"Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.”
Das Herz zur Ruhe kommen lassen
Wer in einer hektischen Zeit immer nur rennt und tut und macht, gerät schnell an seine Grenzen: Das ist keine ganz neue Erkenntnis. Egal, ob jung oder alt: Kein Mensch kann endlos geben, endlos kreativ und produktiv sein, stets voran gehen. Wir brauchen immer wieder im Leben Aus-Zeiten, die uns helfen, einen Schritt herunter zu schalten, es langsamer angehen zu lassen. Ferienzeiten, wie sie jetzt gerade waren, sind solche Momente, die Seele baumeln zu lassen, in den Abstand zu gehen zu dem, was normal so läuft.
Solche Zeiten dienen auch dazu, über die Bücher zu gehen und zu schauen, ob denn alles richtig geht im Leben. Gerade in der Ruhe von auch noch so kurzen Ferien oder anderen Abständen zum Alltag kann uns oft aufgehen, wo Kurskorrekturen vonnöten sind. Wir können in uns hinein spüren und dem nachgehen, was uns ärgert und stört an unserem Lebenslauf. Wir machen uns auf die Suche nach unserem ganz eigenen, inneren Frieden: Unser Herz kommt zur Ruhe. Eine tolle Chance!
"Unfriede herrscht - Unrast bei den Menschen”
Dabei gibt’s auch die Erfahrung: Mancher Mensch muss zu solchen Pausen geradezu gezwungen werden. Manche Menschen merken es nämlich kaum, wenn ihre Batterien leer sind, wenn nichts mehr geht. Manchen Menschen ist gar nicht bewusst, in welche eine Schieflage ihr Leben gekommen ist: Sie leben einfach drauf los und versuchen, Wege zu gehen und diese um jeden Preis beizubehalten, auf denen sie ihr Leben zwangsläufig vor die Wand fahren müssen.
Von Frieden mit sich selbst, mit anderen oder gar mit Gott keine Spur. Ein solches Leben gleicht einer Flucht vor sich selbst.
Solch ein Lebenswandel kann aber nicht nur Einzelnen passieren. Auch ganze Gruppierungen, sogar Institutionen können so 'mit Blindheit geschlagen' sein, dass sie nicht merken, dass sie gründlich in der Sackgasse gelandet sind. Wer kennt nicht etwa Familien, deren Leben wir mit ganz merkwürdigen Gefühlen betrachten, weil im Miteinander der Einzelnen Prozesse ablaufen, die Erwachsenen und ihrem Nachwuchs so gar nicht förderlich sind. Da sind dann Unterbrecher nötig, - Menschen, die von außen an diese Gruppen herantreten und ihr Unbehagen kundtun: Freunde, Nachbarn, andere Beobachter und notfalls auch professionelle Helfer, die den Frieden der Einzelnen und der ganzen Gruppe wiederherstellen wollen.
Wenn Unfriede zum System wird
Richtig schwierig, zum Frieden zurück zu finden, aber wird es für ganze Institutionen, deren Leben in Unfriede verläuft. Eines der aktuellsten Beispiele füllt derzeit täglich sämtliche Medien: unsere Kirche. Dabei hat der eingekehrte Unfriede nur teilweise zu tun mit dem Skandal der Kindesmissbrauchsfälle. Der Unfriede kommt vor allem durch eine überdeutliche Schieflage des Verhältnisses von Anspruch und Wirklichkeit dieser Kirche.
Einerseits will die Leitung unserer Kirche für sich in Anspruch nehmen, klar zu wissen, was gut und geordnet ist im Leben der Menschen - manchmal sogar gegen die Erkenntnisse anderer Wissenschaften. Dafür steht sie dann mit großem Nachdruck ein. - Andererseits erlebt die Kirche in den eigenen Reihen Verbrechen, in die sogar Nachfolger der Apostel verwickelt sind: Das muss zu einem großen Vertrauensverlust führen gegenüber der Welt, in der diese Kirche lebt, deren Angesicht sie gestalten will.
Im Jahr 2000 sprach Kardinal Ratzinger im Zusammenhang mit der großen Vergebungsbitte des damals amtierenden Papstes diese Worte:
"Lass jeden von uns zur Einsicht gelangen, dass auch Menschen der Kirche [...] zum Schutz der Wahrheit mitunter auf Methoden zurück gegriffen haben, die dem Evangelium nicht entsprechen."
Dieses Bekenntnis und die anschließende Bitte des Papstes um Verzeihung muss gegenüber der Welt geradezu höhnisch tönen, wenn in diesem Sinne zehn Jahre munter weiter gesündigt wurde. Jede neue Bitte um Vergebung muss als leere Hülle angesehen werden, wenn nicht deutlich sichtbare Zeichen der Umkehr gesetzt werden.
Ich hinterlasse euch Frieden, ich gebe euch meinen Frieden. - Wann kehrt dieser Friede wieder ein, wer bereitet ihm den Weg?
"Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen”
Dass Unfriede herrscht in der Kirche, ist nicht das Schlimme - das ist menschliche Natur. Die Streitigkeiten, wie sie in der Urgemeinde von Jerusalem herrschten - wir hörten es in der Lesung -, geben beredtes Zeugnis davon, dass die Kirche von Anfang an nicht vom Unfrieden verschont geblieben ist. Die Lesung hat uns aber auch vor Augen geführt, dass nicht nur Worte gefragt sind, sondern auch Taten, damit Friede wieder regieren kann:
Die Verantwortlichen der Nachfolgegemeinschaft Jesu wurden damals mitten in der Auseinandersetzung um verschiedene grundlegende Fragen des Lebens der jungen Kirche nach Jerusalem beordert, um bei einem Treffen - dem Apostelkonzil - zu beraten, wie denn die Kirche ihren Auftrag glaubwürdig erfüllen kann. Die Lösung wurde festgelegt, verkündet und in die Gemeinden hinein getragen. - Transparenz, Mut zum Konflikt und ehrliches Engagement kennzeichnen diesen Lösungsvorgang des ersten großen Streitfalls der jungen Urkirche.
Nicht Konflikte sind also eine Anfrage an die Glaubwürdigkeit der Kirche, sondern gegebenenfalls ihre Lösungen.
Es wäre dringendst an der Zeit, dem hektischen Aktionismus Einhalt zu gebieten, diese ganze Kirche vor einen imaginären Spiegel zu stellen und sie einmal sich selbst fragen zu lassen: Was wollen wir eigentlich? Wohin treibt das Kirchenschiff, wohin wollen wir es lenken?
Es wäre Zeit, sich anstecken zu lassen vom Mut und vom Engagement, wie es die frühe Kirche an den Tag gelegt hat. Es wäre Zeit, deutliche Wegmarken zu stecken, an denen sich diese Kirche auf ihrem Pilgerweg orientieren kann.
Jede/r ist be/gerufen
In der kommenden Woche beginnt in München der 2. Ökumenische Kirchentag unter dem Motto "Damit ihr Hoffnung habt”. Wer von den Organisatoren hat wohl vor Jahren bei den Vorplanungen geahnt, wie aktuell dieses Motto heute sein würde.
Neue Wege zu beschreiten und zu verändern ist nicht allein eine Aufgabe für den Papst und die Bischöfe, wie das der Theologe Hans Küng Mitte April dieses Jahres in einem offenen Brief auf faszinierende Weise deutlich gemacht hat. Darin schrieb Küng:
Ob Bischof, Priester oder Laie jeder tue selber etwas für die Erneuerung der Kirche in seinem größeren oder kleineren Lebensbereich.
Damit kehren wir an den Anfang meiner Gedanken zurück. Nicht nur die Institution der Kirche in ihrer Leitungsetage ist aufgefordert, Frieden einkehren zu lassen: Friede mit sich selbst und der Welt. Jede und jeder, der dieser Nachfolgegemeinschaft durch die Taufe angehört, kann ein Stück zu diesem Frieden beitragen: indem wir die Entwicklungen in dieser Zeit in Ruhe wahrnehmen, unsere Freuden mit dieser Kirche feiern, unserem Ärger mit dieser Kirche Luft machen - und bei all dem nachhaltig und intensiv glaubwürdige Zeugen und Zeuginnen Frohbotschaft sind, um die es ja eigentlich geht.
Keine Angst - das ist trotz allem möglich. Wie sagte Jesus noch:
"Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe."