Irgendwie komisch
Eine komische Geschichte, oder? Irgendetwas passt hier nicht. Zu einer Hochzeit lädt man schließlich nicht jeden ein. Und die, die geladen sind, kommen nicht, entschuldigen sich mit zweifelhaften Argumenten - oder schlagen die Boten gar tot? Freundlicher Empfang! Hat man so etwas schon gehört? Der Bräutigam muss eine Lachnummer sein. Oder aus der Unterwelt kommen.
Die Hochzeit soll aber gefeiert werden! Die Typen von der Straße passen dann aber auch nicht so recht in das Bild. Haben Bettler einen guten Anzug, Bettlerinnen ein schönes Abendkleid? Sogar die „Bösen“ werden genötigt, an diesem Fest teilzunehmen. Was mögen das für Leute sein? Ich sehe jetzt Gesichter vor mir. Meine Gesellschaft wird das nicht werden. Alles außer Rand und Band - und dann auch noch jenseits von Gut und Böse! Eine komische Geschichte, oder? Ich kenne schönere Märchen. Aschenputtel findet ihren Prinzen. Der Froschkönig entpuppt sich als verwunschener Prinz. Und die Bremer Stadtmusikanten finden tatsächlich etwas Besseres als den Tod. Warum aber liebe ich immer das Happy End?
Das Reich Gottes
Sie ahnen es längst. Jesus erzählt eine Geschichte vom Reich Gottes. Ausdrücklich: In jener Zeit erzählte Jesus den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes dieses Gleichnis. Und wenn diese Zielgruppe nicht erwähnt wäre, würden wir doch schon bald auf sie kommen: Hohepriester und Schriftgelehrte. Natürlich. Da war doch was! Sie geistern durch viele Texte und Erinnerungen als Negativfolie. In den Spielarten des Antisemitismus bis heute.
Als das Gleichnis von Jesus überliefert wird, natürlich auch überarbeitet, löst sich das junge Christentum, das es im engeren Sinn noch gar nicht gab, von der jüdischen Herkunftsfamilie. Mehr als ein Generationenkonflikt. Eine lange und unwegsame Geschichte. Leider auch unheilvoll und sehr gefährlich – für die Juden. Sie werden in dieser Geschichte tatsächlich mit den Hochzeitsgästen identifiziert, die die Boten quälen, missbrauchen und töten. Zumindest mit Ausreden und Ausflüchten haben sie sich der Einladung Gottes entzogen. Sprich: Das Volk Gottes ist des Reiches Gottes nicht würdig. Lange nach dem Tode Jesu und seiner Auferstehung hat diese Geschichte Worte, Farben und Linien bekommen. Es ist eine bittere Geschichte.
Eine neue Zielgruppe
So kommen jetzt die Leute von der Straße ins Spiel. Bildlich: die Heiden. Die Fremden. Die bisher noch nicht dazu gehörten. Die vom Reich Gottes nur träumen konnten. Die nichts mitbringen. Weder eine Geschichte mit Gott noch eine Geschichte mit den Juden. Die Trennlinien sind scharf gezogen. Eigentlich sind wir diese Leute von der Straße. Vielleicht noch ein wenig deutlicher: die Christen. Sie – wir – werden von Gott zu dieser besonderen Hochzeit geladen, sozusagen von der Straße weggeholt. Das haben sich Christen oft nicht zweimal sagen lassen. Sie fühlten sich als Erben – und haben die Juden enterbt. Sie fühlen sich als die neuen Herren – und haben Progrome gerechtfertigt. Merkwürdigerweise, auffälliger Weise gibt es in dieser Geschichte aber kein Urteil Gottes. Die Geschichte erzählt. Sie erzählt von der großen Trauer, dass eine Hochzeit so ausufert. Dass Gottes Liebe so in Misskredit gerät.
Konnte Matthäus das ahnen? Hat Jesus das gewollt? Dass in der Geschichte einer, der kein hochzeitliches Gewand an hat, dann auch vor die Türe gesetzt wird, spricht dann allerdings Bände. Für Überheblichkeit ist kein Platz – an diesem Tisch. Auf einmal sind Fragen gestellt, Spuren gelegt: Es reicht nicht, von der Straße zu kommen. Es reicht auch nicht, Christ zu sein. Es reicht gewiss nicht, sich von anderen Menschen abzusetzen. Jetzt allerdings gibt es ein Jesus-Wort:
„Viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.“
Wir sind jeden Tag eingeladen
Bin ich auserwählt? Sind wir auserwählt? Lesen wir die Geschichte doch noch einmal neu. Ein Gleichnis für uns:
Wir sind eingeladen. Zu einer großen Hochzeit. Zum Reich Gottes. Alles ist schön vorbereitet. Ein solches Fest gibt es nur einmal. Gehe ich hin? Gehen wir hin? Doch keine Frage! Alles, was wir machen, wird auf einmal unwichtig. Unser Kalender, voll, überfließend, gruppiert sich um dieses eine Ereignis – und nimmt ihm nichts. Kann ihm auch nichts geben. Nicht einmal von Geschenken ist die Rede. Nur davon, sich ganz auf die Einladung zu freuen und dabei zu sein.
Ich weiß wohl, habe es auch schon lange gefürchtet, dass es bei uns so viel anders nicht ist als bei den Hochzeitsgästen, die uns in dieser befremdlichen und unheimlichen Geschichte begegnen. Die Hochzeit, die uns im Evangelium begegnet, ist auch nicht an einem Tag, fein herausgehoben von den vielen anderen. Es gibt auch kein Datum – und auch keinen Hochzeitstag. Den kann man eintragen. Den kann man feiern. Den kann man vergessen. Gottes Reich – Bild dafür ist die Hochzeit – ist eine Angelegenheit jeden Tages. Ich bin jeden Tag eingeladen! Und ich habe jeden Tag auch meine Ausflüchte und Ausreden.
So betrachtet, ist das Gleichnis Jesu ein treues Spiegelbild unseres Lebens. Wir erzählen davon, wir reden darüber. Recht betrachtet, haben wir uns schon oft hinter unseren Aufgaben, Terminen und Dringlichkeiten versteckt. Gottes Boten haben wir glücklicherweise nicht bedroht. Aber ignoriert. Gottes Boten sind übrigens alle Menschen, die nach Liebe fragen, nach Verstehen, nach Zukunft. Gottes Reich funktioniert nicht, Gottes Reich ist ein Geschenk, eine Verheißung, eine Realität. Eben eine Hochzeit. Herausgehoben, herausgebrochen aus dem Alltag, doch so lebendig, dass ich danach ein anderer bin als jetzt. Von großen Tagen zehre ich auch sonst. Sie sind wie Lichter in der Nacht, wie Kleinode in der Wüste, wie ein Diamant unter Steinen. Ein besseres Bild als Hochzeit fällt mir übrigens nicht ein, wenn ich von der Liebe, der Weite, der Größe Gottes etwas sagen möchte. Dass ich dabei bin, dass wir uns sehen – toll!
An dieser Stelle muss noch einmal die erste Lesung laut werden, die Lesung aus dem Alten Testament, aus dem Buch Jesaja:
„An jenem Tag wird der Herr der Heere auf diesem Berg - dem Zion - für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. Er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt. Er beseitigt den Tod für immer. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht.“
Ist das nicht Gottes Reich, Gottes Hochzeit?
Mahl des Herrn
Vielleicht denken Sie noch über die Geschichte nach, wenn Sie wieder zu Hause sind. Manche Gedanken gehen auch nicht aus dem Kopf. Vermutlich finden Sie noch viele Einzelheiten, Beobachtungen, Hinweise, die jetzt noch fehlen. Das Evangelium ist unergründlich und für Entdeckungen offen.
Wir haben heute auch über die Abgründe, die sich in einer Geschichte auftun können, gesprochen.
Wir freuen uns aber auch darüber, uns in dieser Geschichte zu finden, um über unser Leben zu reden. Und ganz besonders glücklich sind wir darüber, zu einem Fest eingeladen zu sein, in dem uns Gott sein Reich auftut.
Eine komische Geschichte ist das nicht!
Wir feiern das jeden Sonntag, oft auch noch in der Woche. Mal am Morgen, mal am Abend. Immer, wenn es heißt: Sursum corda, erhebet eure Herzen! Und dann feiern wir das Mahl unseres Herrn. Versammelt an seinem Tisch sehen und schmecken wir ihn, unseren Herrn.
Im Psalm heißt es: "Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Wohl dem Menschen, der sich auf ihn verlässt."
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus
unserem Herrn.