Freunde?
Die sog. sozialen Netzwerke des Internet - das bekannteste ist wohl Facebook - haben zuvor nicht vorhandene Möglichkeiten geschaffen, Beziehungen zu knüpfen. Als Mitglied eines solchen Netzwerkes kann man sich selbst vorstellen, Bilder von sich ins Netz stellen, seine Vorlieben und Interessen bekannt geben, auf Ereignisse aufmerksam machen, sich mit jemand verabreden u.v.a.m. Beliebt sind Listen, auf denen man anzeigen lässt, wen man zu seinen Freunden zählt oder was einem an anderen Profilen (so nennt man die Einträge der Nutzer) gefällt.
Die sozialen Netzwerke werden nicht nur für private Kontakte genutzt. Sie bieten auch die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun oder sogar politisch etwas in Bewegung zu setzen.
Es gibt aber auch Menschen, die sich bewusst aus solchen Netzen heraushalten, obwohl sie die technischen Möglichkeiten dazu besitzen. Es kostet viel Zeit, auf diesem Wege Beziehungen zu pflegen, Anfragen zu beantworten und seinen Freunden die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Vielen sind diese Beziehungen zu oberflächlich. Nicht selten kommt es vor, dass sich Leute als Freunde eintragen lassen, die jemand kaum kennt. Für manche Teilnehmer geht es mehr um die Menge als um die Qualität von Beziehungen. Engere Beziehungen beinhalten naturgemäß auch Persönliches oder Intimes, das nicht jeder der Neugier eventueller Gaffer preisgeben möchte.
Gott kennen lernen
Um das Erkennen, ein sich Kennenlernen geht es Jesus auch im heutigen Evangelium: "Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast".
Doch in welcher Weise kann man Gott kennen, kennen lernen, erkennen? Gott hat kein Facebookprofil.
Es gibt Menschen, die bezeichnen sich als Agnostiker. Spätestens seit Bruno Kreisky kennen die meisten Österreicher diese Weltanschauung. Als Agnostiker bezeichnen sich Menschen, die nicht an Gott glauben, weil sie überzeugt sind, ihn nicht erkennen zu können. Sie können sich nicht vorstellen, dass man mit irgend einer anerkannten Methode verlässliche Erkenntnis über Gott gewinnen kann.
Gott erkennen oder gar beweisen können wir sicher nicht mit den Methoden der Naturwissenschaft. In den Geisteswissenschaften kommt es darauf an, welche Erkenntniswege die jeweilige Wissenschaft gelten lässt.
Wie soll man da Gott erkennen?
Die Bibel hat im Hinblick auf das Erkennen Gottes ihre eigene Sprechweise. Die biblischen Autoren und ihre handelnden Personen setzen die Existenz Gottes normalerweise als selbstverständlich voraus. Das Wort "erkennen" verwenden sie meist im Zusammenhang mit Beziehung. "Einen Menschen erkennen" bedeutet, eine innige Beziehung mit ihm haben, und wird mitunter auch für die sexuelle Gemeinschaft mit einem Menschen gebraucht. Im Vollzug der Sexualität ist sozusagen inbegriffen, dass man erkennt, wer oder wie der Partner seinem Wesen nach ist. Jedenfalls geht es bei solchem Erkennen um mehr als um eine Facebookfreundschaft und um mehr als um ein "den kenne ich auch".
„Ich kenn’ Sie! - Wer sind Sie?“
Der österreichische Kabarettist Wolfgang "Fifi" Pissecker zieht mit einem Kabarettprogramm über seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg durchs Land und hat dafür den Titel gewählt: „Ich kenn’ Sie! – Wer sind Sie?“ Offenbar hat er dabei die Erfahrung gemacht, dass man sein Gesicht erkannte, aber dann doch nicht mehr über ihn wusste.
Wie gut kennen wir jemand, von dem wir meinen, dass wir ihn kennen? Gibt manchmal nicht auch eine vertraute Person Rätsel auf? Man meint, sie oder ihn zu kennen wie kein anderer, und doch ist und bleibt sie oder er immer auch ein Stück fremd. Jemand kennen lernen, erkennen, ist genau genommen ein ganzes Lebensprogramm.
Diese Erfahrung und Überzeugung steht wohl auch dahinter, wenn Jesus sagt: "Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast".
Ein Lebensprogramm
Gott kennen lernen ist ein Lebensprogramm. Allerdings ein sehr lohnendes; behauptet zumindest Jesus: Wer sich auf eine tiefere Beziehung zu Gott einlässt, erfährt, Leben in einer ungeahnten Dichte, "ewiges Leben". Ein Leben, das ähnlich wie das Leben Jesu selbst alle Grenzen, die uns Menschen durch unsere Endlichkeit gesetzt sind, sprengt und überwindet. Es wird zu einem unendlichen Leben nicht nur der zeitlichen Ausdehnung nach, sondern auch in seiner Fülle, volles Leben.
Beispiele solchen Lebens sind das Leben Jesu selbst und die Lebensgeschichten der Heiligen.
Es ist kein Zufall, dass uns dieses Programm nach der Himmelfahrt Jesu und im Hinblick auf die Sendung des Heiligen Geistes vorgestellt wird. Denn diesen Weg muss jeder Mensch selbst gehen. Beziehung in dieser Dichte kann man nur persönlich erleben und nicht als Pauschalerlebnisreise buchen. Jesus bietet uns an, den Heiligen Geist Gottes als Reisebegleiter zu geben. Gehen müssen wir selbst.