Der Evanglientext beschreibt Regeln, die sich für die Mission im Gefolge jesu entwickelt haben. Es beschreibt aber die Aufbruchstimmung des ersten Jahrhunderts und, was damals dadruch möglich wurde. Ein wenig davon täte auch uns heute gut. Auch heute treten Leute auf und fordern in aller Einfachheit Umkehr.
Entdeckerfreude
Ist die Personalabteilung heute hier? Die Personalvertretung? Der Betriebsrat? Ohne Vertrag, ohne Zusatzversorgung, ohne Entgeltabrechnung, ohne Urlaubsregelung, ohne alles – schickt Jesus Jünger los. Heute, immerhin: 72. 72 andere! Wie viele es wohl insgesamt waren?
Schauen wir uns auf die Schnelle einfach mal die Bedingungen an: wie Schafe mitten unter die Wölfe… kein Geld, keine Schuhe, barfuß also… Betteln… Mit dem einfachsten und nötigsten zufrieden sein… Aber, bitte, nicht nach besseren Bedingungen suchen! Und dann die bescheidene Erwartung, dass sich irgendeine Tür schon öffnen wird. Darf ich sagen: eine Tür bei den Wölfen?
Tatsächlich: wir schauen nicht nur in das Herz Jesu, wir sehen, wie in der jungen Kirche seine Jünger in die Welt zogen, in die Dörfer und Städte.
Es gab noch keine Kirchtürme, keine Pfarrämter, keine Caritas-Niederlassungen.
Es gab auch keine Diskussionen über Kirchenschließungen, Kirchensteuern und Strukturwandel.
Es gab auch noch keine Resignation? Keine Mutlosigkeit? Kein Streit? Lukas, warum sagst du nichts dazu!
Aber wir hören doch die Freude – vielleicht sogar den Übermut – der Jünger:
„Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan.“
Das ist doch eine Entdeckung! Auch wenn so viel Staub an den Füßen ist. Wir vertreiben die bösen Geister, die bösen Gedanken, die bösen Erinnerungen.
Ist die Personalabteilung heute hier? Wo kriegen wir solche Leute her?
Jünger unterwegs
Ich könnte jetzt etwas erzählen. Vom sogenannten „Wanderradikalismus“ in der frühen Jesusbewegung. Von den Anfängen der Mission. Von den einfachen Anfängen der Kirche. Aber die historischen Erinnerungen tragen uns nicht wirklich weit. Spannender ist es, in den alten Worten etwas von dem zu entdecken, was uns beseelt und glücklich macht, was uns anfeuert und begeistert.
Im Evangelium hören wir:
„Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe!“
Die Jünger, die Jesus aussendet – Entschuldigung, wir kennen nicht einen Namen von ihnen – haben Anteil an dem, was Jesus tut, was Jesus sagt. Sie sind, ein wenig hochtrabend, Teil seiner Sendung. Alleine kann Jesus sein Werk nicht verrichten. Er braucht Menschen, er sucht Menschen, die heilen und Gottes Reich in seiner Schönheit und Weite vor den Augen der Menschen entfalten. Vielleicht sogar sichtbar machen.
Dann sind die Tellerränder auf einmal keine Grenzen, die Kirchtürme auch nicht – und Gott ist mitten unter uns.
In dem Wort „heilen“ ist eine ganze Welt, nein, die neue Welt versteckt. Was zerrissen ist, schmerzt, weh tut – lässt sich heilen. Was Menschen trennt, gegeneinander aufbringt, Tage und Stunden zur Hölle macht – lässt sich heilen. Was Gesellschaften und Kulturen zerreißt, was mit Hass und Häme Gehör erzwingt, was Angst machen will – lässt sich heilen.
Die Jünger Jesu sind unterwegs. Sie bringen den Frieden. Frieden ist nur ein anderes Wort für geheiltes Leben. Was zerbrochen ist, wird ganz… was auseinanderfällt, findet zusammen… was verloren gegeben wird, findet sich wieder. Es muss jetzt gesagt werden: Jesus ist unterwegs. In jedem Jünger, in jeder Jüngerin. Das ist ein großer Anfang: „In jener Zeit suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte.“
Zu zweit und ganz einfach
Aber wenn wir schon einmal dabei sind, das Geflecht der Worte ein wenig aufzudecken, dann wächst uns auch die Entdeckung zu, nicht alleine zu sein – und es auch nicht alleine zu versuchen. Zu zweit ist zwar nicht gerade viel, aber ein Anfang: Wenn 2 Menschen sich aufmachen, sind sie stark. Sie können sich buchstäblich tragen, festhalten – trösten, ermutigen –oder auch die Wunden lecken, über ihre Schwächen reden, ihre Ängste teilen. Zu zweit ist schon so viel, dass die Hoffnung auf mehr wächst, geradezu eine ganze Welt aufschließt.
Einzelkämpfer haben es schwer. Sie müssen sich nicht nur durchbeißen, sie wollen gelegentlich auch alleine mit dem Kopf durch die Wand. Sie ernten die Misserfolge alleine – und selbst der Erfolg macht sie einsam. Jesus wusste, warum er die Jünger zu zweit aussandte – und davon ausgehen konnte, dass sich die Zahl 2 immer weiter multiplizieren lässt: 4, 8, 16, 32 – wollte ihr weiter rechnen?
Doch, das kommt mir dann auch in den Sinn: Alleine könnte ein Mensch sich auch auf ganz bescheidene Lebensverhältnisse einlassen. Es gibt Heilige und solche, die es – leider – nie werden konnten, die alleine aufbrachen, in die Wüste gingen, die Entbehrungen auf sich nahmen, die ganz für Gott lebten. Die sich hingebungsvoll um kranke Menschen kümmerten, verwahrlosten Kindern ein Zuhause gaben oder schon sehr führ auch für Indianer Menschenrechte einforderten. Einige von ihnen wurden zu Lebzeiten als Seelsorger und Berater aufgesucht, nach ihrem Tod als Vorbilder und Fürsprecher verehrt. Vergangenheit? Die Form stimmt nicht! Ich muss mich sofort korrigieren! Bis heute gibt es viele Menschen, die mit dem Wohlstand, der längst auch zu einem Gefängnis verkommen ist, nicht mehr klarkommen, Menschen, die nach einem einfachen Lebensstil suchen. Nach einem anderen Lebensmodell. Besonders heute geht uns auf, dass Geld und Besitz trennen, dass die soziale Ungleichheit immer weiter wächst, dass viele Menschen Angst vor der Zukunft haben. Und das – im Wohlstand! Ich weiß von anderen Bedingungen.
Jesus sendet seine Jünger aus. Zu zweit. Sie teilen ein einfaches Leben. Sie vertrauen auf Türen, die sich öffnen. Sie bringen den Frieden. Tatsächlich: die bösen Geister ziehen aus. Nein, sie müssen ihre Plätze räumen. Plätze, die ihnen einmal eingeräumt worden waren. Plätze, die man ihnen sogar zugewiesen hatte.
„Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können.“
So einfach ist das! Zumindest, wenn man Jesus beim Wort nimmt. Das passt zu dem einfachen Lebensstil, der unverhofft die Welt so reich macht, dass den Dingen hören und sehen vergeht.
Gesichter
Kia Vahland hat am 1. Juli in der Süddeutschen Zeitung einen Kommentar zu ganz aktuellen Entwicklungen geschrieben:
„Erst Greta Thunberg, die Klimaretterin, jetzt Carola Rackete, die Menschenretterin: Junge, so idealistische wie tatkräftige Frauen betreten die Bühne des Weltgeschehens, und sie werden für ihre Entschiedenheit von den einen gehasst, von den anderen verehrt…
Die Herzen und Köpfe erobern betont vernünftig auftretende junge Frauen, die den Regierenden Europas höflich, aber sehr bestimmt erklären, dass sie sich an ihre eigenen Aussagen zu halten haben - Klimaziele sind umzusetzen, Menschenrechte sind zu respektieren. Gewaltanwendung liegt ihnen fern; Rackete entschuldigte sich sogleich dafür, das Polizeiboot touchiert zu haben…
Es wird nicht reichen, der deutschen Kapitänin, der schwedischen Schülerin vorne auf der Bühne zu applaudieren. Es genügt nicht, wenn zwei zeigen, wie ein richtiges Leben im falschen gelingen mag. Das ist eine haltlose Überforderung. Die neuen Heldinnen müssen statt Projektionsfiguren Menschen sein dürfen, und die anderen Menschen auch ein bisschen Helden.“
(SZ 01.07.2019)
Gesucht wird …
Ein bisschen Helden? Wir suchen sie heute. Tatsächlich: wir schauen nicht nur in das Herz Jesu, wir sehen, wie Jesu Jünger in die Welt ziehen, in die Dörfer und Städte, in die Häfen, Slums und Flüchtlingslager, auf die Straßen und Plätze.
Es gibt so schöne Kirchtürme, offene Pfarrämter und die Caritas ist auch da.
Es gibt Diskussionen über Kirchenschließungen, Kirchensteuern und Strukturwandel.
Es gibt Resignation, Mutlosigkeit und Streit.
Aber wir hören die Freude – gar den Übermut – der Jünger: „Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan.“ Das ist doch eine Entdeckung! Auch wenn so viel Staub an den Füßen ist. Wir vertreiben die bösen Geister, die bösen Gedanken, die bösen Erinnerungen.
Ist die Personalabteilung heute hier? Wir finden die Leute!
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Karl Gravogl (1998)