Aufmerksame Hörer
Johannes hat doch sehr aufmerksamer Zuhörer! Eine tolle Szene. Mit Zöllnern und Soldaten - und mit ganz vielen Menschen. Mit Zöllnern und Soldaten hätten die normalerweise nichts zu tun haben wollen, auch nicht gemeinsam gesehen werden, aber wir sehen sie treu vereint - einem Mann lauschen. Dabei ist es nur - eine Predigt am Jordan. Johannes ruft zur Umkehr: Das Reich Gottes ist nahe! Kehrt um! Man hört noch Jahrhunderte später die Frage durch die Reihen gehen: Was sollen wir jetzt tun? Aber das muss gar nicht mal so ratlos sein, wie es sich anhört - ein großer Aufbruch kündigt sich an. Mit einem geschenkten Mantel, mit geteiltem Brot. Große Aufbrüche brauchen keine großen Worte. Große Aufbrüche kommen klein daher. Große Aufbrüche aber reichen - weit.
Wer den Aufbruch wagt, lässt sich taufen. Johannes tauft viele Menschen, die von weit her in die Öde gezogen sind, um ihn zu hören. Ich bin ganz fasziniert: Ich sehe Menschen, die sich danach sehnen, umzukehren, noch einmal neu anzufangen und alte Wege hinter sich zu lassen. Denen dann auch kein Weg zu weit ist. Sie nehmen Johannes ein Wort nach dem anderen ab. Der Evangelist fasst das alles schön zusammen: "Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er - Johannes - das Volk in seiner Predigt".
Zwischentöne
Ihr habt es gemerkt, wenn nicht schon geahnt: wir werden heute in eine Bußpredigt hineingezogen, die vor langer Zeit einmal Menschen anzog und antrieb. Johannes kam gut an. Kein schlechtes Zeichen für eine Bußpredigt, die doch sonst eher auf Ablehnung und Verdruss stößt als auf Freude und Sehnsucht. Dabei ist der große Wunsch, die Welt möge nicht bleiben wie sie ist, unter uns lebendig geblieben. Sogar der Wunsch, die Menschen mögen nicht so bleiben wie sie sind. Sogar der Wunsch, ich müsse nicht so bleiben wie ich bin.
Ich könnte die Themen einfach so zusammenstellen. Lange suchen müsste ich nicht. Nichts, was nicht in der Zeitung stünde oder heute Abend im Fernsehen käme. Wir nehmen tatsächlich angesichts vieler und großer Herausforderungen die Frage wahr, was wir denn tun können: um die Schöpfung zu bewahren, den Hunger auszurotten und Frieden zu stiften. Der "Klimawandel" steht weltweit auf der Tagesordnung und macht in vielen Regionen, auf Inseln und an Küsten große Angst. Zur "Umkehr" rufen viele. Aber so viele Interessen stehen gegen einander. Von der Finanzkrise will ich jetzt nicht schon wieder anfangen. Wir konnten zusehen, wie aus Schuld Schulden wurden. Die, die die Worte prägen, nennen das zwar anders, können aber keine Hoffnung geben. Während Schuld vergeben werden kann, müssen Schulden getilgt werden. Ein Teufelskreislauf, der geradezu nach "Umkehr" ruft.
Johannes muss wohl so überzeugend gewesen sein, dass die Menschen sogar die Frage stellen, ob er womöglich der Messias ist - es ist, als ob die Erwartung in der Luft liegt. Ihr wisst: Messias, das ist der langerwartete, von Gott gesalbte Heilbringer, ein König der anderen Art. Von ihm singen wir bis zum heutigen Tag.
Aber Johannes ist es nicht. Johannes verweist auf den anderen, der kommt - und versteht sich nur als Vorbote, als Herold sozusagen. Nur: Jetzt ist es heraus, jetzt kann erzählt werden, jetzt ist das neue Thema in der Welt: "Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen".
Gaudete
Das ist eine Perspektive! Eine Bußpredigt ohne Perspektive macht Angst, macht klein, macht ratlos. Von dieser Sorte Bußpredigt haben wir, ehrlich gesagt, nicht viel, vielleicht sogar die Nase voll. Was eine Bußpredigt aber krönt, ist die Hoffnung, die Zuversicht, die Vorfreude. Johannes hat Zöllnern und Soldaten zugetraut, anders zu werden, er hat den vielen Menschen, die zu ihm an den Jordan gepilgert waren, zugetraut, ihr Leben mit anderen Menschen zu teilen, er hat dann auf Gottes Kommen selbst verwiesen - so, als stünde er jetzt schon vor der Tür. Kehrt um!
Heute am dritten Advent sind wir in der vorweihnachtlichen Bußzeit. Die meisten Menschen haben das vergessen oder nie richtig kennengelernt. Die Frage, wo denn der schönste Weihnachtsmarkt ist, hat sich über die andere gelegt: Was können wir denn jetzt tun? So schön die Lichter sind, die unsere Straßen und Märkte zieren: um es in der Welt hell werden zu lassen, brauchen wir andere Lichter - und die haben ganz viel mit Umkehr, mit Neuanfang, mit geteiltem Leben zu tun.
Entschuldigung, ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wie dieser Sonntag heißt. Dritter Advent, ja, aber er hat einen besonderen Namen: Gaudete! Freuet euch! Schon das Wort klingt nach Jubel. Man kann es sich auf der Zunge zergehen lassen. Gaudete!
In der ersten Lesung dieses Tages heißt es:
"Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt. Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag."
Und Paulus schreibt aus dem Gefängnis an seine "Lieblingsgemeinde" in Philippi:
"Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe."
Erst dachte ich: die Texte passen überhaupt nicht zusammen. Zwei so schöne Texte, die zur Freude aufrufen - und dann die Bußpredigt des Johannes. Wohl keine glückliche Hand gehabt, als ihr - wer immer das auch ist - diese Auswahl getroffen habt. Aber das war sehr klein gedacht. Wenn wir das Evangelium von der großen Freude her lesen, die sich in dieser Bußpredigt findet, geht uns tatsächlich ein Licht auf. Weil Gott kommt - auf seine Art und Weise - bleibt die Welt nicht, wie sie ist. Auch die Menschen nicht. Ich auch nicht.
Schade, ich wäre auch gerne zu Johannes hinaus gepilgert. Ich hätte Sie auch gerne mitgenommen. Der hat was zu sagen! Besser als er kann ich es nicht. Wenn ich von Buße rede, kleben mir die Worte im Mund - aber so bekommen sie Flügel.
"Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen."
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt,
wird eure Herzen und eure Gedanken
in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren. – Amen.