Die biblischen Lesungen wurden mit freundlicher Genehmigung der Ständigen Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet den Lektionaren 2018 ff entnommen. - © 2024 staeko.net. - vgl. Impressum.
Die Katholischen Bibelwerke in Deutschland, Österreich und Schweiz stellen auf ihren Webseiten ausführliche Kommentare und Anleitungen zum Lesen der biblischen Lesungen für Sonn- und Feiertage zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Bibelwerke übernehmen wir die Kurzeinleitungen zu den Lesungen.
Predigten vom 27. Okt. 2024 - 30. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Mär. 2025
8. Sonntag im Jahreskreis (C)
23. Feb. 2025
7. Sonntag im Jahreskreis (C)
16. Feb. 2025
6. Sonntag im Jahreskreis (C)
09. Feb. 2025
5. Sonntag im Jahreskreis (C)
02. Feb. 2025
2. Februar: Darstellung des Herrn (Fest)
26. Jan. 2025
3. Sonntag im Jahreskreis (C)
19. Jan. 2025
2. Sonntag im Jahreskreis (C)
12. Jan. 2025
Taufe des Herrn (C)
06. Jan. 2025
Erscheinung des Herrn, Dreikönig (A/B/C)
05. Jan. 2025
2. Sonntag nach Weihnachten (A/B/C)
01. Jan. 2025
Neujahr - Fest der Gottesmutter Maria (A/B/C)
31. Dez. 2024
31. Dezember: Jahresschluss (Sonst.)
29. Dez. 2024
Fest der hl. Familie (C)
26. Dez. 2024
26. Dezember: hl. Stephanus (Fest)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Tag (A/B/C)
25. Dez. 2024
Weihnachten, am Morgen (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, in der Nacht (A/B/C)
24. Dez. 2024
Weihnachten, am Vorabend (A/B/C)
22. Dez. 2024
4. Adventsonntag (C)
15. Dez. 2024
3. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
2. Adventsonntag (C)
08. Dez. 2024
8. Dezember: Mariä Empfängnis (Fest)
01. Dez. 2024
1. Adventsonntag (C)
24. Nov. 2024
Christkönigsonntag (B)
17. Nov. 2024
33. Sonntag im Jahreskreis (B)
10. Nov. 2024
32. Sonntag im Jahreskreis (B)
03. Nov. 2024
31. Sonntag im Jahreskreis (B)
02. Nov. 2024
2. November: Allerseelen (A/B/C)
01. Nov. 2024
1. November: Allerheiligen (A/B/C)
27. Okt. 2024
30. Sonntag im Jahreskreis (B)
Einführungen zu den Gottesdienstlesungen - Ltg 0
1. Lesung - Jer 31,7-9
Lesung aus dem Buch Jeremía.
So spricht der Herr:
Jubelt Jakob voll Freude zu
und jauchzt über das Haupt der Völker!
Verkündet, lobsingt
und sagt: Rette, Herr, dein Volk,
den Rest Israels!
Siehe, ich bringe sie heim aus dem Nordland
und sammle sie von den Enden der Erde,
unter ihnen Blinde und Lahme,
Schwangere und Wöchnerinnen;
als große Gemeinde kehren sie hierher zurück.
Weinend kommen sie
und in Erbarmen geleite ich sie.
Ich führe sie an Wasserbäche,
auf ebenem Weg, wo sie nicht straucheln.
Denn ich bin Vater für Israel
und Éfraim ist mein Erstgeborener.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Jeremia ist einer der Propheten, der seine Rolle als Mahner, Warner und Verkünder von Gottes Gericht am intensivsten ausgeübt hat. Was er will, steht gleich im 1. Kapitel: Ausreissen und niederreissen, vernichten und einreissen, aufbauen und einpflanzen (1,10). Wobei ein Übergewicht des Destruktiven augenscheinlich ist. Die zwei Verse der heutigen Lesung verbreiten daher eine Stimmung, die im Jeremia-Buch nicht unbedingt zur vorherrschenden gehört: Freude über erlebte Rettung. Nach aller Bedrängnis und allem Gericht gibt es die Rettung in Gott. Die Textstelle erinnert an Psalm 23, der dem Autor des Jeremia-Buches bekannt gewesen sein muss.
Mit dem Propheten Jeremia verbinden sich eher dunkle Worte und Unheilserfahrungen. In der vorliegenden Passage drückt Jeremia seine Sehnsucht aus: Eine Erneuerung des Volkes, weil es sich seinem Gott zuwendet. Der Weg mit aller Trauer ist der erste Schritt, auf den Gott mit seinem Weg des Neubeginns antwortet. Das Volk kann und soll einstimmen.
Es ist eine Trostaussage, die auch als solche zu lesen ist: Die Not wird beschrieben und anerkannt, aber ihr wird auch der Ausweg angeboten. Der Ausweg heißt aufrichtige Begegnung.
Das vierzigjährige Wirken des Jeremia fällt in eine politisch und religiös sehr bewegte Zeit. Unter König Josija (639-609) werden religiöse und politische Hoffnungen neu belebt: Deuteronomische Reform 621, Erneuerung des Jahwe-Glaubens. Politische Versuche, Samaria und Galiläa in ein wiederhergestelltes Reich David zurückzuführen, Hoffnung auf die Rückkehr der 721 in assyrische Gefangenschaft Deportierten. Alle Erwartungen werden zunichte mit dem Tode des Königs 609 im Kampf gegen die Ägypter bei Megiddo. 605 bringt Nebukadnezar Palästina unter seine Herrschaft. König Jojakim (608-598) ist von ihm abhängig, intrigiert mit Ägypten gegen Babylonien, was 597 zur Belagerung Jerusalems und zur 1. Deportation führt. König Zedekia (597-587), von Nebukadnezar eingesetzt, kann nicht verhindern, daß Jerusalem 587 belagert und zerstört wird. 2. Deportation. Judäa ist babylonische Provinz. Den Jeremia verschleppt man nach Ägypten.
Zum Text:
Vers 7: "Denn so spricht Jahwe": ist Anfang eines neuen Spruchs, gleichzeitig aber auch die Verbindung mit Vers 6. Dort rufen Wächter auf dem Gebirge Ephraim (Nordreich) auf zur festlichen Wallfahrt nach Jerusalem. Der Gedanke der religiösen (und politischen) Enheit steht dahinter: Zion wird wieder Mittelpunkt für danz Israel (Nord- und Südreich) sein. Die kultisch-liturgiesche Vorstellung klingt in V 7 weiter: Aufforderung zum Jauchzen, Jubel und gottesdienstlichem Bekenntnis. Der Jubel mündet in das Bekenntnis: "Jahwe hat sein Volk gerettet, den Rest Israels." Die Vorstellung vom "Rest" ist politisch-militärischer Herkunft (von besiegten Völkern bleibt ein Rest übrig), wird aber mehr und mehr bei Amos, bei Jeremia, Deuterojesaja und Ezechiel zu einem festen Terminus mit messianisch-eschatologischen Erwartungen verbunden: Mitten im Zusammenbruch erweist sich Gott darin am Werk, daß überhaupt ein Rest übrigbleibt, den Gott zu einem neuen Anfang in der Geschichte seines Heils ausersehen hat.
Vers 8: Mit der Restvorstellung ist meist auch das "Sammeln der Zerstreuten" verbunden. Nicht nur aus dem Exilland, sondern von allen Seiten, aus allen Ländern führt Jahwe die Zerstreuten heim: ein ergreifender Ausdruck für seine unwiderstehliche rettende Tat, die keinen übersieht, mag er in die fernsten Winkel der Erde verschlagen worden sein und keinen zurückläßt, auch nicht diejenigen, die zu allen Zeiten und überall den "Fortschritt" behindern: Blinde, Lahme, Schwangere etc - die "unproduktiven" Gruppen der Gesellschaft. Eschatologisches Heil und menschenmögliche reale, sozialpolitische Hoffnung sind hier fast unzertrennlich verbunden.
Vers 9: Unter Jahwes Geleit wird das neue Heil erfahren als die große Schicksalswende, in Bildern ausgedrückt, die stark an die Psalmen erinnern. Grund und Gewähr für den Erfolg auf diesem Weg liegen allein darin, daß man erfährt und erkennt: "Ich (der Herr) bin Israels Vater". Gottes erbarmende Liebe und väterliche Sorge machen Umkehr und Schicksalswende möglich.
Antwortpsalm - Ps 126,1-6
Kv - Groß hat der Herr an uns gehandelt.
Da waren wir voll Freude. – Kv
(oder GL 432)
Als der HERR das Geschick Zions wendete,
da waren wir wie Träumende.
Da füllte sich unser Mund mit Lachen
und unsere Zunge mit Jubel. - Kv
Da sagte man unter den Völkern:
Groß hat der HERR an ihnen gehandelt!
Ja, groß hat der HERR an uns gehandelt.
Da waren wir voll Freude. - Kv
Wende doch, HERR, unser Geschick
wie die Bäche im Südland!
Die mit Tränen säen,
werden mit Jubel ernten. - Kv
Sie gehen, ja gehen und weinen
und tragen zur Aussaat den Samen.
Sie kommen, ja kommen mit Jubel
und bringen ihre Garben. - Kv
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
2. Lesung - Hebr 5,1-6
Lesung aus dem Hebräerbrief.
Jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen
und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott,
um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen.
Er ist fähig,
mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen,
da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit,
und dieser Schwachheit wegen muss er
wie für das Volk
so auch für sich selbst Sündopfer darbringen.
Und keiner nimmt sich selbst diese Würde,
sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron.
So hat auch Christus
sich nicht selbst die Würde verliehen,
Hohepriester zu werden,
sondern der zu ihm gesprochen hat:
Mein Sohn bist du.
Ich habe dich heute gezeugt,
wie er auch an anderer Stelle sagt:
Du bist Priester auf ewig
nach der Ordnung Melchísedeks.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Martin Stewen (2021)
Norbert Riebartsch (2003)
Feri Schermann (1997)
Der vermutlich aus dem Paulus-Umfeld stammende, vor der Zerstörung des Tempels abgefasste Brief an die Hebräer beschäftigt sich in seinen Grundzügen mit der Gegenüberstellung des Tempelopfers und des Kreuzesopfers.
In der heutigen Perikope geht es um den, der das Opfer darbringt, um den Hohenpriester. Während der Hohepriester des Tempels sein Amt durch »Ordination« erhält, fällt es Christus durch seine Sohnschaft zu. Und er ist nicht nur der Hohepriester, sondern zugleich auch das Opfer und der Altar (vgl. Vers 5). In der Präfation von Ostern heißt es: Als er seinen Leib am Kreuz dahingab, hat er die Opfer der Vorzeit vollendet. Er hat sich dir dargebracht zu unserem Heil, er selbst ist der Priester, der Altar und das Opferlamm.
Bekanntes wird mit Neuem verbunden, um das Neue begreifbar zu machen. Über die Aufgaben des Hohepriesters wussten die Menschen Bescheid. Das Opfer für sich und die ihm anvertrauten Menschen.
Bei Christus war es anders: Er konnte mit seinem Dienst ganz bei den ihm Anvertrauten sein. Diesen Dienst tut er im Auftrag Gottes. Letztlich hat Gott die Menschen seinem Sohn anvertraut.
V 1-2: Der Hohepriester ist "aus Menschen genommen" und "für Menschen bestellt". Es werden einige Voraussetzungen und Funktionen genannt, die für jeden Hohenpriester zutreffen müssen: Er muß ein Mensch sein, muß mit unseren Schwächen mitfühlen können, mitfühlen mit den Unwissenden und Irrenden. Er muß solidarisch sein mit der Menschheit. Er hat die besondere Aufgabe, die Beziehung der Menschen zu Gott für diese Menschen zu ordnen. Er vertritt das Volk vor Gott.
V 3-4: Infolge der Sünden ist diese Beziehung nicht "in Ordnung". Der Hohepriester muß deshalb Gaben und Opfer für die Sünden darbringen, für die des ganzen Volkes sowie für die eigenen Sünden. Der Hohepriester kann sich seine Würde nicht selbst geben, sondern erhält sie von Gott. Das levitische Priestertum kann aber die Sünde nicht beseitigen. Es kann keine volle und dauernde Gemeinschaft mit Gott bewirken. Das Schuldbewußtsein bleibt und ruft nach immer neuen Sühneopfern. Es fehlt letztlich der Charakter der Ewigkeit: ein Hoherpriester für immer; keine ständige Wiederholung des Opfers, sondern ein Opfer "ein für allemal", eine endgültige Reinigung.
V 5-6: Dieser Hohepriester ist "Jesus, der Sohn Gottes". Er ist dieser ewige und erhabene Hohepriester. Er erfüllt die Voraussetzungen: Aus Menschen genommen; für die Menschen bestellt, um Opfer darzubringen; er kann mitfühlen mit unseren Schwächen; er ist selbst versucht worden, aber ohne Sünde; er ist von Gott selbst berufen. Zugleich beseitigt er die Mängel im Alten Bund: Gott hat ihn ein für allemal zum Priesteramt bestellt. Die irdische Liturgie verliert ihren Charakter der Vorläufigkeit. Jesus hat durch seinen Tod ein für allemal Erlösung gebracht. Durch seine Selbsthingabe hat er für sein Volk und für alle Menschen Sühne, Vergebung und Heiligung bewirkt. Das Priestertum Christi ist ein Realität, die auf göttlicher Berufung gründet. Damit ist das alttestamentliche Priestertum endgültig abgeschafft. Christus überbietet und vollendet jedes frühere Priestertum. Weil Christus Gottes Sohn ist, hat Christus das Priestertum gleichsam von Gott geerbt, der ihn als seinen Sohn gezeugt hat.
Ruf vor dem Evangelium - 2 Tim 1,10
Halleluja. Halleluja.
Unser Retter Jesus Christus hat den Tod vernichtet
und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht
durch das Evangelium,
Halleluja.
Evangelium - Mk 10,46b-52
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit,
als Jesus mit seinen Jüngern
und einer großen Menschenmenge Jéricho verließ,
saß am Weg ein blinder Bettler,
Bartimäus, der Sohn des Timäus.
Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war,
rief er laut: Sohn Davids, Jesus,
hab Erbarmen mit mir!
Viele befahlen ihm zu schweigen.
Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids,
hab Erbarmen mit mir!
Jesus blieb stehen
und sagte: Ruft ihn her!
Sie riefen den Blinden
und sagten zu ihm: Hab nur Mut,
steh auf, er ruft dich.
Da warf er seinen Mantel weg,
sprang auf
und lief auf Jesus zu.
Und Jesus fragte ihn:
Was willst du, dass ich dir tue?
Der Blinde antwortete:
Rabbúni, ich möchte sehen können.
Da sagte Jesus zu ihm: Geh!
Dein Glaube hat dich gerettet.
Im gleichen Augenblick
konnte er sehen
und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.
(Lektionar 2018 ff. © 2024 staeko.net)
Martin Stewen (2021)
Norbert Riebartsch (2003)
Feri Schermann (1997)
In den Kapiteln vor der Bartimäusgeschichte geht es um Ereignisse unmittelbar vor dem Einzug Jesu in Jerusalem, um Leidensankündigung und den Streit der Jünger, wer der Erste im Messiasreich sein soll. Beides will nicht zueinander passen. Die Bartimäusgeschichte, die aufgrund ihrer Form vermutlich von Markus aus anderen Quellen aufgegriffen wurde, lässt nun die Zuhörerschaft wissen, worauf es in der Nachfolge Jesu ankommt: nicht auf Kalkül und Rankings, sondern auf Vertrauen und die Erkenntnis Gottes. Der Blinde (dessen Geschichte auch in den Evangelien des Lukas und des Matthäus zu finden ist) kann nicht kalkulieren. Wenn er geheilt werden will, muss er alles auf eine Karte setzen. Markus lässt damit die Menschen wissen: So geht Nachfolge, voll Vertrauen, das Einsicht und Erkenntnis schafft. Der Weg der Nachfolge muss dann genauso konsequent gegangen werden, notfalls auch als Kreuzesnachfolge: Und er folgte Jesus auf seinem Weg nach, heißt es am Ende Perikope; das meint: mit nach Jerusalem hinein zu Verurteilung und Kreuzestod Jesu.
Die Heilung des Blinden wird bei allen Synoptikern berichtet, aber nur bei Markus mit dem Ort und dem Namen des Geheilten. Diese Heilung geschieht im Zusammenhang mit der Jüngerschaft. In der vorherigen Szene wurde der Jüngerstreit um die Nummer 1 berichtet, im nächsten Kapitel erfolgt der Einzug in Jerusalem.
Bartimäus wird zu dem Mann, der die Größe Jesu anerkennt und nur davon geprägt ist. Da er in der Heilung diese Größe bestätigt findet, wird er selbst zum Jünger.
Mk 10, 46-52 bildet die Schlußperikope des vierten und zugleich zentralen Hauptteils (8,27 – 10,52) im Markus-Evangelium. Die Jünger und mit ihnen die Leser sollen nach der Intention des Evangelisten in das Geheimnis des Gottesreiches und des Menschensohnes eingeführt werden, ins Gesetz der Nachfolge, in die Haltung des kindlichen Glaubens und des Dienens.
V 47-48:
Bartimäus hört von den vorbeigehenden Leuten, wer da vorbeikäme: "Es ist Jesus von Nazareth." In dieser Lage beginnt der Kranke zu schreien, was als Ausdruck seines Glaubens aufzufassen ist. Markus insinuiert, daß der Blinde Jesus kennt. Bei der Bezeichnung "Sohn Davids, Jesus" geht es dem Evangelisten nicht um eine genealogische Aussage, sondern um eine eschatologische Würdebezeichnung für den Messias. Die zweimalige Anrufung, ein beliebtes volkstümliches Steigerungsmittel, unterstreicht und verstärkt die Bitte und hebt zugleich die Würde des Namensträgers hervor. Unsere Perikope stellt diesen Davidssohn dem Bartimäus gegenüber. Jesus ist als Retter und Helfer angesprochen.
"Hab Erbarmen mit mir!" Eine solche Bitte konnte ein Jude in dieser Formulierung nur an Gott richten, nicht an den irdischen Messiaskönig, weil dieser nach zeitgenössischer Vorstellung gerade als ein handgreiflicher Ausdruck des göttlichen Erbarmens verstanden wurde.
"Viele wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen." Eine erste, amorphe Glaubensstufe zeichnet sich darin ab, aber Jesus hört sie – sie ist ausreichend für sein Heilshandeln.
V 50:
Der Blinde handelt wie ein Sehender: "Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu." Eine dreifache, an sich für einen Blinden ungewöhnliche Aktivität. Ziel ist Jesus. Der sonst Geführte findet selbst zu Jesus.
V 51:
Die Frage Jesu provoziert die glaubende Antwort des Blinden. Der Dialog redet aber auch den Leser in seiner Heilsbedürftigkeit an. Heilshoffnung und Glaubenszuversicht sind deutlich genug ausgesprochen.
V 52:
Das Wunder wird nicht weiter geschildert. In der Weisung Jesu wird die Vollmacht Jesu ausgesprochen: "Geh, dein Glaube hat dir geholfen." Der Geheilte wird zum Jünger und folgt Jesus in die Passion. Das Wunder und die Wundererzählung sind nicht Selbstzweck, sondern Weg zur Nachfolge, Aufruf an die Leser, im Nazarener den Meister zu erkennen und anzuerkennen. Die Perikope faßt die ganze Jüngerbelehrung ab Mk 8,27 zusammen und bringt sie auf den Punkt: Erst der in Christus heile und gerettete Mensch ist auch zur Nachfolge bereit und fähig.
„Meine Hoffnung, sie gilt dir“ - Leitwort zum Sonntag der Weltmission
Nur vom Hörensagen
Ich stelle mir Bartimäus vor. Er ist blind. Sein Leben ist bestimmt von Abhängigkeit. Er hat nur noch die Möglichkeit, an der Straße um seinen Lebensunterhalt zu betteln. Keine staatliche Fürsorge, keine Förderung für blinde Menschen gab es damals. Sein Leben war eher hoffnungslos. Da hört er von Jesus. Er hört, welche Frohe Botschaft Jesus verkündet. Er hört von Krankenheilungen. Nur vom Hören kennt Bartimäus Jesus. Eines Tages sitzt er so wie jeden Tag am Straßenrand. Da hört er, wie Jesus vorkommt. Sein ganzes Handeln ist von der Hoffnung auf Jesus bestimmt. Er springt auf Jesus zu, wirft seinen Mantel weg. Er lässt sich das nicht verbieten. Jesus nimmt den Bartimäus ernst. Er heilt ihn. Er lobt seinen Glauben. Bartimäus spürt: Jesus schenkt mir ein neues Leben. Darum folgt er Jesus.
Hoffnungsträger
Hoffnung – das ist das, was viele Menschen brauchen, die im Elend leben. Dieses Elend kann eine Krankheit sein, eine Behinderung oder einfach Einsamkeit sein. Im Elend lebt, wer an den Rand der Gesellschaft gespült wurde und entbehren muss, was ein menschenwürdiges Leben ausmacht. Im Elend leben auch Arbeitslose, die Jugendliche, die ohne Ausbildung und ohne Perspektive auskommen müssen. Sie erleben Hoffnungslosigkeit. Im Elend leben, kann auch bedeuten, das eigene Leben als sinnlos anzusehen.
Da braucht es Frauen und Männer, die Hoffnungsträger sind, die offene Augen für die Nöte ihrer Mitmenschen haben. Hoffnungsträger sind Menschen, die anstatt zu jammern und schwarzzumalen, nach Wegen suchen, dem Elend dieser Menschen abzuhelfen. Es sind Menschen, die an ihrer Stelle und an ihrem Platz, mit ihren Fähigkeiten das tun, was sie tun können, um diese Welt menschlicher zu machen.
Jedes Jahr stellt das Werk „misereor“ solche Frauen und Männer vor. In diesem Jahr gehört zu ihnen auch einer meiner Mitbrüder, Pater Arnold Schmitt. Mit ihm habe ich studiert. Seit 25 Jahren lebt und wirkt Pater Arnold Schmitt in Papua-Neuguinea. „Mit den Menschen leben“, war sein Motto. Danach hat er gehandelt. Er hat Jugendlichen zu einer Ausbildung verholfen. Er hat Kranke ins Hospital gebracht, wenn sie keine anderen Möglichkeiten hatten.
Vor kurzem hat Pater Arnold an seiner Wirkungsstätte die Räume der Kirche renoviert. Diese Räume hat er mit Hilfe von Spenden mit Stühlen und Lehrmaterial ausgestattet. Ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen geben in diesen Räumen Alphabetisierungskurse. Pater Arnold macht den Menschen immer wieder deutlich, dass nur durch Bildung die Menschen auch Hoffnung auf eine bessere berufliche Zukunft haben.
Die Welt anders sehen lernen
Durch Bildung – und hier greife ich die Erzählung der Blindenheilung auf - lernen die Menschen ihre Welt anders zu sehen. Sie werden herausgeholt aus dem Dunkel ihrer Unwissenheit in das Licht der Bildung. Sie bekommen die Möglichkeit, Zusammenhänge anders zu sehen. Die Fähigkeit zu schreiben und zu lesen eröffnet ihnen neue Lebenschancen.
Bartimäus ergreift die große Lebenschance und folgt Jesus, richtet sein Leben auf Jesus aus. Eben das hat auch Jesus in der heutigen Evangeliumserzählung getan. Er hat dem Blinden ein neues Leben geschenkt. Jesus war ein Mutmacher, der nicht nur in schönen Worten steckengeblieben ist.
Nun können wir neben der Blindheit des Bartimäus und seiner Heilung auch noch eine andere Blindheit verstehen. Es gibt eine Blindheit des Herzens. Ich kann blind im Herzen sein, wenn ich nicht sehe und erkenne, was Gott in meinem Leben Gutes gewirkt hat. Der gläubige Mensch kann im Regenbogen das Zeichen entdecken, dass Gott mit uns einen Bund schließt und uns nie allein lässt. Wer blind im Herzen ist, sieht nur den Regenbogen.
Jeremia verkündet in der Lesung diesen Gott. Das Volk Israel war untergegangen. Gott aber sammelt das Volk und führte es aus dem Elend, aus der Not der Verbannung in die Heimat zurück. Es sind „Blinde und Lahme, Schwangere und Wöchnerinnen“ darunter.
Es gibt ein schönes Lied, das mancherorts bei der Taufe gesungen wird: „Segne dieses Kind und hilf uns ihm zu helfen.“ In einer Strophe singen wir: „Dass es sehen lernt mit seinen eigenen Augen: das Gesicht seiner Mutter, und die Farben der Blumen und den Schnee auf den Bergen und das Land der Verheißung.“
Der Glaube kann uns helfen, die Sorgen und Nöte, die Fragen und Hoffnungen der Mitmenschen und auch die eigenen sehen zu lernen. „Herr, ich möchte wieder sehen können!“, sagt Bartimäus zu Jesus. Es könnte auch unser Gebet sein. Wir dürfen auf Jesus unsere Hoffnung setzen. Denn Jesus war mit Gott verbunden. „Meine Hoffnung, sie gilt dir“ (Ps 39,8), lautet das Motto des diesjährigen Sonntags der Weltmission, Unsere Hoffnung gilt Jesus!
Neue Gottesbeziehung
Von Gott adoptiert
„Jubelt Jakob voll Freude zu […]
Verkündet, lobsingt und sagt:
Rette, HERR, dein Volk,
den Rest Israels!“
(Jer 31,7).
Die erste Lesung ist ein Loblied auf Gott, weil Gott Israel adoptiert hat.
„Denn ich bin Vater für Israel“
(Jer 31,9).
Ähnliches sagt schon der Psalm 2 in Vers 7:
„Mein Sohn bist du.
Ich selber habeich dich heute gezeugt.“
Adoption im Sinn von „nicht verwaist sein.“ Der Heilige Geist, Geist der Adoption, wird uns zugesagt:
„Er hat uns aus Liebe im Vorausdazu bestimmt,
seine Söhne (und Töchter) zu werden
durch Jesus Christus
und zu ihm zu gelangen
nachseinem gnädigen Willen.“
(Eph 1,5 – vgl. auch Joh 14,18))
Wir sind in die Familie des Herrn aufgenommen.
Dieser Gedanke setzt sich in der zweiten Lesung fort: Jesus war ganz Mensch, stammt nicht aus priesterlichem Geschlecht und er wird trotzdem als Hoherpriester dargestellt, weil in ihm der Wille Gottes, der Beistand, der Geist der Adoption gegenwärtig ist, der seine Wirksamkeit nach dem Weggang des irdischen Jesus fortsetzt und weiter ausbreitet. „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück.“ Der Hohepriester Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen bringt Opfer in vollkommener Weise dar durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung.
Unser Opfer sollte entsprechend Ps 51,18 anders aussehen: „Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie dir geben, an Brandopfern hast du kein Gefallen.“ Diese wurden nämlich am Tempelplatz von den Hohenpriestern dargebracht. „Schlachtopfer für Gott ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du Gott nicht verschmähen.“ (Ps 51,19). Opfer finden bei Gott durch Umkehr und Reue statt, wenn sich diese im guten und gerechten Tun zeigen. Was wir dem Herrn an Materiellem geben, gehört ihm ja schon. Nachlässigkeiten, üble Taten sollen durch gerechtes Handeln gut gemacht werden.
Herausfordernde Nachfolge
Das macht das Evangelium wieder in einer Alltagsgeschichte sichtbar. Wunder und Glaube sind untrennbar miteinander verbunden. Auf dem Weg von Kafarnaum nach Jerusalem, dem Ort des Leidens, der Kreuzigung und Auferstehung, ist Jericho die letzte Station mit neuer Begegnung. Viele Menschen sind ihm bisher gefolgt. Er hatte regen Zuspruch. Seine Anfangsbotschaft lautet: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,14). Die Schar seiner Anhänger wird immer kleiner, eine Alltagssituation. Man ist von jemandem anfänglich begeistert, dann macht die betreffende Person unverständliche Äußerungen, gibt Statements ab, die zunächst Erstaunen, Verwunderung, dann sogar Ablehnung hervorrufen. „Er ist von Sinnen.“ (Mk 3,21). Da sich auch viele seiner Jünger zurückzogen, nicht mehr mit ihm mitgehen wollten, fragte er die verbleibende kleinere Schar der zwölf Jünger: „Wollt auch ihr weggehen?“ (Joh 6,67).
Nicht die Macht der Gebote, der Verbote, nicht die Macht des Schwertes und der Gewalt stehen im Vordergrund, sondern die Macht des Kreuzes mit der Ohnmacht der Liebe. Kreuz und Dornenkrone dürfen nicht verniedlicht werden. Die Jünger haben das damals kaum verstanden. Erst später sind ihnen die Augen aufgegangen. Verstehen wir heute Jesu Botschaft schon besser oder sind wir von diesem anderen Jesus noch immer unangenehm berührt? Im Glauben sind Widersprüche und Gegensätze zusammengefasst. Das Wort des Herrn, die gute Nachricht, die frohmachende Botschaft, das Vertrauen bleibt. Gott ist den Menschen treu.
Diese heilsame Begegnung zwischen Jesus und Bartimäus ist nur mit einem festen Glauben möglich, der heilend wirkt. Ein Wunder also? Nein, nicht ganz, gefordert dabei ist unsere Mitarbeit, Glaube als unerschütterliches Vertrauen. „Was willst du, dass ich dir tue?“ Die Antwort des Blinden: „Ich will wieder sehen können.“ (Mk 10,51). Der Blinde hat schon einmal gesehen. Er hat einen Verlust erlitten. Ein neuer Anfang, ein neuer Zugang wird ihm durch Jesus geschaffen. „Er (Bartimäus) folgt Jesus auf seinem Weg nach.“ Das heißt, er orientiert sein Leben an Jesu Geboten.
„Was willst du, dass ich dir tue?“ Ein fragender Appell an unsere Hilfsbereitschaft gegenüber unseren Mitmenschen. Wo die Frage die gute Tat ergänzt, da ist gelebter Glaube.
Dem Leben trauen
Lasst uns dem Leben trauen,
weil Gott es mit uns lebt (A. Delp)
Kalkulieren ist schon gut…
“Liebe macht blind”, sagt ein Sprichwort. Und es meint: Wenn wir uns in irgendwen oder irgendwas verguckt haben, so heftig, wie es nur geht, verabschiedet sich der Verstand. Da gibt’s kein Halten mehr, kein Reflektieren oder Kalkulieren, nur noch: Ich will. Wenn dann alles gut geht, ist das wunderbar. Aber liebestolle Blindheit und die Gefahr, auf schlechte Wege geführt zu werden, liegen schon recht nah beieinander.
In einer Beziehung ist es doch sehr oft so, dass das Hirn berechnend und überlegend wieder angestellt wird, sobald die Schmetterlinge im Bauch wieder gelandet sind. Dann kommen die Fragen, ob man das Richtige getan hat, ob alles so bleiben soll, wie es ist. Oft gut und richtig, manchmal aber eben auch zu viel des Guten. Bei vielen anderen Projekten ist es aber dann doch auch sehr wichtig, Kalkül walten zu lassen. Kurzum: Blindes Verliebtsein ist mit allerlei Risiken verbunden, oftmals mit zu hohen.
Das Leben ist zum Hingucken
Im heutigen Evangelium erleben wir eine andere, genau umgekehrte Situation: Wir hören, dass Gottes Liebe nicht blind, sondern vielmehr sehend macht. Und dass diese Liebe nicht so ein turbulentes Gefühl ist, sondern ein eingehender Prozess, dass die Liebe Gottes etwas in Gang bringt.
Schauen wir einmal näher auf die Geschichte vom blinden Bartimäus. Zu Beginn wird uns berichtet, dass Bartimäus wegen seiner Blindheit irgendwie nicht dazu gehört; so ein bisschen wohl, aber zuerst steht er am Rand der Gesellschaft. Aber er will drinnen sein und über diesen Mann aus Nazareth hatte er gehört, dass mit ihm eine Chance dazu daherkommt. Jesus ist die Chance seines Lebens, und die will er sich nicht vermasseln. So verlässt er mit aller Kraft die ihm zugeordnete Rolle des schweigenden Bettlers und macht sich bemerkbar. Gegen jegliche Konventionen. Die Leute wollen ihn wohl wieder zurückdrängen an seinen angestammten Platz, aber Bartimäus bahnt sich seinen Weg.
Sehen will ich, was sonst - Oder?
So ist das, wenn Gottes Hinwendung zu den Menschen zu reicher Erkenntnis führt: Dann gibt’s kein Halten mehr. Und als Jesus all sein Mühen honoriert, lenken die Zuschauenden ein und lassen ihn vor zu ihm. Und dann diese scheinbar absurde Frage: "Was willst du, dass ich dir tue?" Was will ein Blinder schon von seinem Retter? - Aber Jesus nimmt auch in diesem Schicksalsmoment dem Blinden die Verantwortung für sein Leben nicht ab. Wenn er sehen können soll, dann nur, weil der Blinde es will. Denn Gottes Liebe zu den Menschen fällt nicht einfach so über uns her, sondern sie begleitet uns auf jedem einzelnen Schritt unseres Lebens, den wir aber selbst gehen müssen.
"Rabbúni, ich möchte sehen können." - Und Jesus sendet den Geheilten zurück auf seinen Lebensweg, den er nun im Licht des Glaubens an seinen Erlöser erkennen und gehen kann: "Geh!" Die Heilserfahrung bewirkt in Bartimäus einen tiefen Glauben und lässt ihn an Jesus dranbleiben: "Und er folgte Jesus auf seinem Weg nach."
Gottes Liebe ist nicht (nur) ein quirliges Gefühl im Bauch, Gottes Liebe schafft Erkenntnis, öffnet uns die Augen fürs Leben.
Was siehst du?
Die Verkündigung der anderen Texte des heutigen Sonntags geben uns davon ebenfalls ein beredtes Beispiel. Im Buch des Propheten Jeremia hörten wir den Satz: "Ich führe sie an Wasserbäche, auf ebenem Weg, wo sie nicht straucheln. Denn ich bin Vater für Israel".
Das Jeremiabuch ist wenige Jahrzehnte vor der größten Katastrophe des Alten Volkes Israel entstanden, kurz vor dem Babylonischen Exil. Die Prophetenbücher dieser Zeit verweisen auf Rettung durch Gott. Aus ihm erwächst mitten in allem Unheil neues Leben. Der Prophet öffnet dem Volk die Augen und macht sie sensibel für einen Weg, den sie gehen können, um zu überleben und zu leben. Anders als der Gottessohn lässt Jeremia die Menschen aber wissen: Ich kann euch nur darauf aufmerksam machen, wo es lang geht, hinschauen und dann gehen müsst ihr selbst. Im Gottessohn bekommt die Erkenntnis eine neue Qualität, in ihm wird die Sicht auf die Liebe Gottes vielfach klarer, sie wird Mensch, wie Bartimäus hat spüren dürfen.
Wer dann einmal erkannt hat, wo ein Weg entlanggeht und wie ein Lebensweg gut ist, der soll das nicht einfach für sich behalten. Paulus sagt dazu im Brief an die Gemeinde der Hebräer, dass jede und jeder die Erkenntnis Gottes weitergeben soll. Oder anders: Jede/r soll "mit den Unwissenden und Irrenden mitfühlen", wie er schreibt. Jede und jeder mit Erkenntnis soll zu einem Blindenführer werden für all jene, die nicht sehen können oder wollen.
Lieber nicht zu viel?
Das Evangelium lässt einen womöglich schwierigen Aspekt der Blindenheilung aus. Es erzählt nicht, wie Bartimäus auf seine Heilung selbst reagiert. Wir hören nur, dass er sich Jesus anschließt.
Im Gespräch mit Menschen mit Sehbehinderungen habe ich immer wieder zu hören bekommen, welch eine Auseinandersetzung es braucht, wenn sich die Sehfähigkeit verändert, sowohl wenn sie sich verschlechtert als auch wenn sie sich verbessert. Die veränderten Seherfahrungen müssen verarbeitet werden, und das ist oftmals nicht ganz einfach. Es bedarf einiger Auseinandersetzungen mit sich selbst und der Umwelt und einer großen Anpassungsfähigkeit.
Das gilt auch für die geistige und geistliche Sehfähigkeit. Wenn Gott in seiner Zuneigung zu uns Menschen uns sehen und erkennen lässt, wie unser Lebens wirklich ist und verläuft, ist das nicht immer eine ganz einfache Erfahrung. Lassen wir uns heute von Bartimäus dazu ermutigen, die Augen aufzumachen und hinzuschauen; zunächst auf uns selbst, um zu sehen wer und wie wir wirklich sind, und dann auch auf die Nöte unserer Nächsten. Und lassen wir uns nicht erschrecken und verängstigen, von dem was wir sehen und erkennen. Wir sind nicht allein. Gott lässt niemanden sitzen, weder Bartimäus damals am Wegesrand noch uns heute.
Oder um es mit den Worten des Jesuitenpaters Alfred Delp zu sagen, der 1945 von den Nationalsozialisten in Berlin-Plötzensee ermordet wurde und kurz vor seinem Tod schrieb: Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Mission als Dienst am Menschen – Sonntag der Weltkirche
Trost
In diesen Sonntagslesungen geht es um Trostworte und Freude. Israel ist gerettet. JHWH befreit sein Volk, weil er treu ist und all die Wunden, das Leid, Krankheiten und körperliche Behinderungen ein Ende haben sollen. Das Volk braucht Hilfe, und der Prophet Jeremia stärkt diese Hoffnung in der Zeit des abrupten Zerfalls des Assyrischen Reichs und des Babylonischen Reiches, von dem 586 v. Chr. Die Zerstörung Jerusalems ausgeht. Trostworte: „Seht, ich bringe sie heim aus dem Nordland und sammle sie von den Enden der Erde.“
Es bleibt aber nicht nur bei Worten, sondern es folgt die Heilung und damit auch die Frage, wer das tun darf. Jesu Antwort ist im Evangelium zu finden, zusammengefasst: Jeder bzw. „Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden.“ Gemeint sind auch die kleinsten Werke der Barmherzigkeit: das tröstende Wort, Zuhören können, die helfende Hand. Das können auch all jene tun, die fernstehen, die nicht viel mit der Religion am Hut haben, die die Institution Kirche sehr kritisch in den Blick nehmen oder überhaupt nichts von ihr wissen wollen.
Heilung
Die 2. Lesung sagt auch sehr deutlich, von wem aus Heilung geschieht. „Wir haben einenHohenpriester… Jesus, den Sohn Gottes.“ Da richtet sich auch der Blick auf das Priestertum des Alten Bundes, aus seiner Stellung als Mittler zwischen Gott und Menschen. Der Hohepriester hat auch den Auftrag, sich der Schwachen anzunehmen. Er ist von Gott dazu berufen. Diese Voraussetzungen hat Jesus erfüllt, weil er mit dem Vater eins ist, und der Vater ihm die Würde des Hohenpriesters verliehen hat.
Das wird im Evangelium genauer ausgeführt. Da hören wir auch heute wieder ein Stück Heilsgeographie: die Heilung des Blinden beim Aufbruch von Jericho nach Jerusalem - ein Tagesmarsch. Diese Heilungsgeschichte ist die letzte vor dem Passionsbericht. Heilung als Auftrag für Christinnen und Christen. In den neutestamentlichen Schriften sind Heilungen als Auftrag an die Apostel belegt, bereits bei der Berufung der Zwölf (siehe Mk 3,15 dort lesen wir vom Verkündigungsauftrag und von Heilung), auch bei Mk 6,7 lesen wir vom Sendungsauftrag: „Er sandte sie aus, jeweils zu Zweit“ und gab ihnen „Vollmacht über dieunreinen Geister“, also Heilung.
Dienst am Menschen
Dieser Auftrag geht weiter an die Kirche. Heute ist Sonntag der Weltkirche, früher Weltmissionssonntag. Das Wort „Mission“ (Sendung) hat bis heute einen üblen Beigeschmack, weil auch hier wieder Schattenseiten der Kirche durchkommen. Deswegen finde ich den Slogan „mission first“ problematisch. Viele Verzerrungen und Missverständnisse der Wahrheit und des Guten führten zu Kriegen, haben eben auch ihren Ursprung in den christlichen Reihen.
Vielmehr meint der Sendungsauftrag, die Mission, Dienst am Menschen. In diesem Evangelium finden wir das Leitmotiv Jesu, den Auftrag für die Kirche und auch für jeden einzelnen von uns: „Bartimäus, was soll ich dir tun?“ Übersetzt heißt das: Wie willst du weiterleben? Welche Unterstützung brauchst du beispielsweise bei der Postensuche, in finanzieller Not, in Beziehungsfragen, im Alter, bei der Hilfe im Haushalt? Die Antwort des Bartimäus: „Ich will w i e d e r sehen.“ Also: Befreie mich nicht nur vom physischen Leiden, sondern auch von Betriebsblindheit. Gib mir Weitblick für meine persönliche Entwicklung und Empathie, Einsicht für andere. Der Blinde hat schon einmal gesehen, er hat einen Verlust erlitten. „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Geistig / Seelisches und Körperliches sind wieder in Ordnung, auch untrennbar miteinander verbunden.
Heute also eine Ermunterung hinauszugehen, besonders zu jenen, deren Lebenssituation Hilfe notwendig macht, auch wenn es nur kleine Werke sind, „das Glas Wasser“, von dem vor einigen Sonntagen auch im Markusevangelium die Rede war.
Besser sehen können
Partielle Blindheit
Für manche Dinge bin ich blind. Bei einer Radtour entlang des Neusiedler Sees wunderte sich ein Freund, dass ich keinen Blick für die vielen Vogelarten hatte. Ganz wollte ich das nicht auf mir sitzen lassen. Ich entdeckte, dass meine Sehschärfe zu sehr abgenommen hatte, um kleinere Vögel im Flug wahrzunehmen. Mein wenig ausgeprägtes Interesse für Vögel dürfte noch Weiteres dazu beigetragen haben. Eine derartige partielle Blindheit gepaart mit mangelndem Interesse trifft man wohl oft an.
Im Evangelium begegnete uns ein Blinder, der von Jesus geheilt werden wollte. Grundschüler sind von dieser Geschichte meist fasziniert. Wenn man sie fragt, ob sie etwas von Jesus erzählen können, kommt mit Bestimmtheit die Heilung des blinden Bartimäus. Wie kommt es, dass diese Erzählung Menschen so fasziniert? Wenn Sehende sich in einen Blinden hineinversetzen, ahnen sie, wie schwer es Menschen mit eingeschränktem oder fehlendem Sehvermögen haben. Der Wunsch gut sehen zu können ist allzu verständlich und berührt auch Menschen, deren Sehvermögen partiell eingeschränkt ist. Schließlich kann man mit der Geschichte auch die Heilung von Blindheit für bestimmte Lebenszusammenhänge und geistige Einsichten verbinden.
Für bestimmte Zusammenhänge fehlte auch den Jüngern Jesu das Sehvermögen. So sahen sie ihn zwar als den erwarteten Messias, konnten aber mit der Ankündigung, dass der Messias leiden müssen, getötet werde und von den Toten auferstehen werde, vorerst nichts anfangen. Erst nach Ostern gingen ihnen die Augen auf und sie lernten das Geschehene in einem größeren Zusammenhang sehen. In diesem Sinne musste auch ihre Blindheit erst geheilt werden.
"Religiös unmusikalisch"
Manche Menschen beanspruchen für sich "religiös unmusikalisch" zu sein. Sie lehnen sich dabei an den berühmten Sozialwissenschaftler Max Weber oder an den Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas an, die ebendies von sich behauptet haben. In ihrem wissenschaftlichen Denken schlossen sie eine religiöse Dimension ihrer Weltsicht nicht grundsätzlich aus, sie brachten aber zum Ausdruck, dass ihnen ein religiöses Sensorium fehle, um auf religiöse Fragen Antworten geben zu können.
Es ist problematisch, wenn jemand wissenschaftliches und religiöses Denken vermischt. Naturwissenschaftler schließen daher ein religiöses Herangehen an ihr Wissensgebiet methodisch aus. Es ist jedoch auch umgekehrt problematisch, wenn jemand seinen naturwissenschaftlichen Denkansatz auf religiöse Fragen ausdehnt und jede religiöse Sichtweise ausschließt, wie dies immer wieder von militanten Atheisten gefordert wird. In gewissem Sinn kann man auch da von einer partiellen Blindheit sprechen.
Blindheiten
Partielle Blindheit kann es aber auch umgekehrt geben. So gibt es Theologen, die humanwissenschaftliche Erkenntnisse grundsätzlich ignorieren und an ihren alten Thesen festhalten. So wollen z.B. einige von ihnen Diskussionen über Fragen der Sexualmoral und eine Weiterentwicklung moraltheologischer Normen verhindern, wie die Causa Wucherpfennig einmal mehr zeigt.
Von partieller Blindheit muss man wohl auch sprechen, wenn manche Kreise der Kirche aber auch der Zivilgesellschaft sich weigern, sich mit Zusammenhängen zu beschäftigen, die in der Vergangenheit zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen geführt haben.
Oft ist das Sehvermögen eingeschränkt, weil sich das Gesichtsfeld verengt hat. Manchen Menschen konzentrieren z.B. ihren Blick so auf das Funktionieren der Wirtschaft, dass sie Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens nicht mehr wahrnehmen. Andere wieder haben nur mehr Fragen eines bestimmten Problemfeldes wie z.B. der Umwelt im Blick und verlieren andere nicht minder wichtige Lebensbereiche aus dem Blickfeld.
"Rabbuni, ich möchte wieder sehen können"
Es wäre schade, wenn wir die Heilung des blinden Bartimäus eine niedliche Geschichte für Kinder bleiben ließen oder auch nur als "Wunderbericht" aus längst vergangenen Zeiten betrachteten. Die Bitte des Bartimäus "Rabbuni, ich möchte wieder sehen können", ist auch für uns als Christen des 21. Jahrhunderts aktuell. Wir sollten den Herrn bitten, dass er uns heilt, wo wir blind für bestimmte Probleme geworden sind oder andere Sichtweisen auf Probleme von vornherein ausschließen, aber auch, wo wir auf Problematisches nicht hinsehen wollen.
Lebensweg mit Steilstrecken
Chefsache
Manchmal tut es gut, eine Relecture einzelner Bibelstellen vorzunehmen, so auch heute. Das soll am Evangelium des letzten Sonntags (29. Sonntag im Jahreskreis) geschehen. Dort lautet ein Satz: „Was soll ich für euch tun?“ und heute der Zuruf zum Blinden: „Wassoll ich d i r tun?“ Beide Male war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs. Die beiden Fragestellungen haben aber einen jeweils anderen Kontext, sind aber trotzdem typisch für die Jünger. Letzten Sonntag ging es um Rangstreitigkeiten der Jünger: „Wer darf rechts, wer darf links nebendir sitzen?“ Jesus weist sie zurecht und sagt ihnen: Im Reich Gottes gelten andere Wertmaßstäbe.
Sehr viel dürften die Jünger nicht gelernt haben, denn die Belehrung lautet: „Bei euch aber soll es nicht so sein!“ (Mk.10,43). Das Machtgehabe der Jünger zeigt sich nämlich wieder bei der Behandlung des Blinden. Nicht nur die Menschenmenge, auch die Jünger spielen gegenüber dem Behinderten ihre Vollmacht aus. Ganz in der Nähe von Jesus zu sein, das bedeutet schon etwas Besonderes!
Wie oft kommt es auch in der heutigen Gesellschaft vor, dass diejenigen, die in der zweiten Reihe stehen, aber in der Nähe einflussreicher Persönlichkeiten tätig sind, sich aufspielen und glauben, sie hätten das Sagen? Der Portier, der Vorzimmer-Zerberus, der verhindert entweder freundlich oder grantig, manchmal auch freundlich-eiskalt, Bittsteller zum Chef zu lassen. Und wie die Stimmung kippen kann, zeigt auch das Evangelium. Jesus macht die Bitte des Blinden zur Chefsache. In unserem Alltag ganz ähnlich, wenn man nichts mehr verhindern kann, wird man freundlich oder setzt die freundliche Maske auf.
Vorbereitung auf den Einzug in Jerusalem
Im Evangelium wird dem Blinden Mut zugesprochen. Jesus setzt hier gegenüber den Jüngern und der Menschenmenge ein Zeichen. Bereits im Buch Jeremia (1. Lesung) sammelt der Herr Blinde, Lahme, Schwangere um sich. Das Christentum ist eine Religion der Heilungen.
Das Markusevangelium zeigt die letzte Heilung vor seinem Leiden. Das Evangelium beginnt: Das Reich Gottes ist gekommen. Jesus sendet seine Jünger aus mit dem Auftrag das Reich Gottes zu verkünden. Dazwischen stehen Zeichen und Wunder. Was aber besonders wichtig ist: Die Wunder sind an Glaube, Vertrauen, auch an Hoffnung gebunden. Das ist bei jeder Krankheit so. Mitarbeit des Patienten durch Vertrauen, dann wird Heilung leichter möglich, zumindest die Hoffnung, dass es besser wird und nicht Resignation und sich Gehen-lassen. Der Kranke, der Behinderte hofft, dass es besser wird. Blindheit hat eine breite Bedeutungspalette. Sie kann mit Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit zusammen gesehen werden. Wir sprechen auch von Betriebsblindheit, also nicht mehr zu erkennen, was sich in nächster Nähe abspielt, wo die Probleme liegen.
Wo ist heute unsere Gesellschaft blind? Es wird zumindest in unseren Breiten sehr viel an Sozialleistungen und Diensten angeboten und trotzdem kommen aus verschiedensten Gründen gar nicht wenige nicht zu notwendigen Hilfestellungen: alleinerziehende Mütter und Väter, Kinderarmut, Bildungsbenachteiligung, Kranke, Behinderte. Sie kommen zu kurz durch manch unbarmherzige Gesetzesauslegung, durch Formalismus. Blindheit entsteht auch durch Realitätsverweigerung und Justamentstandpunkte.
Auf dem Weg hinauf nach Jerusalem
Der Blinde sagt: „Ich möchte (wieder) sehen können.“ (Mk 10,51). Er hat einen Verlust erlitten. Jesus schafft einen neuen Zugang. Er geht den steilen Weg von Jericho (=Stadt des Mondes, Stadt der Finsternis) hinauf nach Jerusalem in die Stadt des Lichtes zu Kreuz, Tod und Auferstehung.
Der Weg des Bartimäus ist auch unser Lebensweg mit Steilstrecken, auch mit mühsamen Ebenen. Wenn wir sehend werden - Jesus hilft dabei - dann bleiben wir auch in seiner Spur, die von der Dunkelheit ins Licht führt. Am 30. Sonntag im Jahreskreis eine wahrhaft österliche Botschaft!
Mission heute
Weltmission
Im Monat Oktober begeht die Kirche traditionell den Sonntag der Weltmission. Wir werden gebeten, die Missionstätigkeit der Kirche in den Ländern Afrikas, Asiens, Ozeaniens sowie des Nahen Ostens zu unterstützen.
Dass die Länder Westeuropas seit einigen Jahren selber zum Missionsland geworden sind, ist allen Verantwortlichen in der Kirche mehr als deutlich geworden. Einer der wichtigen Punkte, mit denen wir uns beschäftigen, ist neben der Neustrukturierung der Gemeinden und ihrer Seelsorge vor allem die Frage: wie gelingt es uns zukünftig dem Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts die Botschaft des Evangeliums weiter zu sagen? Wir spüren, dass es dabei nicht um neue Methoden oder Formen der Verkündigung geht, sondern um eine grundsätzliche Neuausrichtung. Um eine neue Haltung in der Verkündigung des Evangeliums.
Hilfeschrei eines in Not geratenen Menschen
Bei diesen und ähnlichen Fragen hilft mir oft ein Blick auf die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes. Was ist „Mission“? Es leitet sich aus der lateinischen Sprache her: „mittere" bedeutet so viel wie „entsenden“ oder „schicken“. Wer Mission betreibt, wird also gesendet bzw. geschickt. Wozu? In den Texten des Markusevangeliums der letzten Sonntage, finde ich Bausteine einer Antwort. Das heutige Evangelium erzählt von der Heilung des Blinden Bartimäus. Er hört, dass Jesus vorübergeht und schreit laut seinen Not heraus. Noch sehr undefiniert, wenig konkret. „Hab Erbarmen mit mir!“ Ein solcher Hilfeschrei wird als ungehörig empfunden und soll unterbunden werden. Jesus aber nimmt diesen Hilfeschrei sehr wohl ernst. Er lässt ihn zu sich kommen, und erkundigt sich konkret nach seiner Not. Worum geht es? „Was soll ich dir tun?“ Erst jetzt, in dieser persönlichen Zuwendung, äußert der blinde seine wirkliche Not: „Ich möchte sehen können!“ Jetzt kann ihm geholfen werden. Jesus heilt ihn und er kann wieder sehen.
Hören auf die Hilfeschreie der Menschen
Ich lerne daraus: ich werde geschickt und gesendet, um die Not der Menschen zu hören. Dieser Schrei ist oftmals sehr unkonkret. Und kann sich ganz unterschiedlich äußern. Ist der Kollege am Arbeitsplatz wirklich nur mürrisch und ein unangenehmer Zeitgenosse oder ist dieses Verhalten vielleicht ein Schrei einer Not? Was ist mit der Nachbarin, die nach vielen Ehejahren ihren Mann verloren hat und die man in letzter Zeit kaum noch auf der Straße sieht? Muss sie „nur“ über ihren Schmerz hinweg kommen oder ist dieser Rückzug eher ein Schrei der Einsamkeit und Verzweiflung? Manchmal können solche "Schreie" auch ganz still sein: ist das Wegbleiben so vieler junge Menschen und junger Familien in unseren Gottesdiensten und Gemeinden nicht vielleicht auch ein (stummer) Schrei? Dass Sie sich mit ihren Fragen und Sorgen bei uns nicht gut aufgehoben fühlen bzw. gar nicht vorkommen?
Das Evangelium lädt uns ein hinzuhören! Das Verhalten der Menschen nicht sofort als ärgerlich abzutun, sondern aufmerksam dafür zu sein, ob sich dahinter nicht eine Not verbirgt. Im Text der frohen Botschaft wird dem Blinden Mut gemacht: "Hab Mut, steh auf, er ruft dich!" Einen solchen Mut brauche ich natürlich auch, wenn ich mit dem nervenden Arbeitskollegen ernsthaft in ein Gespräch kommen möchte. Die Wohnungsklingel der Witwe in der Nachbarschaft drücke, um zu fragen wie es ihr wirklich geht. Oder bei einer Erstkommunion versuche, den Sorgen und Nöten der Eltern einen Raum zu geben, auch wenn dies scheinbar zunächst wenig mit „Erstkommunion“ zu tun hat.
Helfen fordert heraus
Nur so kann ich aber die konkrete Not von Menschen kennenlernen. Und wenn ich mich dann wirklich ganz auf den Menschen in seiner Not einlasse, dann fordert mich das. Ganz persönlich: ich muss dann wirklich Zeit für den anderen haben. Vielleicht muss ich bereit sein, an seiner Seite zu bleiben, seine Not zu teilen und damit auszuhalten. Und vielleicht entwickelt sich aus einer Erstkommunionsvorbereitung plötzlich ein ganz neues Projekt für junge Familien, Alleinerziehende, Geschiedene.
Wo aber bleibt bei dieser Form von „Mission“ der Glaube, die Nachfolge? Bleibt das nicht eigentlich mehr auf der Ebene von „Sozialarbeit“ stecken und dringt nicht zum Eigentlichen, zum Wesentlichen vor? Die Frage ist berechtigt. Und im Lichte des Evangeliums von heute müssen wir uns ihr auch stellen. Was ist das Wesentliche unseres Glaubens? Das Geheimnis der Person Jesu Christi besteht ja gerade darin, dass in ihm Gott selbst Mensch geworden ist. Christus ist - so sagt es unser Glaube - Gott und Mensch. Beide Naturen gehören wesensmäßig zu ihm. Wenn sich also Gott so existenziell mit dem Menschen verbindet, dann ist doch das Wesentliche unseres Glaubens der „Mensch“. Alles was wir dem (geringsten) unserer Schwestern und Brüder tun, das haben wir ihm getan.
Mission geschieht, wo wir Menschen helfend nahe sind
Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Mitmenschen uns sehr wohl als „Christen und Christinnen“ wahrnehmen und als solche identifizieren. Erst recht, wenn wir innerhalb unserer Gemeinden hörend und helfend den Menschen nahe sind. Wir sind in den letzten Jahrzehnten zu oft in die Falle getappt, die Qualität unseres Glaubenszeugnisses an Zahlen zu messen. Das Evangelium von heute hat einen anderen Maßstab: Wenn Menschen durch uns Gottes Liebe und Fürsorge erfahren, sich bei uns in ihrer Not gut aufgehoben fühlen, dann sind wir gute Zeugen des Glaubens.
Wir helfen heute den Menschen in Asien, Afrika, Ozeanien und dem Nahen Osten in ihrem Glaubenszeugnis. Nehmen aber auch unseren eigenen Missionsauftrag in unsrer Stadt/Stadteil/Gemeinde ernst.
„Verkündet sein Heil von Tag zu Tag"
Das Gute weitererzählen
Der durch Jesus sehend gewordene Bartimäus wird allen erzählt, ja verkündet haben, wie froh er sei, dass ihn Jesus sehend gemacht hat. Auf ihn trifft das Motto des heutigen Weltmissions-Sonntags voll und ganz zu: „Verkündet sein Heil von Tag zu Tag", ein Vers aus Psalm 96. Bartimäus redete Tag für Tag vom Heil, dem Wunder seiner Heilung durch Jesus.
Jesus und die Begegnung mit ihm bringen Freude. Papst Franziskus hebt in seinem Schreiben „Die Freude des Evangeliums“, die Mission als wichtigsten Punkt der Kirche heute hervor. Er lädt uns ein, dass wir neue Wege beschreiten. Der Wandel der Welt erfordere auch einen Wandel der Kirche. Die Mission müsse vor allem den Menschen am Rand gelten, Verkündigung und soziales Engagement gehören untrennbar zusammen.
angerührt, geheilt und befreit
Jesus ist dazu der Schlüssel. In ihm, in seinem Umgang mit den Menschen hat sich die Liebe Gottes konkret ereignet. Die Menschen wurden von ihm – so wie Bartimäus - angerührt, geheilt und befreit. Das muss auch unser Maßstab sein in den Begegnungen miteinander. So können wir im ganz konkreten Tun mit bauen am Reich Gottes und die Freude des Evangeliums miteinander teilen
Wie können heute sein Heil von Tag zu Tag verkünden? Was verkünden wir Tag für Tag? Was tun wir und sagen wir weiter? Was ist mein, ja unser Zeugnis? Wenn ich für mich überlege, was ich weiter erzählen möchte in meiner Begegnung mit dem Nächsten, "in meiner Mission", da drängt sich in meinem Innern die Antwort auf: Ich habe erfahren, wie sehr mich Gott liebt und wie er als der Vater aller Menschen alle unendlich ganz persönlich mag so wie mich. Ich versuche deshalb, von allen gut zu denken und auf sie zuzugehen, auch auf die Flüchtlinge. Gerne rede ich von Gottes Barmherzigkeit, wo ich merke, dass es offene Ohren dafür geben könnte. Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!
Eine Frau schrieb mir gestern, dass sie es versuche, ihre häufigen schweren und langwierigen Migräne–Attacken neu zu sehen. Sie sagte, „bisher habe ich die aggressiven Schmerztage als verlorene Tage in meinem Leben angeschaut, bis ich versucht habe, meine Schmerzen, Tränen und die Traurigkeit mit Jesus am Kreuz zu tragen. Da fand ich einen gewissen Frieden.“
Ein Mitbruder sagte mir, er spricht oft mit den Menschen, wie wichtig für ihn das Beten sei. Er erklärt ihnen, was und wie er bete.
Dass andere in der Begegnung mit uns spüren, dass unsere Zuwendung herzlich und ehrlich gemeint ist, dass sie in der Liebe Gott erfahren dürfen, halte ich für wichtig. Ich gehe diesen Weg mit mehreren Freunden und wir erfahren manchmal, wie uns der Herr begleitet.
Tansania
Heuer ist das Schwerpunktland der Missionsaktion 2015 das Land Tansania in Afrika. Dort sind in der Mission seit vielen Jahrzehnten deutsche Missionsbenediktiner tätig. Bekannt ist Tansania von der Touristenattraktion Kilimandscharo, dem höchsten Berg in Afrika. Das Land ist fast dreimal so groß wie Deutschland. Von den ungefähr fünfzig Millionen Einwohnern bekennen sich etwa vierzehn Millionen zu unserem katholischen Glauben. Die Kirche zählt dort über dreißig Bistümer. In der Seelsorge arbeiten etwa fünfzehntausend Katechisten, zehntausend Ordensschwestern und -brüder und fast dreitausend Priester. Die „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ wirken äußerst aktiv in den Gemeinden und in der Sozialarbeit.
Verkündet sein Heil von Tag zu Tag! Hier bei uns in den Begegnungen, die von der Glaubensfreude geprägt sind, weil wir sehend wurden für Gott wie Bartimäus. Für Tansania sind wir missionarisch durch unser Gebet und unsere Spende.
Das Licht Gottes ist stärker als jede Dunkelheit
Dein Wort ist ein Licht für meine Pfade
Das Leitwort des heutigen Weltmissionssonntags "Dein Wort ist ein Licht für meine Pfade" beschreibt tiefe Erfahrungen des Beters. Der Beter hat in seinem Leben viele dunkle Stunden erleben müssen. Krankheit, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, unterdrückt werden. Das alles hat seinen Weg bisher, neben dem, was er auch an Gutem erlebt hat, mitbestimmt. Was mich an den Psalmen immer wieder fasziniert: die Menschen machen die Erfahrungen, die Menschen vor mehr als tausend Jahren in Psalmen zusammengefasst haben, immer wieder.
Papua Neu Guinea
Unser Blick geht heute nach den Mitchristen und Mitmenschen in Papua Neu Guinea. Papua Neu Guinea ist die zweitgrößte Insel der Welt. Seit 1975 ist Papua Neu Guinea ein unabhängiger Staat. Die ersten Missionare kamen 1845 ins Land. 96 % sind christlich geprägt, davon 27 % Katholiken. Innerhalb nur weniger Generationen stehen die Menschen vor der gewaltigen Herausforderung, den Sprung von der Steinzeit ins Internetzeitalter zu schaffen.
Viele Menschen leben meist von einer auf kleinen Parzellen betriebenen Landwirtschaft. Viele Menschen erleben Dunkelheiten. Das Land hat reiche Bodenschätze. Das Land ist reich an Kulturen. Es ist reich an Menschen, die das Land prägen. Aber: Korruption, Machtmissbrauch, schonungsloser und unverschämter Gebrauch der Bodenschätze, die große Kluft zwischen den Armen und den Reichen, sie alle erzeugen eine für viele Menschen hoffnungslose Situation. Ausländische Investoren drängen immer stärker in das Land. Sie sind interessiert, das Land auszubeuten: Gold, Kupfer, Öl und Gas.
Das Land sieht idyllisch aus. Doch Vorstellung von Urwaldabenteuer und Dschungelromantik sind fehl am Platz. Was die Menschen auf dem Land anbauen, reicht oft nicht zum Leben. Das Land wird zunehmend zerrissen zwischen einem traditionellen Leben und rücksichtslosem Fortschritt. Viele Menschen verzweifeln an ihrer Situation, die sie zunehmend orientierungsloser macht.
Lichtblicke
Wie gut, dass es Menschen gibt, Missionare und Missionarinnen, die sich auf den Weg machen zu den Mitmenschen. Da ist Schwester Cecillia. Ihre Missionsstation Tarakbits liegt im Süden von Papua Neu Guinea. Sie betreut diese Station zusammen mit einem Pfarrer, einer weiteren Schwester und zwei Laienmitarbeitern. Manche Orte erreicht sie in einem zweistündigen Fußmarsch, für andere sind Tagesmärsche einzuplanen. Sie betreut in den Dörfern Frauengruppen, sie leitet dort die Kinderkatechese, sie macht Krankenbesuche.
Welche Rolle spielt die Kirche? Sie kann die Entwicklungsprozesse, die sich auf die Gesellschaftsstrukturen zerstörerisch auswirken, nicht aufhalten. Sie wirkt aber enorm im Gesundheitsbereich und im Bildungswesen. Sie begleitet die Jugendlichen in Umbruchsituationen. Es gibt vielfältige Bildungsprogramme, in denen berufliche Fertigkeiten vermittelt werden.
Ja, es gibt sie, die Lichtblicke. Das sind zum Beispiel die kleinen christlichen Gemeinschaften, die Halt geben. Mehrere Familien finden sich in Nachbarschaftsgruppen zusammen, um zu beten und regelmäßig aus der Bibel zu lesen. Das Lesen der Bibel macht ihnen Mut in ihrer Situation. Es gibt ihnen Hoffnung auf einen Gott, der sie im Leben doch nicht so alleine lässt wie es den Anschein hat. Dazu sendet Gott immer wieder Menschen, die er beruft, anderen Menschen in Not zu helfen.
Jeremia – ein Mut machender Unheilsprophet
Vor allem macht die erste Lesung aus dem Buch Jeremia Mut. Jeremia galt als ein Unheilsprophet. Gott hat zugelassen, dass sein Volk in die Verbannung geführt wurde. Der Grund war der Ungehorsam des Volkes gegenüber Gott. Immer wieder hatte sich da Volk abgewandt. Jeremia hatte das Volk, die Obrigkeiten immer wieder gewarnt. Doch hat er sich damit nur Feinde gemacht. Doch Gott erbarmt sich seines Volkes immer wieder.
Jeremia verkündet in der ersten Lesung, dass Gott sein Volk retten wird. Er fordert sie auf zu jubeln und zu jauchzen. Das Dunkel der Gefangenschaft wird überwunden werden. Sicher: Gott verhindert das Leid nicht. Doch er bewahrt im Leid. Gott lässt uns nicht im Tal der Tränen. Das haben unzählige Menschen erfahren. Es sind gerade die ärmsten Menschen, die am meisten Gottes rettendes Handeln erfahren sollen. Die Schwangeren, die Blinden und den Lahmen. Gott führt sie in ein Land, das ihnen Leben verheißt.
Glaube macht Mut
Es ist gut, dass sich dazu Menschen Gott zur Verfügung stellen. Überall, wo Menschen anderen Gutes tun, wo sie spüren: was woanders, was auf der anderen Seite der Welt passiert, das ist nicht gleichgültig. Da bin ich bereit, Anteil zu nehmen. Wenn ich spenden kann, dann versuche ich zu spenden. Es kann sich auch zeigen, dass ich versuch solidarisch zu leben. Diese Solidarität kann sich in der Haltung zeigen, dass eben mein Besitz nicht das allerwichtigste ist.
Man mag mir nun entgegenhalten: ja, gibt es hier nicht genügend Leid, genügen Dunkelheit. Müssen nicht Menschen nicht auch hier durch Dunkelheit gehen, trotz des ganzen Wohlstandes? Sicher brauchen auch diese Menschen Lichtblicke. Es wird von keinem verlangt, dass er alles Leid der Welt bekämpft.
Glaube macht sehend
Aber es gilt: Augen auf, wo kann ich anderen Menschen Licht bringen in ihrem Leben? Wo kann ich das Wort Gottes leben und verkündigen. Der Glaube macht sehend. So würde ich auch versuchen, das Evangelium zu interpretieren. Schauen wir uns Bartimäus an. Es ist ihm wichtig, Jesus zu begegnen, von ihm geheilt. Durch nichts lässt er sich abhalten. Als Jesus ihn ruft, wirft er seinen Mantel weg. Er wirft das weg, was ihm bislang Schutz gegeben hatte. Weil er Jesus entdeckt, darum braucht er den menschlichen Schutz nicht mehr. Und er weiß, was er will: Meister, ich möchte wieder sehen können. An dieser Stelle ist schön abzulesen: Jesus geht es nicht um sich persönlich, nein, er nimmt kein Bad in der Menge, sondern er nimmt den einzelnen wahr.
Wenn wir den Weltmissionssonntag begehen, dann sollten wir merken wie viel Einzelschicksale es gibt. Darum ist schon viel geholfen, wenn jemand eine Patenschaft übernimmt. Ja, sehen wir, wo wir Gutes tun können. Lassen auch wir uns von Jesus, von seinen Worten immer wieder neue Augen schenken, Augen, die Not sehen, die sehen, was der Glaube schenken kann. Der Glaube an Gott, das Hören seiner Worte kann uns doch eine Vision schenken. Die Vision einer Welt, in der alle Menschen sich entfalten. Diese Vision hat viele Menschen als Missionare nach Papua Neu Guinea geführt. Diese Vision gibt auch vielen den Mut, sich für andere einzusetzen.
Möge Gottes Wort auch für uns Licht sein. Das Licht, besonders das Licht Gottes ist stärker als jede Dunkelheit. Der Psalmist hat das erkannt. Es kommt bei uns auf das eine an: dieses Licht auch empfangen zu wollen, so wie es Bartimäus wollte. Jesus schenkt uns das Licht. Lassen wir uns einladen, uns von dem Wort Gottes leiten zu lassen, uns Mut machen zu lassen. Es ist immer aktuell. Möge es in diesem Jahr den Menschen in Papua Neuguinea zu gute kommen, damit sie Licht sehen im Dunkel ihrer Situation. Wir müssen dieses Licht für unser Leben aber auch wollen - wie Bartimäus.
Aus der Dunkelheit ins Licht
"Freuen sollen sich alle..."
"Freuen sollen sich alle, die den Herrn suchen", so der Eingangsvers zu diesem Gottesdienst. Trotz mancher Dunkelheiten in diesen Texten, hören wir überwiegend trostvolle Worte. In der 1. Lesung geht es um Jubel nach einer Zeit der Not, der Verschleppung der Israeliten durch die Assyrer. Sie konnten im 8. Jhdt. v. Chr. das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem nicht einnehmen. "Lobsingt und sprecht: Gerettet hat der Herr sein Volk, den Rest Israels. Seht, ich bringe sie heim aus dem Nordland und sammle sie von den Enden der Erde, besonders die Blinden, Lahmen, Schwangere."(Jer.31,8). Und weiter: "Tröstend geleite ichsie." (Jer.31,9). Das deutet einen Heilsuniversalismus an, auch wenn zunächst nur ein "Rest" von diesem Volk geblieben ist. Die 1. Lesung weist auf die Gebrochenheit der Menschen hin, aber alle sollen gerettet werden.
Das Evangelium bietet sogar namentlich, ganz persönlich nochmals, auch jedem von uns, Heilung an. Diese Szene, die hier dargestellt wird, ist reich an Einzelheiten, dramatisch ausgeschmückt. Da ist von Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge die Rede. Sie wollen Jericho verlassen und nach Jerusalem weitergehen. Eine beachtliche Strecke von etwa 23 km und einem Höhenunterschied von 1000m. Ein Bettler, Bartimäus, erzwingt durch sein Geschrei einen Halt.
"Stadt der Finsternis"
Die Stadt Jericho, tiefst gelegenste Stadt der Welt, sicher an die 10 000 Jahre alt, wird als "Stadt der Finsternis" bezeichnet. Das passt gut zur Begegnung mit dem Blinden zusammen. Laut einem "Kathpress"-Bericht vermuten zwei israelische Ärchäologen, dass es hier einen kegelförmigen Turmbau gegeben habe, der als eine Art "Wächter gegen die Mächte der Finsternis" errichtet wurde. Ganz in der Nähe liegt nach christlicher Tradition der "Berg der Versuchung Jesu." Dazu muss man wissen. Jericho liegt in einer Oase, einem sehr fruchtbaren Gebiet. Da gilt die Zusage: Wenn du im Besitz dieser Oase bist, hast du das blühende Leben. Nach biblischer Aussage führt der Satan Jesus auf diesen Berg. Die Mächte der Dunkelheit, die Krankheit und Leid verursachen, machen auch vor Jesus nicht Halt.
Dann kommt im Evangelium ein Wendepunkt. Aus der Not der Blindheit entsteht eine Beziehungsgeschichte zunächst mit unfreundlichem Ton. "Viele wurden ärgerlich"(Mk. 10,48) über das Geschrei des Bartimäus. Die Wegbegleiter Jesu, nicht nur die Jünger, sondern eine große Menschenmenge sollen den Bekanntheitsgrad Jesu herausstreichen. Vor allem die Jünger kommen bei dieser Begegnung eindrucksvoll vorgeführt, wie ein Mensch trotz großer Not die Hoffnung auf Heilung nicht aufgibt.
"Ich möchte wieder sehen können"
Auch für die vielen anderen Menschen besteht die Chance, im Glauben gestärkt zu werden. Aber worauf hoffen sie? Das sagt der Text nicht. Vielleicht auf die Befreiung von der römischen Besatzungsmacht. Hoffnungen können sehr unterschiedlich sein. Bartimäus schreit nach Erbarmen. Als Jesus ihn zu sich ruft, tritt unter den Leuten ein Stimmungswechsel ein vom Ärger zum Mutzuspruch. Sehr erstaunlich. Meistens ist es umgekehrt. Dann kommt die Schlüsselfrage: "Was soll ich für d i c h (ganz persönlich) tun?" (Mk.10,51). Die Antwort: "Ich möchte w i e d e r sehen können." Er hat alle Hoffnung auf Jesus gerichtet. Aus der Antwort geht hervor, dass der Blinde schon einmal gesehen hat. Er hat einen Verlust erlitten, er braucht einen neuen Zugang. Es geht in diesem Evangelium aber nicht nur um körperliche Versehrtheit oder Unversehrtheit, sondern um Vertrauen und Hoffnung. Ja noch tiefer: Im Sehen des Blinden (siehe auch Jes 29,18) wird das anbrechende Reich Gottes sichtbar.
Das Evangelium macht aber auch deutlich, wie leicht die Anfangsbotschaft verblasst: "Kehrt um und glaubt an dasEvangelium."(Mk.1,15). Viele sind Jesus gefolgt. Im Lauf der Zeit wird die Anhängerschaft kleiner. Haben wir uns schon überlegt, was blind macht? Der Hass- blind vor Wut; Realitätsverweigerung in sozialen Fragen zwischen Arm und Reich; eingeengte Seh-und Sichtweisen, auch in der Kirche.
Fragen wir uns aber auch: Was könnte heilen? Blindheit kann hier auch mit Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit gleichgesetzt werden. Das Evangelium zeigt: Jesus geht einen Weg von Jericho als letzte Station vor dem steilen Weg nach Jerusalem, wo er ans Kreuz geschlagen wird, stirbt, wo es aber auch die Auferstehung gibt. Das ist nicht nur der Weg des Bartimäus, sondern auch unser Lebensweg, auf dem es gilt, mache Steilstrecke zu bewältigen: Ein Weg der Nachfolge, so wie ihn Bartimäus geht. Die Auferstehung wird uns von der Dunkelheit ins Licht führen.
Menschen,
die aus der Hoffnung leben
sehen weiter
Menschen,
die aus der Liebe leben
sehen tiefer
Menschen,
die aus dem Glauben leben
sehen alles in einem anderen Licht
Aus: Lothar Zenetti, Sieben Farben hat das Licht. Worte der Zuversicht. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2006.
Die Heilung des blinden Bettlers Bartimäus
Blind, am Rand...
Da sitzt einer, blind, am Rand, im Trubel, lässt sich nicht zum Schweigen bringen, schreit noch lauter, bis er schließlich erhört wird. Er steht auf, wirft den Mantel weg, läuft zu dem, von dem er Hilfe erhofft. Und dann wird er gefragt nach dem, was er will. Er spricht es aus, und dann ist alles anders. Vom Blinden zum Sehenden und von nun an ein Nachfolger von Jesus.
Eine vielschichtige Erzählung, das Bild des Blindseins, die Anrede des Bartimäus, der Jesus als Sohn Davids anspricht, sein Glaube, der letztendlich zählt. Ich aber möchte mir die Freiheit nehmen, heute vorwiegend Bartimäus zu betrachten. Was tut einer, der Hilfe braucht? Wie geht es dem? Wie schafft er es, dass es besser wird. Ich erlaube mir heute, die Geschichte zu lesen als ein Beispiel, wie Hilfe gelingen kann. Wie im Brennglas wird hier nämlich gezeigt, was es braucht, damit einer dem anderen helfen kann.
... laut und lästig
Wie üblich beginnt es am Rande, abseits des Zentrums. Da kauert Bartimäus, blind. Wahrnehmen kann er nur mit den Ohren, der übliche Zugang zur Welt ist ihm verwehrt. Und Ohren hat er gute, notgedrungen. Er hört Jesus, er verbindet mit diesem Namen Hoffnung, da ist vielleicht einer, der mit ihm Erbarmen hat. Einer, der ihm ein Ansehen schenkt, einer, von dem er annimmt, dass der ihn anders sieht als die anderen. Und er wird laut, beginnt zu schreien. Das aber stört, fällt lästig, hält auf, hemmt den Schritt. Schweigen soll er, den Mund halten. Bartimäus fällt aus seiner Rolle. Still dasitzen, sein Leid erdulden, das wird von ihm erwartet. Aber das hilft ihm nicht weiter, das kennt er schon lang genug. Jetzt scheint er sich zu sagen, jetzt gilt es. Jetzt oder nie. Und die Umgebung Jesu schafft es nicht ihn zum Schweigen zu bringen. Alles Zischen und um Ruhe bitten nützt nichts. Bartimäus bleibt dran, er ist hartnäckig. Ein Segen ist es für ihn, gerade da nicht mitzuspielen mit den anderen. Widerstand überwinden, den äußeren und vielleicht auch den inneren, die Not rauszuschreien, nicht höflich und leise um Hilfe zu bitten, sondern aufzufallen, dazu braucht es den Mut der Verzweiflung.
Und Bartimäus hat Glück, Jesus hört ihn, er lässt ihn rufen. Da endlich erweist sich die Umgebung als hilfreich, Menschen ermutigen ihn aufzustehen. Bartimäus steht auf, er wirft den Mantel weg, macht sich auf zu Jesus. Den Mantel abwerfen, das Bergende, Schützende hinter sich lassen, vielleicht aber auch den über die Jahre entwickelten Schutzpanzer... Aufrecht sich hinstellen vor den, von dem er Hilfe erhofft. Derjenige aber, er scheint etwas Seltsames zu tun. Jesus sieht doch das Offensichtliche, ein Blinder, der da zu ihm hingesprungen kommt. Es ist doch offensichtlich, was der braucht.
"Was willst DU?"
Aber nein, Jesus stellt die Frage: Was soll ich dir tun? Gleichsam: was ich will, zählt jetzt nicht. Deine Sichtweise, dein Wille ist entscheidend. Du, der Du zu mir kommst, der Hilfe will, du bist gefragt, du musst es sagen, nicht ich oder irgendein anderer kann für Dich reden. Wir dürfen uns Bartimäus vorstellen als einen, der nicht oft um seinen Willen gefragt worden ist; man sieht doch, was so einer braucht. Aber nein, gerade darum geht es. Was willst Du? Das ist die Frage aller Fragen. Nur dann wird etwas wieder heil, dann gehen einem die Lichter auf, dann wird wieder jemand sehend. Wenn er, wenn sie gefragt worden ist nach seinem oder ihrem Willen.
So einfach wäre es, für alle zu antworten, denen es sichtlich an etwas mangelt. Aber sie selber müssen es sagen, sie selber wissen, was ihnen nottut, was für sie heilsam ist. Wie im Brennglas wird hier gezeigt, worum es geht. Nicht zwangsbeglücken, sondern fragen. Was Bartimäus schon zuvor alles gezeigt hat an Aktivität, an Engagement, das findet hier die Fortsetzung.
Ein neuer Blick
Keine einfache Frage, was ich will, wenn es mal über die üblichen alltäglichen Anlässe hinausgeht. Was will ich wirklich? In meinem Leben, meinen Beziehungen, meinem Glauben, meinen Nöten und Problemen? Keine einfache Frage für all diejenigen, die am Rand stehen, denen man das Wort oft genug abschneidet und wenn nicht, dann in scheinbarer Fürsorge schon die "richtige" Antwort in den Mund legt. Aber fürwahr ein Glück, wenn man an Menschen gerät, die wirklich interessiert sind am Gegenüber, die nicht schon die Antwort haben, bevor sie überhaupt die Frage gehört haben. Ein Glück sind solche Menschen, die die Freiheit haben, zu fragen so wie Jesus. Sie eröffnen einem wie Bartimäus buchstäblich einen neuen Blick, ein Sehendwerden.
Kurzer Blick am Ende in unsere heutige soziale Arbeit in der Caritas: genau darum geht es, Menschen, die sich die Freiheit nehmen, laut zu werden, störend zu werden in ihrer Not, anzusehen. Ihnen mit Respekt und Achtung zu begegnen, ja selbst wenn sie lästig fallen. Ihnen die Frage nach ihrem Willen zu stellen. Das geht wohl nicht so schnell wie im heutigen Evangelium - dort wird es verdichtet geschildert, oft braucht das Jahre, ein Einüben auf beiden Seiten, und ein geduldiges Dranbleiben. Aber dann wird immer wieder auch Heilsames geschehen, wenn Menschen einander begegnen auf Augenhöhe. Tagtäglich wiederholen sich diese Geschichten, mal sind wir einander Bartimäus, und dann und wann auch Jesus. Jeder Tag eine Gelegenheit für ein Wunder zwischen uns.
Fünf Freiheiten
Sehen und hören, was da ist,
anstatt was sein sollte,
war oder sein wird.
Sagen, was ich denke,
anstatt was man denken sollte.
Fühlen, was ich fühle,
anstatt was man fühlen sollte.
Verlangen, was ich will,
anstatt immer auf Erlaubnis zu warten.
Im eigenen Interesse Risiken auf mich nehmen,
anstatt auf Sicherheit bedacht zu sein,
um nur ja keine Unruhe zu verursachen.
Mag. Wilfried Scheidl, Caritas der Diözese Linz.
Glaube verwandelt
Der Mensch ist als Abbild des Ewigen
Vor kurzem ist das Buch "Leben, wie geht das?" erschienen Der Autor Matthias Beck ist Mediziner und Professor für Moraltheologie an der Universität Wien. Er vertritt die Meinung, dass Leben ohne Glauben nicht gelingen kann. Der Mensch ist als Abbild des Ewigen immer ein Verwiesener auf Gott. Die Straßen der Seele führen daher ins Unendliche. Nie sagt der Mensch: "Es ist genug". Erst der Glaube an Gott kann unsere unruhige Sehnsucht stillen. Daran will uns das Jahr des Glaubens erinnern.
Der Glaube - die Tür zu Gott
Die Grundfragen des Lebens "Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wozu lebe ich?" sind von vielen Geheimnissen umgeben. Man kann viele Dissertationen schreiben. Man wird dem Geheimnis des Lebens immer nur auf der Spur sein. Unser Sternenhimmel ist wunderbar, voller Wunder. Aber erst wenn mein Blick von der Schöpfung zum Schöpfer geht, werde ich sehend. Wenn mir die Welt auf Gott hin durchsichtig wird, habe ich die Tür zum Glauben gefunden. Ich werde mich nicht mit dem Glitzer dieser Welt zufrieden geben, mit den Götzen dieser Welt liebäugeln, die mich letzten Endes nicht total glücklich machen können. Denn "jede Lust, will tiefe, tiefe Ewigkeit" (F. Nietzsche).
Gott verschließt sich nicht
Gott hat sich geoffenbart in seinem Werk, aber besonders in seiner Menschwerdung. Glaube ist daher unsere Antwort auf Gottes Selbstmitteilung. Immer mehr hat sich Gott enthüllt: durch die Propheten, durch die heiligen Schriften und zuletzt durch seinen Sohn. Der Zeuge aller Zeugen für Gott ist Jesus Christus. Mit dem Glauben an Gott und an seinen Sohn können wir schon hier auf Erden glücklich werden (vgl. Joh 17,3). Das hat der blinde Bartimäus erkannt. Daher wollte er unbedingt zu Jesus kommen. Er warf seinen Mantel weg, sprang auf, und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was soll ich dir tun? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dich geheilt (Mk 10,52).
Ich frage mich: Warum heilt der Glaube? An einer anderen Bibelstelle heißt es: "Glaubt ihr nicht, bleibt ihr nicht" (Jes 7,9). Da kommt zum Ausdruck, dass uns der Glaube rettet. Der Glaube an Christus rettet uns, weil er uns vor Gott gerecht macht (vgl. Röm 5,18) Der Glaube ist etwas ganz Wichtiges. Aus diesem Grund spreche ich heute über ihn.
Glauben heißt vertrauen
Das Neue Testament ist in der griechischen Sprache abgefasst. Das griechische Wort für glauben heißt pisteuein, auf deutsch bedeutet dieses Wort vertrauen. Bartimäus hatte Vertrauen zu Jesus. Und wer viel vertraut, erhält auch viel. Jesus ist für sein Leben die Hoffnung schlechthin. Er war davon überzeugt, dass durch diesen Gottgesandten, durch diesen Propheten sein Leben anders werden kann. Glauben heißt daher vertrauen.
Vor kurzem ist ein Mitbruder von mir gestorben. Vier Tage vor seinem Tod schrieb er an unsere Berufsgemeinschaft einen Brief. Sinngemäß habe ich den Text noch im Ohr: "Ich bin arm vor Gott. Ich habe nichts. Aber mein Herz gebe ich ihm". Im Lateinischen heißt ich glaube "credo". Credo ist zusammengesetzt aus cor und dare, das heißt jemandem sein Herz geben. Das ist eine wunderbare Definition des Glaubens. Ich lege mein Leben in die Hand Gottes, in die Hand Jesu. Er soll mich lenken, leiten und führen. Wenn ich ihm die Weichen stellen lasse, wird mein Leben gelingen. Das kommt auch beim Händefalten zum Ausdruck. Diese Geste zeigt die Übergabe meiner Hände an den Herrn. Und im Lied singen wir "So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende..."
Bei der Eucharistiefier heißt es in der Gabenbereitung: "Wie sich das Wasser mit dem Wein vermischt, so vermischt sich die göttliche Natur mit der menschlichen". Da kommt die Wirkkraft des Glaubens zum Ausdruck. Dazu möchte ich ein Beispiel bringen. Der heilige Klemens Maria Hofbauer, der Apostel Warschaus und Wiens, bat in einem Wirtshaus einen Zecher um eine Spende für die Kinder seines Waisenheimes in Warschau. Dieser aber hat den Heiligen angespuckt. Darauf sagte Hofbauer zu ihm: "Das hast du für mich getan. Und was tust du für die Armen?" Da zückte er beschämt die Geldbörse und gab ihm eine Spende.
Sich von Gott verwandeln lassen
Wenn Christus in der Kommunion sein Leben uns mitteilt, dann müssen auch wir unser Brot mit den Armen teilen. Glauben heißt daher unter der Herrschaft Gottes stehen, sich von Gottes Geist leiten lassen, Christus wirken lassen, der in uns ist. Was glauben im Tiefsten bedeutet, erfahre ich bei der Eucharistiefeier.
Der berühmte Schweizer Arzt und Therapeut C.G. Jung schrieb einmal eine kurze Abhandlung über die heilige Messe. Da ging er besonders auf den Ritus der Wandlung ein. Glauben heißt letzen Endes sich von Gott wandeln lassen. Nach der Wandlung hören wir die Worte: "Geheimnis des Glaubens". Das Geheimnis des Glaubens besteht in unserer Wandlung. Wir sind nur Staub, aber Gott hebt uns bis zu ihm empor und macht aus uns Söhne und Töchter Gottes. Wer sich von Gott wandeln lässt, wird leben, ja ewig leben. Daher loben und preisen wir Gott, dass er so Großes an uns tut. Das drückt das deutsche Wort glauben aus, das von geloben kommt. Glaube ist unsere Antwort auf Gottes Selbstmitteilung, ist unser Lob und Preis.
In der griechischen Sprache heißt glauben vertrauen, im Lateinischen heißt glauben credere, jemandem sein Herz geben. Und in der schönsten Bedeutung heißt glauben: Sich von Gott verwandeln lassen, damit wir ewig leben. Gott ist nicht in sich verschlossen, sondern offenbar. Aus diesem Grund ist Gott Mensch geworden, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10). Gott nimmt in uns Wohnung, macht uns zu seinem Tempel. Ja, allen, die wie Bartimäus an Jesus glauben, gab Christus die Macht sich als Töchter und Söhne Gottes zu erweisen. Jesus ist es, den wir suchen, wenn wir vom ewigen Glück träumen. Öffnen wir ihm im Jahr des Glaubens weit die Tore. Jesus ist der Vollender unseres Glaubens (vgl. Hebr 12,2).
Glaube macht Augen - und Beine
Ins Evangelium geschafft
Den Namen Bartimäus sollten Sie sich gut merken! Nicht dass es ein besonderer Name wäre - einfach: Sohn des Timäus -, aber er hat es doch tatsächlich ins Evangelium geschafft. Als einer, der wieder sehen kann. Ihnen kommt die Geschichte spanisch vor? Aber wenn wir mit dem Wort "sehen" ein paar "Sehübungen" machen - wird es Ihnen wie Schuppen von den Augen fallen.
So konkret sind nicht viele Wundergeschichten. Der Ort ist bekannt: Jericho. Die Szenerie erscheint in hellem Licht: Viele Leute. Und der Typ am Straßenrand - ein blinder Bettler - hat ausnahmsweise sogar einen Namen: Bartimäus. Wir werden zu Zeugen eines großen Aufruhrs: Während Bartimäus um Hilfe schreit, stiehlt er vielen anderen die Schau - und wird richtig zu einem Ärgernis. Womöglich zu einem Schandfleck. Ob blinde Bettler auch schweigen müssen? Schweigen lernen müssen? Viele, zu viele, haben ihn schon lange übersehen, überhört, übergangen. Die große, die kleine, sogar die eigene Geschichte geht an ihm vorüber. Unerkannt, ohne Schatten, ohne Gesichter.
Übrigens: Wer jeden Tag an derselben Stelle sitzt, bewegt auch nichts. Nicht einmal sich selbst. Aber der Evangelist lässt uns ihn anders sehen: mutig, wagemutig - und voller Vertrauen. Wenn das nur gut geht!
Ihr habt es gemerkt: Der Evangelist bringt Bartimäus groß raus. Als einen, der - trotz Blindheit - bestens sieht, mehr sieht als die anderen, die vielen: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir. Ohne viele Worte: Es ist ein Bekenntnis. Größer und schöner als viele andere, die zu Floskeln geronnen kein Erbarmen mehr kennen.
Den Namen Bartimäus sollten Sie sich gut merken! Weil es doch darum geht, klar zu sehen! Dass ein Blinder mich auf die Spur bringt, habe ich nicht erwartet.
In unser kleinen "Sehübung" ist das nur der erste Schritt. Wie es weiter geht?
"Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich"
Mit besonderer Liebe zum Detail erzählt Markus, dass Jesus stehen bleibt, Bartimäus zu sich ruft - und, man spüre die Bewegung - auf Menschen stößt, die dem Blinden Mut machen, aufzustehen. Ja, aufzustehen! Jesus hätte ja auch gleich zu ihm gehen können, sich den Weg durch die Menge bahnen, alle Augen auf sich lenkend. Solche Geschichten gibt es auch. Sie sind sehr dynamisch. Aber heute darf es einmal anders sein. Die große Menge - wie vielgestaltig sie jetzt sichtbar wird! Haben Sie das kleine Wörtchen "Ärger" noch im Ohr? Wir müssen schnell die Perspektive wechseln, um nicht an der falschen Stelle stehen zu bleiben. Auf einmal sehen wir Menschen - viele, wie der Evangelist betont -, die sich dem blinden Bettler zuwenden, ihm Nähe schenken und Mut machen. Mut machen, aufzustehen!
Ich habe mich gefragt, wie das überhaupt gehen kann. Aufstehen und gehen. Ich sehe den Blinden zwar den Mantel wie Ballast abwerfen, aber wie er, ohne etwas zu sehen, den Weg findet? Mein Freund, der Evangelist, lässt das sogar offen. Kaum vorstellbar, dass er es ohne Absicht gemacht hat. Wo er doch sonst mit großer Meisterschaft Geschichten vom Leben zu formen weiß. Wenn er denn um Worte verlegen ist, nur, um Bilder in mir wachsen zu lassen. Ich sehe mich aufmachen, also aufstehen - und einen anderen Menschen bei der Hand nehmen.
Das steht - wörtlich - nicht so im Evangelium, aber bezwingend einfach gerät es in meinen Blick. Die Frage, wie ich Menschen sehe, wie ich mich ihnen gegenüber verhalte, erobert sich den ersten Platz auf der Tagesordnung, die ja mehr als voll ist.
Was ganz oben steht, ist auch ganz frisch - und kann ungeteilte Aufmerksamkeit beanspruchen. Vieles kann dann auch unter "fernen liefen" in Vergessenheit geraten. Markus schafft es, meinen Blick zu lenken. Oder soll ich sagen: Mich sehend zu machen?
In unserer kleinen "Sehübung" ist das der zweite Schritt. Er ist nicht der letzte.
"Ich möchte wieder sehen können"
Bartimäus hat nur den Wunsch - wirklich überrascht sind wir nicht - wieder sehen zu können. Er, der eigentlich schon alles gesehen hat, er, der eigentlich auch schon alles gesagt hat, bittet um Augen, die sich der Welt öffnen. Um die Schönheit der Schöpfung zu sehen, die Falten und Spiele in den Gesichtszügen der Menschen, die Farben und Bewegungen, von der Sonne ans Licht gebracht. Bartimäus bittet um Augen, die Nacht zu sehen, den zunehmenden Mond, den aufgehenden Morgen. Aber auch die Traurigkeiten, Enttäuschungen und Ängste der Menschen. Ihre Abgründe, ihr Schuldigwerden, ihre Vermessenheit.
Es ist ein Wunder, das alles zu sehen - richtig zu sehen. Manchmal sehen die gut Sehenden - sehr wenig. Bartimäus' Bitte, "Ich möchte wieder sehen können", ist der Wunsch eines Blinden, es ist mein Wunsch.
Der Evangelist hat die Geschichte, die dem Bartimäus gewidmet ist, ist einen breiten Rahmen gestellt: Die Jünger, die doch seit Jahren mit Jesus unterwegs sind, verstehen seinen Weg nicht. Jesus spricht von Leiden und Kreuz - sie umgehen das. Nicht einmal geschickt, manchmal sogar plump. Jesus spricht davon, sein Leben hinzugeben - sie streiten darüber, wer rechts und links von ihm zu sitzen kommt. Jesus spricht von Dienst - sie denken an Herrschaft.
Als letzte Wundergeschichte, sozusagen vor dem Tod Jesu, erzählt Markus die Geschichte von Bartimäus. Seine Bitte, wieder sehen zu können, wird zu einer Bitte, den Weg Jesu mitzugehen - die Jünger bekommen ihn vor Augen gestellt. Liebevoll in einer Begegnung - mit Bartimäus.
Was Jesus sagt, passt in einen Satz - oder ist es ein Befehl? "Geh! Dein Glaube hat dir geholfen".
In unserer kleinen "Sehübung" ist das der dritte Schritt. Im wahrsten Sinn des Wortes: der Glaube macht Beine - und Augen.
Aus dem Evangelium heraus
Den Namen Bartimäus will ich mir gut merken. Es ist die Geschichte eines Blinden, der seine Hoffnung sieht - Jesus -, dem ich meine Hand reichen kann und der - mich lehrt, das gute Sehen zu erbitten.
Gutes Sehen ist in. Brillengeschäfte werben mit markigen Slogans. Aber die Schärfe, auf die es ankommt, bemisst sich nicht in Dioptrien - sondern in Glauben. Dass der Glaube die Welt, die Menschen, mich und Gott sehen lehrt - ist ein Wunder. Viele Menschen warten darauf. Sehnsüchtig, alles andere als abgebrüht. Den Namen Bartimäus muss ich mir gut merken!
Wissen Sie noch, wie das mit Bartimäus ausgeht?
"Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg."
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne,
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
"Herr, ich möchte sehen können"
Es ist schon eine Weile her, dass ich bei einem längeren Aufenthalt in einem unserer französischen Klöster die Gelegenheit hatte, einem blinden Ordensbruder zu begegnen. Öfter besuchte ich Bruder Georg in seiner Werkstatt, wo er Körbe flocht. Bei unseren Gesprächen wurde mir bewusst, dass Blinde oft tiefer sehen als wir mit bloßen Augen. Von Geburt an blinde Menschen, wie Bruder Georg es war, haben zwar keine Vorstellung von Farben, doch sie nehmen sozusagen innere Farbtöne wahr. Äußere Konturen von Menschen und Dingen können sie nicht erblicken, wogegen ihnen ein inneres Tast- und Sehvermögen eigen ist.
Inneres Sehvermögen
So war es wohl auch bei dem blinden Bartimäus, ein Bettler, der am Rand des Weges saß, in der Nähe der Stadt Jericho. Im Markusevangelium wird von ihm und seiner Begegnung mit Jesus erzählt. Bartimäus hatte vernommen, dass Jesus von Nazareth vorbeikam, begleitet von seinen Jüngern und viel Volk. Inmitten dieser großen Menschenmenge suchte er Jesus. Und fand ihn. Jesus wird den blinden Bettler nicht erst wahrgenommen haben, als er nach ihm rief. Jesus hatte immer offene Augen für Menschen am Rande. Gerade sie ließ er nicht links liegen.
Als Bartimäus nach ihm rief: "Sohn David, Jesus, hab Erbarmen mit mir!", da wurden viele von denen, die Jesus begleiteten, ärgerlich über ihn und befahlen ihm zu schweigen. Sie wollten Jesus von dem am Wegrand sitzenden Menschen abschirmen - wohl deswegen, weil sie selber nicht gestört, nicht aufgehalten werden wollten. Doch Jesus ließ sich aufhalten, ließ sich stören. Er sagte: "Ruft ihn her!" Und der Blinde warf seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu, wie von unsichtbaren Händen geführt. Mit innerem Sehvermögen, mit der Sehkraft des Vertrauens, erspürte dieser blinde Mensch ein Licht, das in seine Dunkelheit drang, seine Nacht durchdrang. Mit den Augen seines Herzens erkannte er in Jesus von Nazareth den Retter, den Heiland, der auch ihn zu heilen vermochte.
Menschen und Dinge wahrnehmen
Das Blindsein hat viele Erscheinungsformen. Das beginnt damit, dass wir nicht mehr wahrnehmen, was wir eigentlich sehen müssten. Sie kennen vielleicht die "Legende vom modernen Menschen". Ein Mensch verirrt sich eines Tages in der Wüste. Da sieht er in der Ferne eine Oase. "Eine Fata Morgana", denkt er, "eine Spiegelung, die mich narrt." Er nähert sich der Oase, aber sie verschwindet nicht. Er sieht die Dattelpalmen, das Gras und die Quelle. "Eine Hungerphantasie, eine Sinnestäuschung", denkt er. Einige Zeit danach finden ihn zwei Beduinen tot daliegen. "Verstehst du das?", fragt der eine den andern. "Die Datteln wachsen ihm fast in den Mund, verdurstet liegt er dicht neben der Quelle." Da erwidert der andere: "Er war ein moderner Mensch!"
Von Joseph von Eichendorff stammt ein kleines Gedicht:
"Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort."
Derartige Zauberworte liegen nicht gespeichert in meinen Gehirnwindungen. Ich muss länger mit den Dingen umgehen, muss mit dem Herzen sehen lernen, die Innenseite der Dinge wahrzunehmen versuchen.
Den Augenarzt brauche ich, wenn meine Augen schwach geworden sind. Und wenn es nötig ist, kann er mir den Star stechen. Doch den grauen oder grünen Star in meinem Innern vermag er nicht zu heilen. Dafür brauche ich vor allem die heilende Nähe von Menschen, die mich, wie Jesus diesen Bartimäus, wahrnehmen, mich mit gütigen Augen anblicken, mir Zuwendung schenken. Und ich kann dann auch andern mit offenen Augen begegnen. Wie oft passiert es mir, dass ich in einem Gespräch gar nicht bei dem andern bin, schon wieder an das denke, was heute noch alles ansteht.
Nur wenn ich ganz da bin, werde ich wahrnehmen können, was den andern bewegt, wo es ihm nicht gut geht, wo er Hilfe sucht. Bei Antoine de Saint-Exupéry habe ich einmal folgendes gelesen: "Als ich heute Abend in der Einöde meiner Liebe umherging, begegnete ich einem kleinen Mädchen in Tränen. Ich bog seinen Kopf zurück, um in seinen Augen zu lesen, und sein Kummer hat mich geblendet." Er fährt dann fort, fast wie in einem Gebet: "Wenn ich es ablehne, Herr, ihn kennen zu lernen, lehne ich einen Teil dieser Welt ab und habe mein Werk nicht vollendet. Es geht nicht darum, dass ich mich von den großen Zielen abwende, aber es gilt, dieses kleine Mädchen zu trösten. Denn nur dann geht es gut in der Welt."
Wie sehr sind wir alle darauf angewiesen, dass wir wahrgenommen werden, und dass wir an den anderen nicht achtlos vorübereilen. Wie gut tut es uns, wenn andere Menschen in uns Wertvolles entdecken und es uns auch sagen können. "Alles kommt darauf an", hören wir von Mutter Teresa, "dem Menschen das Gefühl zu vermitteln, absolut erwünscht zu sein. Bringt Licht in das Leben der Menschen!"
Noch eine Geschichte aus den Chassidischen Erzählungen: "Ein alter Rabbi sprach mit seinen Schülern darüber, wie man die Stunde bestimmt, in der die Nacht endet und der Tag beginnt. "Ist es, wenn man von weitem einen Dattelbaum von einem Feigenbaum unterscheiden kann?", fragt ein Schüler. "Nein", antwortet der Rabbi. "Ist es, wenn man von weitem einen Hund von einem Schaf unterscheiden kann?", fragt ein anderer. "Nein", sagt der Rabbi. "Doch wann ist denn diese Stunde?" Die Antwort des Rabbi: "Es ist dann, wenn du in das Gesicht eines Menschen blicken kannst und deinen Bruder oder deine Schwester erkennst. Bis dahin ist die Nacht noch bei uns."
"Was willst du, dass ich dir tun soll?"
Jesus hat in dem Blinden seinen Menschenbruder erkannt. Ihm wendet er sich ganz zu. Es entspinnt sich ein Gespräch zwischen ihm und dem blinden Bartimäus. Jesus fragt ihn: "Was willst du, dass ich für dich tun soll?" Und der Blinde antwortet: "Herr, ich möchte wieder sehen können!" Wenn Jesus jetzt mich fragen würde: "Was willst du, dass ich für dich tun soll?", dann werde ich nur dann eine Antwort finden, wenn ich um die Blindheiten weiß, von denen ich geheilt werden möchte.
Wo sind meine Blindheiten, meine blinden Flecken? Obwohl ich scheinbar alles sehe, bleiben meine Augen zu sehr an der Oberfläche haften oder wollen zu viel ergreifen vom Allerlei der Dinge. Nehme ich mir Zeit, bei den kleinen Kostbarkeiten aus Gottes Schöpfung zu verweilen, sie liebevoll anzuschauen? Kann ich noch die kleinen Oasen entdecken, die am Wege liegen, verborgen im alltäglichen Leben? Wie offen ist mein Blick für die Menschen, die mir begegnen? Wie groß ist mein inneres Sehvermögen, um das wahrzunehmen, was andere bewegt, was sie belastet? Ist mein Auge offen für den Wert des andern; gerade dann, wenn ich mich schwer mit ihm tue?
Die allerblindeste Blindheit des Menschen ist, nicht mehr hoffen zu können. Nicht mehr daran glauben zu können, dass ein liebender Gott mit mir geht; gerade da, wo es dunkel geworden ist in meinem Leben, wo mir der Blick verstellt ist, wo sich mir der Sinn meines Lebens verschließt. "Herr, ich möchte wieder sehen können!" Ich möchte Gott entdecken in meinem Leben - in guten menschlichen Begegnungen, in den Höhen und auch in den Tiefen meines Lebens. Wie der blinde Bartimäus will ich mich Jesus anvertrauen und mir die Augen öffnen lassen für den Weg Gottes mit mir. Jesus wird dann auch zu mir sagen können: "Geh, dein Glaube hat dich geheilt!"
Lassen Sie mich ein Gebet mit Ihnen sprechen:
Jesus, ich glaube, dass du mir zugewandt bist
mit deinem Angesicht.
Dir muss ich mich zuwenden,
wenn ich mich selber finden will.
Ich bin das, was ich in deinen Augen bin.
Wenn du mich ansiehst, habe ich das rechte Ansehen.
Das Angesicht des Liebenden leuchtet
im Gesicht des Geliebten.
Hilf mir, mich deinen helfenden Händen anzuvertrauen,
mich deiner Nähe nicht zu entziehen.
Lass mich aushalten unter dem Licht deines Angesichts,
Und wenn alles dunkel und leer ist,
dann lass mich glauben, dass dein Angesicht
mich ansieht mitten aus dem Dunkel.
Dir will ich mich anvertrauen
und deinen heilenden Händen.
Deinem Angesicht will ich mich anvertrauen
und deinen heilenden Händen.
Lass dein Angesicht leuchten über mir
und gib Licht meinen Augen.
(in Anlehnung an ein Gebet von Jörg Zink)
Das Leben neu sehen
Unser heutiges Evangelium lässt sich in drei Abschnitte einteilen: der Blinde und sein Rufen, die Begegnung und das Gespräch Jesu mit Bartimäus, seine Heilung und Nachfolge.
Jesus ist auf seinem Weg nach Jerusalem in Jericho angekommen. Eine Tagesreise wird er noch benötigen für den Weg nach Jerusalem, in das er vor seinem Leiden als König einziehen wird. Noch einmal offenbart sich Jesus als der, der grundsätzlich den Menschen Heil bringt. Nicht erst im Sterben und in seiner Auferstehung erweist sich Jesus als Erlöser und Heiland. Nein, mitten im Alltag ist er immer wieder für die Menschen da: Erbarmt sich der Leidenden, denen er begegnet; bleibt stehen und geht nicht vorüber; öffnet die Augen; lässt gesunden.
Diese Haltung und Lebensweise aus dem Alltag Jesu sollen sich die Jünger und wir uns einprägen. Denn hinschauen, hinhören, innehalten, aufrichten, beistehen, das können auch wir. Dies sollen die Jünger am Beispiel des Bartimäus noch einmal in Ruhe bedenken, bevor ihre Aufmerksamkeit durch Jesu Leiden und Sterben in Beschlag genommen wird. Nach der Auferstehung, durch die die Jünger aus ihrer Traurigkeit und Lähmung wieder heraus geführt werden, wird ihr Denken wieder frei werden. Dann gilt es, sich auf Jesu Leben im Alltag zu besinnen, um es mit Hingabe in seinen Zügen nachzuahmen.
Neben diesem Anliegen Jesu verfolgt auch der Evangelist Markus mit dem Bericht von der Blindenheilung des Bartimäus ein Ziel. Markus beschreibt ausführlich, wie sich Bartimäus in und mit seiner Not an Jesus wendet. Seit seiner Erblindung ist es dunkel um Bartimäus geworden. Offensichtlich konnte er früher sehen. Denn er bittet darum "wieder" sehen zu können. Nun da das Leben für Bartimäus finster geworden ist, spürt er, was es heißt, im Licht leben zu dürfen. In seiner ausweglosen Not ruft und schreit er, um von Jesus gehört zu werden. Auf ihn setzt er seine ganze Hoffnung.
Zwei Weisen, Not zu begegnen
Unter den Menschen, die bei Jesus sind, gibt es offensichtlich zwei Gattungen: Die einen, die Bartimäus zum Schweigen bringen wollen, aber auch die anderen, die ihm sagen: "Hab Mut, steh auf, Jesus ruft dich."
Ich bin überzeugt, Markus verfolgt mit dieser Schilderung ein besonderes Ziel. Als Seelsorger erlebt er Menschen, die ins Abseits, ins Dunkel des Lebens gekommen sind. Und er erlebt die Reaktionen der Mitmenschen darauf. Die einen, die Mut machen, sich Gott oder Jesus zuzuwenden und anzuvertrauen; und die andern, die eher sagen: Plärr mit deinem Leid nicht Gott die Ohren voll! Markus möchte mit seiner Schilderung allen Leidenden Mut machen, gegen alle Widerstände von außen sich nicht davon abhalten zu lassen, Gott um Hilfe anzuflehen und um die Wende ihres Leids zu bitten. Als Seelsorger will er jedem sagen: Trau Gott ein Wunder zu. Rufe, schreie, weine, lass im Bitten nicht nach - ganz gleich, ob die anderen dich dabei unterstützen oder daran hindern wollen.
Markus berichtet sodann - wieder ausführlich - das Gespräch zwischen Jesus und dem Blinden. Bartimäus wirft seinen Mantel, das Letzte, was ihm als irdischer Schutz geblieben ist, weg. In seiner ganzen Armseligkeit, mit all seiner Not tritt er vor Jesus hin, - aber mit einem tiefen und festen Glauben an ihn.
Was soll Gott mir tun?
Die Frage "Was soll ich dir tun?" ist die grundsätzliche Frage Jesu an jeden Menschen. Zu Gott schreien ist das eine; aber was soll Gott, zu dem ich rufe, mir tun? In der Bitte des Bartimäus, wieder sehen zu können, liegt wohl mehr als nur die Bitte um das bloße Augenlicht. Sie enthält gleichzeitig den Wunsch: Lass mich dich sehen und erleben als den "Sohn Davids"; als den, der sich meiner grundsätzlich erbarmt; als den, auf den Leidende ihre Hoffnung setzen können; als den, der das Vertrauen, das in ihn gesetzt wird, nicht enttäuscht.
Bartimäus darf das Erbarmen Gottes erleben. Er darf sehen und am eigenen Leib erfahren, wie Gott an denen handelt, die voll Vertrauen zu ihm rufen. Jesus bestätigt Bartimäus eigens, dass es sein vertrauender Glaube ist, der ihn, den Herrn, bewegte, heilend zu handeln.
Den Ausgang und Schluss wird Markus mit großer Freude geschrieben haben. Bartimäus folgt Jesu Worten "Geh!" nicht. Er bleibt und schließt sich Jesus an. Von seiner Blindheit geheilt hätte Bartimäus mit einem dankbaren Herzen nach Hause gehen können. Zuhause hätte er in der Freude über seine Heilung ein Mensch sein können, der ganz allgemein ein gutes Leben geführt hätte. Jesus wäre über das Weggehen des Bartimäus nicht enttäuscht gewesen, hätte ihm keine Vorhaltungen gemacht. Aber Bartimäus übersteigt das gängige Gutsein. Er kann seit seiner Heilung nicht mehr von Jesus lassen. Markus betont: Er folgte Jesus auf seinem Weg. Das heißt: Bartimäus steigt aus dem nur Üblichen aus. Er beschreitet neue Wege, nämlich jene, die auch Jesus gehen würde. Bartimäus betritt Neuland. Er betrachtet von nun an die Welt und das Leben mit anderen Augen als früher. Er wird zukünftig mit den Augen Jesus sehen und mit dem Herzen Jesu handeln. Dies nicht zu übersehen, ist Markus ein großes Anliegen.
Bartimäus handelt, wie es sich Jesus vor allem von seinen Jüngern wünschen würde und Markus von den Gläubigen seiner Gemeinde. Auch uns könnte Bartimäus ein gutes Vorbild sein. Eine Antwort auf die Frage Jesu an uns "Was soll ich dir tun?" könnte lauten: Rabbuni, lass mich ein Bartimäus sein oder werden.
- Liedvorschläge1
Hans Hütter
Lieder:
GL 143: Mein ganzes Herz erhebet dich
GL 221: Kündet allen in der Not (4. Str.)
GL 357: Wie schön leuchtet der Morgenstern
GL 360: Macht weit die Pforten in derWelt (2. Str.)
GL 372: Morgenstern der finstern Nacht, der die Welt voll Freude macht
GL 409: Singt dem Herrn ein neues Lied
GL 414: Herr, unser Herr, wie bist de zugegen (3. Str.)
GL 424: Wer nur den lieben Gott lässt walten
GL 427: Herr, deine Güt ist unbegrenzt (2. Str.)
GL 429: Gott wohnt in einem Lichte
GL 439: Erhör, o Gott, mein Flehen
GL 440: Hilf, Herr meines Lebens
GL 479: Eine große Stadt ersteht, die vom Himmel niedergeht
GL 485: O Jesu Christe, wahres Licht (2. und 4. Str.)
GL 489: Lasst uns loben, freudig loben (3. Str.)
GL 551: Nun singt ein neues Lied dem Herren (1. Str.)
GL 616: Was Gott tut, das ist wohlgetan
Psalmen und Kehrverse:
GL 38,1: Der Herr ist mein Licht und mein Heil. - Mit Psalm 27 - IV.
GL 56: Freut euch, wir sind Gottes Volk, erwählt durch seine Gnade. - Mit Ps 100 - V.
GL 57: Meine Seele, preise den Herrn. Mit Psalm 104 - II.
GL 69: Der Herr hat Großes an uns getan, sein Name sei gepriesen. - Mit Psalm 126 - IX.
GL 432: Der Herr hat Großes an uns getan. Da waren wir fröhlich. - Mit Psalm 126 (GL 69,2) - IX.
GL 629,1: Du führst mich hinaus ins Weite; du machst meine Finsternis hell. - Mit Psalm 30 - I.
- Einleitung7
Jörg Thiemann (2024)
„Meine Hoffnung – sie gilt dir!“ Dieses Wort aus dem Psalm 39, Vers 8, ist das Leitwort des diesjährigen Weltmissionssonntags. Aus diesem Anlass nehmen wir besonders die Mitmenschen in Papua Neu Guinea in den Blick. Ihre Hoffnung gilt Gott, damit sie aus Armut und Elend herausfinden.
Der blinde Bartimäus setzte seine Hoffnung auf Jesus. Das Volk Israel setzte nach dem Untergang seiner Königreiche die Hoffnung auf Gott. Auch unsere Hoffnung gilt Gott. Gott schenkt uns Worte der Hoffnung. Gott schenkt uns Nähe und Liebe im heiligen Mahl. Grüßen wir ihn in unserer Mitte.
Martin Stewen (2021)
Wie mit Blindheit geschlagen sein - das kann einem auch sehenden Auges passieren. Die Männer in Emmaus haben das erfahren. Der blinde Bartimäus nimmt uns heute mit auf einen solchen Gedankengang, der uns die Augen öffnen soll.
Bereiten wir uns einen Moment in Stille vor.
Hans Hütter (2018)
Jeder von uns hat seine eigenen An-schauungen. Manche Menschen sehen vorwiegend schwarz, andere sehen alles rosarot. Wieder andere nehmen keine Farben wahr und sehen die Welt in Schwarz-Weiß. Bei manchen Menschen hat sich der Gesichtskreis verengt, weil sie immer nur auf das für sie gerade Wichtige konzentriert sind, und nehmen darüber hinaus nichts anderes wahr.
Wie steht es mit Ihrem Sehvermögen?
Im Evangelium wird uns heute ein Blinder begegnen, der Jesus bittet: "Herr, ich möchte wieder sehen können." Ein gutes Sehvermögen ist ein Geschenk Gottes, für das wir nicht genug danken können, bzw. um das wir ihn bitten, wo es uns fehlt.
Treten wir vor den Herr hin und bitten wir ihn:
Bernd Kösling (2015)
Beim Hineinkommen in die Kirche haben wir uns eben mit Weihwasser bekreuzigt. Das Weihwasser erinnert an die Taufe, die wir einmal empfangen haben. In ihr haben unsere Eltern - oder schon wir selbst, wenn wir als Erwachsene getauft wurden - die Annahme als Kind Gottes gefeiert. In der Firmung haben wir dann die Kraft des Heiligen Geistes für ein Leben aus dem Glauben heraus empfangen. So hat Gott uns befähigt und beauftragt Zeugen und Zeuginnen seiner Liebe zu den Menschen zu sein. Am Sonntag der Weltmission denken wir dabei besonders an unsere Brüder und Schwestern in den Kirchen Afrikas, Ozeaniens, Asiens und des Nahen Ostens. Wir alle sind berufen, den Menschen nahe zu sein, sie zu stärken und ihre Not zu lindern.
Zu Beginn rufen wir den an, dessen Namen wir tragen und der uns heute zu dieser heiligen Feier eingeladen hat:
Jörg Thiemann (2012)
Gott handelt an uns Menschen. Das ist die frohe Botschaft der beiden Lesungen wie auch des Evangeliums. Das Volk Israel erfährt nach Untergang und Exil, dass Gott es heimführen wird, dass er sie auf dem Weg begleitet. Im Hebräerbrief hören wir, dass Gott für die Menschen Hohepriester einsetzt, zuletzt Jesus. Das Evangelium erzählt uns die Heilung des blinden Bartimäus.
Was tut Gott an und für uns, was will Gott für uns tun? Haben auch wir den Mut, Gott zu bitten, an uns zu handeln. Rufen auch wir in unseren Sorgen, Nöten und auch Krankheiten: Hab Erbarmen mit mir.
Manfred Wussow (2009)
Schließen Sie einmal die Augen. Sie sehen keine Gestalten, Farben, Bewegungen.
Heute begegnen wir Bartimäus, einem blinden Bettler. Sein Leben spielte sich am Straßenrand ab. Im Evangelium wird sein Schrei überliefert: Sohn Davids, Jesus, erbarme dich meiner.
Zu ihm rufen auch wir:
Felix Schlösser (2009)
Für meinen Umgang mit der Bibel ist es mir immer wichtiger geworden, in ihr nach Begegnungen Ausschau zu halten. Nach Begegnungen, in denen Menschen mit Gott, mit Jesus in Berührung gekommen sind. Hinschauen, was mit Menschen geschehen ist, die sich auf Jesus eingelassen haben. Hinschauen, wie kranke, heilungsbedürftige Menschen von Jesus geheilt wurden. Das waren die Tauben, die Stummen, die Lahmen, die Aussätzigen und Blinden. Im heutigen Evangelium hören wir von einer Blindenheilung. Jesus fragt den blinden Bartimäus: "Was willst du, dass ich für dich tun soll?" Und dieser antwortet: "Herr, ich möchte wieder sehen können!" Jesus lässt ihn selber sagen, was er sich wünscht.
Die meisten von uns sind nicht physisch blind. Aber es gibt im Menschen seelische Blindheiten, vielleicht auch bei uns. Wenn wir uns dies eingestehen, wenn wir selber merken, was in unserem Herzen noch blind ist, was der Heilung bedarf, dann können auch wir mit dem blinden Bartimäus zu Jesus sagen: "Herr, ich möchte wieder sehen können!"
- Bußakt1
Jörg Thiemann (2012)
Herr Jesus Christus,
du hast uns das Heil verkündet in Worten und in Handlungen
Lahme gehen wieder -
Wo wir falsche Wege gehen, rufen wir mit Bartimäus:
Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!
Alle: Herr, erbarme dich!
Taube hören wieder -
Wo wir auf Falsches hören,
wo wir deine Stimme überhören, rufen wir mit Bartimäus:
Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!
Alle: Herr, erbarme dich!
Blinde sehen wieder -
Wo wir deine Wege nicht erkennen,
wo wir die Not der Mitmenschen nicht sehen, rufen wir mit Bartimäus:
Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!
Alle: Herr, erbarme dich!
- Kyrie6
Jörg Thiemann (2024)
Jesus Christus,
du warst Hoffnungsträger für viele Menschen deiner Zeit und auch heute.
Wir rufen zu dir, der du das Elend vieler Menschen gesehen hast.
Herr, erbarme dich.
Wir rufen zu dir, der du mit den leidenden Menschen Erbarmen hattest.
Christus, erbarme dich.
Wir rufen zu dir, der du die Blinden sehend, die Lahmen gehend und die Tauben hörend gemacht hast.
Herr, erbarme dich.
Martin Stewen (2021)
Jesus Christus,
du öffnest uns die Augen und lässt uns sehen, was wirklich ist.
Herr erbarme dich.
Jesus Christus,
du führst uns vom Sehen zum Erkennen, was wirklich zählt.
Christus erbarme dich.
Jesus Christus,
du schenkst uns eine neue Perspektive für unser Leben hier und heute.
Herr, erbarme dich.
Der gute Gott, erbarme sich unser,
er öffne unsere Augen für uns selbst und diese Welt
er befreie uns von Sünde und innerer Not
und führe uns zum ewigen Leben.
Hans Hütter (2018)
Herr, Jesus Christus,
du siehst nicht auf das Äußere,
du schaust auf unser Herz.
Herr, erbarme dich!
Dir bleibt nichts verborgen.
Du schaust auf den Grund.
Christus, erbarme dich!
Du öffnest unsere Augen für das,
was man nur mit dem Herzen sehen kann.
Herr, erbarme dich!
Gotteslob (2015)
Kyrielitanei GL 163,7
Manfred Wussow (2009)
Herr,
wir danken dir für unsere Augen.
Aber wir sehen oft nur, was wir sehen wollen.
Über manchen Menschen schauen wir einfach hinweg.
Herr, erbarme dich.
Christus,
du schaust uns mit deinen Augen an.
In unseren Herzen liest du wie in einem aufgeschlagenen Buch.
Was uns bewegt und bedrückt, kennst du.
Christus, erbarme dich.
Herr,
schenke uns Augen, die sehen.
Du hast uns eine schöne Welt anvertraut
und Menschen, die sich in ihr nicht mehr zu Hause fühlen.
Herr, erbarme dich.
Felix Schlösser (2009)
Jesus, unser Bruder und Herr,
du hast ein Herz für die Armen und Kranken.
Herr, erbarme dich!
Jesus. unser Bruder und Herr,
du willst heilen, was in der Tiefe unseres Herzens noch krank ist.
Christus, erbarme dich!
Jesus, unser Bruder und Herr,
du bist gekommen, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben.
Herr, erbarme dich!
- Tagesgebet3
Messbuch - TG 30. Sonntag: mehre in uns Glauben, Hoffnung und Liebe
Allmächtiger, ewiger Gott,
mehre in uns den Glauben,
die Hoffnung und die Liebe.
Gib uns die Gnade,
zu lieben, was du gebietest,
damit wir erlangen, was du verheißen hast.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB 30. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - TG Kirche als Zeichen des Heils unter den Völkern
Gott, du willst, dass deine Kirche
ein Zeichen des Heils unter den Völkern sei
Und das Werk Christi bis zum Ende der Welt fortführe.
Erwecke in allen, die glauben,
die wache Sorge für das Heil der Menschen,
damit aus allen Völkern ein heiliges Volk wird.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn
MB Für die Ausbreitung des Evangeliums B
Messbuch - TG Auswahl 7: deine gute Botschaft weitersagen
Gott.
Du suchst Menschen, die von dir sprechen
und der Welt deine gute Botschaft weitersagen.
Hilf uns,
Trägheit und Menschenfurcht zu überwinden
und deine Zeugen zu werden -
mit unserem ganzen Leben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
MB Auswahl 7
- Eröffnungsgebet9
Werkbuch WGF (2004) - EG 30. Sonntag B: ihn als unseren Heiland erkennen
Guter Gott,
in Jesus Christus schenkst du uns deine ganze Liebe.
Öffne uns die Augen,
dass wir ihn als unseren Heiland erkennen
und ihm folgen auf seinem Weg.
Darum bitten wir durch ihn,
Jesus Christus, deinen Sohn,
unseren Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt in Ewigkeit.
WB 30. Sonntag im Jahreskreis B
Sonntagsbibel
Allmächtiger Gott,
du bist mit uns auf dem Weg.
Öffne unsere Augen für deine Gegenwart
und deine Hilfe in unserem Leben.
Durch Christus, unseren Herrn.
Jörg Thiemann (2024)
Jesus,
Viele Menschen leben in Elend,
sei es, dass sie krank sind,
sei es, dass sie behindert sind,
sei es, dass sie unterdrückt sind,
sei es, dass sie in schlimmen Lebensverhältnissen festgefahren sind.
Viele setzen ihre Hoffnung auf dich.
"Was soll ich dir tun?" – hast du Bartimäus gefragt.
"Was soll ich dir tun?" – fragst du auch uns.
Sei auch unsere Hoffnung
in allem, was uns bedrückt,
in allem, was uns krank macht.
Zeige uns Wege aus dem vielen Elend unserer Zeit. - Amen.
Martin Stewen (2021)
Guter Gott,
wie dem Blinden öffnest du auch uns die Augen
und lässt uns sehen, wie wir wirklich sind.
Schenke uns Weitblick und Einsicht,
dass wir unsere Lebenswege mit Mut und Zuversicht
und im Glauben an dich, unseren Schöpfer, gehen können.
So bitten wir durch Christus. – Amen.
Beatrix Senft (2021)
Vater im Himmel,
du sandtest uns deinen Sohn,
damit er uns die Augen neu öffnete
für deine Liebe zu uns.
In ihm hast du uns DAS BEISPIEL gegeben,
das unser Sehen und Handeln tragen soll.
Vieles hat er „auf den Kopf“ gestellt,
damit deutlich wird,
dass immer die Liebe zu dir, zu unseren Mitmenschen
und unserer Umwelt das Maß ist,
das wir im Blick haben sollen.
Schenke uns neu einen wachen Blick
und die Kraft zu handeln.
Messbuch der Altkatholiken (2015)
Gott, Du Vater deines Volkes Israel
und Vater aller Menschen,
erbarme dich über uns!
Nimm hinweg alle Blindheit des Geistes und des Herzens
und erfülle uns mit deinem Trost,
damit wir dein Lob verkünden und dich preisen
durch unseren Herrn Jesus Christus,
deinen Sohn und unseren Bruder,
der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
(Messbuch der Altkatholiken S. 485)
Zitat (2015)
Guter Gott,
in Jesus Christus schenkst du uns
deine ganze Liebe.
Öffne uns die Augen,
dass wir ihn als unseren Heiland erkennen
und ihm folgen auf seinem Weg.
Darum bitten wir durch ihn,
Jesus Christus, deinen Sohn,
unseren Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt in Ewigkeit.
(Misso-Werk Aachen zum Sonntag der Weltmission)
Jörg Thiemann (2012)
Gott, du meinst es nicht nur gut,
deine Worte, deine Liebe tun auch gut.
Nur in dir finden wir die Erfüllung aller Sehnsüchte,
nur durch dich finden wir das Glück,
die Befreiung aus allem, was uns gefangen hält.
Lass uns dich immer mehr zur Mitte machen,
und auf dich zu gehen. Amen.
Manfred Wussow (2009)
Wir danken dir, Gott, für die Augen.
Für das Wunder, die Welt immer neu zu sehen.
Du kennst die lachenden Augen,
du kennst die weinenden.
Wir bitten dich um einen liebevollen Blick,
um Verständnis und Solidarität.
Bewahre uns davor, einander preiszugeben
oder über einander herzufallen.
Schenke uns jeden Tag,
dass die Sonne unter uns aufgeht.
Das bitten wir im Namen Jesu,
der das Licht der Welt ist.
In Ewigkeit.
- Fürbitten9
Jörg Thiemann (2024)
Zu unserem Herrn Jesus Christus, der Bartimäus von seiner Blindheit befreite und neues Leben schenkte, beten wir voll Hoffnung.
Steh allen, deren Leben bedrückt und trostlos ist, durch die Hilfe und Zuwendung ihrer Mitmenschen bei.
Bewahre die Armen und Verzweifelten davor, sich wertlos zu fühlen.
Schenke allen jungen Menschen in Papua-Neuguinea, die durch Schulbildung ihre Zukunft aufbauen wollen, Mut und Zuversicht.
Mache alle reichen Menschen bereit, ihren Wohlstand mit denen zu teilen, die arm sind.
Bekehre die Herzen aller, die durch Krieg und Unterdrückung das Leben anderer zerstören.
Hilf allen Menschen, Nöte zu sehen und nach Kräften zu helfen.
Erbarme dich der Verstorbenen und schenke ihnen die Erfüllung aller Hoffnungen.
Dir sei Lob und Preis, jetzt und in alle Ewigkeit. - Amen.
Renate Witzani (2024)
In der eigenen Blindheit gefangen zu sein kann uns alle unabhängig unserer Sehkraft treffen.
Bitten wir Jesus, uns unsere Augen für sein Licht und seine Wahrheit zu öffnen:
Beten wir um eine Kirche, die ihre Beziehung zu dir vertiefen und der Gottvergessenheit unserer Zeit entgegenwirken kann.
Beten wir um Mut und Möglichkeit für einen offenen Austausch der oft festgefahrenen Meinungen, damit sie nicht zur Zerreißprobe unserer Gesellschaft werden.
Beten wir für alle, die sich ohnmächtig und zurückgelassen fühlen, um das Gefühl dazu zu gehörigen und wahrgenommen zu werden.
Beten wir für uns selbst, dass wir einerseits mit unseren Gaben anderen helfen und andererseits auch Hilfe annehmen können, wenn wir sie brauchen.
Beten wir für alle Sterbenden um deine Nähe und dein Licht beim Übergang in ihre ewige Heimat.
Wir danken dir, Herr, für das Geschenk des Glaubens und deine Hingabe für unser Heil.
Dich loben wir in der Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist jetzt und allezeit. - Amen.
Martin Stewen (2021)
Gütiger Gott, wir Menschen sind oft mit Blindheit geschlagen
So wollen wir dich bitten:
Menschen haben sich auf ihrem Lebensweg verrannt und wissen nicht mehr, wie es weitergeht. - Öffne ihnen die Augen und lass sie einen Weg in die Zukunft ausmachen.
Menschen schauen weg, weil sie mit Not und Elend anderer nichts zu tun haben wollen.
Öffne ihnen die Augen und lass sie erkennen, was sie nicht wahrhaben wollen.
Menschen fürchten sich vor der Wirklichkeit dieser Welt und belügen sich mit falschen Vorstellungen.
Öffne ihnen die Augen und schenke ihnen den Mut, sich dem zu stellen, was echt und wahr ist.
Menschen sehen nur sich selbst, ergehen sich in Eigennutz und Egoismus und haben kein Gefühl für ihren Nächsten.
Öffne ihnen die Augen und lass sie spüren, dass sie nicht allein auf dieser Welt sind.
Menschen haben ihren Lebenskreis vollendet und ihr Leben zurück in deine Hände gegeben.
Öffne ihnen die Augen und lass sie deine Herrlichkeit auf ewig schauen.
Gott,
dein Sohn hat uns zugerufen, Licht dieser Welt zu sein.
Er mache unsere Dunkelheiten hell
und helfe uns, unsere Augen auf das zu richten, was wichtig ist.
So bitten wir durch Christus unseren Herrn. - Amen.
Renate Witzani (2021)
Wenn wir in unserer Alltagssprache vom „Blindsein“ sprechen, meinen wir oft nicht eine organisch bedingte Sehschwäche sondern verwenden diesen Ausdruck meist im übertragenen Sinn. Lasst uns jetzt den Herrn um sein Erbarmen für die Blindheit unseres Herzens bitten:
Öffne uns die Augen, damit wir die Wege sehen, die du deine Kirche führen willst.
Öffne uns die Augen für alle jene Menschen, die in ihren Nöten durch Pandemie, Umweltbedrohungen, Hunger, Armut, Kriege und Unfreiheit von uns Beistand und konkrete Hilfe erwarten.
Öffne uns als Gesellschaft die Augen, damit wir erkennen, dass die Wirklichkeit oft größer und anders ist als das Augenscheinliche.
Öffne uns die Augen, wenn unser Glaube an dich zur Gewohnheit geworden ist und wir davon nicht mehr existenziell berührt werden.
Öffne uns die Augen für jenes Leben, das du uns nach unserem irdischen Tod verheißen hast.
Engstirnigkeit und egozentrische Perspektiven stören oft unsere Sicht auf dich. Auf dein Erbarmen sind wir immer angewiesen. Dir, unserem Schöpfer und Herr, allein gehört unser Lob und Dank jetzt und allezeit. - Amen.
Hans Hütter (2018)
Herr, Jesus Christus, du hast dich der Not des blinden Bartimäus angenommen.
Wir bitten dich in den Nöten unserer Zeit.
Jesus, Sohn Davids, erbarme dich unser.
Lass alle Blinden und Sehbehinderten die Hilfe finden,
die sie zur Bewältigung ihres Lebens benötigen.
Lass in den Entwicklungsländern alle Menschen, deren Sehvermögen bedroht ist, ausreichend medizinische Hilfe finden.
Öffne den Blick der politisch Verantwortlichen für die Nöte derer, die in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt werden.
Befähige die Seelsorger und Theologen zu sensiblem Umgang mit Menschen, die sich von der Kirche diskriminiert erleben.
Lass unsere Verstorbenen das Licht des Himmels schauen.
Du, Herr, hast Blinden das Augenlicht geschenkt
und hast dich als Licht der Welt erwiesen.
Dir sei Dank dafür uns Lobpreis. - Amen.
Renate Witzani (2018)
Herr Jesus Christus,
gefangen in all den verschiedenen Situationen menschlichen Leids und Nöten der Welt, kommen wir mit unseren Bitten zu dir:
Christus, höre uns!
Heile die Wunden all jener Menschen, die von Christen bewusst oder unbewusst verletzt wurden.
Stärke die gesellschaftlichen Bemühungen zur Integration all jener Menschen, die mit körperlichen oder seelischen Defiziten ihr Leben zu meistern haben.
Bewahre uns vor Überheblichkeit und Besserwisserei und hilf uns, einander in Augenhöhe zu begegnen.
Öffne unsere Augen für deine Nähe in unserem Leben und in den globalen Entwicklungen.
Geleite uns alle heim zu deinem und unserem Vater.
Herr Jesus Christus!
Als von Gott berufener Hoherpriester leitest und führst du deine Kirche durch alle Höhen und Tiefen.
Dir vertrauen wir uns an und dir danken wir für deine Nähe.
Dir sei Ehre und Lob jetzt und allezeit. - Amen.
Bernd Kösling (2015)
„Habe nur Mut, steh auf!“
Haben wir jetzt den Mut,
den Herrn anzurufen und ihn zu bitten:
Wir beten für die Christen und Christinnen in den Ländern Afrikas, Asiens, Ozeaniens und des Nahen Ostens.
Wir beten für alle Menschen, die dort leben,
besonders für die, die arm sind
und denen die Teilhabe am Leben verweigert wird.
Wir beten für die Mächtigen in diesen Ländern,
für die Politiker, die Verantwortlichen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Wir beten für alle Menschen,
die Gott in der Taufe an Kindes statt angenommen hat,
die er in der Firmung mit den Gaben des Heiligen Geistes ausgestattet hat.
Wir beten für alle, die die Not der Menschen hören
und für die, die taub geworden sind.
Wir beten für unsere Kirche,
für alle, die an der Familiensynode in Rom, die heute zu Ende geht, teilgenommen haben.
Für alle, die sich über das Ergebnis freuen
und für die, die enttäuscht sind.
Wir beten für die Flüchtlinge, die in so großer Zahl Zuflucht bei uns suchen.
Wir beten für die Menschen, die mit offenen Herzen und viel Engagement auf sie zugehen.
Wir beten für die vielen Helfer und Helferinnen, die erschöpft und am Ende ihrer Kraft sind.
Wir beten auch für die, die Angst haben und sich lieber abschotten möchten.
Herr, du kennst unsere Sorgen und Nöte.
Höre in diesem Gottesdienst auch auf unser Herz,
auf das was wir dir in der Stille anvertrauen.
Du liebst uns und lässt uns nicht allein.
Dafür danken wir dir heute und in Ewigkeit. – Amen.
Renate Witzani (2015)
Gott führt sein Volk.
Das dürfen wir auch immer wieder in unserem eigenen Leben erfahren.
So lasst uns gemeinsam zum Vater beten:
Für unsere Gemeinschaft als Kirche vor Ort:
Dass wir uns deinem Wort der Schrift öffnen,
es bedenken und in unserem Leben umsetzen.
Für alle, die blind an der Realität ihres Lebens vorbei leben:
Dass du ihnen Mut machst
und sie beginnen, ihre persönlichen Möglichkeiten für ein gelingendes Leben zu verwirklichen.
Für alle, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind:
Dass sie Menschen finden, die ihnen in ihrer Notlage beistehen.
Für alle Verstorbenen, die wir schmerzlich vermissen,
und für die, an die niemand mehr denkt.
Gott des Lebens!
Öffne unsere Augen für die Wahrheit deiner Botschaft,
damit wir dich loben und preisen jetzt und bis in Ewigkeit. - Amen.
Jörg Thiemann (2012)
Guter Gott,
du Quelle des Glücks und unser Heil,
wir rufen zu dir:
Lass uns nicht gleichgültig gegenüber dem Leid unserer Mitmenschen zu werden
und hilf uns, Not zu wenden.
Schenke allen, die an dich glauben, offene Augen
für dein Wirken an den Mitmenschen und für dein Wirken in der Welt.
Steh allen bei, die blind oder sehbehindert leben müssen,
dass sie nicht verzweifeln,
sondern mit Hilfe ihrer Mitmenschen mutig ihr Leben meistern können.
Heilige und stärke deine Kirche,
dass sie den Menschen unserer Zeit Wege zu dir öffnet,
durch das Wort des Evangeliums,
durch ein glaubwürdiges Zeugnis und durch Taten der Liebe.
Mache alle, die Verantwortung in der Gesellschaft tragen,
bereit, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen.
Gib, dass alle, die nicht glauben können,
alle, die nach Wahrheit suchen,
deine Frohe Botschaft als tragendes Fundament erkennen.
Dir sein Lob und Preis, jetzt und in Ewigkeit. Amen.
- Gabengebet3
Messbuch - GG 30. Sonntag: dir zur Ehre
Allmächtiger Gott,
sieh gnädig auf die Gaben, die wir darbringen,
und laß uns dieses Opfer so feiern,
dass es dir zur Ehre gereicht.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 30. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - GG Ausbreitung des Evangeliums: Sohn Gottes als Lösegeld für alle
Herr, unser Gott,
dein Sohn hat sich als Lösegeld für alle hingegeben.
Mach dein Wort wahr,
dass alle Völker
vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang
durch ihn deinen Namen preisen
und dir überall das eine Opfer darbringen werden.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB Für die Ausbreitung des Evangeliums A
Messbuch - GG Advent 18. Dez: er ist in unser vergängliches Leben eingetreten
Herrn, unser Gott,
dieses Opfer erwirke uns deine Gnade
und lasse uns teilhaben
am ewigen Leben deines Sohnes.
Denn er ist in unser vergängliches Leben eingetreten,
um uns von unserer Sterblichkeit zu heilen.
Er, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
MB Advent 18. Dezember
- Gebet zur Gabenbereitung5
Jörg Thiemann (2024)
Jesus,
du rufst uns an deinem Tisch,
Gesunde und Kranke,
Arme und Reiche,
Erfolgreiche und jene, die sich schwertun.
Du schenkst dich uns allen in Brot und Wein.
Brot und Wein sind dein Leib und dein Blut.
Sie sind Zeichen deiner Liebe.
Sie sind Zeichen, dass du dich für alle hingibst.
Deine Nähe mache uns stark. - Amen.
Martin Stewen (2021)
Treuer Gott,
Brot und Wein geben unserem Leben Nahrung und Freude.
Wandle du sie in die Gegenwart deines Sohnes
und lass uns so erkennen, wie du für uns da bist
und dich um uns sorgst.
So bitten wir durch Christus unseren Bruder und Herrn. – Amen.
Messbuch der Altkatholiken (2015)
Vater,
wir bringen Brot und Wein vor dein Angesicht
und bitten dich:
Sammle uns an deinem Tisch
und stärke uns mit deiner Kraft
durch Christus unseren Herrn …
(Messbuch der Altkatholiken S. 487)
Jörg Thiemann (2012)
Gott, du lädst alle ein,
alle rufst du zusammen an deinen Tisch:
Arme wie Reiche, Gesunde und Kranke,
Sünder und Fromme.
Lass uns alle teilen wie du,
schenke uns offene Herzen, wie dein Herz offen ist.
Amen.
Manfred Wussow (2009)
Alles, Herr, was wir dir geben können,
haben wir von dir.
Das Brot zum Leben,
den Wein zur Freude.
Du verschenkst dich an uns,
ohne dass wir es verdient hätten.
Du schenkst uns den Leib und das Blut Christi,
der für uns gestorben ist.
Ganz in deiner Liebe.
Dass er kommt,
erbitten wir in seinem Namen.
Dein Reich komme.
- Lobpreis1
Hans Hütter (2021)
Kehrvers:
Dir sei Dank und Preis und Ehre.
(GL 670,8)
Gott und Vater,
wir haben allen Grund, dir Dank zu sagen und dich zu loben.
Wir danken dir die Augen,
dass wir sehen und die Pracht der Schöpfung wahrnehmen können.
Darüber hinaus danken wir dir, dass du unsere Augen geöffnet hast für das,
was hinter der sichtbaren Schöpfung liegt.
Kehrvers
Wir danken dir für die Ohren,
für die Fähigkeit, Worte und Klänge wahrnehmen und deuten zu können.
Unser Dank gilt dir auch für den Sinn,
den du in alles Geschaffene hineingelegt hast.
Kehrvers
Wir danken dir den Geruchs- und Geschmackssinn,
für alles Angenehme, das sie in uns auslösen,
und für die gute Atmosphäre, für Geborgenheit und Gemeinschaft,
die uns Menschen damit bereiten.
Kehrvers
Wir danken dir, dass wir Dinge ertasten und erfühlen können,
für unsere Fähigkeit, unsere Umgebung wahrzunehmen und zu deuten.
Auch danken wir dir für das Wissen und die Gewissheit deiner Liebe,
die uns in vielfältiger Weise begegnet.
Kehrvers
Schließlich danken wir dir für das Geschenk des Glaubens,
den du uns durch Jesus Christus, deinen Sohn, erschlossen hast,
für die Hoffnung, die er uns daraus erwachst
und für die Liebe, zu der er uns befähigt.
Kehrvers
Wir stimmen ein in den Lobpreis der ganzen Schöpfung und singen:
Danklied: z. B.: Gl 283: Danket, danket dem Herrn… (GL 406)
- Präfation2
Messbuch - Präfation Anliegen 4: Jesus, der Bruder aller
Wir danken dir,
treuer Gott und barmherziger Vater,
für deinen Sohn Jesus Christus,
unseren Herrn und Erlöser.
Er hatte ein Herz für die Armen und die Kranken,
die Ausgestoßenen und die Sünder.
Den Bedrängten und den Verzweifelten war er ein Bruder.
Sein Leben und seine Botschaft lehren uns,
dass du für deine Kinder sorgst
wie ein guter Vater und eine liebende Mutter.
Darum rühmen wir deine Güte und Treue
und singen mit allen Engeln und Heiligen
das Lob deiner Herrlichkeit:
Heilig...
MB Besondere Anliegen 4
Messbuch - Präfation Sonntage 3: Die Rettung des Menschen durch den Menschen Jesus Christus
In Wahrheit ist es würdig und recht,
dir, Herr, heiliger Vater,
allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.
Denn wir erkennen deine Herrlichkeit in dem,
was du an uns getan hast:
Du bist uns mit der Macht deiner Gottheit
zu Hilfe gekommen und
hast uns durch deinen menschgewordenen Sohn
Rettung und Heil gebracht
aus unserer menschlichen Sterblichkeit.
So kam uns aus unserer Vergänglichkeit
das unvergängliche Leben
durch unseren Herrn Jesus Christus.
Durch ihn preisen wir jetzt und in Ewigkeit
dein Erbarmen und singen mit den
Chören der Engel das Lob
deiner Herrlichkeit:
Heilig ...
MB Sonntage 3
- Mahlspruch1
Bibel
Jesus sagte zu seinen Jüngern:
Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht.
(Lk 10,23)
Oder:
Öffne mir die Augen für das Wunderbare an deiner Weisung
(Ps 119,18)
Oder:
Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben
als Gabe und Opfer, das Gott wohlgefällt.
(Eph 5,2)
Oder:
Unser Retter Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen
und uns das Licht des Lebens gebracht durch das Evangelium.
(vgl. 2. Tim 1,10)
- Meditation2
Helene Renner (2021)
Gott,
mitten hinein
in die Schatten
unseres Lebens
rufst du uns zu:
Habt Mut - fürchtet euch nicht!
Du versprichst uns
Zuversicht
inmitten der Verzweiflung,
Neuanfang
mitten in der Resignation,
Mut
in jeder Bedrängnis.
Habt Mut - fürchtet euch nicht!
Rufst du auch uns zu,
damit wir eintreten
füreinander,
damit wir es laut weitersagen:
Nicht Dunkelheit und Angst
haben das letzte Wort,
du befreist daraus,
wenn wir dich darum bitten.
Zitat (2009)
Einer macht Licht,
wenn ich stolpre,
nimmt meine Hand im Dunkeln
und -
ich komme an.
Einer schließt Frieden,
wenn ich hasse,
lächelt meinen Zorn in den Wind
und -
ich komme an.
Einer gibt Trost,
wenn ich leide,
nimmt mein Herz fest in die Hand
und -
ich komme an.
Einer kommt an,
wenn ich fehle,
nimmt sein Kreuz auf die Schulter
und -
er kommt an!
(Sybille Fritsch)
- Schlussgebet3
Messbuch - SG 30. Sonntag: das Heil wirken
Herrn, unser Gott,
gib, daß deine Sakramente
in uns das Heil wirken, das sie enthalten,
damit wir einst
als unverhüllte Wirklichkeit empfangen,
was wir jetzt in heiligen Zeichen begehen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 30. Sonntag im Jahreskreis
Messbuch - SG Fastenzeit 4 So: Heile die Blindheit unseres Herzens
Allmächtiger Gott,
dein ewiges Wort ist das wahre Licht,
das jeden Menschen erleuchtet.
Heile die Blindheit unseres Herzens,
damit wir erkennen, was vor dir recht ist,
und dich aufrichtig lieben.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
MB 4. Fastensonntag
Messbuch - SG Ausbreitung des Evangeliums: Mache die Kirche zum Zeichen des Heils
Herr, unser Gott,
heilige uns durch das Mahl, das wir gefeiert haben,
und gib uns Kraft zu einem christlichen Leben.
Mache deine Kirche zum Zeichen des Heils unter den Völkern,
damit sie die Gnade empfangen,
die dein Sohn am Kreuz für alle Menschen erworben hat,
der mit dir lebt und wirkt in alle Ewigkeit. Amen.
MB Für die Ausbreitung des Evangeliums B
- Gebet zum Abschluss7
Jörg Thiemann (2024)
Jesus,
du sendest uns jetzt aus,
deine Liebe zu bezeugen.
So kann Glaube wachsen
in uns und in den Mitmenschen.
Durch uns handelst du auch heute,
durch uns schenkst du auch heute Hoffnung,
wo sonst nur Hoffnungslosigkeit wäre.
Stärke dazu unseren und anderer Menschen Glauben. – Amen.
Martin Stewen (2021)
Gütiger Gott,
Wir haben das Sakrament des Altares gefeiert
und dich, unseren Gott,
in den Gaben von Brot und Wein geschaut.
Gestärkt an Leib und Seele
und mit dem Wort der Frohbotschaft in unseren Herzen
gehen wir nun in die kommende Zeit.
Dazu bitten wir um deinen Segen
durch Christus unseren Herrn. – Amen.
Beatrix Senft (2021)
Vater im Himmel,
wir danken dir für Jesus Christus,
der Blinde sehend gemacht
und Bedürftige aufgerichtet hat,
der uns den Blick weitet für ein gutes Miteinander
und uns zuspricht, dass auch wir ihm folgen können,
in dieser Welt Heil bringend zu handeln.
Schenke uns den Durchblick,
den wir dazu benötigen
und leite du uns mit deinem Segen.
Du, der du eins bist mit Jesus, deinem Sohn,
und mit der Kraft, die uns zufließt durch den Hl. Geist. - Amen.
Jörg Thiemann (2012)
Gott, Bartimäus ist dir nachgefolgt,
als du ihn sehend gemacht hast.
Wir haben in dieser Feier das eine oder andere tiefer erkannt.
Lass auch uns dir nachfolgen, dort wo wir stehen.
Hilf uns, dein Wirken nicht zu übersehen.
Gib, dass wir sehen,
wo und wie wir gebraucht werden.
Segne uns auf unsere Wegen.
Dein Wort sein Licht für unsere Pfade. Amen.
Messbuch der Altkatholiken (2015)
Gott des Lebens,
wir danken dir, dass du uns im Mahl deines Sohnes Gemeinschaft schenkst.
Wir bitten dich:
Erhalte uns lebendig im Heiligen Geist
und führe uns der Vollendung entgegen
durch Christus, unseren Herrn.
(Messbuch der Altkatholiken: Seite 487)
Zitat (2015) - Er beschenke euch mit seinem Heil von Tag zu Tag
Der Herr segne euch und behüte euch.
Er zeige euch sein liebendes Angesicht.
Er beschenke euch mit seinem Heil von Tag zu Tag.
Seine Güte fülle eure Herzen und eure Hände.
Dies gewähre euch der dreieine Gott:
der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
(Misso-Werk Aachen zum Sonntag der Weltmission)
Manfred Wussow (2009)
Gott, der du gute Augen hast:
Schau gütig auf uns.
Wir machen uns jetzt wieder auf den Weg.
Uns werden Menschen und Situationen begegnen,
für die wir gute Augen - und ein gutes Augenmaß - brauchen.
Schenke uns einen Blick,
der Menschen aushält und aufhebt -
und bewahre uns davor,
dass uns die Augen überlaufen.
Du weißt, wir sind nur Menschen.
Für deine Liebe danken wir dir.
Um dein Geleit bitten wir dich.
Bis wir dich schauen.
Von Angesicht zu Angesicht
- Segen1
Messbuch - Segen 10: Lass alle, die auf deine Güte vertrauen, deine Hilfe erfahren
Wir rufen zu dir, barmherziger Gott:
Schau gnädig auf dein Volk, das an dich glaubt.
Lass alle, die auf deine Güte vertrauen,
deine Hilfe erfahren
und überall die Großtaten deiner Liebe verkünden.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Der Segen des allmächtigen Gottes,
des Vaters und des Sohnes +
und des Heiligen Geistes,
komme auf euch herab und
bleibe bei euch allezeit. - Amen.
MB Segensgebete 10
Dein Heil lass uns verkünden, Gott
Dein Heil lass uns verkünden, Gott,
von Tag zu Tag,
mit segnenden Händen,
mit heilender Berührung,
mit Not wendender Tat.
Dein Heil lass uns verkünden, Gott,
von Tag zu Tag,
gegen das Dunkel der Angst,
gegen die Last der Armut,
gegen die Bedrohung der Gewalt.
Dein Heil lass uns verkünden, Gott,
von Tag zu Tag,
mit der Freude des Glaubens,
mit der Kraft der Hoffnung,
mit der Macht der Liebe.
Dein Heil lass uns verkünden, Gott,
von Tag zu Tag,
über alle Grenzen,
gegen alle Widerstände,
wider alles Unheil.
Dein Heil lass uns verkünden, Gott,
von Tag zu Tag,
mit Liedern und Tanz,
mit Anmut und Poesie,
mit Herzen, voll von Dank
Irmgard Icking, kirche-poxdorf.de
https://kirche-poxdorf.de/spirituelles/gedanken/dein-heil
fehlsichtig
Blind bin ich nicht.
Aber kurz - sichtig.
Ich sehe nur das, was direkt vor mir liegt,
was in die Augen springt:
nur die dicken Überschriften in der „Bild“ ,
nur die Probleme, die mich unmittelbar berühren.
Das Kleingedruckte lese ich nicht,
auf die Details achte ich nicht.
Nur das Grobe fällt mir ins Auge,
für Feinheiten habe ich keinen Blick.
Mein Horizont ist recht eng,
mein Weltbild sehr eingeschränkt.
Ich denke nicht weiter und habe wenig Fantasie.
Längerfristige Pläne mache ich nicht.
Mein Spannungsbogen und
meine Geduld reichen nicht weit.
Ich lebe von der Hand in den Mund,
von einem Augenblick zum andern
Blind bin ich nicht. Aber kurzsichtig.
Blind bin ich nicht.
Aber weit-sichtig.
Ich sehe fern.
Nicht nur „Schwarzwaldklinik“ und „Dallas“,
auch „Weltspiegel“ und „Internationalen Frühschoppen“.
Ich engagiere mich für Südafrika und El Salvador,
für Brasilien und Südvietnam.
Ich lese Bücher über Welternährung und Waffenexport.
Nur, was vor meiner Haustür geschieht,
das sehe ich in meiner Weitsichtigkeit nicht;
die schwermütige Kollegin,
die Spüle voll Abwasch zu Hause,
den überfließenden Mülleimer,
der geleert werden muss,
die völlig fertige Frau des Alkoholikers nebenan,
die Asylanten aus dem Bunker ... die sehe ich nicht.
Fernsten - Liebe fällt mir leichter als Nächstenliebe.
Blind bin ich nicht. Aber weitsichtig.
...
Ich brauche einen,
der meinen „blinden Fleck“ heilt.
Ich brauche einen, der mich sehen lehrt.
Aus Hermann Josef Coenen, Meine Jakobsleiter, Patmos Verlag Düsseldorf, 1986.
Einen Augen-Blick
Ein lauter
oder
ein stummer
SCHREI
„Hab Erbarmen mit mir“
anhalten
Erspüren des Gegenübers
einen Augenblick
mich hinten anstellen
um in sein Innerstes zu sehen
ihn wahrnehmen
wie er ist
mit all seiner Bedürftigkeit
mit all seinem Sehnen -
auch mit seiner ganzen Fülle -
mit ALLEM
was ihn ausmacht
einen Augen-Blick
schenken
der
heilen
aufrichten
befähigen kann
einen Augen-Blick
schenken
der die eigenen blinden Flecken
ins Sehen erhellt
der dem anderen An-Sehen schenkt
einen Augen-Blick schenken
der in diesem Moment
eine kleine Welt
retten kann
Beatrix Senft, unveröffentlicht.
„Religiös unmusikalisch“
Anmerkungen zum Verhältnis von Jürgen Habermas zu Max Weber
Zweimal bereits hat Jürgen Habermas die markante Selbstbeschreibung „religiös unmusikalisch“ in der Öffentlichkeit eingesetzt: zuerst in seiner Dankrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Jahr 2001, dann nochmals in der Diskussion zwischen ihm und dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger in der Katholischen Akademie in München im Jahr 2004. Dass er dabei, ohne es besonders zu erwähnen, eine semantische Anleihe bei Max Weber machte, war ihm ebenso bewusst wie seinem gebildeten Publikum.
Ich möchte diese überaus diskrete Reverenz des Sozialphilosophen aus Starnberg an den Sozialwissenschaftler aus Heidelberg zum Anknüpfungspunkt nehmen, einige Anmerkungen zu machen, zum einen zur eigenartig gestrickten Konstruktion dieser Art des Sprechens über Religion und zum anderen über das Verhältnis des Theorieproduzenten Jürgen Habermas zum Werk Max Webers.
Mit der Formel von der „religiösen Unmusikalität“ als Selbstprädikation will der Sprecher sagen, dass er über Religion in distanzierter, selbstbeobachtender Weise spricht. Er redet nicht aus der Perspektive eigener religiöser Erfahrung, also eines Gläubigen, sondern aus der Reflexion der Praxis anderer, von denen er sich durch sein Sprechen absetzt. Es gibt, so sagt er, Menschen, die das praktizieren, sogar gekonnt und zuweilen virtuos praktizieren, was ich nicht praktizieren kann. Dennoch sage ich nicht, dass ich das, was jene anderen praktizieren, für unsinnig, ja blödsinnig halte, sondern eher für sachlich erforderlich, ja vielleicht sogar für notwendig. So wie uns Musik umgibt und jeden angeht, so umgibt uns auch Religion, auch die Nichtpraktizierenden. Und beides, Musik wie Religion, ist wichtig, vielleicht sogar schön.
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Dirk Kaesler auf: literaturkritik.de - 23.10.2018
Der Forscher, der sich "religiös unmusikalisch" nannte
Bei dem Soziologen Weber machen viele Politiker Anleihen, wenn sie ihr Tun als das "Bohren dicker Bretter" beschreiben. Auch seine These zum Verhältnis von Calvinismus und Kapitalismus ist keineswegs verstaubt. In Zeiten der Finanzkrise hat der Ruf nach Moral in der Wirtschaft Konjunktur. Braucht es ein Zurück zur protestantischen Ethik, wurde schon nach den ersten Bankencrashs gefragt, muss der Meisterdenker Max Weber neu entdeckt werden?
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www.evangelisch.de/inhalte/93909 - 23.10.2018
Wie Hawking mit Gott rechnete
Der britische Astrophysiker Stephen Hawking starb am 14. März 2018 im Alter von 76 Jahren friedlich in seinem Haus in Cambridge. Seine Kinder Lucy, Robert und Tim teilten mit, sie seien zutiefst traurig. "Wir werden ihn für immer vermissen."
Hawking litt an der unheilbaren Muskel -und Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose). Bereits seit Jahrzehnten war er fast völlig bewegungsunfähig, er saß im Rollstuhl. Schon seit langem konnte er sich nur noch mühsam mit Hilfe eines Computers verständigen. Zuletzt nahmen seine Kräfte immer mehr ab.
Stephen Hawking war nicht nur ein weltberühmter Physiker und Mathematiker. Der Brite hat sein Wissen über das Universum auch für Millionen Leser verständlich niedergeschrieben. Zu den bekanntesten Werken zählen:
Zitate:
"Meiner Meinung nach sollten sich behinderte Menschen auf die Dinge konzentrieren, die ihnen möglich sind, statt solchen hinterher zu trauern, die ihnen nicht möglich sind."
Aus seiner 2013 auf Deutsch erschienenen Autobiografie "Meine kurze Geschichte".
"Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe es aber auch nicht eilig."
In einem Interview mit: der britischen Zeitung "The Guardian ", 2011.
"Weil es die Gesetze der Schwerkraft gibt, hat sich das Universum aus dem Nichts selbst geschaffen."
Hawking in seinem Buch "Der große Entwurf", 2010.
"Man kann nicht beweisen, dass Gott nicht existiert (...). Aber die Wissenschaft macht Gott überflüssig."
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC, 2010.
"Einstein lag falsch, als er sagte "Gott würfelt nicht". (...) Er hat die Würfel manchmal nur dorthin geworfen, wo wir sie nicht sehen."
An der Uni Cambridge bei einer Debatte über Schwarze Löcher, 1994.
"Ich bin der Ansicht, dass wir alle, nicht nur die theoretischen Physiker, gern wissen wollen, woher wir kommen."
In einem Interview mir dem "Spiegel", 1988.
"Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen."
In seinem Buch "Eine kurze Geschichte derzeit", 1988.
Zitat über Hawking:
"Die Wissenschaft kann uns nicht hinreichend erklären, woher wir kommen und wohin wir gehen und welchen Sinn unsere Existenz hat".
Papst Benedikt XVI. im September 2010 zu Hawkings Thesen.
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diepresse.com über den Astrophysiker und Mathematiker Stephen Hawking - 23.10.2018
Die Last des Prophetenamtes
Jeremias Laufbahn als Prophet begann kurz vor dem Untergang Jerusalems. Er erlebte noch mit, wie das Volk in die Verbannung geschleppt wurde. Von allen Propheten hat er, menschlich gesehen, die deutlichsten Konturen, weil sein Buch so viele biographische Einzelheiten enthält. Wie wir schon zu Beginn des Kapitels gehört haben, ist er es, der zu Gott schreit und sich (sinngemäß) beschwert: "Jahwe, du hast mich verführt! Du hast mir das eingebrockt! Ich wollte das nie. Ich habe keine Lust, dein Wort zu predigen. Aber wenn ich es nicht tue, brennt es in mir wie Feuer!" Hier haben wir wieder dieses zweischneidige Schwert! Er kann vor Gottes Wort nicht davonlaufen; aber, wenn er es ausspricht, erntet er Spott und Hass. "Verflucht sein der Tag, an dem ich geboren wurde" klagt er, "der Tag, an dem meine Mutter mich gebar ..." (Jeremia 20,14). Obwohl ihn sein Auftrag unendlich quält, bleibt Jeremia der Berufung unerschütterlich treu, das Wort auszusprechen, das in ihm brodelt.
[...]
Was Jeremia angedroht hatte, geschah: der Tempel vermochte das Volk nicht zu retten. Der Tempel hielt zwar 400 Jahre, aber er hielt nicht ewig. Im Jahr 587 vor Christus wurde er zerstört. Es gibt nur einen Tempel, der ewig hält, nur einen Ort, an dem es ewiges Leben gibt - aber dieser Tempel ist nicht aus Stein. Es ist die Gemeinschaft des Glaubens, immer neu, immer anders, überall da, wo zwei oder drei in Gottes Namen beisammen sind. Gott erzog die Israeliten und langsam lernten sie. Ach, wie lange wir brauchen, bis wir lernen! Wie lange es dauert, bis wir diese Lektion intus haben, und wie oft vergessen wir sie wieder! Es ist eine harte Lektion. Die Israeliten, die Juden, unsere Vorfahren im Glauben, lernten sie nur unter unendlichen Mühen. Auch uns geht es oft ebenso.
Aus: Richard Rohr, Das entfesselte Buch. Eine Einführung in die Bibel. Altes und Neues Testament. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien, 2003.
Sehen, was es noch nicht gibt
Glaubende Menschen sind ein bisschen wie Erfinder. Sie "sehen" Dinge, die es (noch) nicht gibt. Sie "sehen" Dinge, die es bislang nur in ihrer Vorstellung gibt. An Gott glauben heißt: Anteil haben, "sehen", was es bisher nur in der Zukunft nach Gottes Zusagen gibt. Wir kennen das aus unserem Alltag: Auch da "glauben" wir nicht nur, was wir sehen. Wir glauben auch an die Dinge, die noch nicht sind. Wir haben Eingebungen und Ideen, "Visionen", das heißt eigentlich "Sichtungen". Ein Mensch "glaubt" an einen anderen, weil er Dinge für möglich hält, die dieser noch nicht leisten kann. Weil er die Hoffnung, ja das feste Vertrauen hat, dass sich ein Mensch verändern wird. Ein Architekt "sieht" ein Gebäude, das es noch nicht gibt. Wir alle, ob fromm oder nicht, "glauben" also ständig, ohne zu sehen: Würden wir uns nur auf das beschränken, was ist, könnten wir uns weder individuell noch gesellschaftlich weiterentwickeln. Dabei bestehen unsere Projekte und Visionen nicht nur aus einer Erweiterung und Neukombination dessen, was es schon gibt. Manchmal "sieht" jemand etwas, was es noch gar nicht gegeben hat.
Ich denke, es ist heute sehr wichtig, dass wir nicht zu sehr bei den Dingen stehen bleiben, die wir sehen können. Träume, Sehnsüchte, Ängste bestimmen unser Leben in hohem Maße mit, ohne, dass wir sie sehen könnten. Man braucht also gar nicht an die Existenz von Geistern und anderer sichtbarer Mächte glauben und kann dennoch an viel mehr glauben als an das, was man sieht.
Markus Schaefer, Schokolade macht glücklich - Gott auch. Eine Ermutigung zum Glauben. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2004.
Das Wesentliche ist unsichtbar
1.) Was man nicht sehen kann
Worte, die andere Menschen ermutigen;
Der Glaube eines Liebenden an die Treue des Partners;
Die Freude über einen langersehnten Brief oder Anruf;
Die Liebe in dem Kuss einer Mutter;
Die Hoffnung einer argentinischen Mutter, deren Sohn von der Geheimpolizei verschleppt wurde;
Das Wachsen einer Knospe;
Die Gewissheit, dass mir jemand in Gedanken nahe ist;
Leid und Liebe eines trauernden Menschen am Grab;
Die Sehnsucht der Menschen nach Geborgenheit und Liebe;
Die Gedankenkraft eines Menschen;
Das Beten
Und noch vieles andere!
2. ) Keine Angst vor der Leere
Der Reifen eines Rades wird
gehalten von den Speichen,
aber die Leere zwischen ihnen
ist das Sinnvolle beim Gebrauch.
Aus nassem Ton
formt man Gefäße,
aber die Leere in ihnen
ermöglicht das Füllen der Krüge.
Aus Holz zimmert man
Türen und Fenster,
aber das Leere in ihnen
macht das Haus bewohnbar.
So ist das Sichtbare zwar
Von Nutzen,
doch das Wesentliche
bleibt unsichtbar.
Lao Tse
Josef Griesbeck, Durchatmen, Meditationen, Frühschichten Wortgottesdienste, Freiburg 1993.
Einübung des Sehens
"Mystik", das Wort hängt zusammen mit dem Wort "myein", die Augen schließen. Die Mystiker schließen die Augen, um innere Bilder zu sehen und um danach die äußeren Bilder so zu sehen, dass sie Wirklichkeit mitteilen, wahrnehmbare Wirklichkeit.
Wie kommt man dazu? Es beginnt wohl mit der Einübung des Sehens. Wirklich sehen heißt, die Dinge nicht einfordern. Nicht Besitz ergreifen von ihnen. Nicht sie zerstören. Nicht sie missbrauchen. Sich ihnen behutsam nähern, ehrfürchtig, dem Fremden gegenüber. Dabei immer genau sehen. Immer mehr wahrnehmen.
Sehen heißt darum: verstehen, dass alles ein Geschick hat und dass jedes fremde Geschick dich angeht. Sehen heißt achtsam sein."
Gott,
lehre mich hinschauen
auf die Schönheit deiner Welt
auf das Leiden
den Menschen zugefügt
auf den Baum am Wegrand
den flackernden Kerzenschein
das Lächeln im Gesicht des Kindes
die Traurigkeit im Gesicht der alten Frau
auf das Funkeln des Weines im Glas
den Reif auf dem Rosenblatt
das trostlose Gesicht hinter der Fensterscheibe
auf die Gebrochenheit in mir
lehre mich mit neuen Augen sehen
damit ich sehe
wenn ich sehe
hell und dunkel
heil und gebrochen
mich und die Welt
Andrea Schwarz, Wie ein Gebet sei mein Leben. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2012.
In einem anderen Licht
Menschen,
die aus der Hoffnung leben
sehen weiter
Menschen,
die aus der Liebe leben
sehen tiefer
Menschen,
die aus dem Glauben leben
sehen alles in einem anderen Licht
Aus: Lothar Zenetti, Sieben Farben hat das Licht. Worte der Zuversicht. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2006.
"Beim Beten sollte man sich vor Gott demütigen." - Keine gute Idee!
Wenn Sie Gott wirklich nahe kommen möchten, sollten Sie es mit Beten versuchen. Aber wie macht man das? Es gibt viele mögliche Körperhaltungen für das Gebet, aber für den Beginn empfiehlt sich das aufrechte Stehen, mit offenen Augen. Ein starker, mutiger Stand, verwurzelt bis in die Tiefen der Erde, und ein mutiger Blick nach vorne und nach oben. Eine Körpersprache, die sagt: "Hier bin ich. Dein Geschöpf. Mit all meiner Kraft, allen Fähigkeiten, die ich dir verdanke. Ich bin bereit." Diese Haltung lässt sich am besten unter freiem Himmel durchführen, wo der Blick nach oben nirgends hängen bleibt, wo die Höhe der Wolken über einem ist oder das weite Blau des Himmels oder die unendliche Schwärze der Nacht. Deswegen sind die alten Kathedralen so gebaut, dass sie fast automatisch den Blick nach oben lenken und viel Raum lassen für eine offene Sicht.
Das Ziel des Betens ist es, Gott zu bewegen, dass er Anteil nimmt an meinem Leben. Im Gebet stelle ich eine lebendige Verbindung her mit Gott. Eine Verbindung mit zwischen dem, was ich mir wünsche, und dem, was Gott will. Eine Verbindung zwischen meinen Bedürfnissen und seinem Überfluss. Eine Verbindung zwischen meinen Grenzen und seiner Stärke.
Die eigentlichen, die wesentlichen Gebete, das sind die Gebete vor einer Grenze oder einer Mauer, Gebete in der Ausweglosigkeit, geschriene Gebete, geweinte Gebete, gestammelte Gebete, oder einfach hilflos stumme Gebete. Manche Menschen haben Scheu, zu beten, weil sie sich schämen, immer erst zu Gott zu kommen, wenn sie keinen eigenen Ausweg wissen. Dafür ist das Gebet doch da, höre ich Gott sagen: Komm zu mir mit deiner Hilflosigkeit, mit deiner Frage. Ich werde mehr tun als sie zu beantworten. Ich werde sie verwandeln.
Werner Tiki Küstenmacher, Drei Minuten Bibel, Pattloch Verlag, München 2004.
Herr, du hast mich angerührt
Herr, du hast mich angerührt.
Lange lag ich krank danieder,
aber nun - die Seele spürt:
Alte Kräfte kehren wieder.
Neue Tage leuchten mir.
Gott, du lebst. Ich danke dir!
Dank für deinen Trost, o Herr,
Dank selbst für die schlimmen Stunden,
da im aufgewühlten Meer
sinkend schon ich Halt gefunden.
Du hörst auch den stummen Schrei,
gehst im Dunkeln nicht vorbei.
Aus der Finsternis wird Tag.
Tau fällt, um das Land zu schmücken.
Sonne steigt und Lerchenschlag,
meinen Morgen zu beglücken.
Lobgesang durchströmt die Welt.
Du hast mich ins Licht gestellt.
Langer Nächte Unheilsschritt
muß mich nun nicht mehr erschrecken.
Um mich her das Schöpfungslied
soll sein Echo in mir wecken.
Neue Quellen öffnen sich.
Gott, du lebst. Ich lobe dich!
Jürgen Henkys (1982) nach einem norwegischen Lied, in: EG 383.
Monolog des Blinden
Alle, die vorübergehn,
gehn vorbei.
Sieht mich, weil ich blind bin, keiner stehn?
Und ich steh seit Drei ...
Jetzt beginnt es noch zu regnen!
Wenn es regnet, ist der Mensch nicht gut.
Wer mir dann begegnet, tut
so, als würde er mir nicht begegnen.
Ohne Augen steh ich in der Stadt.
Und sie dröhnt, als stünde ich am Meer.
Abends lauf ich hinter einem Hunde her,
der mich an der Leine hat.
Meine Augen hatten im August
ihren zwölften Sterbetag.
Warum traf der Splitter nicht die Brust
und das Herz, das nicht mehr mag?
Ach, kein Mensch kauft handgemalte
Ansichtskarten, denn ich hab kein Glück.
Einen Groschen, Stück für Stück!
Wo ich selber sieben Pfennig zahlte.
Früher sah ich alles so wie Sie:
Sonne, Blumen, Frau und Stadt.
Und wie meine Mutter ausgesehen hat,
das vergeß ich nie.
Krieg macht blind. Das sehe ich an mir.
Und es regnet. Und es geht der Wind.
Ist denn keine fremde Mutter hier,
die an ihre eignen Söhne denkt?
Und kein Kind,
dem die Mutter etwas für mich schenkt?
Erich Kästner: " … was nicht in euren Lesebüchern steht". Hrsg. v. Wilhelm Rausch. Ffm (Fischer Taschenbuch Verlag) 1976.
Die Blinde
Die schwarzen Wände pressen
Mein Leben dicht und dichter ein;
Es hat schon viel vergessen,
Wird eng und klein.
Es hat schon viel vergessen,
Der Hasel Grün, der Äpfel Rot,
Es mag sie nur noch essen
Und beißt sie tot.
Es beißt mit harten Zähnen
Und nennt das Ding nach seinem Ruch,
Es hört die Stunden gähnen
Und liest kein Buch.
Ich werd im schweren Dunkel,
Das selten Mitleids Neugier bricht,
Die Hexe, die zur Kunkel
In Türmen spricht.
Die Welt trägt frische Wangen,
Die bleicht mein fensterloses Haus;
Drum ist sie fortgegangen,
Sie hielt nicht aus.
Zuweilen floß ein Hallen,
So braun, so weinend sanft wie Harz;
Ich wollte zu ihm wallen.
Der Weg war schwarz.
Das Licht hat so gesungen,
Mein totes Antlitz angerührt.
Die Brücke ist zersprungen,
Die zu ihm führt.
Die Brücke ist versunken
In einem tiefen, bittren Maar;
Wenn ich es ausgetrunken,
Wird alles klar.
Gertrud Kolmar: Weibliches Bildnis. Sämtliche Gedichte. München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 1987.
Der blinde Mann
Der blinde Mann, der auf der Brücke steht,
grau wie ein Markstein namenloser Reiche,
er ist vielleicht das Ding, das immer gleiche,
um das von fern die Sternenstunde geht,
und der Gestirne stiller Mittelpunkt.
Denn alles um ihn irrt und rinnt und prunkt.
Er ist der unbewegliche Gerechte,
in viele wirre Wege hingestellt;
der dunkle Eingang in die Unterwelt
bei einem oberflächlichen Geschlechte.
Rainer Maria Rilke:Die Gedichte. Ffm (Insel Verlag) 8. Aufl. 1996.
Das Lied des Blinden
Ich bin blind, ihr draußen, das ist ein Fluch,
ein Widerwillen, ein Widerspruch,
etwas täglich Schweres.
Ich leg meine Hand auf den Arm der Frau,
meine graue Hand auf ihr graues Grau,
und sie führt mich durch lauter Leeres.
Ihr rührt euch und rückt und bildet euch ein
anders zu klingen als Stein auf Stein,
aber ihr irrt euch: ich allein
lebe und leide und lärme.
In mir ist ein endloses Schrein
und ich weiß nicht, schreit mir mein
Herz oder meine Gedärme.
Erkennt ihr die Lieder? Ihr sanget sie nicht
nicht ganz in dieser Betonung.
Euch kommt jeden Morgen das neue Licht
warm in die offene Wohnung.
Und ihr habt ein Gefühl von Gesicht zu Gesicht
und das verleitet zur Schonung.
Rainer Maria Rilke:Die Gedichte. Ffm (Insel Verlag) 8. Aufl. 1996.
Der Blinde
Paris
Sieh, er geht und unterbricht die Stadt,
die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle,
wie ein dunkler Sprung durch eine helle
Tasse geht. Und wie auf einem Blatt
ist auf ihm der Widerschein der Dinge
aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein.
Nur sein Fühlen rührt sich, so als finge
es die Welt in kleinen Wellen ein:
eine Stille, einen Widerstand -,
und dann scheint er wartend wen zu wählen:
hingegeben hebt er seine Hand,
festlich fast, wie um sich zu vermählen.
Rainer Maria Rilke:Die Gedichte. Ffm (Insel Verlag) 8. Aufl. 1996.
Die Erblindende
Sie saß so wie die anderen beim Tee.
Mir war zuerst, als ob sie ihre Tasse
ein wenig anders als die andern fasse.
Sie lächelte einmal. Es tat fast weh.
Und als man schließlich sich erhob und sprach
und langsam und wie es der Zufall brachte
durch viele Zimmer ging (man sprach und lachte),
da sah ich sie. Sie ging den andern nach,
verhalten, so wie eine, welche gleich
wird singen müssen und vor vielen Leuten;
auf ihren hellen Augen die sich freuten
war Licht von außen wie auf einem Teich.
Sie folgte langsam und sie brauchte lang
als wäre etwas noch nicht überstiegen;
und doch: als ob, nach einem Übergang,
sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen.
Rainer Maria Rilke:Die Gedichte. Ffm (Insel Verlag) 8. Aufl. 1996.
Abendlied
Augen, meine lieben Fensterlein,
Gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein:
Einmal werdet ihr verdunkelt sein.
Fallen einst die müden Lider zu,
Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;
Tastend streift sie ab die Wanderschuh,
Legt sich auch in ihre finstre Truh.
Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn,
Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,
Bis sie schwanken und dann auch vergehn,
Wie von eines Falters Flügelwehn.
Doch noch wandl ich auf dem Abendfeld,
Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält
Von dem goldnen Überfluß der Welt.
Keller Gottfried in: Das Buch der Gedichte. Deutsche Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart. Zusammengestellt von Marianne Hochhuth. Gütersloh (Bertelsmann) 1963.
Martin Stewen (2021)
Norbert Riebartsch (2003)
Feri Schermann (1997)