbst. Er zieht es auch nicht selbst an. Jemand anderes kleidet ihn ein. Oft ist es der Heimat- oder Wohnortpfarrer, der so zum Handlanger Gottes wird. Die frisch-geweihten Männer müssen sich erst noch an das Tragen dieser Gewänder gewöhnen. Und auch für die Angehörigen und Freunde ist ihr Anblick darin oft noch ungewohnt. In diesen festlichen Gewändern. In diesen Gewändern des Heiles. Besonders die Diakone finden ihre Aufgabe nicht ausschließlich in der Liturgie, sondern zunächst - und das ist ihr vornehmlicher Dienst - im Mitmenschen, der Hilfe braucht, im Kranken, im Armen, im Niedergeschlagenen.
Durch den Menschen kommen Heil und Gerechtigkeit Gottes in der Welt zur Geltung. Durch den Menschen, der sich von Gott umhüllen lässt und der sich an seinem Ort, wo er lebt, einsetzt, dass Sein Reich ein Stück weit Wirklichkeit werden kann. Grund zur Freude. Für viele.