Die Rede vom Königtum hat im religiösen Kontext eine lange Entwicklung hinter sich. Vor diesem Hintergrund müssen wir behutsam mit Metaphern umgehen, die an unheilvolle Verquickungen von Religion und Politik erinnern. Jesu sagt von sich, er sei gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Dieses Zeugnis ist auch von uns gefordert.
Das jüdische Königtum
Das jährliche Christkönigsfest löst immer wieder eine Reihe von widersprüchlichen Reaktionen aus. Es ist Tatsache, dass Gott schon im Alten Testament als König bezeichnet worden ist. In Israel gab es eine dem Königtum sehr kritisch gegenüberstehende Strömung. In dieser wurde Gott alleine als König des Volkes anerkannt und die Regentschaft jüdischer Könige kritisch verfolgt und beurteilt. Nach dem Ende des Königtums durch das Babylonische Exil verschoben sich die Hoffnungen des Volkes auf den Messias. Er sollte, von Gott gesendet und gesalbt, gerecht regieren, im Sinne Gottes handeln und das Volk zu Frieden und Wohlstand führen.
Da König ein politisch gefüllter Begriff war und ist, standen bezüglich des Wirkens Jesu auch die Erwartungen, durch ihn von der Fremdherrschaft der Römer befreit zu werden, im Raum. Das Gespräch zwischen Jesus und Pilatus über das Königtum hat also einige Brisanz. Zwei mächtige Männer stehen einander gegenüber. Der brutale und gewalttätige Statthalter des römischen Kaisers und der gefesselte Mann, der für den Erlöser und Messias gehalten wird.
Bist du der König der Juden, fragt Pilatus und meint die politische Macht. Ja, ich bin ein König, antwortet Jesus und fügt hinzu: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Mein Königtum dient dazu, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Pilatus kann mit diesem Verständnis von Königtum nichts anfangen und lässt Jesus als möglichen politischen Rivalen des Kaisers hinrichten. Damit hat sich die staatliche Gewalt durchgesetzt, gegen den Anspruch der Wahrheit, die eigentliche Macht im menschlichen Leben zu sein.
König kraft der Wahrheit
Danach war längere Zeit die Rede von Jesus dem König verstummt. Das junge Christentum wurde verfolgt. Es hatte keine politischen Machtmittel, sondern nur die Kraft der Wahrheit mit der Verkündigung der Auferstehung Jesu. Damit verbreitete es sich rasch im ganzen römischen Reich. Unter Kaiser Konstantin wurde das Christentum dann zur Staatsreligion und damit begann eine unheilvolle Verflechtung, die das Verwenden von politischen Metaphern in der christlichen Sprache gefährlich macht. Denn ab dieser Zeit ist auch das Christentum der Versuchung erlegen, die Mittel staatlicher Macht und Gewalt zur Durchsetzung seiner Interessen, Bedürfnisse und Ansprüche zu verwenden.
Vor Pilatus hat Jesus sich noch klar davon distanziert. Mein Königtum ist nicht von dieser Welt, denn sonst würden meine Leute für mich kämpfen, mich schützen, die Angreifenden umbringen. Jesus bezeugt, dass er nur die Überzeugungskraft der Wahrheit seiner Botschaft und nicht Gewalt einsetzen will und ist damit untergegangen.
Später sah man das nicht mehr so und gebrauchte Zwang und Gewalt gegen anders Denkende und Glaubende reichlich und skrupellos. Ein heiliges römisches Reich wurde errichtet, Kreuzzüge geführt, indigene Völker mit Gewalt zwangsgetauft, Menschen mit Drohungen und Folter gezwungen sich den Machtinteressen der Kirchen zu beugen, und die Vorstellung vom König von Gottes Gnaden entwickelt.
Erst die Aufklärung, die Befreiung der Menschen aus dieser Bevormundung, hat da eine Wende gebracht und die Kirchen gezwungen sich darauf zu besinnen, dass es ihr Auftrag ist, eine religiöse Botschaft zu verbreiten, die Menschen in völliger Freiwilligkeit übernehmen können oder auch nicht. So wurde langsam und mühsam eine Entflechtung von politischer und religiöser Einflussnahme möglich. Das hat in vielen Ländern zur Trennung von Kirche und Staat geführt. Religiöse und kirchliche Interessen sind autonom und unabhängig, können aber nicht mehr mit Mitteln staatlicher Gewalt durchgesetzt werden. Auch der Staat hat die Autonomie der Kirchen zu respektieren und die Freiheit der Religionsausübung zu garantieren.
Politische Metaphern
Aber die Sprache, die Begriffe und Worte, die ändern ihre Bedeutung nicht so schnell. Deshalb ist es auch schwierig, wenn wir in der Bibel vom Königtum Gottes und Jesu lesen, den Satz Jesu: „Mein Königtum ist aber nicht von dieser Welt“, nicht zu überlesen und unsere Machtansprüche zu hinterfragen.
Wer in politischen Metaphern über Jesus und seine Botschaft und Anliegen redet, läuft Gefahr die alten unglückseligen Zeiten religiös motivierter Gewalt wieder ins Spiel zu bringen. Es gibt sie auch heute noch, die Legionäre Christi, Liedtexte wie: "Mir nach spricht Christus unser Held...", "...dass wir nach allem Kampf und Streit, die Lebenskron erringen", Gebetstexte und so weiter. Wer politische Metaphern für die religiöse Sprache verwendet, ruft die Bilder, Gefühle und Erwartungen aus der Geschichte wieder hervor, die eigentlich überwunden sein sollten.
Was damit riskiert wird, kann uns der Blick in die islamische Welt zeigen, wo gerade der religiöse Begriff Dschihad, der Anstrengung für den Glauben bedeutet, von den radikalen, gewalttätigen islamistischen Fundamentalisten als Heiliger Krieg missbraucht und damit zerstört und für Jahrzehnte unbrauchbar gemacht wird.
Sollen wir also das Christkönigsfest nicht mehr feiern, die Psalmen über Gottes Königtum nicht mehr beten, alle Lieder mit politischen Metaphern nicht mehr singen? Ich denke, Sensibilität ist geboten. Das Bewusstsein, was mit dieser Sprache ausgelöst werden könnte, sollte uns vorsichtig machen. Welche Menschen können diese Begriffe im übertragenen, spirituellen Sinn verstehen, sodass die alte Sprache nicht zu falschen Vorstellungen führt, und welche nicht? Bei welchen Menschen löst dieses Fest Sehnsucht nach der guten alten Zeit aus, wo die Leute noch in die Kirche gingen um nicht ins Gerede zu kommen, wo der Pfarrer noch das moralische Verhalten der Menschen öffentlich beurteilte und Bischöfe forderten, christliche Parteien zu wählen?
Für die Wahrheit Zeugnis ablegen
Ich denke es ist wichtig uns anlässlich des Christkönigsfestes jedes Jahr wieder darauf zu besinnen, dass es die Aufgabe der Kirche ist für die Wahrheit Zeugnis zu geben. Dabei dürfen keine Mittel staatlicher oder auch psychologischer Gewalt angewendet werden. Wir haben nur die Kraft der Überzeugung, des gelebten Beispiels und des Dialogs. Wer aus der Wahrheit ist, sagt Jesus, hört auf meine Stimme. Bei den Menschen guten Willens, die spüren, dass wir eine befreiende, erlösende und frohe Botschaft bringen möchten, werden wir weiterhin Gehör finden. Tätige Nächstenliebe, Versöhnungsbereitschaft und die Fähigkeit, allen Menschen ihre Würde spüren zu lassen, brauchen keine Mittel staatlicher Gewalt um wahrgenommen zu werden und sich durchzusetzen.
So betrachtet könnten wir das Christkönigsfest als vorgehaltenen Spiegel sehen. Haben wir uns von der Vorstellung von Jesus als irdischem König, der seine Macht mit Mitteln der politischen Gewalt durchsetzt, schon gelöst oder trauern wir insgeheim diesen Zeiten noch nach? Sind wir überzeugt von der Kraft glaubwürdig bezeugter Wahrheit und bereit, uns der Mühe so zu leben nicht zu entziehen?
© Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt
Lorenz Walter Voith (2000)
Gabi Ceric (1997)