Das heutige Evangelium berichtet vom sogenannten "ungläubigen Thomas". Über seine Person, bzw. über seine Lebensdaten wissen wir sehr wenig.
In allen vier Evangelien des Neuen Testaments wird sein Name genannt, und zwar genauer gesagt in den "Apostel-Listen", also der Zusammenstellung, bzw. Nennung der Namen aller Apostel. In den synoptischen Evangelien (Markus, Matthäus und Lukas) steht er neben dem Zöllner Matthäus. In der Apostelgeschichte ist sein Platz neben Philippus. Vor allem aber das vierte Evangelium, das Evangelium nach Johannes, bietet mehr Informationen über ihn.
Weg - Wahrheit - Leben
Auch im Bericht über das "Letzte Abendmahl" wird Thomas erwähnt. Im Wissen um seinen baldigen Tod spricht Jesus davon, dass er gehe, um für die Jünger einen Platz vorzubereiten und, dass diese wüssten, wohin er gehe. Auch hier fällt Thomas auf, indem er meint, dies nicht zu wissen: "Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?". Die Metapher Jesu wird von ihm offensichtlich nicht verstanden und dies veranlasst Jesus zum berühmten Wort "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben."
Mit Jesus gehen - mit Jesus sterben
Ein weiteres Mal begegnet uns Thomas im Johannesevangelium als sich Jesus entschließt, nach Betanien zu gehen und Lazarus von den Toten aufzuerwecken. Hier spricht Thomas zu den anderen Jüngern: "Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben".
Zum Glauben kommen
Der vielleicht wichtigste und bekannteste Abschnitt ist das heutige Sonntagsevangelium. In diesem Text wird geschildert, wie Thomas Zweifel an der Auferstehung des Herrn formuliert und gleichsam einen Beweis dafür fordert. Als er dann acht Tage später die Wundmale sieht, spricht er das Glaubensbekenntnis "Mein Herr und mein Gott!" und kommt zum Glauben an die Auferstehung Jesu Christi. Ob er allerdings, so wie wir es wahrscheinlich vermuten würden und es auch auf vielen historischen Gemälden sehen können, seine Finger wirklich in die Wundmale des Herrn gelegt hat, ist im Neuen Testament nicht überliefert - und angesichts seines Glaubensbekenntnisses letztlich auch nicht mehr nötig.
Denken wir an die Evangelienstellen der vergangenen Tage, so sehen wir, dass der Apostel Thomas mit seinen "Glaubensproblemen und -zweifeln" nicht alleine ist.
Maria von Magdala etwa entdeckt das leere Grab, deutet es aber rein natürlich: der Leichnam ist weggenommen worden. Auch bei Simon Petrus löst das leere Grab kein Glaubensbekenntnis aus und der andere Jünger "sah" und "glaubte" erst dann. Auch Maria vermeint zuerst im auferstandenen Jesus den Gärtner zu erkennen und erfasst noch nicht, was sich ereignet hat. Erst die Anrede durch Jesus öffnet ihre Augen und lässt uns erkennen, dass der Auferstehungsglaube ein Geschenk des Auferstandenen ist.
Als der Auferstandene am ersten Tag der Woche zu den Jüngern kommt, zeigt er ihnen - so wie später auch unserem Apostel Thomas - seine Wundmale. Im Anschluss an das heutige Evangelium schreibt der Evangelist: "Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese sind aber aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen."
In Gesellschaft mit uns
Wenn wir vom ungläubigen Apostel Thomas sprechen, so hat dies in der Tradition zumeist einen schlechten oder gar negativen Beigeschmack. Irgendwie kommt er bei uns "nicht gut weg". Und doch müssen wir sehen, dass es viele unterschiedliche Personen im Evangelium gibt, die nicht so einfach zum Glauben kommen können. Auch für sie ist der Weg dorthin nicht einfach und bedarf der "Gabe zum Glauben" durch den Auferstandenen selbst.
Ich denke, Thomas ist im Evangelium vielleicht nur einer unter vielen, der seinen ganz persönlichen Zugang zum Glauben an die Auferstehung sucht. Aber einer, in dem wir uns wiederfinden können. Wie oft hätten denn nicht auch wir gerne ein Zeichen, das uns für unseren Glauben Gewissheit geben könnte, es uns einfacher machen würde: in Momenten der Trauer, der Enttäuschung, des persönlichen Scheiterns... Und so sind wir doch in guter Gemeinschaft mit Thomas, denn es gibt Mut zu sehen, dass auch er in seinem Glauben wachsen musste und letztlich doch das Glaubensbekenntnis "Mein Herr und mein Gott!" sprechen durfte.