Etwas funktioniert nicht
Firmspendungen in einigen Pfarren liegen hinter mir. In den eigenen Pfarren sind diese in diesem Jahr ebenfalls Vergangenheit. Es ist interessant in diversen Pfarren mitzubekommen und zu sehen sowie zu hören, welch Mühen und Anstrengungen sich Mitarbeiter unterziehen und auferlegen in der Vorbereitung der Firmkandidaten. Und erst recht im Gestalten des Firmgottesdienstes. Die Firmlinge treten an um zu begrüßen, sie treten an, um einen Einleitungstext zu sprechen, sie treten an, um Bußgedanken vorzubringen, sie treten an, um zum Evangelium Sprüchleins zu sagen, sie treten an, um vor und nach der Firmspendung einen Text vorzutragen, sie treten an und treten an und bringen auch noch nach der Kommunion einen Meditationstext, und sie sind getrimmt auf so genannte rhythmische Lieder, die ja so etwas für junge Leute sind.
Oh Schreck, oh Graus, nach der Firmung sind sie weg. Sie werden von kaum bis nie wieder gesehen. Manche dann doch irgendwann, irgendwo wieder. Irgendwie funktioniert da etwas nicht mit Familie Kirche. So gerne wird von Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit in der Kirche gesprochen. Sogar in Gebeten im Messbuch bitten wir Gott, dass er auf seine Familie schauen möge. Erhört er unsere Formeln nicht? Oder hat es doch einen Haken mit Familie, Schwestern und Brüdern. Nämlich, dass die Kinder doch Flügge werden müssen?! Oder nicht?!
Man muss anders ticken
Wir wollen mündige Christen, Menschen, die in Welt und Kirche Verantwortung übernehmen und dann dürfen sie nicht flügge werden, dann müssten sie am Schürzenzipfel der Mutter Kirche kleben bleiben! Ach, sie sind ja noch nicht so reif, sie können das ja noch nicht! Aber in der ganzen Vorbereitung wird ihnen gesagt, das Firmsakrament ist das Sakrament, durch welches sie jetzt mündige Christen, oder der Verantwortung gewachsene Christen werden.
Aber sie sind doch dazu nicht fähig! Sie verabschieden sich doch per Firmung von Kirche. Ja warum werden sie dann gefirmt? Was wird da in der Vorbereitung bis hin zur Firmspendung herum- und vorgegaukelt?!
Konrad Paul Liessmann, Professor für Philosophie an der Uni Wien, bringt, denke ich in seinem Essay Juvenilität (siehe Kontexte) einiges auf den Punkt. Es wird Flexibilität, Mobilität und Globalisierung verkündet. Das verkünden aber die Erwachsenen. Von einem Arbeitsplatz bis zur Pensionierung zu träumen ist ja sowieso nur mehr die Vorstellung eines Gestrigen. Ständig hat man sich für Neues offen zu halten und sich an Geldflüssen und Aktienströmungen zu orientieren. Folglich bleiben Treue, Heimatliebe, Traditionen und Prinzipien der Welt der Folklore reserviert.
Mit Homer oder Goethe im Kopf herumzulaufen führt in dieser Welt in den Wahnsinn. Damit kann niemand die Fernsehwelt auf sich einströmen, oder Radio einprasseln lassen. In der Medienwelt mithalten, oder seine Chancen nicht zu verspielen, da muss man eben anders ticken.
Letztlich weist aber Liessmann schon hin, dass Jugendzeit vergeht, ein Durchgangsstadium ist, und nicht überbewertet werden darf. Und die Welt wird folglich dadurch weder besser, aber auch nicht schlechter.
Folklore oder Vollmacht
Somit werfe ich hier die Frage ein, was bedeutet das nun für Kirche? Oder bedeutet es doch nichts? Es muss etwas bedeuten, degeneriert sich Kirche nicht selbst zu einem Folkloreverein. Viele Aktionen und Vorgänge deuten leider in diese Richtung.
Nun, mit wem würde Jesus heute Mitleid haben? Ich würde sagen mit uns, den hauptamtlichen Seelsorgern in der Kirche und zwar nicht wegen unserer Müdigkeit und Erschöpfung, sondern wegen unserer Naivität. Liegt nicht hier etwa eine Aktualisierung unserer matthäischen Evangelienperikope? Die Ernte ist groß, aber wir bürokratisieren und versuchen uns mit Methoden der Spaßgesellschaft. Bzw. Haupt- und Ehrenamtliche machen Spagat um Spagat, um ihre Existenzberechtigung zu beweisen und die Rückmeldung zu erhalten, wie geil doch wieder eine Veranstaltung, Gottesdienst mit eingeschlossen, gelaufen ist.
Dem gegenübergestellt klingt die Evangelienstelle dezent und spiegelt eine Schlichtheit, da bei all der Überdimension der Ernte dann doch der Herr, Gott, ins Spiel kommt und er der Hauptakteur oder der Eigentliche bleibt, nicht vergessen wird, nicht ausgeklammert wird, der sich um Arbeiter sorgt. Und erst nach Festhalten dieses Bestandes, erhalten die Jünger die Vollmacht.
Das Geheimnis einmal, einmal
Der tschechische Dichter Vladimír Holan, gest. 1980 in Prag, lebte in der Kommunistenzeit in selbst auferlegter Isolation. Sein Schaffen wurde von der kommunistischen Kulturpolitik faktisch ignoriert. Und doch klingt im Gedicht (siehe Kontexte), Parkspaziergang, bei allem was es gibt, / Es gibt Parks, es gibt Schwarzes,... Es gibt Worte, Es gibt Geschrei. Es gibt Schweigen…. Es gibt Berge. Und Helle… Es gibt im Zwang ein Geheimnis… Und darum: Einmal. Einmal…/ das doch letztlich ganz andere an und durch in diesem Wort Einmal. Es erinnert an die Redewendung der Erwachsenen aus meiner Kindheit, wurde uns nach einer von ihnen nicht in Ordnung befundenen Kindeshandlung gedroht mit dem Ausspruch: Na warte nur einmal! In diesem Fall war dieses Einmal negativ, eine Androhung von Sanktionen. Im Gedicht von Vladimír Holan schlägt dieses Einmal am Ende nach all den Aufzählungen, was es alles gibt, den Klang einer Wohltuendheit an, da selbst der Zwang das Geheimnis nicht töten kann, denn es lebt selbst im und somit wider Zwang.
Der Punkt des Archimedes
Auf der 3. europäischen ökumenischen Versammlung, 3. bis 9. September 2007 in Sibiu /Hermannstadt / Nagyszeben in Rumänien, ich war als Delegierter dabei, malte Prof. Andrea Riccardi (Mitbegründer der Gemeinschaft Sant'Egidio) in seinem fulminanten Vortrag, "Das Licht Christi scheint auf alle - Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa", das Bild aller Möglichkeiten und Chancen von uns Christen in der Welt. Spirituelle Männer und Frauen verzichten nicht darauf, die Welt aufzurichten (siehe Kontexte). Und er unterstreicht dies mit einem Zitat von Martin Buber: "Bei sich selbst anfangen, das ist das Einzige was zählt… der Punkt des Archimedes, dass ich selbst die Welt verändern kann, besteht in meiner eigenen Veränderung."
Es scheint mir wesentlich im Bewusstsein zu haben, dass wir Kirche in der Welt und auf der Welt sind. Über die Tellerränder der eigenen Gemeinden hinauszublicken. Es ist leicht gesagt. Die Wirklichkeit in den Gemeinden zieht uns hier immer wieder hinunter. Und so ist es kein Wunder, wir schmoren im eigenen Saft und machen Spagat um Spagat. Dem zuwider handeln können legt sich im letzten Satz unserer Perikope nicht nur nahe, sondern liefert Basis, uns zu befreien von Zwängen und Nöten: Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.