Lesung aus dem Buch Jesaja.
So spricht der Herr:
Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser!
Die ihr kein Geld habt, kommt,
kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld
und ohne Bezahlung Wein und Milch!
Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt,
und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?
Hört auf mich,
dann bekommt ihr das Beste zu essen
und könnt euch laben an fetten Speisen!
Neigt euer Ohr und kommt zu mir,
hört und ihr werdet aufleben!
Ich schließe mit euch einen ewigen Bund:
Die Erweise der Huld für David sind beständig.
Mit Jesaja 55 endet das Buch des zweiten Jesaja. Er hat die Menschen in der Babylonischen Gefangenschaft begleitet. Jerusalem war zerstört. Der Gott der Babylonier, Marduck, schien mächtiger und bedeutender zu sein als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Für die Menschen, die in die Verbannung mussten, war das eine schwere Glaubensprobe
Schon am Anfang seines Buches - in Jesaja 40 - klingt der Trost. Die Wüste wird blühendes Land, es gibt einen geraden Weg für die Erlösten, und die Berge klatschen in die Hände, wenn sie nach Hause zurückkehren.
Der zweite Jesaja spricht Menschen an, die Durst und Hunger haben. Gemeint ist vor allem die Sehnsucht, die bitteren Erfahrungen hinter sich zurücklassen zu können und neu anzufangen. Die Aufforderung des Propheten: kommt. Immer wieder lädt dieses Wort ein aufzubrechen. Ja, das Beste wird vor Augen gestellt - ein opulentes Festmahl. Umsonst, ohne Bezahlung, ohne Gegenleistung.
Der Prophet hat eine Botschaft auszurichten: die Menschen sollen ihr Ohr "neigen", zu Gott "gehen", ihn "hören". Die Verheißung: "dann werdet ihr leben". Der Prophet erinnert an die Geschichte Gottes mit seinem Volk - und verkündigt einen "ewigen Bund". Ein schöneres Bild für "Bund" als ein festliches Mahl findet Jesaja nicht - und bis heute hat dieses Bild nichts von seiner Kraft eingebüßt.
Schon bei Jesaja klingt an, was die Offenbarung nach Johannes neu auslegt: Bei diesem Mahl wird der Tod nicht mehr dabei sein. Jesaja 55 gehört zur Liturgie der Osternacht.
Jes 55 steht am Ende des zweiten Teils des Jesajabuches (Kap. 40-55). Dieser Teil wird üblicherweise Deuterojesaja zugeschrieben. ("Deuterojesaja" ist eine künstliche Bezeichnung für einen einzelnen Propheten oder eine Prophetenschule, dessen Name nicht bekannt ist.) Deuterojesaja schreibt vor dem Hintergrund des babylonischen Exils. Der Perserkönig Kyros, der das neubabylonische Reich zerstören wird, taucht als Hoffnungsgestalt bereits auf. Ein Ende der Exilszeit deutet sich an. Neue Hoffnung auf Rettung entsteht.
Vers 1 greift das Leben auf einem orientalischen Markt auf. Marktschreier preisen lebhaft ihre Waren an, werben um Kunden. Vers 2 weist darauf hin, dass nicht alle Waren ihr Geld wert sind. Gott verspricht seinem Volk köstliche und wirklich nahrhafte Speise. In Vers 3 verheißt Gott einen ewigen Bund und er bezieht sich dabei auf die Huld, die er David erwiesen hat. Zwar knüpft Gott an das davidische Königtum an, aber er stellt ein neues, vom Königtum unabhängiges Bündnis in Aussicht.
Jesaja wirkte von ca. 740 - 701 in Jerusalem und Juda. Seine Botschaft wurde schriftlich fixiert und in einem Schülerkreis überliefert. Die Jesajahandschriften aus Qumran belegen, daß im 2. Jhd. v. Chr. - 1. Jhd. n. Chr. der Umfang des Jesaja-Buches festlag.
Deuterojesaja (Kap. 40-55) erhebt seine Stimme in der Zeit des ausgehenden Exils. Die Hörer, unter denen sich eine resignative und verzweifelte Stimmung ausgebreitet hatte, spüren eine Überlegenheit der Babylonier, ihrer Religion, Kultur, Zivilisation, Wissenschaft und Politik.
Der Glaube an JHWH, den einen Gott, den Schöpfer und Retter soll das Volk ermutigen. Ihm wird Mut zugesprochen, denn Gott vergibt die Sünde, bewirkt die Heimkehr als neuen Exodus (Jes 48,20 - 55,13) und ermöglicht neues Leben. Jesaja erweist sich dabei als "Evangelist" des Ersten (Alten)Testaments.
In der Lesung kommt zur Sprache, wie Gott seinem Volk das Heil schenkt. Im Hören auf ihn (Verse 2b+3) und sein Wort wird ihm das zuteil, was es umsonst, aber nicht vergeblich empfängt. Die Grundbedürfnisse des Menschen werden mit Wasser und Getreide gestillt; in Wein und Milch erfahren die Menschen Freude und Stärkung. All das schenkt Gott den Menschen - bedingungslos, entgegen allen menschlichen Rechnungen, aus Gnade.
Manfred Wussow (2005)
Christiane Herholz (2002)
Gabi Ceric (1996)