Vor etwa zwanzig Jahren fuhr ich mit einigen Freunden in die Wüste Sahara. Da man bei solchen Unternehmungen nicht sicher ist, wie sie ausgehen, habe ich vorher noch ein Testament gemacht. Für ein Testament ist zu überlegen, was im Fall des Todes mit dem angehäuften Mammon geschehen soll. Es stellt sich dabei aber auch die Frage, auf welchen Nenner ich mein Leben eigentlich bringen will, was tatsächlich im Angesicht des Todes wichtig geworden ist, was letztlich im Schmelztiegel des Sterbens noch Bestand hat. Was ist nämlich das Typische meines Lebens? Was möchte ich weitergeben und verschenken? Worin kann mein Leben zur Gabe werden? Was ist mein letzter Wille? Welche Texte der Heiligen Schrift sollen bei meinem Begräbnis verkündet werden? Welches Wort soll auf der Todesanzeige stehen? Jesus hat uns am Abend vor seinem Tod seinen letzten Willen kundgetan: "Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe (Joh 13,14)
Es gibt Handlungen im menschlichen Leben, die oberflächlich erledigt werden. Manche Geschäfte erschöpfen sich im augenblicklichen Vorgang. Es gibt aber auch Zeichen, Worte und Taten, von denen wir überzeugt sind: Diese sind mir ganz wichtig, da ist alles zusammengefasst, was mir bedeutsam ist, da stecke ich ganz drinnen, an dieser Geste bin ich selber zu erkennen. Das kann ein bestimmtes Wort sein, ein Händedruck, eine Geste, ein Kuss, eine Umarmung, ein Symbol. Jesus hat uns ein solches Zeichen geschenkt, das ganz typisch ist für ihn, ein Zeichen, das sein ganzes Leben symbolisch zusammenfasst und in dem er ganz drinnen steckt. "Und sie erkannten ihn, als er das Brot brach" (Lk 24,35).
Von Pfarrern, Politikern und Wirtschaftsmanagern heißt es, dass sie sich gerne Denkmäler setzen. Waren es früher Triumphbögen oder Paläste, so sind es heute eher Straßen, Brücken und soziale Einrichtungen. Wichtig ist die Gedenktafel, deren Inschrift kommende Generationen an die großen Namen erinnern soll. Jesus hat uns ein solches Denkmal hinterlassen, eine Geste, mit der er über die Zeiten hinweg überliefert werden wollte. Die Eucharistie und die Fußwaschung sind Tradition im ursprünglichen Sinn Jesu. Sie sind die Weise, mit der das Gedächtnis an Jesus lebendig erhalten werden soll.
Jesus nahm Brot
Es gab Zeiten, in denen bei uns das Brot heilig war. Bevor ein Laib Brot angeschnitten wurde, wurde er gesegnet. Brot galt als Gabe Gottes, von der nichts verlorengehen durfte. Heute ist das Brot ein Wegwerfprodukt. Es landet - nicht bloß in den Schulen - in den Abfallkübeln. Millionen Tonnen Weizen werden ins Meer geschüttet. "Das Brot und das Wort sind Kleingeld geworden. Wir beten um tägliche Abfallkübel" (Christine Busta). Verloren ist der ehrfürchtige und aufmerksame Umgang mit Brot. Da nützt auch die sympathische Werbung für "das Körberl" nicht viel. Die Heiligkeit des Brotes ist auch nicht durch Bilder von hungernden Kindern in der Dritten Welt wiederzugewinnen, die uns ein schlechtes Gewissen einreden.
Was bedeutet Brot als sakramentales Zeichen? Das Brot ist transparent auf die Erde hin, wie es im Gabengebet der Eucharistie heißt: "Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde ...", auf den Humus hin. Im Brot steckt die ganze Mühe, der Schweiß der menschlichen Arbeit. Das Brot nimmt die glanzlose Alltäglichkeit mit hinein, in der es nichts Besonderes, keine Aktion, keine Show, keine Unterhaltung gibt.
Brot ist transparent auf das Du, auf das tägliche Miteinander hin. Das ist schon von den Arbeitsgängen her so. Arbeit muss ja nicht isolieren, sie kann auch eng miteinander verbinden. Ausdrücklich wird das Miteinander im gemeinsamen Essen, im Mahl. Es wäre schlimm, wenn wir "Eigenbrötler" würden.
Wenn Jesus dieses Brot zum Sakrament macht, so will er damit sagen: Ihr selbst, euer Leben, eure Arbeit, eure Gemeinschaft sollen zum Leib Christi werden. "Empfangt, was ihr seid, Leib Christi. Werdet, was ihr empfangt, Leib Christi", wie der Hl. Augustinus beschreibt. Heilige Messe und Leben sind nicht zwei Paar Schuhe. Wenn manchmal zu hören ist: Die Messe hat mir nichts zu sagen, die Eucharistie gibt mir nichts, oder wenn manche meinen, die Messe hätte nichts mit dem Leben zu tun, so kann das auch daran liegen, dass das Leben verkehrt, verblendet und entfremdet ist. In der Eucharistie wird gebündelt, was im Leben wichtig ist, ja, wie Leben gelingen kann.
Jesus nahm den Kelch mit Wein
"Das ist der Kelch des Neuen und Ewigen Bundes", heißt es dann im Hochgebet. Im Bund steckt die Verbindung, das Sich-Binden, die Verbindlichkeit. Das passt nicht zum Kult der Unverbindlichkeit, die alle Möglichkeiten offenhalten will. - Jesus ist das Ja Gottes in letzter, nicht mehr zurücknehmbarer Verbindlichkeit. Wenn er dieses Ja Gottes im Angesicht des Todes spricht und lebt, so ist es nicht mehr zerstörbar. Von Jesus her hat Gott nicht zwei Seiten: ein lächelndes, liebes und ein grausames Gesicht. Gott hat keinen Januskopf, er ist keine Chimäre. Im Kelch wird diese Treue der Liebe und des Bundes Gottes mit uns Menschen deutlich. Jedes Mal wieder.
Für euch ...
In den Wandlungsworten steckt das bedeutungsschwere Wort: "Für euch". Früher hat man dafür die Worte Stellvertretung und Sühne verwendet. Stellvertretung heißt bei der Eucharistie nicht, dass es da die billige Gnade ohne den Preis der Umkehr gäbe und wir uns die Wandlung, die Umkehr ersparen könnten. Im Gegenteil!
Stellvertretung heißt bei der Fußwaschung nicht, dass wir uns einen Vertreter, einen Ersatzmann suchen und uns so den Dienst, das Beugen auf den Boden, das Einatmen des Fußgeruches ersparen könnten. Im Gegenteil!
Jesus hat bei der Eucharistie und bei der Fußwaschung als Einzelner getan, was auf alle übergehen soll. Er will durch sein Tun die Freiheit des Dienstes und der Hingabe in uns freisetzen.
Christen müssen zu Stellvertretern werden, die die Stelle im Leben, in der Gesellschaft freihalten, die allein Gott gebührt. Christen müssen zu Stellvertretern werden auch in der Caritas, sie müssen den Platz für die Würde des Menschen freihalten, für den Armen, den Behinderten, den Fremden, gerade auch dann, wenn es heißt, dass das Boot -mit Ramsch! - voll ist. Stellvertretung üben heißt, dort Freiräume der Liebe zu schaffen, wo die Freiheit mit Füßen getreten wird. Jesus hat das "Für euch" gerade in einer Situation des Nicht-Verstehens, der Ablehnung und der Gleichgültigkeit gelebt, er hat es gratis, umsonst getan. An ihm konnte sich die Sünde totlaufen, er litt die Konsequenzen der Schuld aus.
Jesus hat uns seinen letzten Willen hinterlassen, er hat uns sein Testament gegeben. "Tut dies zu meinem Gedächtnis", sagte er, "damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe" (vgl. I Kor 11,24f bzw. Joh 13,15).
Aus: Franz Kamphaus, Hinter Jesus her. Anstöße zur Nachfolge. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2010.