Öffentliche Schuldeingeständnisse
"Asche auf mein Haupt!” - kann eine mögliche Reaktion eines Menschen sein, der feststellen musste, dass ihm ein mehr oder minder großer Fehler unterlaufen ist. Oftmals ist so die Reaktion, wenn Andere uns ertappt haben und wir noch in aller Öffentlichkeit mit unserem Fehler erkannt werden. Asche auf dem Haupt zu tragen ist dann genau das Gegenteil von Stolz auf eine Leistung, von Freude über Erfolge - wer sich Asche aufs Haupt lädt, beweist Demut und Reue, stellt sich selbst als jemanden dar, dessen Glorienschein ein wenig blasser daher kommt.
In früheren Zeiten, als in Vergehensfällen Schuldeingeständnisse eine öffentliche Brandmarkung und dann auch noch öffentliche Konsequenzen mit sich zogen, war solch ein Schritt sehr schwerwiegend und konnte das Leben von Grund auf verändern, weil dabei sämtliche sozialen Netzwerke auf dem Spiel standen.
Diese Zeiten haben sich geändert. Wenn heute Bank- und Postmanager angerichtete Schäden in aller Öffentlichkeit zugeben und Wiedergutmachungen anbieten, dann geht das sicher nicht einher mit sozialer Ächtung und dem Reißen ihrer Beziehungsnetzwerke. Ganz im Gegenteil: Ihr persönlicher Verlust bei der Bestrafung hält sich im Verhältnis zu den eingeheimsten Vorteilen noch sehr in Grenzen und ihr sträfliches Verhalten gilt immer mehr zunehmend als beispielhaft. Zudem hat man mehr und mehr das Gefühl, diese - oftmals medial ja auch pompös inszenierten - angeblichen Taten der Busse hätten weniger Reue und die Absicht auf Wiedergutmachung als Fundament sondern eher die Beruhigung einer aufgebrachten Öffentlichkeit und noch viel öfters so manchen Deal mit den Justizbehörden, wenn's um Strafmilderung geht.
"Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider”
Solch ein Verhalten ist auch den biblischen Menschen des Alten und Neuen Bundes nicht unbekannt: Wenn der Prophet Joel wie in der heutigen Lesung verkündet "Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider”, mahnt er über die Massen deutlich, mit Entschuldigungen, mit Taten der Busse keine Show zu betreiben, sondern Echtheit und Ehrlichkeit zu wahren.
Auf den Punkt bringt es schließlich der Evangelist Matthäus, der stets mit seinen Worten am Beginn einer jeden Fastenzeit steht:
"Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten."
Wer sich ändern will, vor dem liegt nicht der Weg vor Kameras, vor Medienleute und hinaus auf die Bühne der Öffentlichkeit, sondern in genau die andere Richtung ist zu gehen: Wer sich ändern will, muss zu sich finden, einkehren in die Stille des eigenen Seins, in die Dunkelheiten des Ich.
Vierzig Tage Renovieren
Wir stehen am Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit, der Vorbereitungszeit auf das Osterfest. Vierzig Tage Renovieren stehen an, besondere vierzig Tage, die uns möglich machen, Schäden und Brüche an uns selbst und an den Beziehungen mit Anderen zu reflektieren, anzusehen und zu reparieren - mit Hilfe der Liturgie der Kirche, mit Angeboten unserer Pfarrei, in eigener Besinnung.
Mit diesen Tagen bietet sich uns also eine gute Möglichkeit der Umkehr. Denn sich selbst zu bedenken, ist uns nicht nur Aufgabe in der Fastenzeit, sondern sollte christliche Grundhaltung sein.
Diese Zeitspanne der vierzig Tage ist eine Wegstrecke, die es zu gehen gilt, die uns am Laufen, in Bewegung, bringt und hält. Die Grundvoraussetzung dafür also ist die Dynamik, das Sich-Aufmachen: aus den Erstarrungen des eigenen Seins, aus dem Sumpf von Altgewohntem und immer Dagewesenem. Unsere alten Gewohnheiten müssen nicht automatisch lebenshinderlich sein - ganz im Gegenteil, aber sie dürfen auch nicht einfach so und ungefragt in uns dahin vegetieren.
Den neuen und anderen Menschen zu entdecken
Wir sind eingeladen und aufgerufen, den neuen und anderen Menschen zu entdecken, der durch die Taufe auf Tod und Auferstehung Jesu in uns grundgelegt wurde. Umkehr zu einem neuen, einem anderen Leben mit uns selbst und den Menschen um uns herum ist also nicht einfach Selbstzweck, sondern vor allem Bekenntnis zu demjenigen, der dieses Leben schenkt. Im Osterfest feiern wir die neue Dimension, die Jesus der Gottessohn in seiner Auferstehung für uns alle eröffnet: Wer aber mit Christus auferstehen will, muss auch wirklich und wahrhaftig leben - und kann vor dem eigenen Sein die Augen nicht verschließen.
Manchmal ist das nicht so ganz einfach: Wer in sich selbst hinein blickt, entdeckt manches, das eigentlich gut verpackt war und als erledigt geglaubt wurde. Wir begegnen Facetten unseres Seins, die uns vielleicht nicht lieb sind. Aber das sind dann wirklich wir selbst und nicht jene Masken, die uns die Faschingszeit verpasst hat. Dieses Entdecken ist ein intensiver Vorgeschmack von dem, wohin uns Auferstehung führen will - zu uns selbst und damit zu unserer Gottesebenbildlichkeit.
Lassen wir uns ein auf diese Entdeckungsfahrt, die uns zu uns selbst führt. Wir brauchen nicht in Sack und Asche umherzulaufen, keine Kleider zu zerreißen. Diese vierzig Tage Fastenzeit laden uns ein zum Rückzug, um Augen, Ohren und Herzen für uns selbst zu öffnen, - und Gott, "der auch das Verborgene sieht; wird es dir vergelten.”