Erste Begegnung
Das ist doch eine spannende, kleine Begegnung am Rande: Pilger aus Griechenland kommen zum Paschafest nach Jerusalem - und wollen Jesus sehen! Ein schöner Satz: "wir möchten Jesus sehen".
Nur: Was wissen sie von ihm? Was haben sie gehört? Was wollen sie von ihm? Obwohl alles offen bleibt - ihr Wunsch spricht für sich. Und für sie! Ob sie ahnen, dass an diesem Paschafest in Jerusalem Jesus gekreuzigt und verherrlicht wird?
Ich möchte Jesus auch gerne sehen! Und er zeigt sich auch. Anders vielleicht, als erwartet, anders vielleicht auch als gewünscht. Ein Weizenkorn fällt in die Erde - und stirbt, nicht ohne neues Leben aufgehen zu lassen. Es ist ein ganz einfacher Blick - auf ein (!) Weizenkorn. Und auf eine (!) Ähre! Es ist nicht nur ein natürlicher Vorgang - es ist ein Wunder: Das Wunder des Lebens. Ein Weizenkorn - reiche Frucht! Ich sehe Jesus. Ich sehe seine Hingabe, seine Liebe! Der Evangelist deutet Leiden und Tod Jesu an - und erzählt dann doch schon von seinem Sieg über den Tod, ja, von seiner Herrlichkeit.
Karfreitag und Ostern wachsen ineinander und lassen sich nicht mehr trennen. Dann entdecke ich, in der einen Ähre, wie ich von ihm das Leben geschenkt bekomme, die Hoffnung, den Glauben. Ich bin Teil der reichen Frucht, ich gehöre dazu. Ein Weizenkorn - reiche Frucht!
In einem Lied, das Jürgen Henkys 1976 aus dem Englischen übersetzt hat, heißt es:
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt.
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Das Korn versinkt in den Tod, aber der Keim dringt in den Morgen.
Im Refrain wird die Liebe besungen, die auflebt - und wie Weizen wächst. Der Halm ist grün!
Neuer Bund
Werfen wir einen weiten Blick zurück! In der Lesung aus dem Buch Jeremia haben wir die Verheißung eines neuen Bundes gehört - nachdem wir Menschen den alten immer wieder gebrochen, zurückgesetzt oder schlecht gemacht haben. Jeremia kennt die Geschichte seiner Leute. Jetzt aber sind sie in einer scheinbar aussichtslosen und traurigen Lage, fernab ihrer Heimat, fernab ihrer großen Träume. Es fällt ihnen schwer, sich ein Scheitern einzugestehen - es fällt ihnen auch schwer, über Schuld zu reden. Wir kennen die Sprachlosigkeit, wir kennen auch die Angst. Der neue Bund soll dann auch ganz anders sein als der alte. Es ist, als ob Gott selbst aus seinen Erfahrungen mit uns viel gelernt hat. Wir hören Gott sagen: "Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein."
Dass Gott immer schon unser Gott ist und wir sein Volk, das sagt er jetzt nicht! So, wie er es sagt, soll es ganz neu klingen. Wir gehören zusammen - sagt er. In diesem einen Satz liegt ein großes Geschenk. Er schenkt sich uns. Verdient haben wir bisher nichts, verdienen werden wir auch nichts. Es ist Liebe, seine Liebe, die uns aufnimmt - und aufhebt.
Dann bekommen auch diese Worte ein besonderes Gewicht: "Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz." Ist das nicht auch - Saat? Saat, die aufgeht? Das Bild von dem Weizenkorn stellt sich wieder ein.
In dem Lied von Jürgen Henkys heißt es:
Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
Wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
In dieser - zweiten Strophe - kommt zur Sprache, was geschieht, wenn die Liebe nicht mehr lebt, nicht mehr leben darf. Über Gottes Liebe wird der Stab gebrochen, vor sie wird ein Felsen gerollt - und Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? Aber: der Refrain weiß, was geschehen wird - von Gott geschehen wird: "Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün"
Gottes Wort soll in mir leben. In meinem Herzen! Der Halm ist grün!
Wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein
Jesus erzählt von sich als dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt - und reiche Frucht bringt. Für ihn heißt das auch, uns einzuladen, uns aufzufordern, ihm zu folgen. "Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; Und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mit dient, wird der Vater ihn ehren".
In der Geschichte der Kirchen begegnen wir vielen Menschen, die bereit waren, für Jesus auch ihr Leben einzusetzen. Wir denken an die Märtyrer der alten Kirche, an Menschen, die für Wahrheit und Recht eintraten, als Wahrheit und Recht mit Füßen getreten wurden, wir denken an Menschen, die heute im Nahen Osten - und anderswo - Christus treu bleiben wollen, aber um ihr Leben bangen müssen.
Manchmal hört es sich schön an, wie das Evangelium die Dinge auf den Punkt bringt - aber viele Menschen treten in die Leidensgeschichte Jesu ein. Sie nehmen ihre eigene Leidensgeschichte an! Es ist nicht selbstverständlich, auf der Seite Jesu zu sein - und auf seiner Seite zu bleiben. Mutig müssten wir sein - mutiger! Was heißt es für uns, Jesus zu folgen? Oft haben wir nicht einmal die Kraft, Menschen zur Seite stehen, die ihr Bekenntnis mutig wagen, dafür aber notfalls fliehen müssen, keine Zukunft für ihre Kinder haben - vielleicht sogar umgebracht werden. Statistiken sind nicht alles, aber Christen stellen heute den höchsten Anteil an den Menschen, die um ihres Glaubens willen verfolgt und getötet werden.
Ich denke an die Pilger, die Jesus sehen wollen. Sie werden nicht Zuschauer bleiben können. In Jerusalem nicht, in ihrer Heimat auch nicht. Jesus erzählt von sich als dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt - und reiche Frucht bringt.
Das Lied vom Weizenkorn hat noch eine dritte Strophe:
Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
Unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn -
Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Von dem verlorenen Samenkorn wird gesungen, von dem gefangenen Herz. Dann aber sehen wir die Nacht gehen und den dritten Tag erscheinen: Den Ostermorgen.
Das letzte Wort, nicht nur im Lied, hat Jesus. Der Halm ist grün!
Das letzte Wort
Das Evangelium hat das letzte Wort - ich habe nichts mehr zu sagen:
"Da kam eine Stimme vom Himmel:
Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.
Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert.
Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet.
Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch.
Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt;
jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden.
Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen."
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.