Lesung aus dem Buch Jesus Sirach.
Der Herr hat dem Vater Ehre verliehen bei den Kindern
und das Recht der Mutter bei den Söhnen bestätigt.
Wer den Vater ehrt,
sühnt Sünden,
und wer seine Mutter ehrt,
sammelt Schätze.
Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den Kindern
und am Tag seines Gebets
wird er erhört.
Wer den Vater ehrt, wird lange leben,
und seiner Mutter verschafft Ruhe, wer auf den Herrn hört.
Kind, nimm dich deines Vaters im Alter an
und kränke ihn nicht, solange er lebt!
Wenn er an Verstand nachlässt,
übe Nachsicht
und verachte ihn nicht in deiner ganzen Kraft!
Denn die dem Vater erwiesene Liebestat wird nicht vergessen;
und statt der Sünden wird sie dir zur Erbauung dienen.
Das Buch Jesus Sirach gehört zur Weisheitsliteratur. Man vermutet eine Abfassung um 200 vor Christus. In der Weisheitsliteratur werden die guten Erfahrungen des Alltags und der Geschichte gesammelt. Alle diese Erfahrungen gelten als das große Geschenk Gottes an sein Volk.
Der Verfasser des Buches Jesus Sirach betont die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen der elterlichen Fürsorge für die Kinder auf der einen Seite und der späteren Sorge um das Wohlergehen der Eltern von Seiten der erwachsenen Kinder.Ehrfurcht und Achtung sollen das Miteinander prägen.
Ein einzigartiges Buch des Ersten Testamentes ist das Buch Jesus Sirach, das zur alttestamentlichen Weisheit zählt. Das Buch ist im ersten Viertel des 2. Jhdt. v. Chr. Entstanden und ist vom Vordringen des hellenistischen Gedankengutes durch das Militär und durch den Handel zu jener Zeit geprägt.
Jesus Sirach ist voll von Texten verschiedener weisheitlicher Gattungen. Von Sprüchen über Hymnen bis zu Gebeten ist in dieser Sammlung vieles an Weisheit enthalten. Es lohnt sich, in diesem Buch einmal zu schmökern. Es befassen sich viele Abschnitte mit der Weisheit selbst. Dazwischen sind konkrete Anweisungen für die Gestaltung des Lebens eingelagert, die alle Lebensbereiche umfassen, angefangen vom persönlichen Lebenslauf bis hin zum öffentlichen Leben.
Unsere Lesung ist Teil dieser Anweisungen und befasst sich mit dem Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern und umgekehrt. Letztliche Motivation für eine Ethik des Handelns und des Denkens ist aber die Gottesfurcht, die Anfang und Ziel jeglicher Weisheit ist (vgl. Sir 19,20).
Vgl. Marböck, Johannes, Das Buch Jesus Sirach, in: Zenger, Erich (u.a.), Einleitung in das Alte Testament, Kohlhammer 1995, 285 ff
Das Buch Jesus Sirach ist eine im Verhältnis zum übrigen AT spät entstandene Schrift. Als Abfassungszeit kommen die Jahre um 180 v. Chr. in Betracht. Es ist das einzige Buch, das zwar nicht zum jüdischen Kanon der Bibel gehört, aber trotzdem zeitweise wie ein kanonisches Buch behandelt wurde. Für die christlichen Kirchen gehörten die meist griechischen Spätschriften, die die jüdische Tradition nicht zur Bibel zählt, schon relativ früh zum Kanon der biblischen Bücher.
Zu den griechischen Überlieferungen des Textes von Jesus Sirach sind seit 1896 ungefähr zwei Drittel des hebräischen Textes wiederentdeckt worden. Die Schwierigkeit in der Arbeit mit diesem Text liegt zum Teil in der bewegten Überlieferungsgeschichte, zum Teil auch darin, daß es eine kürzere und eine erweiterte Textfassung gibt, Verse vertauscht wurden und auch alte Übersetzungen, wie zum Beispiel die syrische und die altlateinische Fassung für das Verständnis unumgänglich sind.
Das Buch erweckt den Eindruck einer lockeren Sammlung von Sprüchen, Lehrvorschriften, Gebeten und Hymnen. Die Inhalte betreffen die alltägliche Lebenswelt, die Beziehung zu den Mitmenschen genauso wie die Beziehung zu Gott.
Eine zentrale Idee des Buches Jesus Sirach ist die Weisheit, die sogar als Person auftreten kann. Sie wurzelt in der "Gottesfurcht", der umfassenden Haltung der Offenheit und Bereitschaft des Menschen Gott gegenüber. Konkret zeigt sich diese Grundhaltung in der Anerkennung der Würde auch des Geringsten (Sir 10,19-24) und ermöglicht die Freiheit von Furcht vor allem, was geringer ist als Gott (Sir 34,16).
Die soziale und existentielle Bedeutung der Familie
Die Aussagen über die Weisheit und die Gottesfurcht sind der Horizont, in den die konkreten Ratschläge und Unterweisungen für die verschiedenen Bereiche des Verhaltens im persönlichen und öffentlichen Leben hineingestellt sind. Vielfach wird dabei so wie in diesem Lesungstext mit der Familie begonnen.
Die Weisungen die den Kindern in Sir 3,1-16 gegeben werden, sind dabei weniger als ethische, sondern als soziale Grundregeln zu sehen. Sie wenden sich an die Erwachsenen, und garantieren eine Art soziales Netz oder "Pensionsversicherung" für die älteren Menschen.
Die Auswahl der Verse für die Lesung ist hier irreführend, weil sie sofort mit dem göttlichen Gebot beginnt und den konkreten Hintergrund der Vater- und Mutterschaft, der in Sir 3,1 der eigentliche Ausgangspunkt ist, streicht.
Die Generation, die jetzt für die Leben der Gesellschaft arbeitet und die Verantwortung trägt, ist auch dafür verantwortlich, daß die Älteren ein lebenswertes Leben führen können, auch wenn sie nicht mehr in der Lage sind, selbst dafür zu arbeiten. Die alten Menschen werden so zum Schatz (3,3) und zum Segen (3,8), nicht nur im Blick auf das eigene Altwerden sondern auch durch den Reichtum der Erfahrung und des Wissens, die die Wurzel des Lebens festigen (3,9) und so Zukunft auch für kommende Generationen ermöglichen.
Maria Wachtler (2004)
Gabi Ceric (2000)
Regina Wagner (1997)