Was ist das für ein Fest!
Jesus öffnet uns die Türen. Auch die Herzen. Was klein anfängt, erobert die Welt. Mit Worten, die alle verstehen. Pfingsten erzählt von einer Liebenserklärung: „Ich habe euch lieb“. Das beflügelt alle guten Geister. Was ist das für ein Fest! Es stürmt, lodert – und wir reden mit der Welt, als ob wir nie etwas anderes gemacht hätten. So viel Welt an diesem kleinen Ort! Sie steht Kopf! Und: die Menschen verstehen. Sie verstehen Gott, sie verstehen sich, sie verstehen die Welt. Was ist das für ein Fest!
Ohne Punkt und ohne Komma
Was ist das für ein Fest! Es stürmt, lodert – und einfache Fischer reden mit der Welt, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. So viel Welt an einem Ort! Sie steht Kopf! Und: die Menschen verstehen. Sie verstehen Gott, sie verstehen sich, sie verstehen die Welt. Sie hören von den großen Taten Gottes in ihren Sprachen. Lukas, der die Geschichte erzählt, wägt zwar die Worte – aber die sprudeln dann nur so. Was ist das für ein Fest!
Lukas ist ein Meister der Erzählkunst. In seinem Evangelium und dann auch in der Apostelgeschichte erzählt er Geschichten, die keinen Zeigefinger brauchen, aber mit Worten die Welt verwandeln: Die Weihnachtsgeschichte, zum Beispiel. Der barmherzige Samariter. Der reiche Mann und der arme Lazarus – und eben auch die Pfingstgeschichte.
Die Jünger, einfache Leute, werden mit Hl. Geist geradezu überschüttet. Die Propheten haben das kommen sehen! Bei Joel ist sogar von Knechten und Mägden die Rede, die mit Geist beschenkt werden – hier wird „Elite“ ganz neu bestimmt. Wie Sturm, wie Feuer – die Jünger werden mitgerissen, angesteckt. Ganz dicht erzählt Lukas davon – atemlos, überrascht – ohne Punkt und ohne Komma. Das hat die Welt noch nicht gesehen!
Geistesblitz
Anders als Lukas verliere ich jetzt schon fast zu viele Worte. Entschuldigung. Aber es ist ein erstaunliches Ereignis, wenn Menschen Worte finden, die Gottes Liebe unter uns lebendig werden lassen. Wenn sie mutig werden, sich der Welt zu öffnen. Wenn sie leidenschaftlich den Auftrag Jesu annehmen, seine Zeugen zu sein. Genau das geschieht heute! In einem Kreis von Menschen, in deren Wiege nicht gelegt war, nur mit Worten Wunder zu wirken. Zehn Tage nach Himmelfahrt. Als Jesus seine Jünger verließ – und uns auch – hat er die Kraft des Heiligen Geistes versprochen. Seinen Geist! Wenn er kommt, werden wir mitgerissen und angesteckt. Der Geist blitzt auf! Wir haben einen Geistesblitz! In die Dunkelheit sehen wir das Licht fahren – und die Dunkelheit wird zerrissen.
Die Welt, in der wir leben, wird mit Worten überschüttet – zugeschüttet. Aber viele Worte sagen nichts mehr. Sie eilen, schlingern, eiern – sie verstecken, verschlimmern, verdecken. Sie sind wie ein Sturm, der verwüstet – sie sind wie ein Feuer, das alles verbrennt. Worte geben sich freundlich, vergiften aber – triefen voller Wahrheit, sind aber verlogen. Ich weiß nicht, was ich glauben kann. Viele Worte machen mir Angst. Manchmal bin ich in meiner eigenen Sprache nicht mehr zu Hause. Ich vermisse Worte, die die Welt verwandeln – ich brauche Worte, die mich verwandeln. Wie ein Wind im Rücken, wie ein Feuer im Herzen. Lukas gebraucht Bilder, die so wandlungsfähig sind wie die Erfahrungen, meine Erfahrungen. Es ist nicht ausgemacht, was ein Sturm ist – und was ein Feuer.
Hauptsache: der Geist kommt zu uns. Wie Feuerzungen. Auf meinem Kopf. Tatsächlich: auch sichtbar! Für andere. Der Geist bleibt nicht allein. Die Pfingstgeschichte bewegt sich und bringt in Bewegung. Sie zeigt die Kraft der Worte – hat Gott nicht durch sein Wort die Welt geschaffen? Das Licht? Lukas schaut auf den Anfang, auf den ersten Tag – wir fangen neu an! Pfingsten!
Evangelium
So eingestimmt hören wir das Evangelium. Johannes erzählt die Pfingstgeschichte als Ostergeschichte – und das ist eigentlich auch ihr Sinn. Der auferstandene Christus schenkt Leben! Die Jünger haben sich aus Furcht zurückgezogen. Es ist von verschlossenen Türen die Rede – wir ahnen auch die verschlossenen Herzen. Was heißt das, sich zu verschließen? Dicht zu machen? Angst zu haben? Dann ist die Welt, dann sind die Menschen, die draußen sind, zu Feinden geworden. Oder zu Fremden. Wenigstens zu Fremden.
Auch Christen und Christinnen haben oft genug geglaubt, ihre kleine heile Welt in einem Ghetto bewahren zu müssen, ihre Identität gegen den bösen Zeitgeist behaupten zu können, ihre Reinheit von der bösen Welt nicht beschmutzen zu lassen. Manche glauben das auch heute noch.
Jesus aber kommt in unsere Mitte und bringt uns den Frieden – mit einem Gruß, der Türen und Herzen öffnet. Die Insel der Seligen wird auf die Plätze, auch auf die Schauplätze unserer Städte und Dörfer verlegt. Denn Friede – das hebr. Wort heißt „Schalom“ – macht heil, was getrennt ist, macht ganz, was geteilt ist, macht hell, was im Dunkel verschwindet.
Komm herab!
In der alten Pfingstsequenz heißt es:
Komm herab, o Heil‘ger Geist,
der die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt.
Komm, der alle Armen liebt,
komm, der gute Gaben gibt,
komm, der jedes Herz erhellt.
Höchster Tröster in der Zeit,
Gast, der Herz und Sinn erfreut,
köstlich Labsal in der Not,
in der Unrast schenkst du Ruh,
hauchst in Hitze Kühlung zu,
spendest Trost in Leid und Tod.
Wenn Jesus so in unsere Mitte kommt und uns den Frieden bringt, hören wir ihn sagen:
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!
Anhauchen. Anhauchen heißt: nahe zu sein. Er ist mir nahe. Ich bin ihm nahe. Ich spüre ihn. Es ist sein Lebensatem. Auf meinem Gesicht. Eine zärtliche Geste ist das auch, hier, an diesem Ort, wo die Türen verschlossen wurden. Wurden!
Die Folgen hat Johannes, der Evangelist, im Blick. Der Heilige Geist hat die Kraft, mit Menschen neu anzufangen, ihnen neue Wege zu eröffnen, ihnen neue Worte zu schenken. Das hat viel mit Vergebung zu tun: Wer sich und andere auf die alten Geschichten, Vorwürfe und Verstrickungen festlegt, wird nicht aufbrechen können, wird auch das Leben nicht finden – und eben auch nicht die Zukunft. Darum kommt der Auferstandene – am ersten Tag – zu seiner Gemeinde, um sie fähig zu machen, aus der Versöhnung zu leben. Türen auf, Fenster auf – draußen spielt die Musik.
Der erste Tag: das ist der Sonntag. Das ist der Tag der Auferstehung. Das ist auch der Pfingsttag.
Wir haben über die Verlorenheit vieler Worte Worte verloren. Wir kennen die Angst, als Gemeinde im Strudel vieler Worte und Ansprüche unterzugehen. Wir brauchen verschlossene Türen, um hinter ihnen Wunden zu lecken. Wir sehnen uns nach Geborgenheit und Frieden.
Aber Jesus macht uns nicht die selbstgenügsame Einsamkeit, auch nicht die gemütliche Stube schmackhaft. Jesus öffnet uns die Türen. Auch die Herzen. Sein Geist ist wie ein Hauchen, wie ein Sturm dann auch, wie ein Feuer. Was klein anfängt, erobert die Welt. Mit Worten, die alle verstehen. Pfingsten erzählt von einer Liebenserklärung: „Ich habe euch lieb“. Das beflügelt alle guten Geister und die bösen zischen ab.
Was ist das für ein Fest! Es stürmt, lodert – und wir reden mit der Welt, als ob wir nie etwas anderes gemacht hätten. So viel Welt an diesem kleinen Ort! Sie steht Kopf! Und: die Menschen verstehen. Sie verstehen Gott, sie verstehen sich, sie verstehen die Welt. Was ist das für ein Fest!
Ein Traum ist das nicht!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.