Lesung aus dem Buch Daniel.
Daniel sagte:
Ich schaute in meiner Vision während der Nacht und siehe:
Da kam mit den Wolken des Himmels
einer wie ein Menschensohn.
Er gelangte bis zu dem Hochbetagten
und wurde vor ihn geführt.
Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben.
Alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm.
Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft.
Sein Reich geht niemals unter.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Das 7. Kapitel des Buches Daniel bildet das "Herzstück" des gesamten Danielbuches. In diesem Kapitel wird auch ein "letztes" Wort über die brutalen Weltreiche gesagt, die uns in den vorausgegangenen Geschichten über Daniel und seine Freunde vor Augen geführt wurden.
Im vorliegenden Abschnitt begegnet uns der Ausdruck "Menschensohn". Die kurze Szene (Verse 13b) widerspiegelt eine Inthronisationsfeier.
Dass das Königtum menschenähnlichen Charakter hat, bedeutet, aus der symbolischen Sprache zurückübersetzt, dass es göttlichen Wesens ist.
Dieses Königtum kommt von "oben" und nicht von unten, der Welt der "unheimlichen Tiere", die bei Daniel die mächtigen Reiche dieser Welt verkörpern.
Jesus selbst hat den Titel "Menschensohn" für sich beansprucht, vor allem dann, wenn er von seinem Leiden und seinem Kommen in Herrlichkeit sprach.
Die erste Lesung aus dem Buch Daniel ist ein Teil einer Vision Daniels, in der die Ereignisse der Zeit - das Buch entstand in der ersten Hälfte des 2. Jhdt. v. Chr. - und der Zukunft in Bildern gefasst werden. Das Buch Daniel ist ein apokalyptisches Buch. Damit gehört es zu einer Schriftgattung, die versucht, den Plan Gottes aus der Geschichte heraus kundzutun, jenen Plan, der auf die Vollendung der Welt und des Menschen in Heil/Gericht abzielt.
Den grauenhaften Tieren, grässlich anzusehen, ganz und gar unheilig, Symbole für damalige Königreiche, wird der eine Heilige, der Messias - hier im Begriff des Menschensohnes ausgedrückt - gegenübergestellt. Während alle anderen Königreiche untergehen, hat seines Bestand. Während alle anderen Königreiche also zeitlich und räumlich begrenzt sind, reicht das endzeitliche Gottesreich, von dem Daniel in seiner Vision spricht, über alles hinaus.
Darum geht es im aramäischen Hauptteil des Danielbuches: die Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes angesichts der einander ablösenden Weltherrschaften von menschlichen Machthabern zu manifestieren. Ein Grund zur Hoffnung für all jene, die unter willkürlicher Machtausübung und Fremdbestimmung durch die Machthaber ihrer Zeit leiden.
Lorenz Walter Voith (2000)
Gabi Ceric (1997)