„Der heimgekehrte Nachbar“
Das heutige Evangelium ist eine spannende Sache. Da ist einer aus den eigenen Reihen, der fortgegangen ist; ein ganz normaler Mitbürger. Er hat die Heimat verlassen und zieht nun mit einigen Kumpels durch die Gegend. Wanderprediger – das war damals nichts Ungewöhnliches. Aber trotzdem: Viele Jahre war er ein ganz normaler Mitbürger; ein Nachbar; ein Arbeiter wie sie. Nichts Außergewöhnliches. Der Zimmermannssohn aus der Nachbarschaft. Und dann hört man von ihm, dass er gewissermaßen ein „Star“ geworden ist: er soll Menschen geheilt haben; er soll andere faszinieren; viele Menschen folgen ihm. Ja, natürlich – reden konnte er schon immer gut; aber heilen? Und dieser Mann kommt nun heim. Und natürlich sind die Leute neugierig: Was wird er sagen? Was wird er tun? Wenn er schon in der Fremde so viel Großartiges getan hat – was wird er dann nicht alles daheim machen können?
„Heute hat sich erfüllt“
So ergeht es Jesus, als er nach Nazaret heimkommt, seiner Heimatstadt: Er trifft seine Freunde, seine Familie, seine Nachbarn. Und er geht mit ihnen in die Synagoge, um die Heilige Schrift zu lesen. Alles ganz normal und wie immer. Nichts Besonderes. Er liest die Stelle über die Messias-ankündigung im Prophetenbuch Jesaja. Und dann sagt er das eine Wort, das alles ändert: „Heute hat sich das Wort der Schrift erfüllt.“
Man muss sich das vorstellen: Seit Jahrhunderten hat das jüdische Volk diese Worte aus dem Propheten Jesaja gelesen; seit Jahrhunderten warten sie auf den Messias; auf den, der alles heil machen kann. Auf den, der die ungerechte Situation, die Unterdrückung durch andere Völker (gerade jetzt die Römer) beenden kann. Und dieser Jesus, dieser Sohn des Zimmermanns , ergreift das Wort und sagt: Jetzt ist die Stunde da!
Er sagt von sich: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt“ – und gesalbt zu sein heißt auf Hebräisch: „Messias“, der Gesalbte. Das war kein Zufall. Denn Jesus hat diese Stelle bewusst aufgeschlagen; es heißt: er schlug das Buch auf und fand die Stelle ...“
Und die Menschen sind in diesem Moment begeistert: „Seine Rede fand Beifall und sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund kamen.“ Die Geschichte nimmt dann noch eine dramatische Wendung im Blick auf den „Propheten im eigenen Haus“ – aber der heutige Abschnitt konzentriert sich zunächst auf das, was Jesus zu sagen hat.
„Gesendet zu den Armen“
Jesus beginnt hier seine Verkündigung – und er beginnt damit, dass er sein Gottesbild und sein Bild des Messias klarstellt: Er spricht von einem Gott der Armen, von einem Gott, der sich noch um die Schwächsten kümmert. Einen Gott, der ein Herz hat für das Verwundete und die Verwundeten: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“
In diesen wenigen Sätzen ist das ganze Programm Jesu enthalten: er ist gerade deshalb gekommen, damit er die aufrichtet, die niedergedrückt sind; dass er Traurige tröstet und Freude in das Leben der Menschen bringt. Die Botschaft Jesu, das „Evangelium“, heißt ja übersetzt nichts anderes als „Frohe Botschaft“. Jesus ist nur dort hart in seinen Aussagen, wo es gegen die Freiheit von Menschen geht; wo Rassismus herrscht oder Vorurteile. Wo Äußerliches mehr zählt als die inneren Werte, da findet er ganz harte Worte. Aber der Kern seiner Botschaft – und das ist der Grund, warum wir hier gemeinsam feiern – der Kern heißt: Freut euch, denn ihr habt einen Gott, der euch liebt; freut euch, denn er ist barmherzig und gnädig.
„Heute hat sich erfüllt“ – Die Sendung jedes Christen
Dieses Evangelium ist aber nicht gedacht als Bericht von etwas, was vor 2000 Jahren geschehen ist. Dieses „Heute hat sich erfüllt“ gilt immer wieder neu – auch hier und heute: Heute gilt es, dieses Christsein zu leben; mein eigenes Christsein. Heute bin ich herausgefordert, diese Freude an Gott zu leben. Und zugleich gilt auch heute: Wir glauben an einen Gott, der aufrichtet.
Und nicht zuletzt durch unsere Taufe gilt: „Der Geist Gottes ruht auf dir ...“ Der Geist, der uns in der Taufe und in der Firmung zugesagt ist. Es ist der Geist, der aufrichtet; ein Geist der Mut macht.
Und es ist derselbe Geist, der uns aussendet: Wir selbst sind gesandt, frohe Botschaft zu bringen. Nicht griesgrämige Christen, sondern fröhliche sind gefragt – so wie es schon in der Lesung aus dem Buch Nehemia geheißen hat: Die Freude an Gott ist unsere Kraft. Es geht dabei nicht um reine Ausgelassenheit, sondern um die Freude des Herzens.
Würden wir in Gemeinden oder in der Kirche mehr diese Erfahrung machen, dass Glaube nicht einengt, sondern frei macht; und dass die Botschaft Gottes im letzten eine Frohbotschaft ist – unsere Kirche würde wohl etwas einladender und freundlicher sein. Vorschreiben oder befehlen kann man Freude nicht; aber man kann sie vorleben. Denn verkündigen können wir diese Botschaft nur mit unserem Leben: dass wir als Christen frohe Menschen sind.
„Die Freude an Gott …“
Warum tut sich unsere Kirche so schwer, Freude zu zeigen oder zuzulassen? Ich weiß es nicht. Mit dem Glauben verbinden die meisten etwas sehr Ernstes: Etwas, wo ich Fehler und Sünden begehen kann; wo ich klare Regeln habe, an die ich mich halten muss. Und mit Gottesdiensten wird auch meist die ernste Miene verbunden. Natürlich ist der Inhalt der Feier etwas sehr Ernstes: Es geht um Tod und Auferstehung Jesu; und es geht um unser eigenes Leben. Und dennoch ist es eine Freudenfeier: Eine Dankesfeier für das, was Jesus uns schenkt.
Die Freude am Herrn gibt dem Volk Israel nach der Rückkehr aus dem Exil die Kraft, neu anzufangen; etwas aufzubauen. Die Gesetze geben zwar den Halt und die Ordnung – und es braucht Gesetze und Regeln, wenn Menschen zusammenleben, so auch in der Kirche. Aber Kraft zum Leben schöpfen wir nicht aus den Gesetzen, aus Regeln und Vorschriften – sondern Kraft schöpfen wir aus dem, was uns Freude macht und begeistert; was unser Inneres anspricht; wo unser Herz dabei ist.
Die Freude gehört somit zum innersten Kern unseres Christseins. Jesus ist dort hart in seinen Aussagen, wo es gegen die Freiheit von Menschen geht; wo Rassismus herrscht oder Vorurteile. Wo Äußerliches mehr zählt als die inneren Werte, da findet er ganz harte Worte. Aber der Kern seiner Botschaft – und das ist der Grund, warum wir hier gemeinsam feiern – der Kern heißt: Freut euch, denn ihr habt einen Gott, der euch liebt; freut euch, denn er ist barmherzig und gnädig.