Im letzten Kapitel erzählt der Evangelist Johannes eine Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen, die über einen historischen Bericht weit hinausgeht. Diese Episode kann als Begegnungserfahrung verstanden werden, die sich immer wieder ereignen kann, wenn Jünger Jesu eine Krise erleben.
Krisenstimmung
"Danach offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal", heißt es am Beginn dieses Kapitels. Wir dürfen es so deuten: Mit diesem letzten Kapitel blickt der Evangelist Johannes auf eine Zeit, in der die Auferstehung Jesu vielleicht Jahrzehnte her ist. Zunächst sind die Jünger nach der Auferstehung ihres Herrn, nach dem Kommen des Heiligen Geistes mutig und begeistert in die Welt hinaus gezogen, haben verkündet, viele Menschen für den Glauben gewonnen. Dann kam aber eine Zeit, da lief nichts mehr. Krise, nennen wir so etwas. Gab es in der frühen Kirche und gibt es heute.
Petrus und sechs Jünger, also sieben, gehen fischen. Sieben – die heilige Zahl, der dreifaltige Gott und die vier Himmelsrichtungen, also Gott und die Welt, also das Ganze ist gemeint. Die sieben Jünger vertreten die ganze Kirche: Darunter Petrus, der den Herrn verleugnet hat, Thomas, der gezweifelt hat.
„Ich gehe fischen“, sagt Petrus. „Wir kommen auch mit“, antworten die anderen. Die sieben Menschenfischer machen sich also an die Arbeit. Aber sie fangen nichts. Die Netze bleiben leer, die Mühe und Anstrengung ist umsonst.
Das scheint mir ganz typisch für unser Verhalten in der Krise zu sein, damals wie heute. Wir arbeiten, wir meinen: Das packen wir schon. Wir haben das gelernt, sind Fachleute. Wir stellen Pastoralpläne auf, machen Programme, strukturieren neu. Wir wissen schon, wie wir die Zukunft schaffen.
Ein Fremder weist den Weg
Schauen wir in das Evangelium: Da geschieht Seltsames, Widersprüchliches. Es gilt, die Symbole zu beachten: Ein Fremder, den die Jünger nicht kennen, steht am Ufer. Er sagt ihnen, den erfahrenen Fischern, was sie zu tun hätten. In der Nacht, in der dafür günstigen Zeit fangen sie nichts, am Tag dagegen wird das Netz voll.
Die Symbole See und Nacht weisen darauf hin, in welch bedrohlicher Situation sich die Jünger befinden, in welche Lage sie sich manöveriert haben. Im See oder Meer wohnen nach damaliger Auffassung dämonische Ungeheuer, sie drohen die Menschen zu verschlingen. Die Nacht erinnert auch daran: Als der Verräter aus dem Abendmahlssaal ging, war es draußen Nacht. Wer sich von Jesus trennt, gerät in die Nacht, verliert die Orientierung.
„Ein Fremder steht am Ufer.“ Ich deute es so: Jesus Christus ist in dieser Krise den Jüngern fremd geworden. Sie kennen ihn nicht mehr. Sie arbeiten zwar in seinem Geschäft, wirken aber letztlich im eigenen Namen. Sie sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht mehr wahrnehmen, für wen oder für was sie eigentlich da sind. Dann aber bleiben die Netze leer.
Wenn der Herr nicht in unserer Mitte ist, wenn der Auferstandene nicht der Beweggrund für unser Tun ist, geschieht nichts. Übrig bleibt uns nur das Gefühl: Es geht abwärts, es ist alles umsonst. Wir haben keine Zukunft. Dann gehen die Lichter aus. Dann helfen wir uns höchstens mit Witzen: Der Letzte macht das Licht aus.
Anbruch eines neuen Tages
Am Ende der Nacht geschieht das Wunder. "Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer". Die Sonne geht auf, wie am Ostermorgen.
Sie ist Zeichen für den auferstandenen Herrn, für seine unbesiegte Lebenskraft. Er stand, heißt es, er erstand, also Auferstehung, wieder in der Morgenfrühe. Und in dem Augenblick, da sie ihn sehen, da sie mit ihm in Beziehung sind, schwindet die Angst, die Freude und das Vertrauen gewinnen die Oberhand. In dem Augenblick, als sie auf ihn hören, sein Wort befolgen und in seinem Namen das Netz auswerfen, stellt sich ein unerwartetes Ergebnis ein: Das Netz ist voll. Weil sie es tun, von ihm beauftragt, von ihm gesandt, gelingt ihr Tun. Ohne ihn geht nichts, mit ihm gelingt es.
"Habt ihr etwas zu essen?" fragt Jesus die Jünger. Das ist eine entscheidende Frage. Übersetzen wir sie einmal so: Habt ihr etwas bei euch, von dem ihr leben könnt? Ihr arbeitet doch und müht euch nächtelang - könnt ihr davon leben, ist das euer Leben?
Uns fragt der Herr: Könnt ihr davon leben, dass ihr arbeitet und das tut, was eurem eigenen Sinn entspricht? Merkt ihr, dass es euch nichts einbringt, wenn ihr euch müht und bemüht und abrackert, und zu wenig nach mir fragt. Die Antwort kann nur lauten: Nein! Wir haben nichts, wovon wir letztlich leben können.
"Meine Kinder", so redet Jesus die Jünger an, väterlich-mütterlich. Meine Kinder, schaut doch euer Netz an, es ist leer und bleibt leer, weil ihr nicht von euch her leben könnt. Hört doch auf mein Wort, gesteht eure Ohnmacht ein, gebt zu, dass ihr nichts habt, für das ihr wirklich leben könnt, haltet eure leeren Hände hin, ich fülle sie euch. Ich lasse euch nicht verhungern, ich schenke euch das, was ihr braucht, ich gebe euch das, damit ihr gut leben könnt.
Von der Gegenwart des Herrn gehalten
"Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See." Er zieht sich also an, wenn er ins Wasser geht. Eigenartig. Wenn wir das symbolisch verstehen, kommen wir gut damit zurecht. Gewand ist der Ausdruck der menschlichen Würde, des Amtes. Auch Petrus, der verantwortliche Leiter, war nackt, auch er stand blank da, war am Ende mit seiner Kunst. Jetzt aber sucht er die Nähe zum Auferstandenen, wird er neu fähig, die Kirche im Sinne Jesu zu leiten.
So kann er sich ins Wasser stürzen, in das Element, das ihm in der Nacht noch so bedrohlich erschien. Er weiß, er ist von der Gegenwart des Herrn gehalten.
Dass diese Deutung nicht so abwegig ist, zeigt die folgende Szene im Johannes-Evangelium: Petrus wird dreimal von Jesus gefragt, "liebst du mich?" und erhält neu den Auftrag: "Weide meine Lämmer".
Es mag für uns tröstlich sein, dass die Krise der Kirche auch die Häupter nicht verschont, dass die Ratlosigkeit und Mutlosigkeit, das Vertrauen auf die eigene Kraft bis hinauf in die höchsten Ämter reicht. Von dort kann der Wandel, der Neubeginn kommen, der Anstoß, Christus, den Auferstandenen neu zu suchen, ihm neu zu begegnen und damit einen Weg zum Glauben zu finden.
Als die Jünger an Land gingen, ein Feuer brennen sahen, darauf Brot und Fisch, sagte Jesus zu ihnen: "Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt". Jesus bietet ihnen das seine an, doch er will auch das, was die Jünger mitbringen.
Das geschieht jetzt in der Eucharistie: Er bietet sich an, seinen Leib und sein Blut. Von uns erwartet er, dass wir auf ihn hören, dass wir uns einbringen, mit dem, was wir sind und haben.
Claudia Simonis-Hippel (2011)
Martin Stewen (2011)
Norbert Riebartsch (2008)