Gott ist am Leben
"Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi." So hat es vor 50 Jahren das II. Vatikanische Konzil formuliert. Diese Aussagen fordern uns als Kirche, als Gemeinschaft der Christen heraus, am Leben der Mitmenschen Anteil zu nehmen, an dem, was sie freut, an dem, worunter sie leiden. Das ist die Aufgabe der Kirche. Wenn die Kirche am Leben bleiben will, dann muss sie am Leben der Menschen bleiben. Leider, so scheint es, haben sich die Kirche und die Lebenswirklichkeit der Menschen von einander entfernt.
Gott macht es uns vor, das Leben der Menschen zu teilen, nahe am Menschen zu sein. Das ist Weihnachten. Das feiern wir heute. Gott ist in die Welt gekommen. Er ist der Immanuel, der Gott mit uns, der Jahwe. Alles tat Gott aus Liebe zu den Menschen. In Jesus ist Gott uns als Mensch begegnet. Darum wollen wir auch heute wieder mit den Hirten zur Krippe gehen, um ihn anzubeten. Mit Maria und Josef wollen wir das Kind anbeten.
Wo ist Gott? Das fragen wir bei allem Leid, bei allen Ungerechtigkeiten. Vor vielen Jahren habe ich in einer Jugendzeitschrift eine provokative Überschrift gelesen. Lieber Gott, komm bitte noch mal runter und schau dir den Laden selber an. Gott ist in die Welt gekommen. Doch hat sich Jesus nicht einfach alles angeschaut. Sicher hat Jesus nicht mit einem Trick die Welt verändert. Doch hat Jesus Zeichen gesetzt, Handlungen getan, die Licht in vieler Dunkelheit brachte. Seine Worte, ja die Worte der Bibel sind heute brandaktuell wie damals. Sie haben viel mit der Wirklichkeit des Lebens zu tun.
Ein helles Licht?
"Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht." So hat der Prophet Jesaja Jahrhunderte davor geschrieben. Einem verängstigten Volk ist das zugesprochen. Doch die Trauer der Menschen wird ernst genommen. Die Angst und das Dunkel, die zu siegen scheinen, haben einfach nicht das letzte Wort. Es wird ein Retter angekündigt.
Auch heute gibt es Völker, die im Dunkel leben. Das sind die Kriege, die es zur Zeit gibt. Immer wieder gibt es Bilder von Menschen, die vor zerstörten Häuser stehen. Nicht nur ihre Häuser sind zerstört, sondern oft auch das, was sie sich aufgebaut haben im Leben. Oft sind auch traurige Kinderaugen zu sehen, weil sie spüren: so haben wir keine Zukunft mehr, keine Chance auf ein Leben, das erfüllend ist. Kinder leiden immer am meisten unter Kriegen.
Wo ist das Licht, das sie sehen können? Wir können hier die Kriege nicht beenden. Doch können ihre Sorgen, ihre Ängste auch unsere Sorgen, unsere Ängste werden. Es geht einfach nicht an, wenn wir gleichgültig diesen Entwicklungen gegenüber stehen. Es kann damit angehen, dass wir uns dort, wo wir können, für Frieden einsetzen.
Menschen im Dunkel
Auch bei uns gibt es viele Menschen, die im Dunkel leben. Wenn es auch viel Wohlstand gibt, so gibt es viele, die arm leben. Es ist doch schlimm, wenn Menschen einen so geringen Lohn bekommen, dass sie davon nicht leben können, auch dann, wenn sie Vollzeit arbeiten. Es ist traurig, wenn Millionen Menschen in Südeuropa kaum Aussicht haben auf ein wirtschaftlich gesichertes Leben. Die Aussichten scheinen duster zu sein. Auch hier kann ich als einzelner wenig tun. Doch miteinander können Menschen manches auch bewegen. Es gibt sie, die Männer und Frauen, die sich einsetzen, die bereit sind, Zeit zu schenken, Geld zu spenden, Bewusstsein zu stiften. Wir leben nicht in eine Welt, die heil ist. Sonst hätte Gott ja gar nicht Mensch werden brauchen. Wir leben in einer Welt voller Ungerechtigkeit, voller Leid und voller Hass.
Es gilt, dieses mit den Mitmenschen auszuhalten, mit durch zustehen. Es ist unsere Aufgabe, dieser Welt ein menschliches Angesicht zu geben. Es gibt Leid und Traurigkeiten, die wir lindern können. Aber nicht nur Leid und Traurigkeiten, sondern auch das ehrliche Anteilnehmen an den Freuden der Mitmenschen hat sich das Konzil auf die Fahnen geschrieben.
Gott lebt mit uns in Jesus Christus
Gott lebt mit uns. In Jesus Christus. Wir können lamentieren über die Bosheit der Menschen. Doch Gott geht es um uns. Seine Güte soll uns erziehen, uns von der Gottlosigkeit loszusagen. Wir sollen besonnen, fromm und gerecht in dieser Welt leben, während wir auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes warten. Um diese Welt menschlicher zu gestalten, dazu ist jeder gefragt und auch wichtig. Verantwortung kann ich nicht einfach bloß weitergeben, sondern immer fängt es bei mir selber an.
Es ist leicht, Forderungen zu stellen, leicht, zu sagen, was man so tun müsste. Es ist leicht, darüber zu klagen, dass ein paar Tagen nach Weihnachten die Tagesordnung weiterbesteht. Es ist aber nicht leicht, so zu leben versuchen, dass Mitmenschen spüren, zu wem wir gehören. Es kommt auf unser Beispiel an. Wir sind berufen, jetzt als Christen zu leben. Dabei muss Gott das wichtigste sein. In der Lesung fiel das Wort "erziehen!" "Erziehen" - das gilt mehr als durch Worte geht das durch das eigene Vorbild, durch das Beispiel. Wenn wir ihn anbeten, dann zeigen wir unsere Ehrfurcht, unsere Achtung vor dem, was er der Welt bedeutet. Dann zeigen wir ihm, wir wollen unser Leben nach seinem Vorbild gestalten.
Gott hat uns ein Beispiel gegeben. Jesus kam nicht mit Herrlichkeit, sondern Jesus kam arm in diese Welt. Jesus wurde nicht mit offenen Armen empfangen. Damit hat sich Gott auf die Seite derer gestellt, die arm sind, die abgelehnt werden. Jesus steht auf die Seite der Menschen, die hilflos der Macht gegenüber stehen. Es sind die Hirten, die zuerst die Botschaft des Engelshören: "Fürchtet euch nicht, euch ist heute der Retter geboren!" Es sind die so genannten kleinen Leute. Von Beginn an zeigt Gott, der arm in einem Stall zur Welt kommt, dass es andere Werte zählen. Nicht Macht, nicht Geld, nicht Position, sondern Gott geht in Jesus den Weg der kleinen Schritte.
Die ganze Welt ist Heimat Gottes
Gott nimmt sich auch keine persönliche Heimat, der Menschensohn hat ja keinen Ort, wohin er sein Haupt legen kann. Denn die ganze Welt, alle Menschen sind seine Heimat. Alle Menschen sollen Heimat finden in Gott. Wie viele Menschen sind heimatlos, werden aus ihrem Land vertrieben, müssen vor Verfolgungen fliehen. Gott nimmt sich auch dieser Menschen an. Er erlebt auch diese Situation. Wir können uns fragen, wie stehen wir zu Menschen, die Gastfreundschaft, die Aufnahme und Hilfe brauchen. Gastfreundschaft ist eine sehr wichtige Eigenschaft im Christentum.
Gott kommt nicht in eine heile Welt. Doch diese Welt kann durch uns, die wir seine Ankunft feiern, heller und heiler werden. Wir sind nicht nur Handelnde, Machende. Wir sind auch selber Beschenkte. Gott kommt auch in mein Leben, mein ganz persönliches, mit meinen ganz persönlichen Freuden, mit meinen persönlichen Sorgen. Gott nimmt mich darin ernst. Das kann ich erfahren durch die Nähe von Mitmenschen, die mir beistehen in den Sorgen, die sich mit mir freuen, die mit mir lachen und mit mir weinen. Gott lebt mein Leben mit mir. Ich brauche es nicht allein, aus eigener Kraft zu bewältigen. Wenn auch Menschen mich verlassen, es gibt immer noch einen, der mir nahe ist. Wenn mich niemand aufnimmt, einer nimmt mich auf, er, der alles durchlebt hat. Das ist ein Grund zu feiern.
"Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi." Sie sind Gottes Freude und Hoffnungen." Wenn wir ihn in der Krippe in diesem Kind anbeten, dann wollen wir ihm unsere Sorgen und Nöte bringen, in dem festen glauben: Gott kommt in die Welt. Gott ist am Leben. Er ist uns nahe.