Jahrmarktrufer
Auf Jahrmärkten gehören die Wortgefechte der Verkäufer zu den beliebten Dingen. Aal-Heini, Blumen-Josef und Obst-Edi wetteifern um den nächsten Kunden. Sie haben unterschiedliche Produkte, aber der Kunde hat nur einen 10 Euro Schein in der Hand. Wer macht nun das Geschäft? Dieser Wettstreit hat ja einen Vorteil: Es gibt einen Sieger. Einer macht den Umsatz und damit auch einen Gewinn.
Johannes der Täufer
Johannes der Täufer ist ein Gewinner. Er rief in der Wüste und die Leute aus Judäa und aus Jerusalem kamen. Johannes sagte: "Ihr seid Sünder" und das Volk bestätigte es. "Sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm [zur Vergebung der Sünden] taufen."
Was mag die Menschen mehr aufgerüttelt haben? Der extravagante Kleidungsstil eines Johannes? Seine Ernährungsgewohnheit stimmte mit seinem Anspruch überein. Oder war es tatsächlich die Art, in der Johannes den Menschen ihre Schuld deutlich machte? - Auf jeden Fall: Er erreichte die Menschen. Sie ließen sich aufrütteln. Sie folgten und waren zumindest dann bereit, andere Menschen zu werden. Ob es hält, ist eine andere Frage.
"Ich habe sie" hätte Johannes triumphieren können. Aber er tat es nicht. Er machte den nächsten Hinweis: "Da gibt es noch einen. Er hat die klarere Botschaft. Er hat und ist das deutlichere Zeichen. Er ist stärker, und das ist auch richtig so." Der kleine Triumph ist nicht das entscheidende Ergebnis. Wichtiger ist, dass in den Herzen der Menschen nachhaltig etwas geschieht.
Andere Rufer
Andere Rufer tauchten in den Lesungen auf. Im Buch Jesaja wird der Name nicht genannt. Es ist nur "eine Stimme" für den Tröster. Aber er überschlägt sich fast mit immer neuen Bildern. Die Bilder haben den Ursprung in einem Bedürfnis: Gott will trösten. Er will eine ganz neue Lebenserfahrung vermitteln. Nur kann er nicht in die Gegenwart sprechen. Er kann nicht sagen: "Der Frondienst ist zu Ende!" Diese Stimme sagt: "Der Frondienst geht zu Ende!" Der Erfolg wird kommen - aber erst später. Jetzt kann nur die Hoffnung geweckt werden. Jetzt kann nur die Motivation kommen, die hoffentlich trägt.
Diese tragfähige Motivation wird im zweiten Petrusbrief noch einmal unterstrichen. "Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung" heißt es da. Und "der Tag des Herrn wird kommen". Ich höre da so etwas wie ein: "Glaub mir", um alles zu unterstreichen. Dabei fehlt auch diesem Text noch das erfolgreiche Ende. Noch immer hat sich der Tag des Herrn nicht ganz eingestellt. Wir können schauen, ob es ein bisschen gelungen ist.
Mahner und Ermutiger
Jenseits der biblischen Texte fallen mir Rufer unserer Tage ein. Zu jedem der wichtigen Themen der Gesellschaft und der Kirche gibt es die Mahner und die Ermutiger. Sie sind jederzeit zu einem Statement bereit. Sie kommen mit ihren Positionen immer wieder in die Presse. Sie sitzen in den Talkshows und geben allen Zuschauern das Gefühl, dass sie es sicher wissen.
Und Jesus?
Johannes wird bei Markus als Bote vorgestellt. Zugleich heißt es: "Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes." Erst ist der Bote am Zug. Er weckt die Aufmerksamkeit. Dann kommt der Retter mit der zentralen Botschaft.
In den Adventstagen kommt Jesus nicht mit Macht und Autorität zum Tragen. Da ist er eher der zaghafte und leise Rufer. Hinter Jesaja und hinter Johannes ist er schon zu ahnen. Leise fragt er schon einmal: "Bist du bereit für mich?" An Weihnachten wird er fragen: "Willst du dich auf mich als kleines Kind einlassen?" - Wie weit bin ich schon in meinem Weg zum Ja?
Der Wettstreit der Marktschreier macht Freude und ist im Moment schön. Doch er prägt sich nicht ein. Nach zwei Tagen habe ich ihre Sprüche und ihre Stimmen vergessen. Anders ist es bei dem leisen Werben Jesu. Das bleibt mir. Das kann ins Herz und kann sich entfalten.
Zumal ich ja von Johannes weiß: Es lohnt sich!