Lesung aus dem Buch Jeremía.
Weh den Hirten,
die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen –
Spruch des Herrn.
Darum – so spricht der Herr, der Gott Israels,
über die Hirten, die mein Volk weiden:
Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie versprengt
und habt euch nicht um sie gekümmert.
Jetzt kümmere ich mich bei euch um die Bosheit eurer Taten –
Spruch des Herrn.
Ich selbst aber sammle den Rest meiner Schafe
aus allen Ländern, wohin ich sie versprengt habe.
Ich bringe sie zurück auf ihre Weide
und sie werden fruchtbar sein und sich vermehren.
Ich werde für sie Hirten erwecken, die sie weiden,
und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen
und nicht mehr verloren gehen –
Spruch des Herrn.
Siehe, Tage kommen
— Spruch des Herrn —,
da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken.
Er wird als König herrschen und weise handeln
und Recht und Gerechtigkeit üben im Land.
In seinen Tagen wird Juda gerettet werden,
Israel kann in Sicherheit wohnen.
Man wird ihm den Namen geben:
Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Jeremia war einer der großen Propheten vor dem Babylonischen Exil, das mit der Erstürmung Jerusalems und der Zerstörung des Tempels 586 v. Chr. begann. Jeremia hat solch ein Ereignis vorhergesagt. In den Kapiteln 21 bis 24 wendet der Prophet sich an die Führenden des Volkes und weist sie in zahlreichen (Bild-)Reden auf mögliche Untergangsszenarien hin. Aus diesem Teil des Prophetenbuches stammt die heutige Lesung.
Die Kapitel 21-24 des Buches Jeremia stehen ebenso wie Kapitel 34-38 unter dem Zeichen des Konfliktes: Jeremia - König.
Genauso wie die Könige und Staatsbeamte sind auch die Propheten und Priester Gegenspieler des Propheten Jeremia, weil sie die Verantwortung für das Volk tragen und es so in die Irre führen. Klarerweise sind dem Propheten Jeremia diese Gruppen nicht gerade freundlich gesonnen, er hat sich vor Nachstellungen zu hüten und beklagt auch immer wieder sein Schicksal, als Prophet Gottes auftreten zu müssen um Gericht und Unheil zu verkünden und sich damit in Einsamkeit und Gefahr zu bringen.
Die Untreue und Bosheit der Hirten, der Führer des Volkes, führen schließlich zur Eroberung Jerusalems und damit zum Ende auch des Südreiches Juda, wie es der Prophet ankündigt.
Die drei Aussagen in der heutigen Lesung zeigen, wie sich dieses Gericht durch Gottes eingreifen in Heil verwandeln soll:
Gott zieht die schlechten Hirten, die am Schicksal der Schafe schuld sind zur Rechenschaft (Verse 1-2).
Gott selbst nimmt sich seiner Schafe, seines Volkes an. Er führt sie wieder zusammen und sorgt für sie( Vers 3)
Er gibt ihnen einen neuen Hirten, einen gerechten und weisen König so wie David (Verse 4-6).
Die Herrscher Israels lassen sich durch die Warnungen des Propheten nicht beeindrucken auch die erste Deportation (597 v. Chr.) bei der auch König Jojachin nach Babel verschleppt wird, ändert nichts an der Einstellung seines Nachfolgers König Zidkija (597-586). Drohungen aber auch Heilszusagen können den König nicht bewegen, von seinem Weg abzuweichen. Das Exil ist nicht zu verhindern. (Kapitel 34ff)
In Jer 23,1-6 spiegeln sich schon die Erfahrungen des Exils und der Rückkehr. Gott nimmt sich seines Volkes an, er läßt es nicht im Stich auch wenn es sich schuldig gemacht hat. Gerade der Prophet Jeremia kann gar nicht anders als den Heilswillen Gottes herauszustreichen.
Hintergrund des Textes ist das Ende des Königreiches Juda und der Sieg der Babylonier unter Nebukadnezar.
Die Sammlung der sog. Königssprüche mündet in eine Heilsweissagung. Das Ende der Linie der davidischen Königsreihe ist die Voraussetzung für eine Neugründung.
Die Heilsgeschichte Gottes - und das ist die Hauptaussage - geht weiter. Sie steuert letztlich einem positiven Ziel zu. Der "Sproß Davids" wird im Gegensatz zu den jetzt von JAHWE verstoßenen Führern ein "gerechter" sein; der Beginn der messianischen Epoche der Heilsgeschichte wird prophezeit.
Die Weherufe gegen die "Hirten" bei Jeremia kann man als Rufe gegen die Regierenden des Volkes verstehen, die ihre Aufgaben als "Hirten" nicht erfüllt haben.
(Vgl. Arthur Weiser, Das Buch Jeremia, ATD 20, Göttingen 1981)
Martin Stewen (2012)
Regina Wagner (2000)
Lorenz Walter Voith (1997)