Lesung aus dem Buch Joel.
Spruch des HERRN:
Kehrt um zu mir von ganzem Herzen
mit Fasten, Weinen und Klagen!
Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider,
und kehrt um zum HERRN, eurem Gott!
Denn er ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Huld
und es reut ihn das Unheil.
Wer weiß, vielleicht kehrt er um und es reut ihn
und er lässt Segen zurück,
sodass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt
für den HERRN, euren Gott.
Auf dem Zion stoßt in das Horn,
ordnet ein heiliges Fasten an,
ruft einen Gottesdienst aus!
Versammelt das Volk,
heiligt die Gemeinde!
Versammelt die Alten,
holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge!
Der Bräutigam verlasse seine Kammer
und die Braut ihr Gemach.
Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester klagen,
die Diener des HERRN sollen sprechen:
Hab Mitleid, HERR, mit deinem Volk
und überlass dein Erbe nicht der Schande,
damit die Völker nicht über uns spotten!
Warum soll man bei den Völkern sagen:
Wo ist denn ihr Gott?
Da erwachte im HERRN die Leidenschaft für sein Land
und er hatte Erbarmen mit seinem Volk.
Das Buch Joel gehört zu den sog. zwölf kleinen Prophetenbüchern des AT. Hinsichtlich der Abfassungszeit wird ein solch großes Spektrum diskutiert, dass man die historischen Hintergründe nur mühsam zur Interpretation der Prophetenworte heranziehen kann. Immer wahrscheinlicher wird eine Datierung in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts v.Chr.
Der Prophet Joel verkündet dem Volk Juda Gericht und Bestrafung, dem durch Fasten und Beten entgegen gegangen werden soll. Über das, was die Bestrafung Gottes für das Volk darstellt - Einfall der Assyrer? - lässt sich nur spekulieren.
Der Prophet Joel ist vermutlich der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. zuzuordnen. Anlass für seinen Umkehraufruf war eine Heuschreckenplage, die im ersten Kapitel des Joelbuches eindrucksvoll geschildert wird. Das Land Juda hatte darunter so sehr gelitten, dass kaum mehr etwas zum Essen und auch nichts mehr zum Opfern vorhanden war. Joel versteht diese Situation als Anzeichen für ein noch viel größeres Gericht, auf dessen Abwendung sein Aufruf zu Umkehr und Buße gerichtet ist.
Der Prophet fordert dabei vor allem eine Umkehr der Herzen. Die innere Haltung der Einzelnen wie des ganzen Volkes muss sich verändern. Wer sein Herz zerreißt, der öffnet es für das Wort und das Erbarmen Gottes. Niemand soll sich von diesem Umkehrvorgang ausschließen. Selbst junge Brautleute sollen daran teilnehmen, auch wenn sie ansonsten im Volk viele Vorrechte genießen. Öffentlicher Ausdruck für die allgemeine Umkehr ist ein Bußgottesdienst im Tempel.
Hinter dem, was Joel fordert, steht die Überzeugung, dass das Gericht nicht unabwendbar ist. Gott ist voll erbarmender Liebe. Bemerkenswert ist die Aussage: "Vielleicht kehrt er um, und es reut ihn, und er lässt Segen zurück ...". Zwar wird mit dem "Vielleicht" ein gewisser Vorbehalt geäußert, doch damit kommt zum Ausdruck, dass Gott souverän ist über sein Erbarmen und dass seine Barmherzigkeit nicht einfach erzwungen werden kann. Ebenso aber wird deutlich, dass Gott nicht eine ferne, unbewegbare, blinde Macht ist, sondern bereit, sich rühren und umstimmen zu lassen, letztlich ganz menschlich zu sein: reuevoll und umkehrwillig - seinem Volk zum Heil und Segen.
Das Buch Joel geht auf einen Propheten der späten nachexilischen Zeit zurück. Wir wissen von ihm nicht viel: sein Vater war Petuel. Er selbst weist durch seinen Namen "Jo 'el - Jah(we) ist Gott" schon auf seine Verkündigung hin.
Das Buch Joel gliedert sich in zwei Teile: ein Aufruf zur Klage und Reue angesichts einer verheerenden Heuschreckenplage und Not des Volkes. Im zweiten Teil (Kap. 3 und 4) ist von einem Tag Jahwes die Rede, der die Not wenden wird.
Das Buch beginnt mit einem leidenschaftlichen Aufruf zur Buße. Nicht das äußere Fasten ist wichtig. "Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehrt euch zu dem Herren, eurem Gott!". Joel hofft, dass sein Aufruf zur Buße so viel Reue und Umkehr bewirke, dass das Strafgericht zum Segen gewandelt werden kann. Wenn das Volk sich auf diese Weise für Jahwe öffnet, wird es bereit sein für die große Prophezeiung: "Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte, und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat."
Martin Stewen (2009)
Martin Leitgöb (2007)
Maria Wachtler (2003)